Donnerstag, 24. Juni 2010

Nudge nudge

"Na, Frankreich? Wie war die WM?"

Hui, BLÖD, frech, frech, nudge nudge, say no more, nudge nudge. Muahaha.
Bei der türkischen und türkischstämmigen Community müssen sie sich ja aufgrund fast vier Millionen potentieller Leser einschleimen ("Jetzt sind die Türken unsere Jungs"), mit dem Rest können sie es machen, und sei es nur, um jemandem auf den Hinterkopf zu steigen, der eh schon im Dreck liegt.
Nein, ich mußte mir eine Menge Scheiße anhören seit gestern.
Daß wir verdient ausgeschieden sind, ist eine Sache. Daß die Art und Weise schon bitter genug war, eine andere.
Daß sich irgendwelche Fernsehkasper zu der Behauptung verstiegen haben, Frankreich wäre peinlich nicht nur für das Land, sondern für das ganze Turnier gewesen (wir haben die WM diskreditiert, und nur wegen uns will sie niemand mehr verfolgen... steinigt uns), erreicht schon eine Grenze, bei der mir schier der Sack platzt.
Wir sind also das Böse auf der Welt? Nun denn.

Zurück zum Thema: Schadenfreude mag erlaubt sein, aber nicht in einer Tageszeitung, solange es keine Kolumne eines einzelnen Redakteurs ist.
Aber es mag wohl vermessen sein, von solch einem Analphabetenblatt journalistischen Stil zu erwarten... darum ist meine Antwort genauso niveauvoll, dem Anlaß geschuldet:

BLÖD: "Na, Frankreich? Wie war die WM?"
Antwort: Sie war "Fickt euch in den Arsch, ihr Hurensöhne." Zufrieden?

Ach ja: Glückwunsch an die Deutschen, hat mich gefreut, daß ausgerechnet Özil und demzufolge auch mein Lieblingsspieler bei der Nationalelf das Tor gemacht hat.
Frage mich jetzt, wie die englischen Drecksblätter vor dem Achtelfinale gegen die Deutschen im gewohnten Stil die Stimmung anheizen wollen. Özil und Cacau mit Pickelhauben?
Ich bitte darum.

*edit*

Daß sich heute die italienischen Schlappenkicker mit ihrem vormaligen Endspielgegner solidarisch zeigten und nun auch nach Hause fahren, ist natürlich eine noble Geste. Ich bin gerührt.

Samstag, 19. Juni 2010

Aua, das tat weh

Daß meine Franzosen nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, wußte ich schon vor der WM.
Die Partie gegen Uruguay bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen... und als ich mich dann mit diversen Franzosen und Deutsch- Franzosen im Pintxos bei unserem Kumpel Gonzalo in der Bürgerstraße traf (einem Spanier, wohlgemerkt), um den Krappenkick gegen Mexiko zu verfolgen, war schon vorher klar: rien ne va plus.
Gute Ansätze konnten nicht verdecken, daß ein Neuanfang unausweichlich ist.
Das Rätsel, wie ein Trainer einen Stehgeiger wie Anelka länger als 10 Minuten auf dem Platz lassen kann, wenn er noch alle seine Murmeln beisammen hat, wurde bis heute noch nicht plausibel gelöst, und auch der Rest der Mannschaft war eigentlich keine, sondern unabhängig voneinander operierende Einzelspieler.
Demzufolge ging das Spiel verdient verloren; fair, wie ich bei einer WM durchaus manchmal bin, gratulierte ich den anwesenden fünf Mexikanern zum Sieg und machte mich auf den Heimweg, darüber nachdenkend, meine Sympathien nach unserem wahrscheinlichen (und verdienten) Ausscheiden nun doch den Deutschen zu schenken, die ja bei dieser WM mit der Multi- Kulti- Truppe durchaus dafür geworben haben.

Das hielt bis zum nächsten Tag.
Blöde Sprüche ("Und, hehehe, wie hattn Frankreich gspielt?"), strunzdumme Expertisen irgendwelcher Leute, die alle zwei Jahre mal denken, sie wären Fußballfans ("Die Serben hauen wir weg, die können nix!"- "Immerhin geht es für die um den Verbleib bei der WM, und die haben Pantelic und Subotic in der Mannschaft. Die lassen sich nach dem Fehlstart bestimmt nicht einfach abschlachten."- "Ach was, die hauen wir weg!") und die üblichen beknackten Eventfans, die sich für ihre Blödmannkostümierung von der Fernsehwerbung sagen lassen, wie ein richtiger Fußballfan auszusehen hat... das alles führte mal wieder dazu, daß ich mir, als der Karren dann mit Schmackes gegen die Wand gefahren wurde, eine klammheimliche Freude nicht verkneifen konnte und angesichts der geknickten Filzhut- und Trötendeppen in der Karlsruher Innenstadt am Straßenbahnfenster mit Blick auf die Kaiserstraße in mich hineinfeixte.

Richtige Freunde werden die Nationalelf und ich in diesem Leben scheinbar nicht mehr, trotz gelegentlicher Sympathien.
Mir taten die Leute aus meinem Bekanntenkreis leid, denen ich halbwegs Fußballinteresse, Begeisterung und Sachverstand attestieren muß; mir tat auch die Mannschaft leid, die sich in Unterzahl respektgebietend gegen die Niederlage gestemmt hat und die mir- wie erwähnt- durchaus genehm ist.
Aber gegen den Gesamteindruck kam in diesen Momenten keine Stimme der Vernunft durch; dazu war mir das Ganze zu sehr ein, ja, "innerer Reichsparteitag".

Montag, 14. Juni 2010

SCHLAAAND!

Bisher hatte ich seit meiner Kindheit keine großen Sympathien mehr für die deutsche Nationalelf.
Davon abgesehen, daß ich mich zwar immer auf die WM freue, mir das ganze Partygesocks, das in irgendwelche Flaggen gehüllt mir "SCHLAAAND!" ins Gesicht brüllend versucht, einen Schluck aus irgendeiner vollgesabberten Pulle aufzunötigen, gewaltig auf den Zeiger geht, ist meine Stimmung immer deutlich unterhalb des Euphorielevels, da für mich wahrer Fußball Vereinsfußball ist und ich mich sowieso keinem meiner beiden Länder soweit zugehörig fühle, als daß ich eine Nationalelf fände, mit der ich mich dermaßen identifizieren könnte wie mit dem FCK.
Dazu ging es mir auf den Sack, wenn sich die deutsche Elf mit gräßlichem Krappenfußball durch Turniere mogelte, während spielerisch gute Mannschaften die Segel streichen mußten.

Irgendwann entschied ich mich dafür, meine Sympathien den Franzosen zu schenken. Als jemand mit korsischem Migrationshintergrund ist Fußball zwar das Einzige, was man mit den Franzosen gemein hat, aber solange es kein korsisches Nationalteam gibt und man man die Wahl zwischen zwei Nationalmannschaften hat, nimmt man eben die, die einem prinzipiell sympathischer ist... und das waren die Franzosen eigentlich schon in den 80ern, wenn ich es mir überlege.
Platini, Giresse, Tigana, Fernandez... das sind Namen, bei denen ich heute noch ins Schwärmen gerate, während mir die Deutschen irgendwann zu doof wurden.
Sitzt man also quasi zwischen zwei oder gar drei Stühlen, ist es schwierig, einer Nationalelf soviel Begeisterung entgegenzubringen wie einer Vereinsmannschaft (wobei ich nicht sage, es sei unmöglich).
Meistens ist die WM für mich auch nur Fußball für Leute, die sich nicht für Fußball interessieren, vor allem seit 2006. Party Party Party, sich in Deutschlandflaggen hüllen und eigentlich ansonsten von nichts eine Ahnung haben.
"Ich interessiere mich nicht für Fußball, nur bei der WM, und nur wenn Deutschland spielt"... man sollte für jeden Spruch dieser Art um ein Almosen bitten, dann hätte man bei jedem Turnier einen vollen Kühlschrank.

AAAABER:
Ich bin mir bewußt, daß dies durchaus die Art von Polemik ist, die man von mir erwarten darf/durfte.
Doch ich werde die positiven Seiten nicht unter den Teppich kehren.
In meiner Jugend war es als Punk eine recht angstvolle Angelegenheit, nach den Spielen der deutschen Mannschaft auf die Straße zu gehen.
Flagge zeigen und Party machen war noch nicht salonfähig, und in der Regel traf man höchstens auf alkoholisierte Deppen in Böhse- Onkelz- T-Shirts, die als vereinzelte Feiertrupps unterwegs waren und generell alle Klischees verkörperten, die man von deutschen Fußballfans hatte. Wenn man Glück hatte, wurde man als erkennbarer Linker nur angepöbelt.
Doch mittlerweile muß man fairerweise eines feststellen: seit der WM 2006 geht es völlig entspannt zu, auch wenn es gelegentlich unfaßbar nervt.
Die früheren Gastarbeiterkinder, die hier großgeworden sind (bzw. mittlerweile deren Kinder), entscheiden sich plötzlich dafür, für Deutschland aufzulaufen, mit dem Ergebnis, daß nicht nur ein kompletter Multi- Kulti- Trupp im weißen Trikot kickt (Tasci und Özil [türkische Wurzeln], Boateng und Aogo [Ghana], Gomez [Spanien], Podolski, Klose und Trochowski [Polen], Marin [Bosnien], Cacau [Brasilien], Khedira [Tunesien]), der auch noch erstaunlich schönen Fußball spielt, sondern auch, daß man Menschen zusammen feiern sieht, bei denen die Anwesenheit von Leuten mit erkennbarem Migrationshintergrund, die Deutschlandfahnen schwenken, nicht ungewöhnlich ist.
Sogar für mich mit meinem urdeutschen Nachnamen ist manches schwierig; das liegt einfach daran, daß ich in mancher Hinsicht ein pingeliger Mensch bin, der gerne alles wohlgeordnet hat, was heißt, daß es mich verwirrt, wenn Deutsche Özil und Boateng, Schweizer Derdiyok, Franzosen Schneider und Makelele und Zyprioten Rauffmann heißen. Aber es wird die Regel werden, auch weil es seit dem Zweiten Weltkrieg Usus ist, sich mehr oder weniger freiwillig im Ausland niederzulassen und sich dort fortzupflanzen.
Irgendwann nach weiteren fünfzig Jahren wird es für die Generation nach uns das Normalste der Welt sein, daß alles durchmischt ist und die Zugehörigkeit zu einer Nation lediglich durch die Sprache, nicht mehr durch das "Blut" oder den Namen definiert wird. Ich kann mich da zugegebenermaßen nicht so schnell umgewöhnen, was natürlich nicht heißen soll, daß ich diese Entwicklung mißbillige, auch weil es ein mittlerweile europaweites Phänomen ist. Geschichte besteht nun mal aus Umwälzungen, und die größte haben wir wohl gerade vor uns, hervorgebracht durch Möglichkeiten, die den Generationen vor uns schlichtweg nicht zur Verfügung standen.

Und darum kann ich auch wiederum Leute nicht mehr ernstnehmen, die in der jetzigen nationalen Begeisterung mal wieder das 4. Reich herannahen sehen. Mittlerweile dürfte Fußball die integrativste Kraft überhaupt sein, und sogar die verbohrtesten Altlinken sollten sich mal etwas lockermachen.
Beim EM- Halbfinale 2008 schauten Deutsche und Türken das Spiel gemeinsam und alles blieb friedlich; und die jetzige deutsche Mannschaft hat folgenden Effekt, der dem oben von mir geschilderten nicht unähnlich ist:
Junge Leute mit- sagen wir mal- türkischem Migrationshintergrund unterstützen aufgrund der Abwesenheit der Türkei trotzdem die deutsche Mannschaft, und sei es nur, weil Özil mitspielt.
Und Deutsche mit Vorbehalten gegenüber Ausländern müssen nun damit leben, daß ihre Nationalelf aus (Vorsicht, Ironie!) Niggern und Kanaken besteht. Entweder hören sie nun auf, Fußball zu schauen, oder sie gewöhnen sich verdammt nochmal dran.

Und ich? Halte natürlich wie gewohnt zu den Franzosen, die einen grausamen Stiefel zusammenspielen, und wenn diese erwartbar spätestens im Achtelfinale rausfliegen (womit ich dann kein Problem habe, um einen oberen Kritikpunkt aufzugreifen... wer scheiße spielt, verdient keinen Weltmeistertitel) und die Deutschen so weitermachen, kann ich sehr gut damit leben, wenn sie den Pokal holen.
Auch ohne "SCHLAAAND!" blökend die Kaiserstraße entlangzustürzen.

Dienstag, 8. Juni 2010

Nachklapp: Der Typ mit dem irren Blick II

Ich habe gerade nochmal meine Posts aus der Zeit direkt nach meinem Auftritt in Kaiserslautern gelesen und war angesichts des schmollenden Tonfalls derselben doch mit ausreichend zeitlichem Abstand eher peinlich berührt.
Rückblickend mag meine Unerfahrenheit mit den Medien und die Erwartung meiner dortigen Schlachtung eine Rolle gespielt haben... demgegenüber souverän zu sein, das muß man erst einmal lernen. Und das möchte ich.

Daß ich Fortschritte gemacht habe, mußte ich feststellen, als ich den angedrohten Totalverriß der anwesenden Journalistin endlich im Netz ausfindig machte und mich prächtig amüsierte.
Der ist dann wieder dermaßen daneben, daß ich mich als Leser selbst cool gefunden hätte, hätte ich mich nicht gekannt. Demzufolge kann ich nicht alles verkehrt gemacht haben.

Bittesehr:

http://succulture.de/der-autor-stefan-gaffory-liest-aus-seinem-debutroman-%E2%80%9Ekreisklassenholle%E2%80%9C-im-cafe23/

Falsche Filme

Die Daddelautomatenhölle mit Atzenmusikbeschallung, die noch vor anderthalb Wochen (gefühlt: anderthalb Dekaden) meine Stammkneipe war.
Im nur unwesentlich veränderten Ambiente prangen nun Schilder mit lustigen Sprüchen im Stile von "Ich Chef- du nix", eine Musikbox beeinhaltet nebst finsterem Schlagerschleim Après- Ski- Hits aus der niederösterreichischen Dorfhölle, und das Ganze erinnert mich irgendwie- um diese abgezahnte Metapher aufzugreifen- an einen einst vertrauten Menschen, den man nach langer Zeit wiedertrifft, nur um dann nach erstem sofortigen Wiedererkennen festzustellen, daß man absolut keine Gemeinsamkeiten mehr hat.
So ist er wohl, der Lauf der Dinge; immerhin ist das Inhaberehepaar sehr freundlich, alles andere wäre gelogen. Aber ausreichen, um mich zum Stammkunden zu machen, dürfte das leider nicht.
Ganz falscher Film.

Da wir gerade beim Thema sind: in meine Sammlung der schönsten Titel von Pornofilmen haben sich folgende Pretiosen zur Archivierung eingereiht:

"Alte Schachteln frisch gebügelt" und, eine Spur weniger metaphernschwanger, aber dafür umso mehr auf den Punkt:
"Zum Nachtisch gibt es Schwanz".

Alte ATLANTIK- Zeiten leben wieder auf... das waren die Jahre, in denen Karlsruhe noch eine Innenstadt hatte, keine lose Aneinanderreihung diverser großer und kleiner Baustellen.
Macht aber nichts: schon in 9-10 Jahren ist der Spuk vorüber, bis dahin kann man angesichts ständiger baustellenbedingter Umleitungen und geänderter Linienfahrpläne Russisches Straßenbahnroulette spielen (einfach irgendwo in eine üblicherweise gewohnte Linie einsteigen, ohne vorher auf den Aushang oder die Hinweistafel zu schauen und sich überraschen lassen, wo man landet) und sich darüber freuen, daß wir angesichts des heute verabschiedeten Sparpakets der Regierung immer noch soviel Geld zum Verjubeln haben.

Wenigstens ist das gräßliche Volksbankgebäude nun endlich mal über den Jordan gegangen, und die entstandene Lücke, auf der Bagger gerade die Reste plattwalzen, erfreut als eines der wenigen Dinge stadteinwärts gerade den geneigten Betrachter (man kann hoffen, daß andere Städte auch dem Beispiel folgen und ebenfalls beginnen, sich dieser gräßlichen 50er- Jahre- Architektur zu entledigen... schlimmer kann alles danach nicht mehr werden).

Nichtsdestotrotz: die Zeit des Verödens und Verblödens, sie hat begonnen. Als langjähriger Wahlkarlsruher bin ich ja einiges gewohnt, aber ob ich mir das noch weitere 10 Jahre geben will (plus die Zeit für den Baustopp, falls auf halber Strecke zur besten aller Welten das Geld ausgeht), um dann mit 47 endlich auf der Kaiserstraße shoppen gehen zu können, sei mal dahingestellt.
Deshalb denke ich gerade schweren Herzens (dessen sei sich der Leser hier versichert... wie sehr mir diese Stadt an selbiges gewachsen ist, kann man -glaube ich- einigen Posts hier entnehmen) über einen Ortswechsel nach, bevor ich zu alt dafür bin... und wage die Prognose, daß ich nicht der Einzige bin, der aus diesem selbstgemachten Bombentrichter weg will. Schauen wir mal, was sich in den nächsten Tagen so ergibt.

Herr Ober, ein Nachtisch für Heinz Fenrich, bitte. Ich zahle.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Houston, wir haben ein Problem

Um nochmal einen vergangenen Post von mir zu rekapitulieren:
ein etwas quietschiges Mädchen mit linkischem Charme und recht limitiertem tänzerischen Ausdrucksvermögen gewinnt mit einem ganz netten (man mag es noch nett finden, solange man nicht medialer Dauerbeschallung ausgesetzt ist, was mir als jemandem, der weder freiwillig Radio hört und nur selten fernsieht, freundlicherweise erspart bleibt) Liedchen, das eigentlich den kleinsten weitestgehend gemeinsamen Grundkonsens bedient, den europäischen Songcontest.

Man kann das durchaus wohlwollend zur Kenntnis nehmen; auch weil man Augen- und Ohrenzeuge jener sinnfreien Veranstaltung wurde und inmitten dieser Anhäufung geradezu unglaublicher cerebraler Insuffizienzen (Beispiele gefällig? Schlimmste französische Atzenmusiktanzgeschwader, eine Portugiesin, die mit einem Vibrato aus der tiefsten Celine- Dion- Hölle Erinnerungen an Monty Pythons "Throatgrobbler Mangrove" weckt, ein russischer Heulbeutel, der eine Frauenzeichnung anjodelt, ein singender spanischer Pudel mit dem kompletten Staatszirkus auf mexikanischen Pilzen im Gefolge und ein kachektischer Däne, ca. 57 Jahre alt, mit schlechtsitzendem Achtziger- Jahre- Toupet und erschreckend sackbetonter Lederhose)der deutsche Beitrag noch als der Erträglichste zu identifizieren war.

Man muß nun nicht gerade die Geburt einer Nation miterlebt haben; der mediale Superhype- GAU, der danach folgte, als wäre der Gekreuzigte höchstselbst von der Leiter gestiegen, um ins Volk zu winken, ist natürlich erwartbar geisteskrank.
Selbstverständlich darf das jedem soweit auf die Ketten gehen, wie er davon ungewollt tangiert wird.
Aber der eigentliche Antagonist dieser besinnungslosen Begeisterung ist auch nicht weniger zurechnungsfähig.

Man könnte diese ganze Hysterie ja als infantiles Massenphänomen abtun, den Kopf schütteln und versuchen, es weitgehend zu meiden, wenn der Plebs gerade mal wieder warhol'sche 15 Minuten Kopf steht.
Aber das wäre nicht intellektuell genug... einen Beweis für seine geistige Überlegenheit ist man dem Gelumpe da draußen noch dringend schuldig. Und natürlich, da das Mädchen gut aussieht, sich schminkt und die Beine rasiert, was sie zum potentiellen Sexobjekt macht, Gender Studies.
Was wäre eine kritische Betrachtung eines von Deutschen gewonnenen Wettbewerbs, sei es nun die Fußball- WM, der ESC oder die südanatolische "Tanz im Maulwurfskostüm"- EM ohne folgende abzuarbeitende Topoi bzw. Positionen:
a) als rastloser Mahner und Warner vor nationaler Großmannssucht
oder b) Gender Studies
oder c) beides zusammen?

Also kocht man sich fünf Liter schwarzen Kaffee, rückt den Bürostuhl zurecht und verbringt geschätzt 3 1/2 Stunden damit, folgenden Riemen zusammenzuhämmern und damit dem Phänomen endgültig die kulturelle Gewichtung zu geben, die es ansonsten in unserer Wegwerfzeit niemals erreicht hätte:


Klar ist nämlich, dass Lenas Erfolg nicht auf artistischen Kriterien beruht. Ihre sängerischen Qualitäten sind bescheiden, ihre Bühnenshow ist minimalistisch. Doch was ihr an Stimme fehlt, gleicht sie durch Stimmung aus; ihre schlaksigen Bewegungen, die noch von pubertärem Defekt-Management geprägt sind, entwickeln eine Strahlkraft, die etwas lolitaartig Ungesundes hat. Dieses magische Fluidum einer ein bisschen beschädigt wirkenden Kindfrau haben die Zuschauer nicht nur gespürt, es wurde ihnen mit großer Kelle verabreicht, denn was Lena vortrug, war so ziemlich der krasseste Anti-Emanzipations-Song, der sich denken lässt: Mach mit mir, was du willst, ich folge dir überall hin - das ist der Gehalt von "Satellite".

Nun steckt in dem gesungenen Bekenntnis, von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt zu sein und sonst gar nichts, genau dieselbe Denkungsart, und schon bei der schönen Marlene, der das vortelevisionäre Europa zu Füßen lag, gab es da diesen von sadomasochistischen Impulsen getragenen Umkehreffekt der Geschlechterverhältnisse, den andere Nationen den deutschen Fräuleins von jeher und immer wieder gern anfantasieren: nämlich den Effekt der Beherrschung durch Selbstunterwerfung.

Mit einer Art von übermütigem Autismus zappelt sich Lena gestisch frei von den Fesseln, die sie besingt. Sie scheint zu kichern über ihre gewaltige Wirkung auf das inzwischen transkontinentale Publikum, so wie Lulu über die Spur der von ihr angerichteten Verheerung unbeschwert und achselzuckend hinweggeht. Hier liegt der metaphysische Kern eines Wettbewerbssieges: es ist die Macht einer erotischen Männerphantasie, für die man sich schämt, weshalb in der Öffentlichkeit nun sehr viel über die Mechanismen der Talentsuche, über die angemessenen Formen des Nationalstolzes und über die Wiederentdeckung des bürgerlichen Mittelstands in Gestalt einer hübschen Abiturientin diskutiert werden wird. Dabei geht es um nichts anderes als einen Abgrund von Erotik.

(Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1193177/)

Verdammt, ertappt! Nun dachte ich während der ganzen Veranstaltung tatsächlich ununterbrochen daran, mir das Mädel als willige Sexsklavin heranzuziehen, und das wohlweislich nur wegen des Textes.

Schön, daß sich unsere Intellektuellen, die sich dieses Wort am liebsten auf die Stirn tätowieren würden, noch dermaßen ausführlich mit den wahrhaft dringlichen Problemen unserer Zeit beschäftigen.