Sonntag, 15. November 2009

Vom Pioniergeist (Der Tragödie erster Teil)

Man konnte es bereits ahnen, ohne sich jetzt auf prophetische Fähigkeiten berufen zu können:

nachdem die Gegner der Kombilösung 30 000 Unterschriften abgegeben haben, aus denen mit Biegen und Brechen nur 8000 ungültige herauszuholen waren (was de facto heißt: 8000 Karlsruher müssen doppelt unterschrieben oder sonst irgendeinen Quatsch gemacht haben. Nehmen wir es einfach mal hin, dermaßen offensichtlich für dumm verkauft zu werden), kam unser aller Heinz nun völlig überraschend zu der Feststellung, daß es aus fünf juristisch belegbaren Gründen keinen Bürgerentscheid geben kann und darf.
Die Frage, warum ihm das erst einfällt, nachdem er die 30 000 Unterschriften mit breiter Pratze bereits entgegengenommen hat, ist müßig; theoretisch hätte er das Bürgerbegehren auch bereits im Vorfeld im Keim ersticken können, hätte er seine Argumente gleich auf den Tisch gelegt.
Aber die Annahme, er hätte erst abwarten wollen, ob wirklich 20 000 Unterschriften zusammenkommen, um sich bei- sagen wir mal 16 455 gültigen- in seinem Triumph zu sonnen, sei mal erlaubt.
Es ist wirklich kaum noch zu fassen; ein Maß an Dreistigkeit, in dem wir nun wirklich alles andere als provinziell sind.
Nun bekommen wir also einen Infopavillon für 800 000 Euro, der uns allen erklärt, was die Kombilösung ist und warum wir sie gefälligst gutzufinden haben.
Nicht daß jeder Spong, der noch alle zehn Finger an den Händen hat, sich darüber im Internet informieren könnte; das scheint den Verantwortlichen doch zu weit hergeholt.

Die Argumente der Tunnelbefürworter sind stellenweise genauso niedlich:

"Legt man"
- schwafeln Ruth und Wolfgang Leser aus Karlsruhe glattwegs aus dem Kleinhirn in die BNN hinein- "den Schwerpunkt vornehmlich auf die Kosten der Kombilösung, ist zu fragen, ob mit dieser Einstellung die Leistungen für den Wiederaufbau in unserer kriegszerstörten Stadt so hätten erbracht werden können. Mut zu zukunftsweisenden Entscheidungen war damals in der Bevölkerung, in den Gremien der Stadt und in der Stadtverwaltung vorhanden.[...]Denn wer dem Motto frönt "Stoppt das Millionengrab" ist mutlos, er outet sich als ängstliche Krämerseele."

Man kann es ruhig mehrmals lesen, der ganze Quatsch stand wirklich so in der Zeitung, wie hier wörtlich zitiert.
Nicht weiter muß man wohl auf den hanebüchenen Vergleich zwischen dem Wiederaufbau der weitgehend eingeäscherten Innenstadt und dem Bau der Kombilösung einprügeln; das erledigt sich von selbst.
Und daß der Pioniergeist des damaligen Stadtrates uns nachwirkend in den 70ern- verbunden mit dem Abriß des Malschbrunnens, des Schützenhauses in der Karlsstraße, der Ruine des Großherzoglichen Hoftheaters und des Ständehauses und diverser anderer Entscheidungen, die einem beim Blättern in der illustrierten Stadtgeschichte die Tränen kommen lassen- einige der größten Bausünden der heutigen Zeit beschert hat, sei auch mal festgestellt. Ich bin mir sicher, auf die Bevölkerung wurde damals genausowenig Rücksicht genommen wie heute, und es ist ein Wunder, daß das Weltzienhaus noch steht, nach anhaltendem Bürgerprotest... was wiederum die Frage aufwirft, ob es diesen Protest erst seit dem geplanten Abriß des Weltzienhauses gab, oder ob dieser Bürgerprotest einfach so lange stoisch ignoriert wurde, bis er nicht mehr zu vertuschen war.
Aber egal, weiter geht es mit dem Pioniergeist... immerhin hat er dazu geführt, daß man in dem Glauben, es würde Ströme von Auswärtigen anlocken, drei riesige Einkaufszentren in kurzer Zeit hochgezogen hat, wovon die Postgalerie- mit der man es immerhin geschafft hat, daß das historische Gebäude der ehemaligen Hauptpost dermaßen mit Werbung zugeknallt ist, daß es soviel Erhabenheit ausstrahlt wie ein alter Mann , der von einem Unternehmen in lächerliche Klamotten gesteckt und ausgestellt wird- schon auf dem letzten Loch pfeift und die gesamte Kaiserstraße gleich mit in den Orkus nimmt.
Denn wer hierherkommt, geht gewöhnlich in die Einkaufszentren und fährt dann wieder nach Hause. Was soll er da noch in der Stadt?

"Herren und Damen, alle von Rang und von Namen, kommen zu uns... und fahrn gleich wieder weg." (Georg Kreisler, "Gelsenkirchen")

2 Kommentare:

  1. Wie schön, jetzt bekommt KA einen Info-Pavillion hingestellt. Den konnte man in Stuttgart immerhin verhindern, hätte aber auch 1 Mio Euro gekostet. Schaut eurer auch wie eine Tankstelle aus?

    Verblüffend wie sich die Abläufe in Stuttgart und KA ähneln.

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  2. Im Moment ist er gerade im Bau. Ich frage mich, warum man den in Stuttgart verhindern konnte, aber bei uns nicht.
    Eigentlich sollte ich mich gar nichts mehr fragen. Es ist einfach zu bescheuert.

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