Sonntag, 27. Dezember 2009

Kreisklassenhölle

So, nachdem das Jahr fast überstanden ist, wird es mal wieder Zeit für Werbung in eigener Sache:

nach einem Jahr Book On Demand erscheint nun endlich mein Debütroman "Katharsis I- Kreisklassenhölle" dieser Tage bei einem regulären Verlag, und zwar dem gONZo- Verlag in Mainz:

http://gonzoverlag.wordpress.com/

Wer das Buch bereits kennt: es hat ein paar kleine Veränderungen am Cover gegeben, wieder von Mychael Gerstenberger ausgeführt, um das Buch dem Verlagskonzept anzupassen, will heißen: anderer Schriftsatz auf dem Umschlag sowie neuer Klappentext, ansonsten blieb die Grundstruktur erhalten.

Für diejenigen, die das Buch noch nicht kennen, hier zwei Rezensionen, einmal von Klaus N. Frick:

http://www.perry-rhodan.net/aktuell/empfehlungen/2009051101.html

und eine von Felix Mescoli:

http://www.inkamagazin.de/wissen-buch/artikel/hoellisch.html

Ansonsten wäre noch hinzuzufügen, daß der Roman natürlich jetzt etwas billiger wird (voraussichtlicher Preis: 12.95 Euro)und bei Interesse im Buchladen eures Vertrauens
erhältlich (im besten Fall) bzw. zu bestellen sein wird.

Da das Ganze Teil einer konzeptionell zusammenhängenden Trilogie sein soll (in der aber jeder Teil für sich abgeschlossen sein wird), ist "Katharsis II" gerade in Arbeit und soll nächstes Jahr fertig sein.
Ich kann bis jetzt nur soviel sagen: wer "Kreisklassenhölle" kennt, wird überrascht sein, denn es wird damit nicht mehr viel zu tun haben.

Wie gehabt gilt: Meinungen und Kritiken zum Buch gerne hier in den Blog.

*edit*

Hier noch die Adresse der Verlagshomepage samt der Vorstellung meines Ouevres:

http://gonzoverlag.wordpress.com/category/bucher/

Irgendwie schaffe ich es nicht, hier funktionierende Links einzustellen.

Samstag, 26. Dezember 2009

Geburtenüberschuß

Was gerade so auffällt, wenn man gemütlich in nichtweihnachtlicher Stimmung vor sich hindämmert und eigentlich dem Altruismus, wenn nicht zumindest der Menschenliebe frönen sollte: selbiges ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Es reicht schon, nach einem arbeitsreichen Tag mit dem Gedanken an das wohlverdiente Feierabendbier in der Spelunke seines Vertrauens eine Bahn zu besteigen, die sich am ZKM schlagartig füllt, und zwar mit BWL- Erstsemestern, die große Party machen, blöd auf- und abhüpfen und wie im Fußballstadion Anti- Informatikergesänge anstimmen.
Vertraut man dann seiner Wahrnehmung, daß diejenigen, die sich da am selbstdarstellerischsten hervortun, die geradezu frappantesten Arschgesichter von dem eigentlich bemitleidenswerten Schlag sind, der im Gymnasium keine Freunde hatte und wahrscheinlich noch in der 12. im Sportunterricht vor versammelter Mannschaft die Hosen runtergezogen bekam, dann weiß man auch, was dieser "INFOS RAUS"- Quatsch soll: endlich einmal die verhärmte Existenz mit sowas wie Sinn zu füllen, bevor es ans Geldverdienen geht, und die Kampf- und Partysau rauszuhängen.
Ein unschlagbarer Beweis für die eigentlich haltlose These, daß ständiges Onanieren scheinbar doch irgendwann zur Hirnerweichung führt.

Nichtsdestotrotz: ob ein Großteil der Wintersportler, die nun wieder "seisonal" (F. Beckenbauer)bedingt ihren Kopf zum Fernseher rausstrecken dürfen, ständig am Onanieren ist, weiß ich nicht.
Zumindest gibt es in dieser Gegend ja viele Huftiere. Das scheint der geistigen Gesundheit auch nicht gerade zuträglich zu sein, wenn man sich manche Interviews in einem Deutsch, gegen das mein dialektgefärbtes Geseiere fast noch akademisch klingt, anhört sowie den Stuß, den der eine oder andere zumeist ins Mikrophon keucht, schnaubt oder schreit, als wüßte er nicht, daß diese Plüschbanane, die man ihm gerade vor die Holzknechtsrübe hält, die Töne lauter macht.
Meistens kann man zwischen den Zeilen folgendes heraushören:
a) ich wohne in irgendeinem bayerischen Saukaff
b) mein Leben spielt sich zwischen Herrgottswinkel, Almabtrieb, Bundeswehr und CSU ab
c) einmal im Jahr läßt man mich raus, aber nur zum Skifahren.

So vergeht nun also Weihnachten, der Gottessohn ist mal wieder geboren, um pünktlich im Frühjahr wieder ans Kreuz geschlagen zu werden, und man selbst will und will einfach keine allumfassende Wärme ins Herz lassen.
Aber da ich eh kein Weihnachten feiere, muß ich das auch nicht... und da es schon ziemlich auf dem letzten Loch pfeift, spare ich mir auch die guten Wünsche diesbezüglich.

Wünsche trotzdem meinen Lesern ein schönes 2010. Schalten Sie auch nächstes Jahr wieder ein, wenn Sie King Bronkowitz sagen hören:

"Unsere heutige Sendung behandelt eine seltene Phobie, die Menschen in Panik versetzt. Es geht darum, Angst davor zu haben, sich im Lauf der Jahre in irgendwas zu verwandeln, was Lionel Richie ähnlich sieht."

Samstag, 19. Dezember 2009

Bohren und der Club Of Gore, 18.12.2009, Karlsruhe, Stadtmitte

Vor keinem Konzertbesuch bisher habe ich so lange gezögert.
Bohren und der Club Of Gore. Großartige Band, aber auf Platte höchstens 30 Minuten am Stück zu ertragen, bevor die Totenstarre einsetzt. Aber live? Möglicherweise 90 Minuten?

Es schneite wild und es war dunkel, als ich mich auf den Weg zum Club Stadtmitte machte, ein imposantes Gebäude mit einem hohen, illuminierten Glockenturm, welches früher die Hauptpost beherbergte.
Das klingt für Bohren schon nach idealen Grundvoraussetzungen... daß der Laden mittlerweile eine gruslige After- Work- Klitsche für Besserverdienende samt Videoleinwand ist, auf der irgendwelche Nepalesen herumhüpfen und ruandische Bauern Zebus durchs Bild führen, während dazu schwerstens erträgliche Scheißmusik läuft, schon weniger.
Nun denn... Bohren im völlig verdunkelten Hinterraum, der erstaunlich gut gefüllt war und keinerlei Sitzgelegenheit außer dem Fußboden aufwies.
Das sah nach harter Prüfung aus.
Dann ging es los.
Es waberte Trockeneisnebel, die Band war auf der lediglich von drei schwachen Strahlern illuminierten Bühne bestenfalls schemenhaft auszumachen (ab und zu fiel der Lichtkegel auf ein Stück Glatze, den Hals des Basses oder den unteren Teil des Saxophons) und spielte ihren unfaßbar langsamen, düsteren Zeitlupenjazz konstant mit ca. 20 bpm (nur gegen Ende gab es genau ein etwas "flotteres" Stück, das dann bei ca. 30 bpm lag).
Und... es funktionierte, tatsächliche 90 Minuten lang.
Der Sound war glasklar... die Baßdrum rührte in den Eingeweiden, das Saxophon ließ einem bei seinen Einsätzen mit Tönen, die aus der Tiefe des Raums zu kommen schienen, um dann bis an die Schmerzgrenze anzuschwellen, fast das Gehirn aus den Ohren laufen, alles spielte sich ohne Unterbrechung im Dreivierteldunkel ab und entwickelte- wenn man sich darauf einließ- eine unglaubliche Sogwirkung, die einen Zustand zwischen Meditation und Katatonie auslöste.
Demzufolge kam es zu diversen Ausfällen im Publikum... manche Leute gingen, manche setzten sich irgendwann auf den Boden, man selbst stand einfach da und starrte preß auf die Bühne, bemüht, alle äußeren Einflüsse weitgehend auszublenden, obwohl ich für Kommentare meines Kumpels René in der Art von "Hey, guggemol die zwää newe mir, die wollen's gar nimmi wisse, die sterwen gleich" recht dankbar war, und, bizarr genug, die Ansagen zwischen den Stücken durchaus was Helge- Schneidereskes hatten, was die Atmosphäre immer wieder auflockerte
("Unser nächstes Stück ist ein Protestsong gegen Mütter, die ihre Kinder in viel zu großen Autos zum Fußballtraining fahren").
Am Ende gab es natürlich "Midnight Black Earth", bevor man- selbst irgendwie stolz auf sich, tatsächlich das ganze Konzert durchgestanden und es sogar großartig gefunden zu haben- wieder in die Nacht hinausstolperte.
Es war bitterkalt, windig und schneite. Bohrenwetter.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Der Notenexpreß

Auf den Bratwurst- mit- Sauerkraut- Sender SWR 4 einzuprügeln, mit dem ich berufsbedingt folternderweise tagein und tagaus über Deckenlautsprecher vollgedudelt werde, wäre eine dankbare und abendfüllende Freizeitbeschäftigung.
Erstaunlich ist nur, wie weitgehend schmerzresistent man bei dieser Dauerbeschallung wird; da die Redaktion scheinbar über einen Laptop verfügt, auf dem ca. 75 Lieder Platz finden, die seit Wochen bis zum schieren Hirnriß hoch- und runtergenudelt werden, weiß man sogar schon im voraus, was einem den Tag über zugemutet wird und begrüßt den einen oder anderen Song bereits wie einen alten Kumpel.
Manchmal läuft sogar gediegene englischsprachige Musik, entweder bis zum Erbrechen (ABBA), durch letztendlich verdiente Verbannung einzelner Songs aus Popsendern (Gazebo) oder "Scheiße, das hat er nun wirklich nicht verdient" (Johnny Cash).
Spätestens seit Oliver Kalkofe ist es reichlich müßig, mit der Panzerfaust auf Ziele zu schießen, die nicht einmal ein Blinder auch nur eine Handbreit verfehlen würde.
Aber die eine oder andere Feststellung sei doch getroffen: daß die Flippers mit ihren aktuellen Texten durch offensichtlich fortschreitende senile Demenz mittlerweile einen erstaunlichen- wenn auch so nicht beabsichtigten- Unterhaltungswert haben, der sie einem fast wieder sympathisch macht ("Wenn der Käpten auf den Tresen springt/ und 'La Paloma' singt/ ist für jeden eine süße Braut dabei" [Stern der Südsee]), auch weil es die Frage aufwirft, ob die das tatsächlich noch ernst meinen; daß es Lieder gibt, die sogar in diesem Geschmadder und Geschmeiß aus Rumpeldeutsch und am Reißbrett zusammengeklebten Drecksreimen noch weit nach unten herausragen.
Ein Beispiel: ein Werk mit dem Refrain "Das mit dir/ist unwahrscheinlich tief/ ist stark und intensiv...", was in der Strophe natürlich genauer definiert wird: "Wir haben bei Romeo und Julia geweint/ und bei Stan und Ollie gelacht". Wenn solche tiefgreifenden Lebenserfahrungen zwei geradezu exkrementelle Existenzen nicht zusammenschweißen bis dereinst die Posaunen ertönen, weiß ich auch nicht.
Höhepunkt des Songs ist übrigens ein mit Anlauf eingesprungenes "Yeah, Baby", wahrscheinlich auf ein verabredetes Zeichen des Hausmeisters im Tonstudio dermaßen unspontan herausgewürgt, daß es an den unfreiwilligen Samenerguß eines Pfadfinders gemahnt, der zum ersten Mal in seinem Leben die US- Ausgabe des HUSTLER zu Gesicht bekommt.
Und zuguterletzt: daß man nahezu täglich die Miß- Piggy- Stimme einer ehemaligen Kommilitonin Regionalnachrichten verlesen hört, als stete Erinnerung daran, welch großartige Idee es war, vor Jahren das Journalismusstudium abzubrechen, auch aus berechtigter Angst davor, irgendwann ebenda zu landen.
Wenn ich gerade dabei bin, dann darf ich mir sicher was wünschen, oder?
Bitte "Rufe Teddybär Eins- Vier" von Jonny Hill auf "Heavy Rotation" setzen. Es würde mir so manchen Tag retten.
Danke im voraus.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Sonne- Molken- Wix

Gehört hab ich es zum ersten Mal in einem Berliner Radiosender. Eingedenk der Flapsigkeit, die Berlinern bundesweit nachgesagt wird, hatte ich es schnell vergessen.
Nun taucht er auch hier ständig auf, wie ein Popanz steigt er gar aus seriösen Sendungen ernstzunehmender Rundfunkanstalten:
Wettervorhersagen lassen einen "Sonne- Wolken- Mix" erwarten.
Nein, es ist nicht wechselhaft bewölkt, noch schaut die Sonne ab und zu heraus, es gibt einen "Sonne- Wolken- Mix".
Stellt sich die Frage:
Wer sitzt irgendwo und wird dafür bezahlt, sogar altgediente Phrasen zu einer Art retardiertem Schimpansendeutsch zurechtzustutzen, wer übernimmt derartigen Stuß kritiklos, die dräuende Volksverblödung schnellstmöglich voranzutreiben, wer nimmt derartiges zur Kenntnis, ohne betreffende Personen zumindest mal zur Raison zu rufen?
Eine Phalanx der Dummheit macht sich da breit, mittlerweile sogar dort, wo wir sie noch dazu mit unseren Steuergeldern finanzieren.
"Washington- Der Ami- Präsident Obama meinte heute, Guantanamo wäre nicht cool, und es wäre mal angesagt, den Laden dichtzumachen, bevor es Streß gibt."
Nun denn.

Dienstag, 8. Dezember 2009

Selbstdemontage

Wenn jemand ein halbes Leserleben lang- ja, es muß irgendwann kurz nach meinem 18. Geburtstag gewesen sein, daß ich auf ihn stieß- für so gut wie alles stand, was einen Schriftsteller auszeichnen sollte:
eine eigene Meinung zu haben, selbst wenn sie andere vor den Kopf stößt, einem das Gefühl zu geben, da ist jemand, von dem dich zwar in sämtlicher Hinsicht Welten trennen, der aber trotzdem ein Vorbild im Kampf gegen jegliche Form der Vereinnahmung- sei es in politischer, zeitgeistlicher oder sprachlicher Form- darstellt, der prinzipiell die Annahme von Literaturpreisen ablehnte, scheinbar um sich nicht einzureihen in den Reigen derjenigen, die von den Dümmsten und Allerdümmsten hofiert werden;
wenn so jemand im Spätherbst seines Lebens in raschen Schritten eine Dummheit nach der anderen begeht und dies in mittlerweile reichlich mißverstandenem Renegatentum wahrscheinlich immer noch für den Beweis der Unbestechlichkeit seiner eigenen Meinung hält... dann hätte man sich das Miterleben einer solchen Selbstdemontage gerne erspart.
Stattdessen werden grausliche Literaturpreise auf verschmockten Veranstaltungen abgegriffen und Artikel in Zeitungen plaziert, die in einem Kontext stehen, dessen sockenartigen Mief man beim besten Willen höchstens als "erzkonservativ" beschreiben kann und wie eine Manifestation von allem wirken, was dieser zornige alte Mann in den letzten Jahren zum Teil mit härtesten Bandagen bekämpft hat.
Nein, da hilft es auch nichts, daß manche Galionsfiguren der "political correctness" gar zu unerträglich sind. Man muß trotzdem keine Aufrufe unterzeichnen, unter die bereits Gestalten wie Heinrich Lummer und Peter Gauweiler ihren Schnörkel gesetzt haben, sondern kann immer noch bei durchaus vorhandener medialer Präsenz seine Meinung vertreten, ohne sich hochoffiziell und genauso hochüberflüssig zum Bruder im Geiste zu machen.
Das Schlimme ist, daß man ihn immer noch gerne liest, und man sich wiederum ungern in genauso öde und blöde Reihen von Bedenkenträgern einreiht, die sich wahrscheinlich aus einem wahren Keulensortiment, das sie daheim unter einer Stiege gebunkert haben, gerade die passende aussuchen.
Aber trotzdem: hätte das nun wirklich noch sein müssen, nach wie vor und wahrscheinlich schon viel zu lange sehr geehrter

Eckhard Henscheid?

Samstag, 5. Dezember 2009

Radio Tapir

Es ist schon bizarr:
sogar im freien Radio ein Format zu etablieren, in dem zwei mehr oder weniger durchgereichte Typen einen völlig bizarren Musikmix präsentieren und in den Pausen möglichst sinnfrei drauflosimprovisieren, zum Beispiel über "bärtige Tapire in Pluderhosen" (sic!)... also so ein Konzept zu präsentieren, das sein Hauptmerkmal aus dem Umstand zieht, keines zu sein, ist schon irgendwie schräg.
Im öffentlich- rechtlichen Rundfunk hätte man nach solch einem Auftritt den Wachdienst gerufen.
Muß ich das gutfinden? Keine Ahnung, aber Spaß macht es. Ausreichend.
Wenn dann nach Leute wie der "Sohndesbischofs" (siehe diverse Kommentare hier) im Studio anrufen, während gerade veritabler Scheißdreck wie die Fanhymne der Stuttgarter Kickers aus den 70ern läuft und dabei nebenher die Information aus dem Ärmel schütteln, daß diese von Blacky Fuchsberger geschrieben wurde, was sich nach kurzer Prüfung als richtig herausstellt, dann... ja dann sollte eigentlich alles zu spät sein, dann ist, mit Eckhard Henscheid zu reden, "Polen offen und der Arsch ja sowieso".
Das Leben- achtung!- ist manchmal doch eines der schönsten.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Freakshow S2

Wenn man nach einem erbaulichen Abend (der nach dem verdienten Sieg samt der Verteidigung des Status als unangefochtener Tabellenführer der eigenen Fußballmannschaft den Zenit rapide überschritten hat) bei halbwegs strömendem Regen in eine Bahn der S2 steigt (mit Zielort Rheinstetten; man hätte gewarnt sein sollen) und sich dadurch in folgende erlesene Gesellschaft begibt, die da besteht aus
- sturzbetrunkenen älteren Männern in Nappalederjacken, die durch den Mittelgang torkeln;
- wollbemützten, bärtigen Gnomen, die Desperados aus der Flasche trinken und jedem, der aussteigt, ein "Fröhliche Weihnachten" zurufen;
- genauso alkoholisierten Walroßschnauzträgern mit Plastiktüten, die außer dem heutigen Regen offensichtlich seit Tagen keinen Tropfen Wasser mehr abgekriegt haben;

dann, ja dann steigt man tatsächlich aus mit dem Gefühl, ein halbwegs normaler Mensch zu sein.
Das mag nicht immer ein erstrebenswertes Ziel sein; aber heute fand ich das irgendwie ziemlich klasse.

Sonntag, 29. November 2009

Zivilcourage

Mittlerweile ist es fast acht Jahre her, daß ich in Hamburg- Altona mit einem guten Freund den dortigen Jazzkeller verließ, um in dieser Rockkneipe (deren Namen mir entfallen ist... aber sie liegt unter einer Straßenbrücke) noch ein Bier zu trinken.
Dazu kam es aber nicht... der Abend endete damit, daß uns eine Gruppe Jugendlicher grundlos anpöbelte, anschließend angriff und meine Wenigkeit auf offener Straße zusammengeschlagen wurde. Das Ergebnis waren ein gebrochenes Nasenbein und- infolge mehrerer Tritte ins Gesicht- eine aufgeschwollene Fresse und zwei blaue Augen.
Selbst meine eigene Mutter hätte mich drei oder vier Tage lang nur nach Vorlage meines Personalausweises erkannt.
Zeitsprung.
Es dürfte ca. fünf Jahre her sein.
Ich war spätabends auf dem Weg ins Carambolage in Karlsruhe und stand gerade an der Ampel in der Fritz- Erler- Straße, als ich mir gegenüber ein junges Pärchen gewahrte, das wohl einen Beziehungsstreit austrug.
Beide dürften wohl zwischen 16 und 19 Jahre alt gewesen sein. Das Mädchen weinte und hatte sichtlich Angst vor dem jungen Mann, der beschwörend auf sie einsprach und ihr den Weg verstellte; immer wieder wich sie ihm aus, bis sie schließlich im vorgelagerten Eingang der damaligen Buchhandlung landete, wo es nicht mehr weiterging.
Klar, dachte ich. Ich eile ihr zu Hilfe.
Doch dann machte ich einen großen Fehler. Ich dachte kurz nach, fünf Sekunden vielleicht nur, die reichten, daß mir Hamburg- Altona wieder einfiel. Das Nasenbein und die Tritte. Ab diesem Moment stand ich fast wie festgewurzelt, weitgehend gelähmt.
Ich taxierte den Jungen; er war gut trainiert, mir körperlich überlegen, war aufgebracht und agierte erregt.
Das Mädchen wurde immer kleiner und war ein heulendes Bündel Elend.
Und ich stand da, komplett unentschlossen... tat einen Schritt vorwärts, einen Schritt rückwärts, fischte mein Handy aus meiner Jackentasche, um eventuell die Polizei zu holen, steckte es wieder ein, tat wieder einen Schritt vorwärts, konnte mich zu nichts durchringen, und in meinem Magen war etwas zum Leben erwacht und sprang darin herum.
Nach langen, viel zu langen Augenblicken löste ausgerechnet ein eher studentisch- schluffig aussehender junger Mann mit zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren und Mantel die Situation auf; ging auf den Jugendlichen zu und sprach ihn an.
Das Mädchen nutzte den Moment der Verwirrung und lief davon, während der Mensch, der Zivilcourage gezeigt hatte, beruhigend auf den Jungen einsprach und ihn daran hinderte, ihr hinterherzulaufen.
Die Situation war sehr aggressiv aufgeheizt, doch letzten Endes passierte... nichts.
Nur ein Großmaul, das sich seit seiner Jugend über nichts dermaßen echauffiert hatte wie über mangelnde Zivilcourage, passierte die Szenerie und verschwand in der Nacht.

Sonntag, 22. November 2009

Erfreue dich an den Blümchen am Wegesrand.

Vereinzelte Menschen, die einem per se nicht unsympathisch sind, wie Scheiße zu behandeln, nur weil es zum Image paßt, widerspricht meinem gesunden Menschenverstand, misanthropische Ader hin oder her.
Das nur als Anmerkung, nachdem ich einige ältere Posts von mir hier gelesen habe und zu der Erkenntnis kam, daß geschätzt 90% des Gesamttextes komplett polemisch sind.
Es kommen dann manchmal Leute und meinen, sie wüßten, daß man im tiefsten Innern ein herzensguter Kerl ist (und das nur, weil man sich nicht ständig wie ein Stinkstiefel benimmt), und das ist bei Menschen, die einen nur virtuell oder oberflächlich kennen auf gewisse Art und Weise entwaffnend, weil ein Beharren darauf, daß man tatsächlich zumindest größtenteils so sei, wie man schreibt, fast schon etwas Infantiles hat. Wie ein trotziges Kind, das mit dem Fuß auf den Boden stampft.
Das lasse ich hier jetzt einfach mal so stehen, ohne weiterführenden Kommentar.
Wenigstens habe ich als Titel mal etwas Positives genommen. Leider ist es mittlerweile zu frisch, um barfuß über eine taunasse Wiese zu tanzen.

P.S.: vor lauter Langeweile habe ich gestern mal alle tollen und bisher weitgehend von mir ignorierten Funktionen hier ausprobiert und das Layout geändert. Ich hoffe, es macht was her.

Samstag, 21. November 2009

Vom Pioniergeist (Der Tragödie zweiter Teil)

Nun, zu verhindern wird der Tunnelbau wohl nicht mehr sein.

Will ja scheinbar auch keiner. Was sind schon 22 000 Stimmen für ein Bürgerbegehren in einer Stadt wie Karlsruhe?
Immerhin: wir werden eine Attraktion. Touristenströme werden herpilgern, um zu sehen, wie Straßenbahnen unter die Erde verschwinden, um dann wie von Geisterhand am anderen Ende des Tunnels wieder aufzutauchen. Hui.
Ich frage mich, in welcher Welt die Tunnelbefürworter leben?
Zumindest mal in einer, in der das Überqueren der Kaiserstraße lebensgefährlich ist.
Hunderte Tote, die in den letzten zehn Jahren dort von Bahnen erfaßt wurden, sollten eine deutliche Sprache sprechen, wenn es sie denn gäbe. Wie können die Leute laut dieser Argumentation überhaupt eine Fahrbahn überqueren, an der keine Ampel steht? Jede stark befahrene Hauptstraße in einem Dorf ist gefährlicher.
Daß das Überqueren umständlich und nervtötend ist, genau wie der ewige Straßenbahnrückstau, steht außer Frage. Daß etwas passieren muß, auch.
Aber nicht ein derartiges Größenwahnprojekt.
In 11 Jahren, wenn der Tunnel laut Planung fertig sein müßte und ich dann noch leben sollte, weil ich in der Kaiserstraße noch nicht überfahren wurde, bin ich 47.
Sollte sich die Stadt dann wirklich durch den Tunnelbau in eine blühende Metropole verwandelt haben, werde ich öffentlich Abbitte leisten. Aber nur dann.

Bis dahin können wir ja Fernsehen schauen... einen Sender, der laut Fenrich dazu da ist, endlich wieder Werte in die Gesellschaft hineinzutragen.
bw- FamilyTV heißt der Quatsch und ist ein Ringelpiez mit Anfassen aus vollbärtigen, halb dementen Pfaffen in Wollpullovern, die denken, sie gäben praktische Lebenshilfe, Mundartköchen, die Hausfrauenrunden in Hotelempfangshallen bewirten, Ratgebersendungen in Studiokulissen mit dem Flair einer Mehrzweckhalle in Wolfartsweier und natürlich Bibel- TV bis zum Abwinken.
Welche Werte das in die Gesellschaft tragen soll, außer denen der Wahnsinnigen, die vor den Toren von Grünwinkel diesen Protztempel hingestellt haben und Leuten mit Depressionen in ihren Broschüren gerne den ernstgemeinten Ratschlag geben, einfach mal eine gepflegte Betsession hinzulegen, um ihre Dämonen zu vertreiben, danach wären sie dann geheilt, bleibt fraglich.
Aber zumindest läßt es mal gute Rückschlüsse auf das Weltbild unseres Oberheinz zu.
Und wenn man die Trennung von Kirche und Staat schon nicht offiziell aufheben kann, versucht man es halt durch die Hintertür.
Irgendwie wird das schon klappen.

Sonntag, 15. November 2009

Vom Pioniergeist (Der Tragödie erster Teil)

Man konnte es bereits ahnen, ohne sich jetzt auf prophetische Fähigkeiten berufen zu können:

nachdem die Gegner der Kombilösung 30 000 Unterschriften abgegeben haben, aus denen mit Biegen und Brechen nur 8000 ungültige herauszuholen waren (was de facto heißt: 8000 Karlsruher müssen doppelt unterschrieben oder sonst irgendeinen Quatsch gemacht haben. Nehmen wir es einfach mal hin, dermaßen offensichtlich für dumm verkauft zu werden), kam unser aller Heinz nun völlig überraschend zu der Feststellung, daß es aus fünf juristisch belegbaren Gründen keinen Bürgerentscheid geben kann und darf.
Die Frage, warum ihm das erst einfällt, nachdem er die 30 000 Unterschriften mit breiter Pratze bereits entgegengenommen hat, ist müßig; theoretisch hätte er das Bürgerbegehren auch bereits im Vorfeld im Keim ersticken können, hätte er seine Argumente gleich auf den Tisch gelegt.
Aber die Annahme, er hätte erst abwarten wollen, ob wirklich 20 000 Unterschriften zusammenkommen, um sich bei- sagen wir mal 16 455 gültigen- in seinem Triumph zu sonnen, sei mal erlaubt.
Es ist wirklich kaum noch zu fassen; ein Maß an Dreistigkeit, in dem wir nun wirklich alles andere als provinziell sind.
Nun bekommen wir also einen Infopavillon für 800 000 Euro, der uns allen erklärt, was die Kombilösung ist und warum wir sie gefälligst gutzufinden haben.
Nicht daß jeder Spong, der noch alle zehn Finger an den Händen hat, sich darüber im Internet informieren könnte; das scheint den Verantwortlichen doch zu weit hergeholt.

Die Argumente der Tunnelbefürworter sind stellenweise genauso niedlich:

"Legt man"
- schwafeln Ruth und Wolfgang Leser aus Karlsruhe glattwegs aus dem Kleinhirn in die BNN hinein- "den Schwerpunkt vornehmlich auf die Kosten der Kombilösung, ist zu fragen, ob mit dieser Einstellung die Leistungen für den Wiederaufbau in unserer kriegszerstörten Stadt so hätten erbracht werden können. Mut zu zukunftsweisenden Entscheidungen war damals in der Bevölkerung, in den Gremien der Stadt und in der Stadtverwaltung vorhanden.[...]Denn wer dem Motto frönt "Stoppt das Millionengrab" ist mutlos, er outet sich als ängstliche Krämerseele."

Man kann es ruhig mehrmals lesen, der ganze Quatsch stand wirklich so in der Zeitung, wie hier wörtlich zitiert.
Nicht weiter muß man wohl auf den hanebüchenen Vergleich zwischen dem Wiederaufbau der weitgehend eingeäscherten Innenstadt und dem Bau der Kombilösung einprügeln; das erledigt sich von selbst.
Und daß der Pioniergeist des damaligen Stadtrates uns nachwirkend in den 70ern- verbunden mit dem Abriß des Malschbrunnens, des Schützenhauses in der Karlsstraße, der Ruine des Großherzoglichen Hoftheaters und des Ständehauses und diverser anderer Entscheidungen, die einem beim Blättern in der illustrierten Stadtgeschichte die Tränen kommen lassen- einige der größten Bausünden der heutigen Zeit beschert hat, sei auch mal festgestellt. Ich bin mir sicher, auf die Bevölkerung wurde damals genausowenig Rücksicht genommen wie heute, und es ist ein Wunder, daß das Weltzienhaus noch steht, nach anhaltendem Bürgerprotest... was wiederum die Frage aufwirft, ob es diesen Protest erst seit dem geplanten Abriß des Weltzienhauses gab, oder ob dieser Bürgerprotest einfach so lange stoisch ignoriert wurde, bis er nicht mehr zu vertuschen war.
Aber egal, weiter geht es mit dem Pioniergeist... immerhin hat er dazu geführt, daß man in dem Glauben, es würde Ströme von Auswärtigen anlocken, drei riesige Einkaufszentren in kurzer Zeit hochgezogen hat, wovon die Postgalerie- mit der man es immerhin geschafft hat, daß das historische Gebäude der ehemaligen Hauptpost dermaßen mit Werbung zugeknallt ist, daß es soviel Erhabenheit ausstrahlt wie ein alter Mann , der von einem Unternehmen in lächerliche Klamotten gesteckt und ausgestellt wird- schon auf dem letzten Loch pfeift und die gesamte Kaiserstraße gleich mit in den Orkus nimmt.
Denn wer hierherkommt, geht gewöhnlich in die Einkaufszentren und fährt dann wieder nach Hause. Was soll er da noch in der Stadt?

"Herren und Damen, alle von Rang und von Namen, kommen zu uns... und fahrn gleich wieder weg." (Georg Kreisler, "Gelsenkirchen")

Donnerstag, 12. November 2009

Robert Enke

Ich würde lügen, würde ich behaupten, ich hätte ihn sonderlich ausstehen können. Dennoch erwischte mich die Meldung völlig unvorbereitet auf dem falschen Fuß.
Zwar dachte ich: "Hey, es bringen sich ständig junge Leute um, die du nicht kennst, also warum soll der dich jetzt mehr belasten als gewöhnlich?", aber auf meinem Heimweg drehten sich doch einige Zahnräder in meinem Gehirn.

Und als ich den nächsten Tag den Fernseher einschaltete und da ein Hannover-96- Fan ca. Ende 40 stand, der bitterlich weinte und in die Kamera hineinsprach: "Ein toller Torwart, ein toller Mensch, warum?", hatte ich kurz einen Kloß im Hals.

Wenn ein Mann, der einen Traumjob hatte und von Tausenden geliebt wurde (und wohl auch nicht der Unsympath war, für den ich ihn immer hielt), der eine kleine Familie und wahrscheinlich absolut keine Geldsorgen hatte, sich vor einen Zug wirft, muß er durch die absolute Hölle gegangen sein.

Wenn man mit seinen eigenen Dämonen fertigwerden muß, ist man scheinbar immer allein.

Zumindest hoffe ich, daß manche Leute über diesen "der hat seine Familie im Stich gelassen"- Scheißdreck, der natürlich unweigerlich aus diversen Ecken kommt, hinausdenken und sich mal informieren, was für eine Krankheit Depression wirklich ist... und daß das eben nicht bedeutet, auf dem Fensterbrett zu sitzen und melancholisch auf winterkahle Bäume zu starren, während im Hintergrund The Cure läuft. Für meinen Geschmack denken das immer noch viel zu viele.

Nichtsdestotrotz: Robert Enke R.I.P.

Sonntag, 8. November 2009

Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr

Ich fand Rammstein ja schon immer scheiße.

In erster Linie musikalisch; wäre Al Jourgensen tot (was er nicht ist... er sieht nur so aus) würde er sich angesichts dieser seit Äonen schlecht recycelten Ministryriffs aus den frühen 90ern im Grab rumdrehen.
Diese Baukastentexte mit einem Wortschatz, der sich im Bereich "Ich bin 47 Jahre alt, arbeitslos und ernähre mich vorwiegend von in Folie eingeschweißter Fleischwurst aus dem PENNY- Markt" bewegt, tun ihr übriges.
Kokettieren mit Nazisymbolik, Schwänze, Mösen und Panzer. Noch irgendjemand wach?
Nun haben sie es also zu einer Indizierung gebracht, nachdem ich "Pussy" in Berlin bereits im Radio hören durfte und es zum Greinen schlecht fand... oben zitierte Textzeile ist dermaßen peinlich, daß ich mich daran erinnere, vor Fremdscham mal kurz eine Augenbraue hochgezogen zu haben.
„Bei dir hab ich die Qual der Wahl, Stacheldraht im Harnkanal/Leg dein Fleisch in Salz und Eiter, erst stirbst du, doch dann lebst du weiter.“
Nun gut, um solche grottenöden Ekligkeiten ist es wirklich nicht schade, und das kann man auch guten Gewissens schreiben, ohne sich zwangsweise mit Leuten, die in ihrem Leben geschätzt siebenmal Sex hatten (vielleicht auch neunmal, zwei Fehlschüsse einkalkuliert) solidarisieren zu müssen.
Aber irgendwie sind Rammsteinfans, die als Kommentar zur Indizierung auch nur populistischen Quark à la "Man sollte mal die Bundesprüfstelle indizieren" von sich geben , was an Sinngehalt einem "Herr Ober, eine frisch zubereitete Hühnersuppe, bitte" gleichkommt... also irgendwie ist das doch alles dermaßen sinn- und trostfreier Quatsch, daß doch bitte alle weggehen sollen.

Freitag, 6. November 2009

"Looka yonder! A big black cloud come!"

Comes to Gaggenau.

Mein erster Morgen, Bahnhof Gaggenau.
Dunkel ist's, die Schleusen des Himmels sind sperrangelweit offen, und durch mein bräsiges Gehirn wälzt sich aus obskuren Gründen "Tupelo" von Nick Cave and the Bad Seeds, das Wort "Tupelo" beharrlich durch meinen derzeitigen Aufenthaltsort ersetzend, ob ich möchte oder nicht.
Nach drei Stunden Schlaf bin ich also nun in einer Stadt zum Arbeiten eingelaufen, die dermaßen uninteressant ist, daß das auf eine gewisse Art und Weise schon wieder fasziniert.
Eindrücke aus den folgenden Tagen:
Alles um den Bahnhof herum sieht neu und am Reißbrett entworfen aus... eine Art überdimensionierter Fußgängerzone aus Waschbeton und Straßenpflaster. Ein Laden neben dem nächsten.
Trotzdem sieht man zu jeder Uhrzeit kaum Menschen. Angeblich hat Gaggenau fast 30 000 Einwohner, und man fragt sich: wo sind die alle?
Auf meinem Weg zur Arbeit passiere ich einen massiven Hotelklotz. Die Verwunderung steigt noch: wer zur Hölle macht hier Urlaub? Wahrscheinlich übernachten hier manchmal Geschäftsleute, mag sein, aber im Vergleich zum ähnlich großen Speyer, das gegen diese Einöde wie das pulsierende Leben wirkt, gibt es hier auf den ersten, zweiten und dritten Blick noch nicht einmal etwas Geschichtsträchtiges oder baulich Interessantes, das einen längeren Aufenthalt lohnen würde.
Auf der Arbeit blicke ich aus diversen Fenstern im 4. Stockwerk: zumindest die Aussicht ist lohnend.
Viel Wald und halbwegs als solche erkennbare Berge, die dunstig verhangen sind, und die Stadt, die abgesehen von aus der Ferne herwinkenden Industrieanlagen von oben noch dörflicher wirkt... bei einem Photo aus dieser Perspektive hätte ich höchstens auf 6000- 8000 Einwohner getippt. Aber zumindest wirkt sie in ausreichendem Sicherheitsabstand fast schon malerisch.
Trotzdem hat man das Gefühl: hier wohnt niemand, so aseptisch wirkt das Ganze wieder bei näherer Betrachtung.
Man weiß nun, wie sich erzkonservative Menschen wahrscheinlich das Idealbild einer sauberen deutschen Stadt vorstellen.
Das Höchstmaß an Ausgeflipptheit sind ein paar verirrte Tags am Bahnhof und eine Kneipe, die "Krazy Känguruh" heißt.
Das Komische ist nur: so eklig wie es ist, irgendwie mag sich kein Groll aufbauen... wahrscheinlich bin ich nach meiner Rheinstetten- Episode ziemlich schmerzresistent. Vielmehr finde ich die Vorstellung, daß hier Menschen wohnen, und das dazu freiwillig, eher bizarr. Das ist dermaßen weit von meiner Welt entfernt, daß ich es mit einem Interesse betrachtet, das dem eines Kindes gleicht, welches irgendeinem seltenen Insekt zusieht, wie es durch den Straßenstaub kriecht.
Was hier weniger gruselig ist als in Rheinstetten, vermag ich nicht zu sagen.
Vielleicht hängt es wirklich an der Arbeit.
Grauenhaftes hatte ich erwartet, und das war vielleicht mein Glück, es ist nämlich der entspannteste Job, den ich seit langem hatte. Mag die Fahrerei mit der Bahn noch so umständlich sein (und einen vor allem mittags in noch größere Ödnis befördern, da ich regelmäßig in der "Schwarzwaldbahn" voller Ex-Beamter, Dorfschullehrer und Gemeinderatsmitglieder lande, die auf dem Weg zum Tagesausflug nach Konstanz oder zum Wandern in den Schwarzwald sind und in der eine 11minütige Zugfahrt gefühlte 111 Minuten dauert, bevor ich in Rastatt umsteigen muß... was das Erlebnis nicht aufregender macht):ich genieße momentan den Umstand, zu Fuß und nicht auf dem Zahnfleisch nach Hause zu kommen.

Damit beende ich meinen spannenden Erlebnisbericht aus Gaggenau mit ein paar weisen Worten:

"Oh Gaggenau, Perle des Murgtals! Gülden prunkender Hort der Freigeistigkeit! Mekka für Freaks und Aussteiger! Speerspitze architektonischer Avantgarde, in der das Leben pulsiert!"
(Vor Langeweile völlig delirante SMS an meinen besten Kumpel, am Montagmittag vom örtlichen Bahnhof abgeschickt)
"Ich muß gleich kotzen"
(Rückantwort)

Freitag, 30. Oktober 2009

Notizen aus der Provinz

Machen wir uns nichts vor, Karlsruhe ist Provinz, aber auch hier kann man an mancher Ecke einen Hauch Prenzlauer Berg erschnüffeln.

Das schreibt der Karlsruher Journalist Felix Mescoli in seinem Blog, und auf den ersten Blick mag er recht haben.
Hinterfragt man diesen Satz, kann man aber dennoch zu einigen erstaunlichen Schlußfolgerungen kommen.
Daß wir immer noch den Ruf als langweilige Beamtenstadt innehaben, der das Kaugummi ist, das uns seit Jahr und Tag an den Fersen klebt... geschenkt. Oft wird er von Leuten verbreitet, die das Geschehen aus gebührendem Sicherheitsabstand betrachten und außer der immer trostloser werdenden Kaiserstraße kaum etwas vom Karlsruher Leben mitbekommen haben.
Von dem, was bei uns subkulturell abläuft, bekommt man scheinbar auch wenig mit... und ich bin der Meinung, daß wir hier im Vergleich zu ähnlich großen Städten gar nicht so schlecht aufgestellt sind.
Wir haben diverse Clubs, mit der Alten Hackerei eine Punkrockbar, in der oft Veranstaltungen und Konzerte sind, einen freien Radiosender, verschiedene Bands am Start, die sich national auf keinen Fall vor denen der Metropolen verstecken müssen, Leute, die diese Stadt lieben und ihre Energie und Zeit investieren, um etwas zum Laufen zu bringen.
Also, woran hängt es?
Wir haben 280 000 Einwohner und müssen uns in manchen Momenten eingestehen, daß wir provinziell sind.
Mag sein, daß es an der Focussierung hängt.
Daß das Substage, das jahrelang unser Aushängeschild war, seit Heiko Räthers Rückzug aus dem Veranstaltungsbereich (und Franks Umzug nach München) konzerttechnisch kaum noch was gebacken bekommt und sich oft mit dem Einfachsten zufrieden gibt, ist kein Geheimnis. Daß die immer gleichen Mittelalterrockbands scheinbar im Abstellraum geparkt sind und herausgeholt werden, wenn nicht gerade Hendriximitator Randy Hansen gefühlt sieben Mal im Jahr herumgniedeln darf, auch nicht.
Ich mag das nicht verurteilen,da ich keinerlei Einblick in das Budget des Substage habe und somit auch nicht weiß, was möglich wäre. Aber wenn ich mir überlege, daß ich früher dort u.a. Anthrax, die Melvins, Steel Pole Bath Tub, Girls Against Boys, Unsane und Antiseen gesehen habe (mit denen man heute wahrscheinlich kaum noch was ziehen würde, weil die eben hauptsächlich ihre ganz große Zeit vor 15 Jahren hatten, die aber in den 90ern wirklich angesagte Szenebands waren und jede Menge Publikum aus dem Umfeld anlockten... jeden Monat sah man mindestens ein Konzert, auf das man sich schon wochenlang gefreut hatte), fragt man sich, warum es nicht möglich ist, wirklich mal was Neues und Angesagtes (abseits irgendwelcher Nachwuchswettbewerbe und kompletter Geheimtips, die noch kein Mensch kennt)ins Substage zu holen.
Prong und Monster Magnet waren natürlich ok in diesem Jahr, aber auch eher eine Bringschuld für uns alte Säcke, die dem Laden schon seit Jahren die Stange halten.
Doch für die Generation, die jetzt in unserem damaligen Alter ist, tut sich meiner Meinung nach wenig.

Ein weiterer Grund für unsere gefühlte Provinzialität sind komischerweise ausgerechnet Leute, die davon überzeugt sind, wir hätten etwas Metropolenhaftes, und uns mit Aktionen, mit denen wir uns lächerlich machen (aber die ihnen großstädtisch erscheinen), trotz aller Bemühungen unsererseits wieder dorthin zurückkatapultieren, wo wir vor ein paar Jahren hergekommen sind.
Ich lasse das jahrelange Geschacher um das neue Wildparkstadion, bei dem sogar mir als Nicht- KSC'ler (aber als mittlerweile assimiliertem Karlsruher) mittlerweile die Galle hochkommt,und die Kombilösung, der ich mich demnächst gesondert widmen werde, außer acht.

Wir haben immerhin das größte Ortsschild Deutschlands für sagenhafte 185 000 Euro, auf das selbst Bruchweiler- Bärenbach so stolz wäre wie unsere Kommunalpolitiker.
Wir haben gefühlt alle drei Wochen ein Straßenfest in der Innenstadt, das trotz wechselnder Namen absolut gesichtslos und austauschbar ist.
Wir haben eine Elite- Uni, die unser aller Heinz scheinbar dermaßen als Priorität ansieht, daß er von Plakaten herunter dazu auffordert, freien Wohnraum dem Studentenwerk zu melden, so daß man als Berufstätiger nach ca. 8-monatiger Suche nach einer erschwinglichen Wohnung kaum eine andere Chance hat, als in Oberreut, Weiherfeld- Dammerstock oder sonstwo am Arsch der Welt zu landen, wenn man nicht jemanden kennt, der wiederum jemanden kennt, der gerade auszieht.
Wir haben unsere eigene MERIAN- Ausgabe Karlsruhe, in der unsere Stadt gerade mal die Hälfte des Platzes einnimmt und die Umgebung die andere Hälfte, ohne daß es jemanden zu jucken scheint... weil die Leute, die es jucken sollte, scheinbar diesen ganzen provinziellen Mief als das Nonplusultra ansehen, das unsere Stadt ausmachen sollte.
Hauptsache, es steht drinnen, daß man im Sommer am Marktplatz ein gepflegtes Glas Rotwein im Freien trinken kann. Mehr findet hier auch nicht statt.

Nein, wir sind keine Metropole... wir werden auch nie eine sein. Doch genausowenig sind wir das, was uns manche Leute einreden wollen.
Und darum sollten endlich mal einige Menschen, die diesen somnolenten Zustand ändern könnten, ihren Arsch hochkriegen, dann klappt es auch mit mehr als nur einem Hauch von Prenzlauer Berg in der Südstadt. Vielleicht mit einem Hauch von Südstadt in ganz Karlsruhe.
Und damit meine ich nicht, daß uns die Stadtverwaltung mehr Aufmerksamkeit einräumen soll, denn ernstzunehmen ist offiziell geförderte Subkultur sowieso nicht.
Nein, es liegt scheinbar an uns allein, etwas daraus zu machen.

Auf uns wartet noch eine Menge Arbeit.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Nach dem Abwurf der Neutronenbombe

Nach meinem heute letztendlich doch spektakulären Abgang bei meinem derzeitigen "Ausleiher" in Karlsruhe (nein, wenn ich in einer stressigen Frühschicht die Schichtleitung habe, ist es nicht ratsam, mir am Telephon noch blöd zu kommen. Es kann leicht eskalieren, was man spätestens dann merkt, wenn das Gegenüber, das vorher auf impertinente Weise den Chef sprechen wollte, mit einem "Aber nicht in diesem Ton, ja?" den Hörer aufknallt. Mission accomplished)fange ich also am Montag in Gaggenau an.
45 Minuten Bahnfahrt hin und genausolange zurück, dazwischen 6,5 Stunden Arbeit in einem trostfernen Kaff, das es an architektonischer Finesse mit Rheinstetten aufnehmen kann. So stelle ich mir Deutschland nach dem Abwurf der Neutronenbombe vor.
Einen Monat ist es mir also vorbestimmt, in dieser Ödnis mein Brot zu verdienen. Es gibt Leute, die arbeiten in der Polarstation. Vielleicht sollte ich angesichts dessen etwas dankbarer sein. Aber ich glaube nicht.

Montag, 26. Oktober 2009

"Now go and get your shoeshine- box."

Das sagt in "Good Fellas" die Figur "Leonard Batts" zu dem Mafioso, der von Joe Pesci gespielt wird, um gleich darauf von diesem übelst massakriert zu werden.

In der Altenpflege hat man keine Handhabe, um jemanden zu massakrieren. Das muß man mit leisem Bedauern feststellen.
Früher, als man mit dem Beruf Altenpfleger zumindest teilweise Rückhalt von der Heimleitung bekam, gab es eine Zeit zu Beginn der 90er und sogar noch 00er, in der man noch nicht per Gesetz dazu genötigt wurde, seine Persönlichkeit bei Dienstantritt an der Garderobe abzugeben.
Baute man Scheiße, kamen Angehörige, die einen mächtig frisierten. Danach war man schlauer; man entschuldigte sich und vermied es zukünftig, Fehler zu machen, die dem soeben begangenen auch nur ansatzweise ähnelten.
War der Beschwerdeführer ein hausbekannter Blödmann, der wegen jedem Schnauf, Schnief oder Furz drunten an der Tür der Heimleitung kratzte, gab es im berechtigten Fall ein paar mahnende Worte, die aber in nicht wenigen Fällen mit "...Sie wissen ja wie er ist, und daß ich offiziell darauf reagieren muß, zwinker zwinker" endeten.
So war es, und es war gut so,wie es war.

Mittlerweile ist alles anders.
"Beschwerdemanagement" heißt das Zauberwort.
Jeder Klappspaten, der seine Mutter im Heim hat und normalerweise sein Leben damit verbringt, vor seinem Haus Falschparker zu notieren, wird quasi indirekt dazu eingeladen, bei der Heimleitung sein Leid zu klagen, mit der Folge, daß irgendwelche Beschwerden, und sei es nur wegen eines halben Brathahns, falsch zugebundener Schuhe oder der Zugkordel in einer Jogginghose, vom Beschwerdeführer nicht nur mehr oder weniger lautstark dem Personal an den Kopf geworfen werden, sondern auch bei der Heimleitung landen, die den ganzen Stuß behandelt (bzw. behandeln muß) wie eine Staatsaffäre und der betreffenden Pflegeperson nochmal den Kopf wäscht.
Dann werden ca. 37 Formulare ausgefüllt und der Verantwortliche erhält schlimmstenfalls eine Abmahnung.

Das Bizarrste erlebte ich bei einem früheren Arbeitgeber: eine Kollegin von mir vergaß im Eifer des Gefechts, in einer sehr stressigen Spätschicht einen gehbehinderten, leicht dementen Bewohner ins Bett zu legen. Das war mit Sicherheit nicht schön; der arme Kerl mußte bis zum ersten Rundgang der Nachtwache ca. zwei Stunden später im Rollstuhl blöd in der Gegend herumsitzen.
Aber daran gestorben ist er trotzdem nicht; und meine Kollegin hat sich persönlich bei ihm entschuldigt.
Die Heimleitung verlangte trotzdem von ihr, bei den Angehörigen des Mannes anzurufen, zu erklären, was passiert war und sich bei ihnen ebenfalls zu entschuldigen.
Seitdem warte ich auf den Tag, an dem ein Verkäufer aus der Bäckerei, jemand aus dem SATURN oder ein Angestellter aus dem Supermarkt bei mir anruft, um sich zu entschuldigen, weil er mich oder meine Eltern miserabel bedient hat.

Ich habe keinen Tag lang bereut, 2001 mein Studium abgebrochen zu haben; aber seit mindestens 10 Jahren frage ich mich täglich, was mich geritten hat, diesen Job zu erlernen.

Mondo Bizarro

Heute: eine demente Frau, die unter Angstzuständen leidet... und ein Heulen und Zähneklappern von biblischen Ausmaßen verbreitet.
Ein sechsjähriges Mädchen, das mit glockenheller Stimme beruhigend auf sie einredet und so lieb ist, wie sechsjährige Mädchen nunmal zu alten Frauen sein sollten... "Warum haben sie Angst? Sie brauchen doch keine Angst zu haben."- "Ich habe soooo Angst. (heul)"
Das kurze Aufblitzen folgender Szenerie vor meinem inneren Auge: das Mädchen, das sich in einem unbeobachteten Moment zum Ohr der alten Frau vorbeugt und mit genau der gleichen süßen, glockenhellen Stimme- aber das Gesicht verzerrt zu einer Art Aphex- Twin- Grinsen- folgendes hineinspricht: "Du solltest besser weiterhin Angst haben... weil ich heute Nacht an deinem Bett stehen werde, um dich auszuweiden, du alte Votze."
Und ihr danach wieder die Hand tätschelt und weiter beruhigend auf sie einredet, als wäre nichts gewesen.

Weiterhin festgestellt, daß ich langsam kein ABBA mehr hören kann, ohne latent brodelnde extreme Aggressionen zu entwickeln. Als Kind liebte ich sie... ich glaube, ca. 1980 war das meine erste bewußt erlebte Lieblingsband, bevor 1983 Depeche Mode in mein Leben traten und dort bis ca. 1986 blieben, um sich dann relativ spurlos daraus zu verabschieden.
Dann war ABBA plötzlich "Kult" und man konnte ihren Liedern allmählich nicht mehr entkommen. Leute spielten ABBA auf Parties und fanden sich unglaublich originell, weil sie so crazy alten Scheiß auflegten.
Mittlerweile läuft ABBA täglich auf SWR 4, den ich ja furchtbarerweise notgedrungen auf der Arbeit hören muß, und nachdem ich beim gefühlt dreistündigen DVD- Trailer für diesen "Mamma mia!"- Film (den ich bitte, bitte, bitte NIE sehen möchte) im SATURN schon alle herumstehenden Fernseher eintreten wollte, lief gestern im Fernsehen eine deutsche Komödie mit erlesenem Hera- Lind- Humor, für deren Soundtrack anscheinend der gleiche Typ, der auch auf besagten Parties auflegte, einen originalitätsfreien Soundtrack aus ABBA- Songs zusammengerammelt hat.
Und da war der Punkt erreicht, an dem ich dachte: nein. Es ist gut jetzt. Schluß mit diesem Scheiß. Wer jeden Tag Sahnetorte serviert kriegt, muß irgendwann auch mal kübeln, wenn er sie nur riecht.

Gestern las ich übrigens, daß die Initiative, die Unterschriften gegen die U- Strab gesammelt hat, OB Fenrich statt der verlangten 20 000 gleich 30 000 übergeben hat, um eine neue Bürgerbefragung zu erreichen. Übrigens auch meine.
Warum habe ich nur das vage Gefühl, daß bei der Prüfung sowas in der Art dabei herauskommen könnte:
aus irgendeinem Grund sind nur 18 500 Unterschriften gültig, aber es ist keine Zeit mehr, weitere einzuholen, weil morgen Baubeginn ist?
Sein Denkmal läßt sich diese Tröte bestimmt ungern nehmen: immerhin war er mit 55,5% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von grandiosen 30,3% ein derart überwältigender Sieger, daß er sich seine Heinz- Fenrich- Bahn mannhaft verdient hat, als unser aller Repräsentant.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Was für ein Wochenende...

Freitag,16.10., 20 Uhr 30: ich sitze mit einem Kumpel in einer Sportsbar im Hamburger Schanzenviertel, um Cottbus gegen den FCK ohne Ton zu schauen, dazu läuft über die Anlage in dem Laden irgendwelche Scheißmusik.
Umgeben sind wir von einigen St. Pauli- Fans, die Lautern nicht nur gewohnheitsmäßig sowieso hassen, sondern für die es auch im Falle unserer Niederlage darum geht, daß sich ihr Verein in der Tabelle vor uns plaziert.
Beim 1:0 für Cottbus jubelt erwartungsgemäß alles, beim Abpfiff des Spiels, das wir letzten Endes verdient mit 1:2 gewinnen, jubeln nur zwei Leute, mein Kumpel Matthias "Wingert" Weingard und ich.

Da ich den FC St. Pauli noch dazu nie sonderlich ausstehen konnte (es war immer schön, in der Pfalz auf irgendwelche Modefans zu treffen,die von Fußball herzlich wenig Ahnung hatten, aber mir trotzdem einen Vortrag hielten, was ich für einen Bauernverein unterstütze, da man als Punk doch automatisch Pauli- Fan sein müsse... ähm, nein), ging mir das runter wie Öl.
Der Abend endete aber doch relativ gesittet, geschlaucht von der Autofahrt (wenn auch nur als Mitfahrer) gingen um 1 meine Rolläden runter.

Samstag

Zuerst mal bei Daniel Prohart und seiner Freundin Miyo einlaufen, um den "Katzenkönig" zusammenzudübeln.
14 Bilder in Holzrähmen, die mit der entsprechenden Textstelle versehen werden müssen.
Im "Elbrausch" werde ich von Daniel mit der Besitzerin des Ladens bekanntgemacht, einer sehr hübschen und sympathischen Person, die sich mir als "Cosma" vorstellt.
Bis ich realisiere, daß es sich um Cosma Shiva Hagen handelt, dauert es ein paar Minuten.
Später am Abend macht sie dann DJane und legt teilweise gute Sachen auf (nein, nichts von ihrer Mutter, dankenswerterweise... sorry, aber mit derem Oeuvre konnte ich noch nie was anfangen).
Zu der Zeit erhalten wir ein Angebot für das komplette Exponat zum Katalogpreis von 1400 Euro, aber nur, wenn wir die Rechte daran abgeben.
Daraufhin höre ich mich tatsächlich sagen: "Über die Rechte an meiner Geschichte verhandele ich erst ab einer fünfstelligen Summe", lehne mich zurück und denke: Scheiße, habe ICH das gerade gesagt? Ein sehr surrealer Moment.
Dazu die Feststellung: mit 19 war ich ein arroganter Möchtegern, der immer davon geträumt hat, in Künstlerkreisen unterwegs zu sein und mit "den ganzen Proleten" nix zu tun haben wollte.
Mit 36 und ein paar Jahren Lebenserfahrung mehr bin ich ein absolut bodenständiger Typ aus doch recht einfachen Verhältnissen, der leidlich gut schreiben kann, dadurch nun doch in Künstlerkreisen gelandet ist und sich dort teilweise wie ein Fremdkörper fühlt.
Nichtsdestotrotz doch ein gelungener Abend... der in Daniels Wohnung mit einer Flasche recht leckerem Sekt (ich glaube, der war nicht billig)und einem abenteuerlichen Musikmix endet (wir hören genau vier Platten: "Business As Usual" von Men At Work, "Sports" von Huey Lewis and the News, "God Ween Satan" von Ween und "Seasons In The Abyss" von Slayer).
Und nun sitze ich wieder in Karlsruhe, muß mich mit meinem Alltag und meinem Broterwerb herumschlagen, aber ich durfte mich zumindest mal wieder einen Abend als Künstler fühlen.
Auch wenn die fünfstellige Summe nach wie vor Illusion bleibt (und wenn ich- davon abgesehen- nie im Leben meine Rechte verkaufen würde... nur um später dann hilflos zu betrachten, wie meine Arbeit für irgendeinen Schwachsinn benutzt wird).
Da könnte ich hier im Blog auch gleich diesen "Monetisieren"- Knopf drücken.

Freitag, 16. Oktober 2009

Der Katzenkönig

Ich habe hier ja bisher noch nie eine meiner Arbeiten eingestellt... der Grund, warum ich es jetzt trotzdem tue, ist so eine Art "Werbung in eigener Sache".
Davon abgesehen, daß ich diese Kurzgeschichte schon vor geraumer Zeit ins Netz gestellt habe (entstanden ist sie übrigens während einer Nachtschicht... schon gut, wenn der Arbeitgeber gerade Pflegedokumentation per Computer eingeführt hat und das Ding sogar Internetanschluß besitzt), habe ich sie nun von einem Freund von mir, dem mittlerweile in Hamburg lebenden Graphiker und Comiczeichner Daniel Prohart, bebildern lassen.
Vorstellen werden wir diese Gemeinschaftsproduktion am Samstag, den 17.10.09 in Hamburg im Rahmen einer Ausstellung diverser Zeichner und Street Artists(wann und wo... keine Ahnung. Ich warte immer noch auf die E- Mail mit dem Flyer. Wahrscheinlich im "Goldenen Handschuh", wie ich mein Glück kenne), weswegen ich morgen (genauer gesagt: in ein paar Stunden) per Mitfahrgelegenheit nach Hamburg zuckeln und am Sonntag wieder zurückreisen werde.
Ich hoffe, ich habe dann was zu berichten. Hier also die besagte Geschichte:


Der Katzenkönig

Was hat er nicht gerne gelacht, der Bub. Was war er nicht für ein fröhliches Kind.
Der Schlaueste war er nicht, der Bub, aber lebhaft. Er tollte gerne herum, meist auf dem Kirchplatz, wo ihm eines Tages sein Schicksal begegnete, hinter den großen Blumenkästen aus grob gehauenem Sandstein.
Lange war Oberleitners Katze noch nicht tot, der Schaum vor ihrem Maul gerade einmal zu gelblichen Krusten eingetrocknet, und den gebrochenen Blick umflorte noch ein feuchter Glanz.
Doch es war das Fell, das den Bub magisch anzog, das schwarzweiß gefleckte, akkurat gebürstete, liebevoll shampoonierte, in der Sonne samtmatt glänzende. Also ging er hin, der Bub, näherte sich mit einem tastend vorausgestreckten Buchenast. Lissy, miez miez.
Ein vorsichtiges Tasten, keine Reaktion. Ein stärkerer Stoß, der Kadaver verharrte auf der Stelle. Die erste fette Schmeißfliege ließ sich blauschillernd auf ihm nieder, bereit, ihn als Futter für ihre Brut zu nutzen. Da wußte der Bub, was er zu tun hatte.
Sie hatte ein rotes Halsband um, die Lissy, daran ein hell klingelndes Glöckchen aus Messing.
Was dachte der Bub? Dachte er, das niedliche Gebimmel könne der Katzenseele ein angemessenes Geleit geben, wenn sie ihre letzte Reise antrat? Und das, obwohl Pfarrer Wienholt behauptete, Tiere kämen nicht in den Himmel?
Er traute sich nun näher heran, der Bub. Sah, daß das Glöckchen fest eingeschnürt war, unter einem Stück Paketschnur, das jemand straff um den Katzenhals gezurrt hatte, um sie zu erdrosseln. Neugierig beugte er sich zum Tier hinab und strich mit der Hand über das Fell, das nun so nutzlos vor sich hinglänzte. Arme Lissy wird nicht mehr frieren. Niemals nimmermehr.
Mit Schwung hob er den Kadaver hoch, das Blut, das neben der heraushängenden Zunge auf den Asphalt geflossen war, verbissen ignorierend. Das Glöckchen bimmelte in seiner engen Einschnürung. Pling Pling Pling.
Er überlegte. Bewegte die tote Katze. Pling Pling Pling.
Da faßte er einen Entschluß, der Bub.
Lief nach Hause, holte ein Stück Pappkarton sowie einen dünnen, faserigen Strick und befestigte beides am Gepäckträger seines Fahrrades. Stieg auf und trat in die Pedale, fuhr die enge Gasse lang, die von der Kirche zu seinem Elternhaus führte. Fuhr vorsichtig, damit die Lissy nicht von ihrem Aufbahrungsort rutschte, fuhr vorsichtig, damit der kleine Leichenzug nicht ins Schlingern geriet, fuhr vorsichtig, und dennoch holperte die Katze samt ihrer Unterlage über den schartigen Asphalt, und das Glöckchen schlug an. Pling Pling Pling.
Nach einer Weile lag er plötzlich auf dem Boden, der Bub, unweit des Oberleitners Haus. Vor seinen Augen verschwamm alles wegen einem dumpfen Schmerz in seinem Kopf, der ihn komplett auszufüllen schien. Kaum realisierte er den Geschmack von Blut und Straßenstaub in seinem Mund oder seine aufgeschürften Knie. Instinktiv versuchte er, sich unter seinem umgestürzten Fahrrad herauszuarbeiten, dabei seine nackte rechte Wade mit Öl und Kettenfett beschmierend, während Christian, des Oberleitners ältester Sohn, über ihm thronte wie eine Statue, tief Luft einzog und ihm mit aller Kraft ins Gesicht spuckte, in das er ihm, während der Bub sich noch in voller Fahrt befunden hatte, bereits den Fausthieb versetzt hatte, der ihn samt seinem Fahrrad zu Boden schickte.
Er war halt auf der Dummschule, der Bub. Und war ein jetzt ein Tierquäler. Böser Bub. Unheimlicher Bub.
Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Auf dem Fensterbrett reihten sie sich auf, zuerst fünf, dann 25, dann 50, cremefarben, rosa, blau oder grün marmoriert. Katzenköpfe.
Er schnitzte sie aus Seife, der Bub, die ihm seine Mutter bei ihren Besuchen mitbrachte. Sie waren wie Amulette oder Opfergaben, um den Katzenkönig zu besänftigen, der ihn nachts heimsuchte, dessen teerschwarzer Schädel über seinem Bett zu schweben schien, während das fahle Totenlicht seiner Augen ihm das Bewußtsein einer Schuld, die eigentlich nicht die seine war, ins Gehirn einbrannte.
Trotz aller Neuroleptika, die ihm verabreicht wurden, schien es ihm, er würde heulen und bösartig mit den Zähnen knirschen, würde ihm dadurch befehlen, mitzukommen in sein Reich, wo Lissy auf ihn wartete, vielleicht zu seiner Rechten saß, wer weiß das schon?
Da half nur Schreien und sich unter der dünnen Steppdecke auf seinem Bett verstecken, mit diesem Verhalten alle Berichte aus der Beschäftigungstherapie über seine angeblichen Fortschritte ad absurdum führend.
Und die freiheitseinschränkenden Maßnahmen, die sie daraufhin durchführten, damit er sich nicht mehr verstecken oder Becher voll lauwarmem Pfefferminztee dem Haupt des Katzenkönigs entgegenschleudern konnte, machten alles noch schlimmer, denn nun war er völlig ausgeliefert.
Fünfpunktfixierung, der Bub.

Doch schließlich bannte er ihn, der Bub. Er bezwang den Katzenkönig, auch wenn es lange dauerte.
Sie entließen ihn mit vielen guten Wünschen aus der Klinik. Er sollte nach Hause, und dann vielleicht eine betreute Wohngruppe besuchen, denn er galt noch als therapierbar, der Bub, und sein handwerkliches Geschick befähigte ihn zum Erlernen des Schreinerhandwerks.
Und als er dann in seinem alten Kinderzimmer auf dem Bett lag, und ein von außen geschleuderter katzenkopfgroßer Stein das Fenster zerschmetterte, während eine gebrüllte Beleidigung durch die enge Dorfgasse wehte, bevor sie in der Nacht verhallte, wußte er, daß er gehen mußte.
Er wurde Geschäftsmann, der Bub, draußen in der großen Stadt. Viele Verhandlungen wurden geführt hinter dem Paßphotoautomaten am Hauptbahnhof, manche mit schmerbäuchigen Trägern von Anzügen und verlegenen Grinsen, und der Bub nahm das Geld und gab ihnen ein paar Meter weiter was dafür. Sogar die 50 Cent Eintritt an der Toilettentür bezahlte der Bub, das war Extraservice am Kunden. Und so lernte er sie kennen, wichtige Männer aus allen Herren Ländern, und die Pausen vertrieb er sich mit Jungs, die in derselben Sparte tätig waren.
Was die regelmäßige Einnahme seiner Tabletten anging, wurde er nachlässig, der Bub. Sein jetziges Medikament war nicht im regulären Handel erhältlich; die neue Arbeit ging ihm flotter von der Hand, wenn es durch seine Venen pulsierte.
Oft sinnierte er, wohin die Züge wohl gehen mögen, die rot und weiß lackiert hinter der großen Glastür sichtbar in beide Richtungen davonfuhren. Vielleicht in ein anderes, besseres Leben? Etwas, was ihm sein Blutkreislauf allmählich nicht mehr bescheren konnte?
Denn er hatte abgenommen, der Bub.
Er übergab sich in letzter Zeit oft, manchmal absichtlich, alleine schon, um diesen Geschmack im Mund loszuwerden, den Geschmack nach Mann von Welt, den moderigen Geschmack, der ihn an den allmählichen Niedergang seiner fabulösen Geschäftsidee erinnerte, denn dünn und schlottrig zu sein, mit allmählich faulenden Zähnen, damit ließ sich schlecht leben in jenen Tagen, in denen ihm ein gewisser Verschleiß nicht abzusprechen war, oder den Geschmack von Blut, in seiner Mundhöhle hervorgerufen von einem stahlkappenbewehrten Stiefel, den jemand trug, der Deutschlands Straßen von dem ganzen Dreck säubern wollte.
Er solle ihn besuchen, sagte der Sozialarbeiter zum Buben.
Sein Büro sei leicht zu erreichen... einfach die U-Bahn nehmen, gerade da ums Eck, drei Stationen weiter wieder aussteigen, die Treppe hoch, dann wäre er schon da.
Diesem Mann vertraute der Bub
Er war zwar seinem Geschäft nicht zuträglich, denn er wollte sich auf keinen Handel einlassen, aber er hatte ihm versprochen, die Zugfahrpläne so zu erklären, daß es auch der Bub kapierte, ihm einen Platz zuzuweisen, und der Bub würde da sitzen, während die Stadt an ihm vorbeizog, dann das Hinterland, Bäume, Büsche, Sträucher, vielleicht ein kleiner, sonnenbeschienener See, der Bub würde die Stadt dann schon fast vergessen haben, und wenn er dann schließlich ausstieg, würde er sie auch endgültig vergessen wollen.
Es war drückend schwül, die Vorahnung eines nahenden Gewitters lag über der Stadt, als der Bub die Treppen zur U-Bahn hinabstieg.
Eine seltsame, fast vergessene Beklemmung machte sich breit, etwas, was ihm merkwürdig angsteinflößend bekannt vorkam. Zwar war er zum ersten Mal hier, tief in den Eingeweiden der Stadt, er starrte auf die gefliesten Wände und in den gähnenden Schlund der riesigen steinernen Röhre, die sich vor ihm auftat, während die grelle Beleuchtung seinen Kopf schmerzen ließ, das kaum hörbare Summen der künstlichen Lichtquellen schien sich allmählich zu steigern, doch er erinnerte sich, ja, es kam alles zurück und es war fast, als wäre er wieder der kleine Bub.
Kacheln. Neonleuchten. Plötzlich ein dumpfes, anschwellendes Rumoren, das den Raum zunehmend ausfüllte. Nein. Oh nein.
Die Finsternis in dem steinernen Maul zog ihn magisch an.
Die Menschen waren viel zu überrascht, als der Bub plötzlich auf die Gleise sprang, noch sorgfältig darauf bedacht, keine stromführenden Teile zu berühren, bevor er eine Sekunde lang in das fahle Totenlicht der Augen des Katzenkönigs starrte, während dieser ratternd und zischend auf ihn zuraste.
Und ihn verschlang.

Montag, 12. Oktober 2009

Kassiber aus dem Hühner- KZ

Sie sind nicht totzukriegen, und je besser es Leute vermeintlich meinen, desto mehr bringt es mich in Rage:
KZ- Vergleiche.

So schreibt ein User im ENPUNKT- Blog von Klaus N. Frick zum Thema "Hartz IV" folgendes in den Kommentarteil (und ich nehme mir die Freiheit, wörtlich zu zitieren):

"Für Götz Werner (Grundeinkommensbefürworter und im Nebenjob Chef der Drogeriemarktkette dm) ist Hartz IV "offener Strafvollzug". Ich nenne es "offenes KZ". Nichts anderes ist Hartz IV!"

Da denke ich mir einfach: nein.

Mir eilt ja nicht der Ruf besonderer politischer Korrektheit voraus (ich tat es schon öfter kund), aber die Bereitschaft einiger Leute, mit einem Benzinkanister auf Scheiterhaufen zu klettern, die sie sich selbst basteln, und das auf den Knochen von anderen, finde ich zutiefst abstoßend.
Banker werden mit Juden verglichen, Politiker der Bonner Republik wie Rainer Barzel selig, die in zwielichtige Geschäfte verwickelt waren, sehen die Ermittlungen gegen sich im Gestapostil stattfinden, die PETA geht mit Hühner- KZ's hausieren (man muß ja provokant sein, um was zu bewegen), man las schon von Nichtrauchern, die die Juden der Raucher sind, und ich bin mir sicher, es gibt noch drölftausend anderer Beispiele für solch geradezu inferior gedankenfreien Unsinn.

Ich kommentierte diesen Stiefel schon wie folgt (und mache es hier gerne öffentlich): wenn mir der alte Dr. Shlomo Pfefferman erzählt, wie sehr es in Auschwitz die Hölle war, unter den Augen kettenrauchender SS- Männer im Hühnerstall seinen Hartz- IV- Antrag auszufüllen, leiste ich eventuell Abbitte.
Aber solange sollen sich diese vermeintlichen Gutmenschen und anderen Blödmänner vor dem gedankenfreien Herumwerfen mit brunzdummen Vergleichen in ein dunkles Zimmereck verziehen und mal intensiv in sich hineinhorchen; vielleicht finden sie ja was.

Das dürfen sie dann gerne behalten.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Hotel Nairobi

Das Leben ist manchmal seltsam, vor allem, wenn man von Selbstverständlichkeiten ausgeht, die da wären, daß jeder, der hier lebt, zumindest mal Einblick in die Mentalität hier im Lande hat.
Wenn man dann eine Arbeitskollegin aus Kenia kennenlernt, die erst seit einem Jahr hier und zudem sehr sympathisch ist, und mit der man sich ziemlich blendend unterhalten kann, wird es echt schräg:
trotz gegenseitigen Verständnisses wird schnell klar: hier prallen komplett verschiedene Universen aufeinander, und das, ohne daß man großartig Details aus seinem Leben verraten hat.
"What? You are 36 and you are not married yet?" und "There are so many Germans who don't believe in God. In Africa, people are very religious, I pray every day and I read the bible."
Das waren bereits zwei Punkte, über die man stundenlang hätte diskutieren können, ohne überhaupt zu irgendeinem Kern vorzustoßen.
Man läuft umher und sieht Menschen aus verschiedenen Nationen, die hier leben... aber was für einen Kulturschock manche durchlaufen, wird einem erst im persönlichen Gespräch richtig klar. Wir haben zumindest das Privileg, uns über andere Länder ausreichend informieren zu können, bevor wir sie bereisen... und jederzeit wieder in unser Heimatland zurückkehren zu dürfen.
Genau DAS wird einem in solchen Momenten klar, und diese Erkenntnis ist nicht die Schlechteste.

Freitag, 9. Oktober 2009

Hoo! Hoo! Hoooo!

"Seeger und Russwurm freut sich, HOOTERS begrüßen zu dürfen".
Und wir freuen uns auch. Hooters am Kronenplatz, an exponierter Stelle, zeigt auf wenige Quadratmeter eingedampft und komprimiert, was wir uns im Laufe von mindestens 15 Jahren mühsam an Vorurteilen gegen die USA erarbeitet haben.
Es ist nicht mehr die Zeit für Pamphlete, für Diskussionen oder sonstige politische Meinungsbildung... es genügt ein prüfender Blick.
Ließ schon die Stellenausschreibung für Bedienungen ("Du siehst gut aus und kannst gut mit Menschen umgehen?"), flankiert von einem weitgehend hirnbefreit in die Kamera grinsend Cheerleadergymnastik treibenden Men's- Health- Leser- Wichsvorlagentraum Sinistres erwarten, wird das vom eigentlichen Laden noch getoppt.
Die Speisekarte verspricht Fraß, darum habe ich mir ein Studium derselben gleich geschenkt.
Das Rudel diverser Spacken, das allabendlich mit mir die Straßenbahn teilt, um unter der Losung "wir gehen ins Hooters und ihr wißt warum" dort Bedienungen anzusabbern und PVC- Sandwiches zu verzehren, raubt mir eh jeglichen Appetit.
Das Konzept, Fast Food auf dem niedersten Level mit steriler Hochglanzerotik zu fusionieren, scheint gewinnbringend zu sein. Da fragt man sich: warum fällt mir sowas nicht ein? Weil ich das nicht möchte? Das scheint mir ein guter Grund zu sein.

Apropos, Herr Radiotrinker, nichts für ungut: aber Die Piratenpartei? Ich kann mir auch gleich einen Fuß absägen. Da könnte ich auch meine sämtlichen Oeuvres hier einstellen, damit sie sich jeder frei kopieren kann.
Schön, daß es Parteien gibt, die mir gerne die Möglichkeit geben würden, kreativ zu sein und damit keinen Cent zu verdienen, so daß ich trotz aller Bemühungen bis zu meiner Rente den Altenpfleger geben darf.
Ja, ich gebe es zu: ich würde gerne irgendwann mit dem, was ich sonst so treibe, Geld verdienen, anstatt mich- wie diese Woche- für knapp 1300 netto im Monat geschlagene 56 Stunden in 7 Tagen krumm und bucklig zu machen, nachdem ich letzte Woche ebenfalls 48 Stunden abgeleistet habe. Nicht sehr Punkrock, isn't it?

Montag, 5. Oktober 2009

Hundescheiße on the rocks

Meine Woche: Pest und Cholera.

Ein neuer Job... ein Zugebombtwerden an neuen Namen, Aufgaben, Eindrücken mit einer Anleitung zur Seite, die dermaßen überfordert war, daß sie mir mehr leidtat als ich mir selbst. Heimwege auf dem Zahnfleisch.
Ein vorgegebener Zeitrahmen, der mich dermaßen überforderte, daß ich nach drei Tagen das Handtuch warf, nur um von der PDL überredet zu werden, doch zu bleiben, da sie dringend Leute braucht, und ich solle doch die Spätschicht ausprobieren.
Spätschicht: entspannt, aber da die Zeit genau ausreicht, meine Aufgabe zu erfüllen, ohne diese dokumentiert zu haben, unbezahlte Überstunden, um die Dokumentation zu schreiben. Feierabend: 21 Uhr, Dokumentation, Heimwege auf den Sackhaaren, Ankunft an der Haustür: 22 Uhr 30.
Die Woche: ein Scheißhaufen. Die Wohnung: ein Saustall. Beim Einschlafen: Berieselung durch RTL II, in der gerade eine Razzia in der Wohnung eines Cracksüchtigen gezeigt wird. "Ein normaler Mensch kann nicht nachvollziehen, daß Menschen freiwillig in solch einem Chaos hausen."
Blick umher: check. Fick dich.
Dienstag mein Quizabend als Spieleleiter in familiärer Atmosphäre im Ubu, eine meiner Stammkneipen. Etwas, auf das ich mich in Berlin sehr gefreut habe. Endlich wieder zusammensitzen mit von mir geschätzten Leuten in angenehmer Atmosphäre. Helmut, der Chef, eröffnet uns Knall auf Fall, daß er den Laden aus finanziellen Gründen kurzfristig und endgültig schließen muß.
Weinende Männer. Bizarre Anblicke. Atmosphäre wie bei einer Beerdigung. Ist es auch: ich trage einen kleinen, nichtsdestotrotz liebgewonnenen Teil meines Lebens zu Grabe.

Ansonsten: ein Rechner, der schnauft und lahmt. Das Gefühl, die kreative Energie von jemandem zu haben, der im Vorzimmer von Amtmann Plötz in Weiherfeld- Dammerstock Büroklammern zählt und die Bestände dokumentiert. Hundescheiße on tne rocks.

Bitte ganz schnell abhaken und vergessen.

Ubu R.I.P.

Sonntag, 27. September 2009

"Allee, Allee...

...eine Straße, viele Bäume, ja das ist eine Allee."

Was ich auf meiner Rückreise musikalisch ertragen mußte, wünsche ich niemandem.
Nun gut, fast niemandem. Es gibt ja auch durchaus Leute, denen hätte ich die Fahrt mit dem Kopf im Motorblock gegönnt.
Aber 8 Stunden in einem Auto eingepfercht zu sein, in dem man im Wechsel mit Ballermann 6- Saufliedern, Faschingsschlagern und den Böhsen Onkelz beschallt wird (8 Stunden! In Worten: ACHT!) ist schon hart. Und obige Textzeile war eines der besonderen Highlights. Warum tun Menschen sowas? Warum?
Nun gut, zumindest waren die Fahrer (zwei junge Hertha-BSC- Fans auf dem Weg zum Spiel in Hoffenheim) eine recht angenehme Gesellschaft und hatten einen derart guten Bleifuß, daß ich bereits um 20 Uhr 30 wieder in Karlsruhe war und sogar noch was vom Abend hatte.
Und für 35 Euro im Vergleich zu 97 Euro für das ICE- Ticket nimmt man bei der Mitfahrgelegenheit sogar Scheißmusik in Kauf.
Dann noch der Derbysieg gestern mit anschließendem Biervernichten in meiner Wohnung (übrigens mit einem KSC- Fan... und wir leben beide noch)... das nennt man wohl einen gelungenen Einstand.
Schön, wieder zuhause zu sein.

Mittwoch, 23. September 2009

Unfaßbares Gesocks

Manche Leute sind schier unglaublich: da bin ich am Bundesplatz in Steglitz, weil ich mit einem guten Bekannten zum Essen in einem mediokren griechischen Restaurant verabredet bin, als mich jemand anlabert, ob ich Feuer hätte.
Na klar; und weil ich schon mal im Gespräch bin, und der junge Mann recht sympathisch aussieht, frage ich ebenfalls sofort nach dem Weg zum Perezplatz... nur um gleich darauf zu bemerken, daß der Gute wohl nicht nur stinkbesoffen, sondern auch anderweitig völlig betoniert ist.
Es entspinnt sich eine völlig absurde Konversation, an deren Ende sich diese Leiche mein Handy ausleihen möchte, denn "Habe ich Freundin, rufe ich an, wir gehen hin und können beide ficken ganze Nacht."

Ich möchte jetzt nicht damit beginnen, die Inferiorität des ganzen ernstgemeinten Angebots zu analysieren, aber ein flotter Dreier mit einem Drogentoten und seiner nymphomanen Fickschleuder... exakt so stelle ich mir einen gelungenen Abend vor.
Das Leben ist doch eines der Schönsten.

Dienstag, 22. September 2009

Leute mit Dachschaden

Mein Mitforumianer Gabriel aus der Schweiz hat ja kürzlich in seinem sehr lesenswerten eigenen Blog, den er (unter dem Titel notizen.)führt, den Brückenschlag zum ME- Forum gewagt (das nach der Verlagerung des "Musikexpress" von München nach Berlin und einem Wechsel des Herausgebers nun seit kurzem nicht nur unter der Kopfzeile "WELT online", sondern auch unter einem Werbebanner läuft, das jeden, der kein Adblock plus hat, unweigerlich in den Wahnsinn treibt... aber das ist eine ganz andere Geschichte. Nur falls sich jemand wundert; wie glücklich ich mit der derzeitigen Entwicklung bin, dürft ihr gerne raten):

es gibt dort einen Thread, in welchem man zum Zeitvertreib seine 50 liebsten Platten von 2000- 2009 auflisten soll.

Ein schöner Nerd- Zeitvertreib, fürwahr, der nach einiger Beschäftigung mit der Materie für einen selbst (vorausgesetzt, man ist dem Listenwahn verfallen, aber das sind Plattensammler fast immer) eine immense Wichtigkeit gewinnt, die wirklich bizarr ist.

Man sitzt nun also mit ca. 180 in diesem Jahrzehnt erworbenen Platten (nachdem man mindestens 250 weitere in einem gnadenlosen Vorauswahlverfahren kategorisch ausgeschlossen hat) am Wohnzimmertisch und versucht, 50 herauszupicken, die man schon seit Jahren heiß und innig liebt und nicht mehr hergeben möchte (bzw. aktuelle Alben, die momentan auf Dauerrotation laufen und bei denen man überzeugt ist, daß das auch in weiteren 10 Jahren noch der Fall sein wird).

Dann versucht der geneigte Kauz, zu dem man sich spätestens jetzt entwickelt hat (was den erwähnten Thierse- Faktor doch ziemlich in die Höhe treibt), die Liste möglichst ausgewogen zu gestalten, indem er versucht, das eigene Geschmacksspektrum soweit wie möglich abzudecken und sich auf ein Album pro Band zu beschränken.

Dieses Hin und Her, das Rein und Raus aus der Liste, das Gefühl, etwas vergessen zu haben und diesem oder jenem nicht gerecht zu werden, kann einem ernsthafte Hirnzermarterung bereiten, bis man endlich fertig ist...

mit der ca. 347 822. Liste von 50 oder 100 Platten, die in den Fernen des Internets herumgeistert, ohne daß sie irgendjemand brauchen würde. Aber man selbst ist stolz drauf, als hätte man wirklich Bedeutsames, wenn nicht sogar Unentbehrliches geleistet.
Ob Musiknerds und Plattensammler tatsächlich alle einen Dachschaden haben?
Wie sagten Poison Idea schon vor Jahren in einem Plattentitel?
"Record Collectors Are Assorted Assholes".

Möglicherweise hatten sie sogar recht.

Nichtsdestotrotz hier meine 50:


Antipop Consortium: Arrhythmia [2002]
Antiseen: Badwill Ambassadors [2005]
At The Drive-In: Relationship Of Command [2000]

The B-52's: Funplex [2008]
Black Rebel Motorcycle Club: Take Them On, On Your Own [2003]
Bloc Party: Silent Alarm [2005]
Brimstone Howl: Guts Of Steel [2007]
The Bronx: The Bronx I [2003]

Nick Cave and the Bad Seeds: No More Shall We Part [2001]
Clutch: Pure Rock Fury [2000]

Fantomas: The Director's Cut [2001]
Freddie Foxxx: Bumpy Knuckles- Industry Shakedown [2000]

Girls Against Boys: You Can't Fight What You Can't See [2002]
Gluecifer: Tender Is The Savage [2000]

PJ Harvey: Stories From The City, Stories From The Sea [2000]
Hot Snakes: Suicide Invoice [2002]

Jedi Mind Tricks: Visions Of Gandhi [2003]

Kamikaze Trio: Rain On Your Parade [2008]
King Khan and the Shrines: Mr. Supernatural [2004]
Kings Of Leon: Because Of The Times [2007]
Killing Joke: Hosannas From The Basements Of Hell [2006]

Mastodon: Remission [2002]
mclusky: The Difference Between Me And You Is That I'm Not On Fire [2004]
Melvins: (A) Senile Animal [2006]
Motörhead: Inferno [2004]

New Wet Kojak: ...This is the glamorous... [2003]
The Night Marchers: See You In Magic [2008]
NoMeansNo: All Roads Lead To Ausfahrt [2006]

Iggy Pop: Skull Ring [2003]
Probot: s/t [2003]
Prong: Power Of The Damager [2007]

Queens Of The Stone Age: Songs For The Deaf [2002]

Radio 4: Gotham! [2002]

Sensational: Get On My Page [2001]
Shellac: Excellent Italian Greyhound [2007]
Sick Of It All: Yours Truly [2000]
Slapshot: Digital Warfare [2003]
Slayer: God Hates Us All [2001]
The Strokes: Is This It [2001]

Tomahawk: s/t [2001]
Trend: Navigator [2005]

Unsane: Visqueen [2007]

Viva L'Américan Death Ray Music: A New Commotion, A Different Tension [2004]

Tom Waits: Blood Money [2002]
Ween: White Pepper [2000]
The White Stripes: Elephant [2002]
Wire: Object 47 [2008]
Woven Hand: s/t [2003]

Zeke: Death Alley [2001]

Montag, 21. September 2009

Die Prominentenstrichliste

Auf der einen Seite ist es ja tröstlich, in meiner letzten Woche in Berlin doch noch einen Prominenten zu Gesicht bekommen zu haben, völlig entspannt im Straßencafé auf einen netten Menschen wartend, mit dem ich mich dort treffen wollte: auf der anderen Seite hätte es der leibhaftige Wolfgang Thierse, der -mit der kauzigen Ausstrahlung eines Erfinders, der nach zwölfjährigen Versuchen, eine Eierköpfmaschine zu konstruieren, allmählich den Verstand verloren hat- auf der Schönhauser Allee versuchte, Passanten zur Wahl der SPD zu überreden, nun auch nicht noch sein müssen.

Die Wahlwerbung ist eh wieder einmal weit vorne; angefangen vom scheinbar für eine bereits arg mitgenommene Klientel produzierten Autistenspot der Rentnerpartei ("Mein Name, ist Kopp, Eberhard Kopp."- der neue Bond?- "Das kann nicht sein! Ich misch mich ein." Irgendwie sind Rentner, die krachig in die Kamera hineinpoltern und dazu versuchen, ein breites Publikum anzusprechen bzw. was sie dafür halten, ziemlich nervtötend) bis zum Berliner CDU- Kandidaten Gottfried Ludewig, der gerade mit westerwellesk beschwingten Stimmungsplakaten der jugendlichen Wählerschaft wohl vermitteln will, was für ein abgefahren crazy Motherfucker er in Wirklichkeit doch ist, Alda.
Übrigens: da man um das Thema nicht herumkommt, ein paar Worte zu den Wahlen.

Als mich eine Mitarbeiterin des Berliner ZDF- Studios fragte, ob ich wählen gehe und mir auf mein "Ja" dann anbot, ich könne mich doch in die "Quatschbox" des Morgenmagazins setzen und dem Fernsehvolk kundtun, warum ich wähle und es das gefälligst auch tun sollte, lehnte ich dankend ab.
Ja, ich gehe wählen; im Endeffekt wähle ich aber lediglich gegen eine Partei anstatt dafür. Das vage Gefühl, für etwas "Verantwortung" übernommen zu haben, will sich bei mir partout nicht einstellen, höchstens das, meine Stimme nicht völlig verschenkt zu haben, und selbst das ist wahrscheinlich trügerisch.
Ich äußere mich nicht gerne politisch, weil ich mich nicht gerne vereinnahmen lasse; und ich fühle mich auch keinem Lager richtig zugehörig.
Daß der Kapitalismus durch seinen Appell an die einfachsten Instinkte letztendlich den Sieg davongetragen hat, macht ihn in meinen Augen deswegen in der jetzigen Form nicht akzeptabel, deswegen scheidet die bürgerliche Mitte für mich aus;daß in meinem Denken kein Platz für Utopien ist, weil ich sie angesichts der Realität und der Beschaffenheit der Natur des Menschen für nicht durchführbar halte, macht mich für viele Linke zu einem manchmal höchst unerfreulichen Gesprächspartner, bei dem auch gerne mal die Faschismuskeule ausgepackt wird, wenn einem sonst nichts einfällt; daß ich Faschisten, Antisemiten, religiöse Fanatiker und allgemein auch den Geist der 50er Jahre in der Bundesrepublik auf den Tod hasse, macht mich für Rechte wie auch Konservative indiskutabel; würde ich nun also sagen, was ich wähle, würde ich aus diversen Gründen gegen meine Überzeugung handeln, weil ich eine Empfehlung für etwas abgeben würde, dessen Sinn sich für mich nicht unbedingt erschließt, das ich aber trotzdem als Notwendigkeit ansehe. Klingt wirr, ich weiß. Wäre ich hier in einem Forum, würde ich einen grünen Grinsesmiley hintenanstellen.
Ich will mich hier nicht zum tollen Outlaw hochstilisieren, dazu fehlt mir glaube ich noch einiges; daß ich mich immer noch vorwiegend unter Leuten bewege, die ihre Prägung in der Punk- und Hardcoreszene erhalten haben (und ich auch nicht vorhabe, das in absehbarer Zeit zu ändern), ist ebenfalls kein Geheimnis, aber deswegen muß ich nicht mit jeder dort vertretenen Meinung konform gehen... zumal es dort auch ein relativ großes Spektrum gibt, das vom scheinbaren Grundkonsens deutlich abweicht.
Deswegen: the choice is yours... ohne daß euch Papa Bronkowitz erzählt, wo es langgeht.

Mittwoch, 16. September 2009

The Jesus Lizard, Festsaal Kreuzberg, 15.09.09

Nachdem mein eigentlicher Auftrag in Berlin ja bereits erfüllt ist, war es trotzdem schön, ein alles überstrahlendes Ereignis zu haben, um die Restzeit hier zu verkürzen.

The Jesus Lizard sind also wieder da, zumindest für ein paar Reunionkonzerte in Originalbesetzung. Fan der Band bin ich seit der Platte "Liar" Anfang der 90er, aber es hat nie gereicht, um sie live zu sehen... vor allem, weil sie sich Ende der 90er bereits aufgelöst hat.
Dementsprechend solide war auch der Andrang im Festsaal Kreuzberg, einem beachtlich großen Saal mit durchgehender Empore, in dem sich geschätzt 300 Leute eingefunden hatten.
Der Altersschnitt war ebenfalls solide, handelte es sich doch um eine Band, die vor 15 Jahren einmal groß war und seit ihrem Ende abgesehen von der festen bestehenden Fanbasis dann doch zu sperrig und unpopulär war, um sich größere Käuferschichten zu erschließen.
Ich schätze den Schnitt mal auf 34,7 Jahre, war aber doch erstaunt, würdige weißhaarige Männer in alten Jesus- Lizard- Tourshirts zu sehen... Sachen gibt's...
Dennoch: als ein sichtlich gutgelaunter David Yow nach der guten, aber unspektakulären Garagenrockvorband "Demon's Claws" (die in dem Rahmen reichlich deplaziert wirkte) und in wuchtigem Sound der Anfang von "Here Comes Dudley" ertönte, gab es kein Halten mehr.
Im Vergleich zum altersmäßig ähnlich gearteten Prong- Konzert kürzlich, bei dem sich keiner mehr einen Moshpit zutraute, kochte hier die Stimmung über.
Es gab Crowdsurfer und Stagediver, am eifrigsten dabei war natürlich Yow selbst, der einen Großteil des Konzerts auf dem oder inmitten des Publikums bestritt und auf allzugroße Schweinereien verzichtete, abgesehen vom "senkrecht in die Luft spucken und den Rotz mit dem Gesicht auffangen" oder davon, sich bei "Boilermaker" minutenlang den Finger in den Po zu stecken. Aber wenigstens behielt er die Hose an.

Geboten wurde natürlich eine Art "Greatest Hits"- Sammlung... viel Material von "Head", "Goat" und "Liar", zwei oder drei Songs von der schwächeren "Down", alles sehr versiert dargeboten.
Neben all dem Wahnsinn sollte man nicht vergessen, welch grandiose Musiker die Lizards sind, und das merkte man an diesem Abend sehr deutlich.
Nach gut zwei Stunden war nach einem ausgedehnten Zugabenblock zum genau richtigen Zeitpunkt Schluß (immerhin gehen die meisten Alben gerade mal 30 Minuten, und vier am Stück sind sogar mir zuviel) und als Fazit bleibt:
großartiger Sound, ein blendend aufgelegter Irrer am Mikro, ein mitgehendes Publikum... was will man mehr?
Und sogar wenn die Reunion nur eine einmalige Geschichte war: ich war dabei.
Wieder ein Grund mehr, irgendwann beruhigt sterben zu können.

Dienstag, 15. September 2009

"Please put in my box/some money for socks"

sang vor knapp über 20 Jahren die ganz famose und sträflich unterbewertete Band The Housemartins in ihrem Song "We're Not Going Back".
Gutes Thema, denn meine mitgeführten Socken lösen sich auf. Ich weiß nicht, woran es hängt, aber momentan grassiert galoppierender Lochfraß. Heute morgen zog ich ein bisher intaktes Geschenk einer ehemaligen Studienkollegin an und stand auf einmal halb im Freien.
Dazu kommt, daß es in unserer WG gefühlt fünf Grad kühl ist. Man sitzt also beim Frühstück (Kaffee und Zigaretten), und durch die zernagten Socken kriecht ein schleichend kalter Hauch durch's Hosenbein Richtung Gemächt.
Und daran ist beileibe keine prickelnde Erotik zu entdecken, es sei denn, es gehört zu jemandes sexuellen Präferenzen, mit einem lebenden Karpfen in der Unterhose spazierenzugehen, und das ist bei mir nicht unbedingt der Fall.
Was mir seltsamerweise dazu einfällt: in meiner Kindheit, die ich in den 70ern und frühen 80ern überwiegend bei meinen Großeltern verbrachte, war es üblich, sich am Waschbecken in der Küche (man stelle sich eine zweigeteilte Küche vor: vorne ein Eßtisch auf Linoleumbelag, hinten eine Art Kochnische mit gekacheltem Boden... kleine, quadratische Fliesen, größtenteils weiß, aber dazwischen immer mal wieder eine optische Auflockerung in Form vereinzelter Kacheln in grindigem Pastelltürkis oder geradezu brechreizerregendem Pastellrosa, darauf ein Gasherd... also: wenn heute ein Museum einen typischen westdeutschen Arbeiterhaushalt von- sagen wir mal- 1966 nachstellen möchte, wird er genau SO aussehen)die Hände mit kaltem Wasser und Ata Scheuerpulver zu waschen.
Man kam also von der Feldarbeit oder -in meinem Fall- vom Fußballspielen auf dem Bolzplatz und wusch sich erst mal die Hände, und am Waschbecken lag entweder ein mumifiziertes Stück Kernseife, oder es stand eine Plastikdose Ata bereit, als wäre es das Normalste auf der Welt. Heute würden dermatologische Studien wohl ergeben, daß einem das Zeug irgendwann die Hände skelettiert, aber damals scherte einen das wenig.
Das erklärt das frühe Hinscheiden meiner Socken natürlich trotzdem noch nicht, aber man könnte mutmaßen, daß einen das Berliner Trinkwasser irgendwann von innen heraus auflöst, es aufgrund jahrelanger Gewöhnung niemand mehr bemerkt und ich der Erste bin, der das anhand seiner Socken nachweisen kann. Und das prangere ich an. So.
Um nochmal zur kühlen WG zurückzukommen:
ich war ja in den 80ern großer R.E.M.- Fan (zumindest bei Erscheinen von "Document" und "Green", die ich ja bereits im zarten Teenageralter mochte), bis ich mir genau am Erscheinungstag die unfaßbar grauenhafte, geradezu inferior schlechte Verkörperung alles Grützigen in der "Musik für Leute, die sich nicht für Musik interessieren"- Welt namens "Out Of Time" kaufte.
Eine wahrhaftige Schweinescheibe, auch heute noch, und von dieser Meinung werde ich auch nie ein Jota abrücken.
Unglücklicherweise sollten sie ausgerechnet mit dieser Platte reich und berühmt werden; glücklicherweise sollte mich das bald darauf nicht mehr interessierten, weil Punk, Hardcore, Thrashmetal und Public Enemy meinen Weg kreuzten, und zwar alle auf einmal.
Dabei könnte man es belassen; nun veröffentlichten R.E.M. aber 2008 eine ganz famose Platte namens "Accelerate", die erste seit Jahren, die ich mir wieder zulegte.
Und als ich kürzlich die "Automatic For The People" für den Ramschpreis von 5 Euro auf CD entdeckte, entsann ich mich des Songs "Drive", den ich so schlecht eigentlich auch nie fand, und kaufte sie.
Und es funktioniert: kaum erklingen die ersten Takte, wirft einem jemand am offenen Kamin Omas selbstgestrickte Wolldecke über, und die ganze Welt wird Fluff und Muff und Sackgekraul. Zumindest fast.
Aber man vergißt beinahe, daß man sich gerade in den alten Bundeswehrschlafsack seines Onkels eingerollt hat, auf einer angejahrten Schlafcouch liegt und die Flecken auf einer ebenfalls fossilen, an einer Zimmerwand lehnenden zerschlissenen Matratze zählt, die den nächsten Abtransport zum Sperrmüll erwartet.
Das leichte Frösteln bleibt; aber zumindest ist die Platte so gut, daß man sich keine Gedanken über den Ursprung der Flecken macht.
Und das sollte einem schon mal 5 Euro wert sein.

Samstag, 12. September 2009

Fußball, Saufen, Schädelfick

Gestern hat mein Verein für meine Verhältnisse das beste Spiel abgeliefert, das ich seit langem gesehen habe. Ich saß im Gun Club vor der Großleinwand und war zumindest eine Halbzeit lang noch nüchtern, also könnte das durchaus der Realität entsprechen.
Für den Rest des Abends kann ich leider keine Garantien liefern.
Da ich das ganze Spiel damit zubrachte, in dem knallevollen Laden, in dem nicht nur eine blendende Stimmung herrschte, sondern ich mich außerdem in angenehmer Gesellschaft zweier Leute aus dem ME- Forum befand, den Geschehnissen Tribut zu zollen, indem ich mir ohne Unterlaß dunkles Weizen in den Schlund kippte, hatte ich bei Verlassen des Gun Clubs leichte Probleme, die Spur zu halten.
Hätte also jemand einen Breakdance von mir verlangt und mir dazu eine Waffe an den Kopf gehalten (man weiß ja nicht, auf was für dämliche Ideen junge Menschen heutzutage kommen): meine Chancen wären nicht unbedingt die aussichtsreichsten gewesen.

Und heute morgen hatte der fette LKW- Fahrer, der mich mittlerweile schon nach mäßigem Biergenuß besucht (ich schrieb es bereits) gleich seinen Muldenkipper mitgebracht und auf meinem Kopf geparkt.
Die Leute werden doch immer dreister heutzutage.

Eigentlich müßte man nun lustige Saufbilder dazu posten, auf dem ich mit den dabeigewesenen Leuten die Köpfe zusammenstecke (und eventuell das Victoryzeichen mache).
Wenn ich so an die Nervdeppen denke, die sogar in meinen Stammclubs mit der Digitalkamera Photos machen, auf denen sie die Köpfe zusammenstecken (und eventuell das Victoryzeichen machen) und wieviele Photos junger Menschen in der Rubrik "Nightlife" irgendwelcher Stadtmagazine auftauchen, auf denen sie die Köpfe zusammenstecken (und eventuell das Victoryzeichen machen), ist die Digitalkamera wahrscheinlich nicht die schlechteste Erfindung. Wären diese Bilder richtige Photos, müßten für ihr unfaßbar inflationäres Auftauchen nicht nur komplette Wälder abgeholzt werden, nein, wir würden wahrscheinlich alle in einem Wust aus Photos ersticken, auf denen junge Menschen in Clubs die Köpfe zusammenstecken.
Und eventuell das Victoryzeichen machen.

Freitag, 11. September 2009

Todesfuge täterä

Nun wurde es doch übermorgen mit einem neuen Post. Der Grund:
Gestern half ich zweien meiner bisher vier Mitbewohner beim Umzug in ihre neue Zweier- WG und glich abends eher einem gebeugt schlurfenden Greis mit 90 anstatt wie üblich einem gebeugt schlurfenden Greis mit 36.
Alles schön zuerst zwei Stockwerke runtertragen, dann ein Stück Kleinbus fahren, dann alles vier Stockwerke hochtragen. Glücklicherweise konnte ich mich mit dem zarten Hinweis, daß die Jungs samt den beiden anderen Helfern nicht nur mindestens 10 Jahre jünger als ich, sondern auch um ein Vielfaches sportlicher waren, vor den ganz häßlichen Sachen (Kühlschrank; Sofa) drücken. Wenn ich schon ungefragt helfe, muß ich ja nicht in völligen Altruismus verfallen.
Heute betrat ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft hier den Ku'damm und trat auch relativ zügig wieder davon herunter. Natürlich ist es eine beeindruckende Prachtstraße, aber ich habe eine natürliche Abneigung dagegen, bei gefühlten 35 Grad zwischen lauter Touristen auf Shoppingtour umherzuirren. Manche photographierten in Anfällen von vorübergehender Desorientierung (Dehydration? Sonnenstich?) sogar die Currywurstbude vor der Gedächtniskirche, als hätten sie noch nie eine solche gesehen.
"Johoho, Mudder, Berlin ist schon verrückt, die verkaufen sogar Wurscht aus Lastwagenanhängern heraus." Es braucht manchmal wenig, um jemanden glücklich zu machen.

Apropos: ich war mal wieder am Alexanderplatz, um den dortigen SATURN heimzusuchen, meinen bisher bevorzugten Aufenthaltsort in Berlin.
Dort fand ich auch endlich einmal die Celan- CD. Damit meine ich nicht die "Todesfuge", sondern das neue Bandprojekt von Chris Spencer, seines Zeichens der Mann mit Schaum vor dem Mund bei meinen ewigen Noiserockhelden Unsane (der ja wohl mittlerweile ebenfalls in Berlin lebt), zusammen mit Leuten von den Einstürzenden Neubauten und Oxbow.
Und das Schöne daran ist: Chris Spencer nun also mit Keyboards, Postrock- und Elektronikeinflüssen und arty Geräuschcollagen. Und trotzdem klingt es immer noch nach "Gleich reiß ich dir den Sack ab".
Scheinbar kann er halt nicht anders, der alte Schreihals.
Zum Glück.

Mittwoch, 9. September 2009

Man denkt an nix Böses...

...und geht bei sich im Block umme Ecke, wa, um Fluppen zu koofen und steht dann plötzlich vor der "Vegetarischen Oase" (natürlich noch mit einem bescheuerten englischen Untertitel, den ich sofort vergessen habe... "Fruits to go"? "Fresh for you"?... egal, jedenfalls war es nicht "Wanna swallow my big banana?", das hätte ich mir gemerkt), wo auf einer Tafel frischer "Ananas- Zucchini- Kuchen mit Walnuß" angepriesen wird.
Nun, zumindest hat der Gedanke an diese Kombination zur Folge, daß man augenblicklich gegessen hat. Und obwohl man ansonsten den Ruf hat, unter dem Zwang von Überbleibseln eines frühkindlichen Reflexes so gut wie alles in den Mund stecken zu müssen, was man nicht kennt, weiß man in jenem Moment, daß es Kelche gibt, die man besser ungebremst vorüberziehen lassen sollte.
Ja, ich habe blendende Laune und schreibe einfach darauf los, denn ich habe nun zwei Tage frei.
Das heißt, da Yu-Gi Oh! ("Ha! Ich beschwöre den..." - Schnauze auf den billigen Plätzen, Unterbewußtsein) nun passé ist, werde ich in meiner Freizeit ganz den Touristenhonk geben und mir tränenden Auges Orte ansehen, die ich nie im Leben erblickt... ich sollte mir einen Strohhut aufziehen. Mich gewanden in Bermudashorts und ein T- Shirt vom Badenmarathon (bzw. "Bier formte diesen wunderschönen Körper" oder "Ich bin über 30, bitte helfen Sie mir über die Straße").
Dazu einen Bauchbeutel mit Tabak und Filtern drin und Adiletten.
Da fällt mir ein: warum gibt es eigentlich keine gütige Seele, die bei Junggesellenabschieden der Braut mal den zarten Hinweis gibt, daß ihr künftiger Gatte (das ist meist der, der am debilsten aussieht... halte Ausschau nach einem Typen, der einen Riesenschnuller umhängen hat, oder eine Schlumpfmütze trägt, oder sich einen Luftballonpimmel um die Hüfte gebunden hat) ein absoluter Monsterspong ist,den keine Frau, die noch ihre sieben Zwetschgen beisammen hat, auch nur mit der Beißzange anfassen würde?
Fragen über Fragen...
Weiterer Bericht aus Berlin folgt morgen. Stay tuned.

Nachtrag: Pöbel und Gesocks

Noch ein kurzes Anhängsel zum vorherigen Eintrag, bis es mal vorerst wieder gut ist mit diesem Thema:

Am 2. September spielte ja unsere Amateurelf gegen den alten Erzrivalen.

Einige Offizielle faselten durchaus was davon, daß man ein "friedliches Fußballfest" erwarte. Schön, wie weit Wunschdenken und Realität auseinanderliegen:


http://www.fck-blog.de/waldhof-gegen-fck-acht-verletzte-36-festnahmen/03-09-2009/

Was ich davon halte, kann sich jeder selbst zusammenreimen. Mangelnde Distanzierung und fehlende Empörung sind durchaus beabsichtigt, obwohl ich mich nicht gerne prügle... wohl, weil ich sowieso immer den Kürzeren ziehe und meine Knochen vorsorglich numerieren kann.

Eventmanagement, fröhliche Fußballfeste, Retortenvereine: es gibt immer noch genug Pöbel und Gesocks, das die Leute, die denken, sie hätten alles im Griff, niemals verstehen werden.
Vielleicht ist es verkehrt, Fußball zum Klassenkampf hochzustilisieren, da seine Energien scheinbar oft genug in (zumindest für Außenstehende) nicht nachzuvollziehende Richtungen laufen.
Aber der Vergleich mit dem gallischen Dorf sollte zulässig sein... es gibt Ecken, in die niemand reinkommt, die sich nicht vereinnahmen lassen, dessen Regeln nur die verstehen, die es was angeht. Und das wird auch 100 Retortenvereine später noch so laufen, es sei denn, es herrscht am Stadion bald Gesichtskontrolle wie in einer Schlipsträger- Nobeldisco.
Wundern würde mich das nicht.

Montag, 7. September 2009

Red Bullshit Leipzig

Nun habe ich im Fernsehen auch endlich mal einen Bericht über den früheren Marktranstädter Fußballclub, der sich nun RB Leipzig nennen darf, gesehen... Red- Bull- Mateschitz hat nun auch im Profifußball seinen Fuß in die Tür gekriegt und sieht seinen Verein Rasen- Ballsport (Muahaha) Leipzig nun als lohnendes Investitionsobjekt.
Ein paar in Trikots gewandete Deppenfans gab es auch, die was davon faselten, daß nun in Leipzig mal was geht und man das unterstützen müsse (das kann man natürlich nicht, indem man Lok oder Union unterstützt, da braucht es schon einen hippen Retortenverein) und daß mit dem Geld dann auch mal Spieler geholt werden, die schönen Fußball spielen und die zahlreichen Kritiker verstummen lassen.
Ja, der schöne Fußball... das Totschlagargument, das ALLES rechtfertigt.
Daß man- wenn auch manchmal widerwillig- auch zu seinem Verein hält, wenn er einen zum Stein- und Beinerweichen grusligen Stolperstiefel dahinstümpert, werden diese "Fans" nie kapieren.
Daß sich Mateschitz- im Gegensatz zu der anderen unerträglichen Gestalt, die da gerade schalten und walten darf und der man zumindest noch ein Interesse an der Sache zugutehalten kann, wenn man es gut meint... wenn man es böse meint, könnte man nach einiger Recherche auch zu der Ansicht kommen, daß da jemand den Profisport im Rhein- Neckar- Raum in seine Griffel kriegen will, aber lassen wir das- daß sich also Mateschitz einen Dreck für Fußball interessiert und sein Club trotzdem Anhänger findet, macht es völlig unfaßbar.
Das ist genau die Art von Fan, die diese Marketingspongs, die immer noch denken, sie könnten uns domestizieren, haben wollen: eventorientiert, schön vorschriftsmäßig kostümiert und die Fresse in Vereinsfarben angemalt, um dem Fernsehen Partybilder zu liefern und potentielle Werbekunden anzulocken, die dann genau diese empfangsbereiten "Fans" bis zum Erbrechen im Stadion mit beknackten Gewinnspielen und ähnlichem Unfug traktieren können. Keine Schimpfworte bitte, und immer schön klatschen, wenn jemand ein Schild hochhält.
Nein, ich bin da unversöhnlich.
Die "Fans" eines solchen Vereins werde ich nie als solche bezeichnen; gestandene Profis, die sich davon ködern lassen, sind charakterlose Lumpen.
Es ist natürlich nicht zu rechtfertigen, gegen Spieler und Zuschauer körperliche Gewalt anzuwenden;abgesehen davon empfinde ich jegliche Art des Protests gegen diese Auswüchse als durchaus legitim.
Getrennt in den Farben, vereint im Ziel:

GEGEN DEN MODERNEN FUSSBALL!

*Nachtrag*

Der "Sohndesbischofs" hat recht... natürlich Lok und Sachsen. 6 Wochen Berlin, und ich bin bereits halbwegs dement...

Samstag, 5. September 2009

"Der Bährenjode"

Nun also endlich mal "Inglorious Basterds" gesehen und im ME- Forum bereits meinen Stiefel dazu abgelassen, und da ich zu faul bin, alles nochmal zu schreiben, zitiere ich mich der Einfachheit halber selbst.

Bruchstückhafte Gedanken zu "Inglorious Basterds" (Remix)


1. Christoph Waltz ist unfaßbar großartig. Jemand, bei dem man merkt, daß er schauspielert, ohne daß es wie Overacting erscheint, ist sehr beeindruckend.

2. Diane Kruger ist der einzige Totalausfall. Aber was für einer.
In der Szene, in der Brad Pitt seinen Finger in ihre frische Schußwunde steckt,spielt sie, als hätte sie sich gerade den Knöchel verstaucht... und das ist schon ihr schauspielerischer Höhepunkt. Ansonsten ist sie furchtbar hölzern und affektiert.

3. Brad Pitt ist einer meiner Lieblingsschauspieler, das gebe ich offen zu. Seine Leistung in diesem Film: solide, mehr nicht.

4. Lächerlich gemacht werden die, die es verdienen, also hauptsächlich die Leute der NS- Führung. Tarantinos Fertigkeit, einfache deutsche Soldaten durchaus nicht als Klamauk- Witzfiguren, sondern- in bester Italowesterntradition- als ernstzunehmende Gegner darzustellen, ist grandios.
Das zeigt schon der Umstand, daß er mit vielen deutschen bzw. deutschsprachigen Schauspielern zusammengearbeitet hat.
Im Endeffekt ist das- für diese Art von Film durchaus ungewöhnlich- eine Art von Humor, der dadurch nicht ausschließilch auf Kosten der einen Seite geht und damit niemanden sein Gesicht verlieren läßt (obwohl der Film natürlich eindeutig Partei ergreift). Ich denke, an diesem Punkt hat Tarantino alles richtig gemacht... die Deutschen gewohnt holzschnittartig als vertrottelt oder böse darzustellen, hätte dem Film viel von seiner Wirkung genommen. Er hat alle Peinlichkeitsklippen gekonnt umschifft.
Sowas kann mehr zum Abbau von Vorurteilen beitragen (hier im Sinne der "humorlosen Deutschen") als so mancher ernsthafte Beweis guten Willens. Über das "warum" und "wieso" könnte ich hier noch einiges schreiben, aber das spare ich mir für einen anderen Blog. Obwohl: ja, mein deutscher Großvater war bei der Wehrmacht, aber er war nie NSDAP- Mitglied, sondern ein relativ simpel gestrickter Mann, der in den Krieg gezogen ist, weil er damals nunmal beim Heer war und bereits Frau und Kind daheim hatte. Er wurde schwer verwundet, landete in Kriegsgefangenschaft und wurde dort mißhandelt.
Es liegt mir nicht daran, jüdisches Leid gegen deutsches Leid aufzuwiegen und Ursache mit Wirkung zu verwechseln. Aber wenn jemand eventuell begangenes Unrecht bitter abgebüßt hat (und sich auch in meiner Kindheit und Jugend zu keiner Zeit positiv über die Nazizeit geäußert bzw. abfällig über die damaligen Kriegsgegner geäußert hat)war es mein Großvater... wahrscheinlich zusammen mit tausenden anderen einfachen Arbeitern, die aus diversen Gründen keine andere Alternative sahen, als in den Krieg zu ziehen. Und im Gegensatz zu diversen Nazigrößen, die sich später als Pioniere der Mondlandung und Repräsentanten der Bonner Republik einen Namen machen durften bzw. nach ihrer Haftentlassung mit ihren Memoiren stinkreich wurden, obwohl sie in einer besseren Welt verdientermaßen in Nürnberg an den Galgen gehört hätten, haben eben diese Männer (zumindest ein Teil davon) ihr Leben lang Hundescheiße gefressen.
Und nein, das soll nichts entschuldigen... es soll nur verdeutlichen, warum ich in diesem Fall Pauschalisierungen hasse. Kritik dafür nehme ich gerne hier entgegen. Wo ich politisch stehe (bzw. politisch NICHT stehe) kann sich jeder zusammenbasteln, der mich kennt oder mein Profil lesen kann... deswegen fühle ich mich auch nicht genötigt, mich für meine Ansichten zu rechtfertigen.
Aber zurück zu Tarantino:

5. Til Schweiger hat sich durch die Zusammenarbeit mit Tarantino und der Art, wie er im Flm präsentiert wird, wohl einen Jungentraum erfüllt. Irgendwie finde ich das fast wieder niedlich. Daß er nix kann, steht außer Frage, aber er macht das Beste daraus.

6. In der Kellerszene denkt man von der Art der Inszenierung her minutenlang, man würde einen deutschen 80er- Kriegsfilm á la "Das Boot" sehen. Ebenfalls grandios.

7. Bei "Da hat er gezuckt" mußte ich herzhaft lachen.

8. Lachen mußte ich ansonsten wenig in dem Film, aber bei der Italienisch- Szene fiel ich beinahe vom Stuhl.

8. Ein paar Sachen waren mir dennoch zu albern. Deshalb "nur"

8/10

P.S.: an Nina: wer immer du auch sein magst, deine Kommentare lese ich immer gerne. Mußte nun auch mal hier rein.