Freitag, 30. Oktober 2009

Notizen aus der Provinz

Machen wir uns nichts vor, Karlsruhe ist Provinz, aber auch hier kann man an mancher Ecke einen Hauch Prenzlauer Berg erschnüffeln.

Das schreibt der Karlsruher Journalist Felix Mescoli in seinem Blog, und auf den ersten Blick mag er recht haben.
Hinterfragt man diesen Satz, kann man aber dennoch zu einigen erstaunlichen Schlußfolgerungen kommen.
Daß wir immer noch den Ruf als langweilige Beamtenstadt innehaben, der das Kaugummi ist, das uns seit Jahr und Tag an den Fersen klebt... geschenkt. Oft wird er von Leuten verbreitet, die das Geschehen aus gebührendem Sicherheitsabstand betrachten und außer der immer trostloser werdenden Kaiserstraße kaum etwas vom Karlsruher Leben mitbekommen haben.
Von dem, was bei uns subkulturell abläuft, bekommt man scheinbar auch wenig mit... und ich bin der Meinung, daß wir hier im Vergleich zu ähnlich großen Städten gar nicht so schlecht aufgestellt sind.
Wir haben diverse Clubs, mit der Alten Hackerei eine Punkrockbar, in der oft Veranstaltungen und Konzerte sind, einen freien Radiosender, verschiedene Bands am Start, die sich national auf keinen Fall vor denen der Metropolen verstecken müssen, Leute, die diese Stadt lieben und ihre Energie und Zeit investieren, um etwas zum Laufen zu bringen.
Also, woran hängt es?
Wir haben 280 000 Einwohner und müssen uns in manchen Momenten eingestehen, daß wir provinziell sind.
Mag sein, daß es an der Focussierung hängt.
Daß das Substage, das jahrelang unser Aushängeschild war, seit Heiko Räthers Rückzug aus dem Veranstaltungsbereich (und Franks Umzug nach München) konzerttechnisch kaum noch was gebacken bekommt und sich oft mit dem Einfachsten zufrieden gibt, ist kein Geheimnis. Daß die immer gleichen Mittelalterrockbands scheinbar im Abstellraum geparkt sind und herausgeholt werden, wenn nicht gerade Hendriximitator Randy Hansen gefühlt sieben Mal im Jahr herumgniedeln darf, auch nicht.
Ich mag das nicht verurteilen,da ich keinerlei Einblick in das Budget des Substage habe und somit auch nicht weiß, was möglich wäre. Aber wenn ich mir überlege, daß ich früher dort u.a. Anthrax, die Melvins, Steel Pole Bath Tub, Girls Against Boys, Unsane und Antiseen gesehen habe (mit denen man heute wahrscheinlich kaum noch was ziehen würde, weil die eben hauptsächlich ihre ganz große Zeit vor 15 Jahren hatten, die aber in den 90ern wirklich angesagte Szenebands waren und jede Menge Publikum aus dem Umfeld anlockten... jeden Monat sah man mindestens ein Konzert, auf das man sich schon wochenlang gefreut hatte), fragt man sich, warum es nicht möglich ist, wirklich mal was Neues und Angesagtes (abseits irgendwelcher Nachwuchswettbewerbe und kompletter Geheimtips, die noch kein Mensch kennt)ins Substage zu holen.
Prong und Monster Magnet waren natürlich ok in diesem Jahr, aber auch eher eine Bringschuld für uns alte Säcke, die dem Laden schon seit Jahren die Stange halten.
Doch für die Generation, die jetzt in unserem damaligen Alter ist, tut sich meiner Meinung nach wenig.

Ein weiterer Grund für unsere gefühlte Provinzialität sind komischerweise ausgerechnet Leute, die davon überzeugt sind, wir hätten etwas Metropolenhaftes, und uns mit Aktionen, mit denen wir uns lächerlich machen (aber die ihnen großstädtisch erscheinen), trotz aller Bemühungen unsererseits wieder dorthin zurückkatapultieren, wo wir vor ein paar Jahren hergekommen sind.
Ich lasse das jahrelange Geschacher um das neue Wildparkstadion, bei dem sogar mir als Nicht- KSC'ler (aber als mittlerweile assimiliertem Karlsruher) mittlerweile die Galle hochkommt,und die Kombilösung, der ich mich demnächst gesondert widmen werde, außer acht.

Wir haben immerhin das größte Ortsschild Deutschlands für sagenhafte 185 000 Euro, auf das selbst Bruchweiler- Bärenbach so stolz wäre wie unsere Kommunalpolitiker.
Wir haben gefühlt alle drei Wochen ein Straßenfest in der Innenstadt, das trotz wechselnder Namen absolut gesichtslos und austauschbar ist.
Wir haben eine Elite- Uni, die unser aller Heinz scheinbar dermaßen als Priorität ansieht, daß er von Plakaten herunter dazu auffordert, freien Wohnraum dem Studentenwerk zu melden, so daß man als Berufstätiger nach ca. 8-monatiger Suche nach einer erschwinglichen Wohnung kaum eine andere Chance hat, als in Oberreut, Weiherfeld- Dammerstock oder sonstwo am Arsch der Welt zu landen, wenn man nicht jemanden kennt, der wiederum jemanden kennt, der gerade auszieht.
Wir haben unsere eigene MERIAN- Ausgabe Karlsruhe, in der unsere Stadt gerade mal die Hälfte des Platzes einnimmt und die Umgebung die andere Hälfte, ohne daß es jemanden zu jucken scheint... weil die Leute, die es jucken sollte, scheinbar diesen ganzen provinziellen Mief als das Nonplusultra ansehen, das unsere Stadt ausmachen sollte.
Hauptsache, es steht drinnen, daß man im Sommer am Marktplatz ein gepflegtes Glas Rotwein im Freien trinken kann. Mehr findet hier auch nicht statt.

Nein, wir sind keine Metropole... wir werden auch nie eine sein. Doch genausowenig sind wir das, was uns manche Leute einreden wollen.
Und darum sollten endlich mal einige Menschen, die diesen somnolenten Zustand ändern könnten, ihren Arsch hochkriegen, dann klappt es auch mit mehr als nur einem Hauch von Prenzlauer Berg in der Südstadt. Vielleicht mit einem Hauch von Südstadt in ganz Karlsruhe.
Und damit meine ich nicht, daß uns die Stadtverwaltung mehr Aufmerksamkeit einräumen soll, denn ernstzunehmen ist offiziell geförderte Subkultur sowieso nicht.
Nein, es liegt scheinbar an uns allein, etwas daraus zu machen.

Auf uns wartet noch eine Menge Arbeit.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Nach dem Abwurf der Neutronenbombe

Nach meinem heute letztendlich doch spektakulären Abgang bei meinem derzeitigen "Ausleiher" in Karlsruhe (nein, wenn ich in einer stressigen Frühschicht die Schichtleitung habe, ist es nicht ratsam, mir am Telephon noch blöd zu kommen. Es kann leicht eskalieren, was man spätestens dann merkt, wenn das Gegenüber, das vorher auf impertinente Weise den Chef sprechen wollte, mit einem "Aber nicht in diesem Ton, ja?" den Hörer aufknallt. Mission accomplished)fange ich also am Montag in Gaggenau an.
45 Minuten Bahnfahrt hin und genausolange zurück, dazwischen 6,5 Stunden Arbeit in einem trostfernen Kaff, das es an architektonischer Finesse mit Rheinstetten aufnehmen kann. So stelle ich mir Deutschland nach dem Abwurf der Neutronenbombe vor.
Einen Monat ist es mir also vorbestimmt, in dieser Ödnis mein Brot zu verdienen. Es gibt Leute, die arbeiten in der Polarstation. Vielleicht sollte ich angesichts dessen etwas dankbarer sein. Aber ich glaube nicht.

Montag, 26. Oktober 2009

"Now go and get your shoeshine- box."

Das sagt in "Good Fellas" die Figur "Leonard Batts" zu dem Mafioso, der von Joe Pesci gespielt wird, um gleich darauf von diesem übelst massakriert zu werden.

In der Altenpflege hat man keine Handhabe, um jemanden zu massakrieren. Das muß man mit leisem Bedauern feststellen.
Früher, als man mit dem Beruf Altenpfleger zumindest teilweise Rückhalt von der Heimleitung bekam, gab es eine Zeit zu Beginn der 90er und sogar noch 00er, in der man noch nicht per Gesetz dazu genötigt wurde, seine Persönlichkeit bei Dienstantritt an der Garderobe abzugeben.
Baute man Scheiße, kamen Angehörige, die einen mächtig frisierten. Danach war man schlauer; man entschuldigte sich und vermied es zukünftig, Fehler zu machen, die dem soeben begangenen auch nur ansatzweise ähnelten.
War der Beschwerdeführer ein hausbekannter Blödmann, der wegen jedem Schnauf, Schnief oder Furz drunten an der Tür der Heimleitung kratzte, gab es im berechtigten Fall ein paar mahnende Worte, die aber in nicht wenigen Fällen mit "...Sie wissen ja wie er ist, und daß ich offiziell darauf reagieren muß, zwinker zwinker" endeten.
So war es, und es war gut so,wie es war.

Mittlerweile ist alles anders.
"Beschwerdemanagement" heißt das Zauberwort.
Jeder Klappspaten, der seine Mutter im Heim hat und normalerweise sein Leben damit verbringt, vor seinem Haus Falschparker zu notieren, wird quasi indirekt dazu eingeladen, bei der Heimleitung sein Leid zu klagen, mit der Folge, daß irgendwelche Beschwerden, und sei es nur wegen eines halben Brathahns, falsch zugebundener Schuhe oder der Zugkordel in einer Jogginghose, vom Beschwerdeführer nicht nur mehr oder weniger lautstark dem Personal an den Kopf geworfen werden, sondern auch bei der Heimleitung landen, die den ganzen Stuß behandelt (bzw. behandeln muß) wie eine Staatsaffäre und der betreffenden Pflegeperson nochmal den Kopf wäscht.
Dann werden ca. 37 Formulare ausgefüllt und der Verantwortliche erhält schlimmstenfalls eine Abmahnung.

Das Bizarrste erlebte ich bei einem früheren Arbeitgeber: eine Kollegin von mir vergaß im Eifer des Gefechts, in einer sehr stressigen Spätschicht einen gehbehinderten, leicht dementen Bewohner ins Bett zu legen. Das war mit Sicherheit nicht schön; der arme Kerl mußte bis zum ersten Rundgang der Nachtwache ca. zwei Stunden später im Rollstuhl blöd in der Gegend herumsitzen.
Aber daran gestorben ist er trotzdem nicht; und meine Kollegin hat sich persönlich bei ihm entschuldigt.
Die Heimleitung verlangte trotzdem von ihr, bei den Angehörigen des Mannes anzurufen, zu erklären, was passiert war und sich bei ihnen ebenfalls zu entschuldigen.
Seitdem warte ich auf den Tag, an dem ein Verkäufer aus der Bäckerei, jemand aus dem SATURN oder ein Angestellter aus dem Supermarkt bei mir anruft, um sich zu entschuldigen, weil er mich oder meine Eltern miserabel bedient hat.

Ich habe keinen Tag lang bereut, 2001 mein Studium abgebrochen zu haben; aber seit mindestens 10 Jahren frage ich mich täglich, was mich geritten hat, diesen Job zu erlernen.

Mondo Bizarro

Heute: eine demente Frau, die unter Angstzuständen leidet... und ein Heulen und Zähneklappern von biblischen Ausmaßen verbreitet.
Ein sechsjähriges Mädchen, das mit glockenheller Stimme beruhigend auf sie einredet und so lieb ist, wie sechsjährige Mädchen nunmal zu alten Frauen sein sollten... "Warum haben sie Angst? Sie brauchen doch keine Angst zu haben."- "Ich habe soooo Angst. (heul)"
Das kurze Aufblitzen folgender Szenerie vor meinem inneren Auge: das Mädchen, das sich in einem unbeobachteten Moment zum Ohr der alten Frau vorbeugt und mit genau der gleichen süßen, glockenhellen Stimme- aber das Gesicht verzerrt zu einer Art Aphex- Twin- Grinsen- folgendes hineinspricht: "Du solltest besser weiterhin Angst haben... weil ich heute Nacht an deinem Bett stehen werde, um dich auszuweiden, du alte Votze."
Und ihr danach wieder die Hand tätschelt und weiter beruhigend auf sie einredet, als wäre nichts gewesen.

Weiterhin festgestellt, daß ich langsam kein ABBA mehr hören kann, ohne latent brodelnde extreme Aggressionen zu entwickeln. Als Kind liebte ich sie... ich glaube, ca. 1980 war das meine erste bewußt erlebte Lieblingsband, bevor 1983 Depeche Mode in mein Leben traten und dort bis ca. 1986 blieben, um sich dann relativ spurlos daraus zu verabschieden.
Dann war ABBA plötzlich "Kult" und man konnte ihren Liedern allmählich nicht mehr entkommen. Leute spielten ABBA auf Parties und fanden sich unglaublich originell, weil sie so crazy alten Scheiß auflegten.
Mittlerweile läuft ABBA täglich auf SWR 4, den ich ja furchtbarerweise notgedrungen auf der Arbeit hören muß, und nachdem ich beim gefühlt dreistündigen DVD- Trailer für diesen "Mamma mia!"- Film (den ich bitte, bitte, bitte NIE sehen möchte) im SATURN schon alle herumstehenden Fernseher eintreten wollte, lief gestern im Fernsehen eine deutsche Komödie mit erlesenem Hera- Lind- Humor, für deren Soundtrack anscheinend der gleiche Typ, der auch auf besagten Parties auflegte, einen originalitätsfreien Soundtrack aus ABBA- Songs zusammengerammelt hat.
Und da war der Punkt erreicht, an dem ich dachte: nein. Es ist gut jetzt. Schluß mit diesem Scheiß. Wer jeden Tag Sahnetorte serviert kriegt, muß irgendwann auch mal kübeln, wenn er sie nur riecht.

Gestern las ich übrigens, daß die Initiative, die Unterschriften gegen die U- Strab gesammelt hat, OB Fenrich statt der verlangten 20 000 gleich 30 000 übergeben hat, um eine neue Bürgerbefragung zu erreichen. Übrigens auch meine.
Warum habe ich nur das vage Gefühl, daß bei der Prüfung sowas in der Art dabei herauskommen könnte:
aus irgendeinem Grund sind nur 18 500 Unterschriften gültig, aber es ist keine Zeit mehr, weitere einzuholen, weil morgen Baubeginn ist?
Sein Denkmal läßt sich diese Tröte bestimmt ungern nehmen: immerhin war er mit 55,5% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von grandiosen 30,3% ein derart überwältigender Sieger, daß er sich seine Heinz- Fenrich- Bahn mannhaft verdient hat, als unser aller Repräsentant.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Was für ein Wochenende...

Freitag,16.10., 20 Uhr 30: ich sitze mit einem Kumpel in einer Sportsbar im Hamburger Schanzenviertel, um Cottbus gegen den FCK ohne Ton zu schauen, dazu läuft über die Anlage in dem Laden irgendwelche Scheißmusik.
Umgeben sind wir von einigen St. Pauli- Fans, die Lautern nicht nur gewohnheitsmäßig sowieso hassen, sondern für die es auch im Falle unserer Niederlage darum geht, daß sich ihr Verein in der Tabelle vor uns plaziert.
Beim 1:0 für Cottbus jubelt erwartungsgemäß alles, beim Abpfiff des Spiels, das wir letzten Endes verdient mit 1:2 gewinnen, jubeln nur zwei Leute, mein Kumpel Matthias "Wingert" Weingard und ich.

Da ich den FC St. Pauli noch dazu nie sonderlich ausstehen konnte (es war immer schön, in der Pfalz auf irgendwelche Modefans zu treffen,die von Fußball herzlich wenig Ahnung hatten, aber mir trotzdem einen Vortrag hielten, was ich für einen Bauernverein unterstütze, da man als Punk doch automatisch Pauli- Fan sein müsse... ähm, nein), ging mir das runter wie Öl.
Der Abend endete aber doch relativ gesittet, geschlaucht von der Autofahrt (wenn auch nur als Mitfahrer) gingen um 1 meine Rolläden runter.

Samstag

Zuerst mal bei Daniel Prohart und seiner Freundin Miyo einlaufen, um den "Katzenkönig" zusammenzudübeln.
14 Bilder in Holzrähmen, die mit der entsprechenden Textstelle versehen werden müssen.
Im "Elbrausch" werde ich von Daniel mit der Besitzerin des Ladens bekanntgemacht, einer sehr hübschen und sympathischen Person, die sich mir als "Cosma" vorstellt.
Bis ich realisiere, daß es sich um Cosma Shiva Hagen handelt, dauert es ein paar Minuten.
Später am Abend macht sie dann DJane und legt teilweise gute Sachen auf (nein, nichts von ihrer Mutter, dankenswerterweise... sorry, aber mit derem Oeuvre konnte ich noch nie was anfangen).
Zu der Zeit erhalten wir ein Angebot für das komplette Exponat zum Katalogpreis von 1400 Euro, aber nur, wenn wir die Rechte daran abgeben.
Daraufhin höre ich mich tatsächlich sagen: "Über die Rechte an meiner Geschichte verhandele ich erst ab einer fünfstelligen Summe", lehne mich zurück und denke: Scheiße, habe ICH das gerade gesagt? Ein sehr surrealer Moment.
Dazu die Feststellung: mit 19 war ich ein arroganter Möchtegern, der immer davon geträumt hat, in Künstlerkreisen unterwegs zu sein und mit "den ganzen Proleten" nix zu tun haben wollte.
Mit 36 und ein paar Jahren Lebenserfahrung mehr bin ich ein absolut bodenständiger Typ aus doch recht einfachen Verhältnissen, der leidlich gut schreiben kann, dadurch nun doch in Künstlerkreisen gelandet ist und sich dort teilweise wie ein Fremdkörper fühlt.
Nichtsdestotrotz doch ein gelungener Abend... der in Daniels Wohnung mit einer Flasche recht leckerem Sekt (ich glaube, der war nicht billig)und einem abenteuerlichen Musikmix endet (wir hören genau vier Platten: "Business As Usual" von Men At Work, "Sports" von Huey Lewis and the News, "God Ween Satan" von Ween und "Seasons In The Abyss" von Slayer).
Und nun sitze ich wieder in Karlsruhe, muß mich mit meinem Alltag und meinem Broterwerb herumschlagen, aber ich durfte mich zumindest mal wieder einen Abend als Künstler fühlen.
Auch wenn die fünfstellige Summe nach wie vor Illusion bleibt (und wenn ich- davon abgesehen- nie im Leben meine Rechte verkaufen würde... nur um später dann hilflos zu betrachten, wie meine Arbeit für irgendeinen Schwachsinn benutzt wird).
Da könnte ich hier im Blog auch gleich diesen "Monetisieren"- Knopf drücken.

Freitag, 16. Oktober 2009

Der Katzenkönig

Ich habe hier ja bisher noch nie eine meiner Arbeiten eingestellt... der Grund, warum ich es jetzt trotzdem tue, ist so eine Art "Werbung in eigener Sache".
Davon abgesehen, daß ich diese Kurzgeschichte schon vor geraumer Zeit ins Netz gestellt habe (entstanden ist sie übrigens während einer Nachtschicht... schon gut, wenn der Arbeitgeber gerade Pflegedokumentation per Computer eingeführt hat und das Ding sogar Internetanschluß besitzt), habe ich sie nun von einem Freund von mir, dem mittlerweile in Hamburg lebenden Graphiker und Comiczeichner Daniel Prohart, bebildern lassen.
Vorstellen werden wir diese Gemeinschaftsproduktion am Samstag, den 17.10.09 in Hamburg im Rahmen einer Ausstellung diverser Zeichner und Street Artists(wann und wo... keine Ahnung. Ich warte immer noch auf die E- Mail mit dem Flyer. Wahrscheinlich im "Goldenen Handschuh", wie ich mein Glück kenne), weswegen ich morgen (genauer gesagt: in ein paar Stunden) per Mitfahrgelegenheit nach Hamburg zuckeln und am Sonntag wieder zurückreisen werde.
Ich hoffe, ich habe dann was zu berichten. Hier also die besagte Geschichte:


Der Katzenkönig

Was hat er nicht gerne gelacht, der Bub. Was war er nicht für ein fröhliches Kind.
Der Schlaueste war er nicht, der Bub, aber lebhaft. Er tollte gerne herum, meist auf dem Kirchplatz, wo ihm eines Tages sein Schicksal begegnete, hinter den großen Blumenkästen aus grob gehauenem Sandstein.
Lange war Oberleitners Katze noch nicht tot, der Schaum vor ihrem Maul gerade einmal zu gelblichen Krusten eingetrocknet, und den gebrochenen Blick umflorte noch ein feuchter Glanz.
Doch es war das Fell, das den Bub magisch anzog, das schwarzweiß gefleckte, akkurat gebürstete, liebevoll shampoonierte, in der Sonne samtmatt glänzende. Also ging er hin, der Bub, näherte sich mit einem tastend vorausgestreckten Buchenast. Lissy, miez miez.
Ein vorsichtiges Tasten, keine Reaktion. Ein stärkerer Stoß, der Kadaver verharrte auf der Stelle. Die erste fette Schmeißfliege ließ sich blauschillernd auf ihm nieder, bereit, ihn als Futter für ihre Brut zu nutzen. Da wußte der Bub, was er zu tun hatte.
Sie hatte ein rotes Halsband um, die Lissy, daran ein hell klingelndes Glöckchen aus Messing.
Was dachte der Bub? Dachte er, das niedliche Gebimmel könne der Katzenseele ein angemessenes Geleit geben, wenn sie ihre letzte Reise antrat? Und das, obwohl Pfarrer Wienholt behauptete, Tiere kämen nicht in den Himmel?
Er traute sich nun näher heran, der Bub. Sah, daß das Glöckchen fest eingeschnürt war, unter einem Stück Paketschnur, das jemand straff um den Katzenhals gezurrt hatte, um sie zu erdrosseln. Neugierig beugte er sich zum Tier hinab und strich mit der Hand über das Fell, das nun so nutzlos vor sich hinglänzte. Arme Lissy wird nicht mehr frieren. Niemals nimmermehr.
Mit Schwung hob er den Kadaver hoch, das Blut, das neben der heraushängenden Zunge auf den Asphalt geflossen war, verbissen ignorierend. Das Glöckchen bimmelte in seiner engen Einschnürung. Pling Pling Pling.
Er überlegte. Bewegte die tote Katze. Pling Pling Pling.
Da faßte er einen Entschluß, der Bub.
Lief nach Hause, holte ein Stück Pappkarton sowie einen dünnen, faserigen Strick und befestigte beides am Gepäckträger seines Fahrrades. Stieg auf und trat in die Pedale, fuhr die enge Gasse lang, die von der Kirche zu seinem Elternhaus führte. Fuhr vorsichtig, damit die Lissy nicht von ihrem Aufbahrungsort rutschte, fuhr vorsichtig, damit der kleine Leichenzug nicht ins Schlingern geriet, fuhr vorsichtig, und dennoch holperte die Katze samt ihrer Unterlage über den schartigen Asphalt, und das Glöckchen schlug an. Pling Pling Pling.
Nach einer Weile lag er plötzlich auf dem Boden, der Bub, unweit des Oberleitners Haus. Vor seinen Augen verschwamm alles wegen einem dumpfen Schmerz in seinem Kopf, der ihn komplett auszufüllen schien. Kaum realisierte er den Geschmack von Blut und Straßenstaub in seinem Mund oder seine aufgeschürften Knie. Instinktiv versuchte er, sich unter seinem umgestürzten Fahrrad herauszuarbeiten, dabei seine nackte rechte Wade mit Öl und Kettenfett beschmierend, während Christian, des Oberleitners ältester Sohn, über ihm thronte wie eine Statue, tief Luft einzog und ihm mit aller Kraft ins Gesicht spuckte, in das er ihm, während der Bub sich noch in voller Fahrt befunden hatte, bereits den Fausthieb versetzt hatte, der ihn samt seinem Fahrrad zu Boden schickte.
Er war halt auf der Dummschule, der Bub. Und war ein jetzt ein Tierquäler. Böser Bub. Unheimlicher Bub.
Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Auf dem Fensterbrett reihten sie sich auf, zuerst fünf, dann 25, dann 50, cremefarben, rosa, blau oder grün marmoriert. Katzenköpfe.
Er schnitzte sie aus Seife, der Bub, die ihm seine Mutter bei ihren Besuchen mitbrachte. Sie waren wie Amulette oder Opfergaben, um den Katzenkönig zu besänftigen, der ihn nachts heimsuchte, dessen teerschwarzer Schädel über seinem Bett zu schweben schien, während das fahle Totenlicht seiner Augen ihm das Bewußtsein einer Schuld, die eigentlich nicht die seine war, ins Gehirn einbrannte.
Trotz aller Neuroleptika, die ihm verabreicht wurden, schien es ihm, er würde heulen und bösartig mit den Zähnen knirschen, würde ihm dadurch befehlen, mitzukommen in sein Reich, wo Lissy auf ihn wartete, vielleicht zu seiner Rechten saß, wer weiß das schon?
Da half nur Schreien und sich unter der dünnen Steppdecke auf seinem Bett verstecken, mit diesem Verhalten alle Berichte aus der Beschäftigungstherapie über seine angeblichen Fortschritte ad absurdum führend.
Und die freiheitseinschränkenden Maßnahmen, die sie daraufhin durchführten, damit er sich nicht mehr verstecken oder Becher voll lauwarmem Pfefferminztee dem Haupt des Katzenkönigs entgegenschleudern konnte, machten alles noch schlimmer, denn nun war er völlig ausgeliefert.
Fünfpunktfixierung, der Bub.

Doch schließlich bannte er ihn, der Bub. Er bezwang den Katzenkönig, auch wenn es lange dauerte.
Sie entließen ihn mit vielen guten Wünschen aus der Klinik. Er sollte nach Hause, und dann vielleicht eine betreute Wohngruppe besuchen, denn er galt noch als therapierbar, der Bub, und sein handwerkliches Geschick befähigte ihn zum Erlernen des Schreinerhandwerks.
Und als er dann in seinem alten Kinderzimmer auf dem Bett lag, und ein von außen geschleuderter katzenkopfgroßer Stein das Fenster zerschmetterte, während eine gebrüllte Beleidigung durch die enge Dorfgasse wehte, bevor sie in der Nacht verhallte, wußte er, daß er gehen mußte.
Er wurde Geschäftsmann, der Bub, draußen in der großen Stadt. Viele Verhandlungen wurden geführt hinter dem Paßphotoautomaten am Hauptbahnhof, manche mit schmerbäuchigen Trägern von Anzügen und verlegenen Grinsen, und der Bub nahm das Geld und gab ihnen ein paar Meter weiter was dafür. Sogar die 50 Cent Eintritt an der Toilettentür bezahlte der Bub, das war Extraservice am Kunden. Und so lernte er sie kennen, wichtige Männer aus allen Herren Ländern, und die Pausen vertrieb er sich mit Jungs, die in derselben Sparte tätig waren.
Was die regelmäßige Einnahme seiner Tabletten anging, wurde er nachlässig, der Bub. Sein jetziges Medikament war nicht im regulären Handel erhältlich; die neue Arbeit ging ihm flotter von der Hand, wenn es durch seine Venen pulsierte.
Oft sinnierte er, wohin die Züge wohl gehen mögen, die rot und weiß lackiert hinter der großen Glastür sichtbar in beide Richtungen davonfuhren. Vielleicht in ein anderes, besseres Leben? Etwas, was ihm sein Blutkreislauf allmählich nicht mehr bescheren konnte?
Denn er hatte abgenommen, der Bub.
Er übergab sich in letzter Zeit oft, manchmal absichtlich, alleine schon, um diesen Geschmack im Mund loszuwerden, den Geschmack nach Mann von Welt, den moderigen Geschmack, der ihn an den allmählichen Niedergang seiner fabulösen Geschäftsidee erinnerte, denn dünn und schlottrig zu sein, mit allmählich faulenden Zähnen, damit ließ sich schlecht leben in jenen Tagen, in denen ihm ein gewisser Verschleiß nicht abzusprechen war, oder den Geschmack von Blut, in seiner Mundhöhle hervorgerufen von einem stahlkappenbewehrten Stiefel, den jemand trug, der Deutschlands Straßen von dem ganzen Dreck säubern wollte.
Er solle ihn besuchen, sagte der Sozialarbeiter zum Buben.
Sein Büro sei leicht zu erreichen... einfach die U-Bahn nehmen, gerade da ums Eck, drei Stationen weiter wieder aussteigen, die Treppe hoch, dann wäre er schon da.
Diesem Mann vertraute der Bub
Er war zwar seinem Geschäft nicht zuträglich, denn er wollte sich auf keinen Handel einlassen, aber er hatte ihm versprochen, die Zugfahrpläne so zu erklären, daß es auch der Bub kapierte, ihm einen Platz zuzuweisen, und der Bub würde da sitzen, während die Stadt an ihm vorbeizog, dann das Hinterland, Bäume, Büsche, Sträucher, vielleicht ein kleiner, sonnenbeschienener See, der Bub würde die Stadt dann schon fast vergessen haben, und wenn er dann schließlich ausstieg, würde er sie auch endgültig vergessen wollen.
Es war drückend schwül, die Vorahnung eines nahenden Gewitters lag über der Stadt, als der Bub die Treppen zur U-Bahn hinabstieg.
Eine seltsame, fast vergessene Beklemmung machte sich breit, etwas, was ihm merkwürdig angsteinflößend bekannt vorkam. Zwar war er zum ersten Mal hier, tief in den Eingeweiden der Stadt, er starrte auf die gefliesten Wände und in den gähnenden Schlund der riesigen steinernen Röhre, die sich vor ihm auftat, während die grelle Beleuchtung seinen Kopf schmerzen ließ, das kaum hörbare Summen der künstlichen Lichtquellen schien sich allmählich zu steigern, doch er erinnerte sich, ja, es kam alles zurück und es war fast, als wäre er wieder der kleine Bub.
Kacheln. Neonleuchten. Plötzlich ein dumpfes, anschwellendes Rumoren, das den Raum zunehmend ausfüllte. Nein. Oh nein.
Die Finsternis in dem steinernen Maul zog ihn magisch an.
Die Menschen waren viel zu überrascht, als der Bub plötzlich auf die Gleise sprang, noch sorgfältig darauf bedacht, keine stromführenden Teile zu berühren, bevor er eine Sekunde lang in das fahle Totenlicht der Augen des Katzenkönigs starrte, während dieser ratternd und zischend auf ihn zuraste.
Und ihn verschlang.

Montag, 12. Oktober 2009

Kassiber aus dem Hühner- KZ

Sie sind nicht totzukriegen, und je besser es Leute vermeintlich meinen, desto mehr bringt es mich in Rage:
KZ- Vergleiche.

So schreibt ein User im ENPUNKT- Blog von Klaus N. Frick zum Thema "Hartz IV" folgendes in den Kommentarteil (und ich nehme mir die Freiheit, wörtlich zu zitieren):

"Für Götz Werner (Grundeinkommensbefürworter und im Nebenjob Chef der Drogeriemarktkette dm) ist Hartz IV "offener Strafvollzug". Ich nenne es "offenes KZ". Nichts anderes ist Hartz IV!"

Da denke ich mir einfach: nein.

Mir eilt ja nicht der Ruf besonderer politischer Korrektheit voraus (ich tat es schon öfter kund), aber die Bereitschaft einiger Leute, mit einem Benzinkanister auf Scheiterhaufen zu klettern, die sie sich selbst basteln, und das auf den Knochen von anderen, finde ich zutiefst abstoßend.
Banker werden mit Juden verglichen, Politiker der Bonner Republik wie Rainer Barzel selig, die in zwielichtige Geschäfte verwickelt waren, sehen die Ermittlungen gegen sich im Gestapostil stattfinden, die PETA geht mit Hühner- KZ's hausieren (man muß ja provokant sein, um was zu bewegen), man las schon von Nichtrauchern, die die Juden der Raucher sind, und ich bin mir sicher, es gibt noch drölftausend anderer Beispiele für solch geradezu inferior gedankenfreien Unsinn.

Ich kommentierte diesen Stiefel schon wie folgt (und mache es hier gerne öffentlich): wenn mir der alte Dr. Shlomo Pfefferman erzählt, wie sehr es in Auschwitz die Hölle war, unter den Augen kettenrauchender SS- Männer im Hühnerstall seinen Hartz- IV- Antrag auszufüllen, leiste ich eventuell Abbitte.
Aber solange sollen sich diese vermeintlichen Gutmenschen und anderen Blödmänner vor dem gedankenfreien Herumwerfen mit brunzdummen Vergleichen in ein dunkles Zimmereck verziehen und mal intensiv in sich hineinhorchen; vielleicht finden sie ja was.

Das dürfen sie dann gerne behalten.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Hotel Nairobi

Das Leben ist manchmal seltsam, vor allem, wenn man von Selbstverständlichkeiten ausgeht, die da wären, daß jeder, der hier lebt, zumindest mal Einblick in die Mentalität hier im Lande hat.
Wenn man dann eine Arbeitskollegin aus Kenia kennenlernt, die erst seit einem Jahr hier und zudem sehr sympathisch ist, und mit der man sich ziemlich blendend unterhalten kann, wird es echt schräg:
trotz gegenseitigen Verständnisses wird schnell klar: hier prallen komplett verschiedene Universen aufeinander, und das, ohne daß man großartig Details aus seinem Leben verraten hat.
"What? You are 36 and you are not married yet?" und "There are so many Germans who don't believe in God. In Africa, people are very religious, I pray every day and I read the bible."
Das waren bereits zwei Punkte, über die man stundenlang hätte diskutieren können, ohne überhaupt zu irgendeinem Kern vorzustoßen.
Man läuft umher und sieht Menschen aus verschiedenen Nationen, die hier leben... aber was für einen Kulturschock manche durchlaufen, wird einem erst im persönlichen Gespräch richtig klar. Wir haben zumindest das Privileg, uns über andere Länder ausreichend informieren zu können, bevor wir sie bereisen... und jederzeit wieder in unser Heimatland zurückkehren zu dürfen.
Genau DAS wird einem in solchen Momenten klar, und diese Erkenntnis ist nicht die Schlechteste.

Freitag, 9. Oktober 2009

Hoo! Hoo! Hoooo!

"Seeger und Russwurm freut sich, HOOTERS begrüßen zu dürfen".
Und wir freuen uns auch. Hooters am Kronenplatz, an exponierter Stelle, zeigt auf wenige Quadratmeter eingedampft und komprimiert, was wir uns im Laufe von mindestens 15 Jahren mühsam an Vorurteilen gegen die USA erarbeitet haben.
Es ist nicht mehr die Zeit für Pamphlete, für Diskussionen oder sonstige politische Meinungsbildung... es genügt ein prüfender Blick.
Ließ schon die Stellenausschreibung für Bedienungen ("Du siehst gut aus und kannst gut mit Menschen umgehen?"), flankiert von einem weitgehend hirnbefreit in die Kamera grinsend Cheerleadergymnastik treibenden Men's- Health- Leser- Wichsvorlagentraum Sinistres erwarten, wird das vom eigentlichen Laden noch getoppt.
Die Speisekarte verspricht Fraß, darum habe ich mir ein Studium derselben gleich geschenkt.
Das Rudel diverser Spacken, das allabendlich mit mir die Straßenbahn teilt, um unter der Losung "wir gehen ins Hooters und ihr wißt warum" dort Bedienungen anzusabbern und PVC- Sandwiches zu verzehren, raubt mir eh jeglichen Appetit.
Das Konzept, Fast Food auf dem niedersten Level mit steriler Hochglanzerotik zu fusionieren, scheint gewinnbringend zu sein. Da fragt man sich: warum fällt mir sowas nicht ein? Weil ich das nicht möchte? Das scheint mir ein guter Grund zu sein.

Apropos, Herr Radiotrinker, nichts für ungut: aber Die Piratenpartei? Ich kann mir auch gleich einen Fuß absägen. Da könnte ich auch meine sämtlichen Oeuvres hier einstellen, damit sie sich jeder frei kopieren kann.
Schön, daß es Parteien gibt, die mir gerne die Möglichkeit geben würden, kreativ zu sein und damit keinen Cent zu verdienen, so daß ich trotz aller Bemühungen bis zu meiner Rente den Altenpfleger geben darf.
Ja, ich gebe es zu: ich würde gerne irgendwann mit dem, was ich sonst so treibe, Geld verdienen, anstatt mich- wie diese Woche- für knapp 1300 netto im Monat geschlagene 56 Stunden in 7 Tagen krumm und bucklig zu machen, nachdem ich letzte Woche ebenfalls 48 Stunden abgeleistet habe. Nicht sehr Punkrock, isn't it?

Montag, 5. Oktober 2009

Hundescheiße on the rocks

Meine Woche: Pest und Cholera.

Ein neuer Job... ein Zugebombtwerden an neuen Namen, Aufgaben, Eindrücken mit einer Anleitung zur Seite, die dermaßen überfordert war, daß sie mir mehr leidtat als ich mir selbst. Heimwege auf dem Zahnfleisch.
Ein vorgegebener Zeitrahmen, der mich dermaßen überforderte, daß ich nach drei Tagen das Handtuch warf, nur um von der PDL überredet zu werden, doch zu bleiben, da sie dringend Leute braucht, und ich solle doch die Spätschicht ausprobieren.
Spätschicht: entspannt, aber da die Zeit genau ausreicht, meine Aufgabe zu erfüllen, ohne diese dokumentiert zu haben, unbezahlte Überstunden, um die Dokumentation zu schreiben. Feierabend: 21 Uhr, Dokumentation, Heimwege auf den Sackhaaren, Ankunft an der Haustür: 22 Uhr 30.
Die Woche: ein Scheißhaufen. Die Wohnung: ein Saustall. Beim Einschlafen: Berieselung durch RTL II, in der gerade eine Razzia in der Wohnung eines Cracksüchtigen gezeigt wird. "Ein normaler Mensch kann nicht nachvollziehen, daß Menschen freiwillig in solch einem Chaos hausen."
Blick umher: check. Fick dich.
Dienstag mein Quizabend als Spieleleiter in familiärer Atmosphäre im Ubu, eine meiner Stammkneipen. Etwas, auf das ich mich in Berlin sehr gefreut habe. Endlich wieder zusammensitzen mit von mir geschätzten Leuten in angenehmer Atmosphäre. Helmut, der Chef, eröffnet uns Knall auf Fall, daß er den Laden aus finanziellen Gründen kurzfristig und endgültig schließen muß.
Weinende Männer. Bizarre Anblicke. Atmosphäre wie bei einer Beerdigung. Ist es auch: ich trage einen kleinen, nichtsdestotrotz liebgewonnenen Teil meines Lebens zu Grabe.

Ansonsten: ein Rechner, der schnauft und lahmt. Das Gefühl, die kreative Energie von jemandem zu haben, der im Vorzimmer von Amtmann Plötz in Weiherfeld- Dammerstock Büroklammern zählt und die Bestände dokumentiert. Hundescheiße on tne rocks.

Bitte ganz schnell abhaken und vergessen.

Ubu R.I.P.