Montag, 30. Juli 2012

Ramaya

Ich habe ja ein erst seit kurzem bewältigtes Kindheitstrauma.
1975 hatte Afric Simone einen recht harmlosen Stimmungshit auf kreolisch namens "Ramaya", und das Lied machte mir angst.
In Gedanken sah ich da immer einen zähnefletschenden Irren auf mich zukommen, der mit weit aufgerissenen Augen in einer mir unbekannten Sprache furchterregende Dinge schnarrte und bellte, was dann klang wie "Rrrktektepelile!  Echa longi barrabarra!"
Hätte die Beschwörung eines Dämons aus der haitianischen Mythologie sein können, der nachts an meinem Bett erscheinen würde, um mich auszuweiden.
Meine Furcht vor diesem grausen Sommerhit ging so weit, daß ich mich mit drei oder vier Jahren auf dem Autorücksitz meiner Eltern dermaßen verängstigt in ein Eck drückte und heulte, bis meine Mutter das Radio abstellte.
Dann verschwand der Spuk so plötzlich, wie er gekommen war. Bis zum letzten Jahr hatte ich das Lied bestimmt 33, 34 Jahre nicht mehr gehört und wußte auch nicht, wer es sang... bis ich die Single zufällig im Plattenladen meines Vertrauens für 50 Cent gebraucht entdeckte und angesichts der Harmlosigkeit des Dargebotenen erstmal verwundert an meine frühkindliche Panik zurückdachte.
Als ich jedoch das Video auf YouTube sah, war ich dann doch erstaunt, daß ich angesichts des offensichtlich bis unters Dach vollgekoksten Kaspers, der sich komplett zum Blödmann machte und scheinbar von Einrichtungsgegenständen ernährte, als Kind wohl instinktiv nicht völlig verkehrt mit meiner Einschätzung lag.
Aber sehen Sie (via copy and paste) selbst:


http://www.youtube.com/watch?v=XjXlXY0w9iQ&feature=related

Und etwas Geduld, bitte... zum Ende hin geht er dann richtig aus sich raus. Rrrreketeketekepelile.

Sonntag, 29. Juli 2012

Blümchen II- noch ein Nachtrag


[...]
Es kommen dann manchmal Leute und meinen, sie wüßten, daß man im tiefsten Innern ein herzensguter Kerl ist (und das nur, weil man sich nicht ständig wie ein Stinkstiefel benimmt), und das ist bei Menschen, die einen nur virtuell oder oberflächlich kennen auf gewisse Art und Weise entwaffnend, weil ein Beharren darauf, daß man tatsächlich zumindest größtenteils so sei, wie man schreibt, fast schon etwas Infantiles hat. Wie ein trotziges Kind, das mit dem Fuß auf den Boden stampft.
Das lasse ich hier jetzt einfach mal so stehen, ohne weiterführenden Kommentar.[...]
Selbiges schrieb ich am Sonntag, dem 22. 11. 2009 unter dem Titel "Erfreue dich an den Blümchen am Wegesrand." in diesen Blog und hatte den Eintrag schon längst vergessen.
Nun sah ich, daß er aus irgendeinem Grund wieder aufgerufen wurde, und sehe mich gezwungen, ihn nach drei Jahren zu relativieren... man verändert sich, und es gehört dazu, getätigte Aussagen nochmal auf ihren momentanen Grad der eigenen Nachvollziehbarkeit abzuklopfen.
Beim Schreiben- ich erinnere mich noch genau- hatte ich furchtbar schlechte Laune und sah mich genötigt, auf einen Post in ebenjenem Forum zu reagieren, welches ich einen Beitrag vorher ansprach.
Ich hatte gegen irgend etwas polemisiert und bekam eine persönliche Nachricht mit dem ungefähren Betreff, man nehme das sowieso nur halb so ernst, weil ich ja tief in meinem Inneren ein netter Kerl sei und nur gerne dick auftrüge. Genau das wollte ich aber an jenem Tag nicht hören.
Wenn man einmal mit einem Bein im Grab stand und zudem plötzlich noch Leute um sich hat, für die man in der Verantwortung steht, sieht man a) vieles, was einen vorher beschäftigt hat, entspannter, da man andere Prioritäten hat und b) weiß man Dinge wieder zu schätzen, die man vorher als selbstverständlich hinnahm.
Ich habe in der Zeit meiner schweren Krankheit- ich schrieb es bereits- soviel menschliche Wärme und Zuneigung erfahren dürfen, daß es albern und undankbar wäre, so zu tun, als hätte mich das nicht berührt, nur um auf meinem Image als großer böser Wolf zu beharren.
Ja, es gibt noch genug Dinge, die ich hasse; ich habe auch kein Problem, dem nach wie vor seinen Lauf zu lassen und 100%ig zu meiner Meinung zu stehen.
Doch es gibt auch Menschen, die mir wichtig sind und die ich- huch- sogar liebe; und ich sehe es als meine Verpflichtung, zu diesen auch öffentlich zu stehen.
Und indem ich das hiermit auch nochmal gesondert tue, kann ich das  daß man tatsächlich zumindest größtenteils so sei, wie man schreibt auch endlich mal wieder beruhigt so stehenlassen.
Ja, ich bin in meinem Inneren ein netter Kerl, und ich bin es mittlerweile gerne und unbestritten.

Doch das soll nach wie vor hauptsächlich den Leuten vorbehalten bleiben, die das- in welcher Form auch immer- verdienen.

Werbespruch des Tages

Es nervt manchmal, in einem Forum zu posten, in dem permanent Werbung eingeblendet wird... und dann gibt es doch einmal einen kurzen Slogan, der mit ungewolltem Doppelsinn geradezu gleißend aufleuchtet in dem ganzen Unfug:


"Intuition Naturals- schäumt, rasiert und spendet Feuchtigkeit- in einem Schritt."

Na dann.

Mittwoch, 25. Juli 2012

Baden, ein Nachtrag

Davon abgesehen, daß der neue Slogan nun wohl endgültig beerdigt ist:

wie Klaus N. Frick in seinem Kommentar anmerkt, dürfen wir den Dreck trotzdem bezahlen. Das ist verkraftbar. Solange er verschwindet, entrichte ich gerne meinen geschätzten Euro Steuergeld, um die 50 000 wieder reinzuholen, da wurde in den letzten Jahren deutlich mehr Geld für größeren Unfug verbrannt.
Warum man ausgerechnet eine Agentur aus Berlin (!) beauftragen muß, um in acht Monaten (!!) Arbeit (!!!) dermaßen unfaßbaren Scheißdreck auszuarbeiten, weiß allerdings nur das ganz und gar grauenhafte und überflüssige Stadtmarketing, für dessen Abschaffung ich nach 10  Jahren schamerzeugend- schwerstdebilen Wirkens nun endlich auch einmal öffentlich plädieren darf.
Auf die fabulöse Idee, wie die BNN erstmal uns Einwohner nach Ideen für einen neuen Slogan zu fragen, hunderte Einsendungen zu erhalten und in dem fraglosen Wust von Quatsch auch zwei bis drei Vorschläge zu finden, mit denen sogar ich durchaus leben könnte... darauf hätte man natürlich nicht gleich kommen können.
Da fehlt das weltmännisch lässig aus der Hüfte geschossene Imagekampagnenflair.

Montag, 23. Juli 2012

Baden mit baden

Was haben wir nicht alles überlebt: Geiselnahmen und Baustellenterror waren bzw. bleiben die aktuellsten Prüfungen, die unserer Stadt aufgebürdet wurden.
Tröstlich, daß dies zumindest nicht dazu führte, daß alle Einwohner hier ihre sieben Murmeln im Pfandhaus abgegeben haben, betrachtet man nun den neuesten Streich des seit jeher nur schwerlich zurechnungsfähig zu nennenden Stadtmarketings.
"Viel vor. Viel dahinter.", dieser Slogan, der auch noch neben handelsüblichem Merchandise die sogenannten XXL- Straßenschilder ziert, die für läppische 185 000 Euro aufgestellt wurden und denen- neben der, uns weithin sichtbar in all unserer Möchtegernmetropolenhybris lächerlich zu machen- unter anderem folgende Aufgabe zufiel:

Am 03. August 2009 ist auf den XXL-Schildern im Schwarz­wald­kreuz der Südtangente erstmalig eine Veränderung vorge­nom­men worden: Der Empfang der ersten E-Mail Deutsch­lands an der Universität Karlsruhe vor 25 Jahren (am 03.08.1984) war ein Anlass, die Stadt Karlsruhe als "Inter­net­haupt­stadt Deutsch­lands" und als IT-Region deutlich zu positio­nie­ren. In Zukunft werden auch weitere Ereignisse aus der IT-Region an dieser Stelle sichtbar gemacht (Zitat Stadtmarketing),

diese Schilder wurden nun offiziell als überflüssig benannt und sollen verschwinden. Und der Slogan gleich mit.
Doch bevor man angesichts dieser Rückkehr der Vernunft ins Jubeln geriet, war es auch schon ganz schnell vorbei mit der Hoffnung auf Einsicht. Denn der ganze veritable Scheiß sollte natürlich nur noch größerem Irr-, Wahn- und Blödsinn weichen:

"Karlsruhe - baden in ideen." soll der neue Slogan der Stadt sein. Das hat der Aufsichts­rat der Stadt­­­mar­ke­ting Karlsruhe GmbH am Mittwoch, 4. Juli, beraten. Die bestehende Kampagne "Karlsruhe - viel vor. viel dahinter" soll damit nach zehn Jahren abgelöst werden. Der neue Slogan "Karlsruhe - baden in ideen." soll ab dem 01. Januar 2013 zusammen mit einer umfang­rei­chen Kommu­­ni­­ka­ti­­ons­­kam­pa­gne eingeführt werden. Ziel ist eine Neupo­­si­tio­­nie­rung Karlsruhes bis zum 300-jährigen Stadt­ju­bi­läum 2015.

Man muß es erst einmal sacken lassen, denn ansonsten glaubt einem solch einen Fall von galoppierendem Unfug mal wieder kein Schwein.
Genausowenig das vollends geistesabwesende Geschwafel von Margret Mergen, Erste Bürger­meis­te­rin der Stadt Karlsruhe.

"Der Slogan 'Karlsruhe - baden in ideen.' ist sehr vielschich­tig und passt damit bestens zu Karlsruhe. Das Besondere an dem Leitsatz ist, dass nur Karlsruhe ihn so überzeu­gend vertreten kann. Damit hebt es sich deutlich von anderen Städten ab."

Es ist wahrhaftig kaum zu fassen, auch daß der Slogan das Ergebnis von acht Monaten Arbeit ist und für 50 000 Euro relativ günstig zu haben war.

Denn Arbeit stak fürwahr dahinter, und wollten Sie jemals wissen, mit welch gequirlter Scheiße manche Menschen Geld verdienen und was Sie damals bei der Berufswahl verkehrt gemacht haben, dann lesen Sie einfach das da:

Die Entwickler von "Karlsruhe - baden in ideen." sind die Marken­­be­ra­ter klein­und­pläcking. Grundlage für die neue Wortmarke war ihre umfang­rei­che Marken­ana­­lyse, die Karlsruhes Stärken in einer gelassenen, offenen und badischen Mentalität sieht. Das große techno­lo­­gi­­sche Know-how in der Stadt bildet dazu einen starken Gegenpol. Nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen standen bei der Marken­ana­­lyse im Fokus. Laut klein­und­pläcking sei das Wissen über die Chancen und Risiken entschei­­dend für die Wahrneh­­mung Karlsruhes und damit für Entwick­­lung eines passenden Images.

Tja, so weit wären wir also. Und was machen die Karlsruher, dieses undankbare Pack, mit dem Ergebnis soviel geistiger Anstrengung?
Lehnen den Quatsch rundweg ab und sorgen nun wohl dafür, daß er endlich in dem Orkus landet, in den seine Ersteller samt ihrer Auftraggeber schon lange gehören.
Lange hat es gebraucht, bis die Schmerzgrenze erreicht war, aber schön zu wissen, daß man doch in einer Stadt lebt, deren Einwohner sich nicht völlig für dumm verkaufen lassen.
Und wißt ihr was, Karlsruher? Dafür hab ich euch lieb.

Ganz, ganz doll.

Sonntag, 22. Juli 2012

Erlauchter Suchmaschinenbenutzer!

Sie fanden also meinen Blog unter der legendären Suchanfrage

"sexpistols hackenkreutz"?

"sekspisdols hackenkreutz" wäre noch eine Spur extravaganter gewesen.

Freitag, 20. Juli 2012

Ein Vorbild

Momentan führe ich mir einmal wieder die gesammelten Polemiken Eckhard Henscheids zu Gemüte. Auf gut 700 Seiten werden dort stilistisch anspruchsvoll und trotzdem äußerst gnadenlos, ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen (und mich eben dadurch schon seit meiner Jugend ungemein prägend... müßte ich ein Vorbild benennen, auch wenn ich nie so vermessen wäre, mich auch nur ansatzweise auf die gleiche Stufe zu stellen, wäre er es) diverse Sujets vorgeführt, abgewatscht und auseinandergenommen, teilweise auch anhand von detaillierten Recherchen und Zitaten.
Daß er sich dabei nicht nur auf einfache Ziele beschränkte, sondern sich auch Kritikerlieblinge wie Hanns- Dieter Hüsch zur Brust nahm (und damit eine Flut empörter Reaktionen auslöste), spricht für seine konsequente Haltung; auch sollten diverse Sottisen Gerichtsurteile, Geldstrafen und Unterlassungsklagen nach sich ziehen (siehe bzw. googeln Sie mal die Fälle "Heinrich Böll", "Gertrud Höhler" und "Gerhard Zwerenz").
Und daß nach seinem literarischen Amoklauf gegen Bad Homburg dort überhaupt noch ein Stein auf dem anderen steht bzw. jemand freiwillig dort wohnt, kann einen nach dieser Abrechnung von Thomas Bernhardscher Schärfe nur noch wundern.
Daß er auf seine alten Tage sein Renegatentum völlig falsch versteht und inzwischen zum Grüßaugust und Apologeten der "Jungen Freiheit" verkommen mußte, ist zwar bedauerlich (ich erwähnte es bereits), ändert aber genausowenig etwas an der Qualität seiner frühen Texte wie seine im fortgeschrittenen Alter plötzlich erwachte Bereitschaft zur Entgegennahme glumpfigster Literaturpreise aus der Pratze irgendwelcher Vollpfeifen.... das ganze garniert mit erzpeinlichen Rechtfertigungen, die sogar einem Pennäler kaum jemand abkaufen würde.
Wer nicht glaubt, wie großartig Eckhard Henscheid einmal war, mag einmal die gesammelten Polemiken  im Zweitausendeins- Verlag (als Teil der dortigen Gesamtausgabe erschienen) ordern... und am besten noch die Roman-"Trilogie des laufenden Schwachsinns" mit dazu, um sich dann mit 2000 Seiten allerbestem Henscheid irgendwo einzuschließen und die Welt draußen Welt sein lassen, so saudumm und verlottert sie auch sein mag.
Der Leser wird es nicht bereuen... und mein jetziges Bedauern über den Niedergang eines unserer Größten teilen.

Unerwartete Lärmattacken



The Cherry Thing, 17.07.12, Karlsruhe, Tollhaus



Sollte man jemals auf die Idee kommen, ins Tollhaus zu gehen, in der Hoffnung, einen neuen Lebenspartner zu finden, steht der Frühvergreisung nichts mehr im Wege.

Das übliche glumpfige Bildungsbürgerpublikum aus Stock im Arsch, proseccotrinkenden Galeristinnen und Lehrerehepaaren um die 40 bestaunte erst einmal mit dem Kammerflimmer Kollektief Karlsruhes Finest in prätentiösem Kunstkack als Vorband in der vollbestuhlten Halle, bevor dann Neneh Cherry mit der dreiköpfigen norwegischen Band "The Thing" die Bühne betrat, um ihre gemeinsame Platte zu präsentieren.
Bei selbiger handelt es sich um eine Sammlung klug ausgesuchter Coverversionen aus verschiedenen Genres (unter anderem von Suicide, The Stooges und MF Doom), welche komplett zu abstrakten Jazzversionen umgearbeitet wurden.

Und es war eine wahre Pracht, diejenigen Leute, die nur wegen Neneh Cherry (und wahrscheinlich ohne Kenntnis der Platte in der Hoffnung, eine Loungeversion von "Seven Seconds Away" zu hören) gekommen waren, im Lauf des Konzerts scharenweise und teilweise überstürzt flüchten zu sehen... denn die Stücke wurden immer wieder unterbrochen von teilweise minutenlangem, atonalem Freejazzterror mit manischem Geschrei ihrerseits, was wirklich nur Psychopathen ohne größere Nervenschäden überstehen konnten. Also ich.

Der Rest war manchmal schräge, manchmal groovende und manchmal sogar wunderschöne Musik, die die wenigen, die keinen Sitzplatz gefunden hatten bzw. keinen wollten (wieder ich) teilweise sogar zum Tanzen animierte. Untermalt wurde das ganze von wechselnder, aber teilweise extrem faszinierend wirkender Bühnenbeleuchtung, die ohne bunte Lampen auskam und die Musiker sehr in den Mittelpunkt rückte.

Am besten gefiel mir übrigens der Saxophonist, der nicht nur die witzigsten Ansagen machte ("The next song is called 'Viking' and is the only hit from The Thing. It's from our next album, so it's supposed to be a hit. I hope so."), sondern auch durch seine Rugbyspielerstatur eine unglaubliche Bühnenpräsenz besitzt und Neneh Cherry teilweise die Show stahl.

Am Ende war gut ein Viertel des Saales leergespielt, der Rest war begeistert... es blieb der Eindruck eines sehr guten Konzerts einer Band, die einfach ihr Ding durchzieht, ohne Rücksicht auf Verluste.

Respekt auch an Neneh Cherry, derart mit kommerziellen Erwartungen zu brechen.