Freitag, 18. November 2011

Hui. Neonazis sind ja gefährlich...

sprach Samson zu Tiffy, und schon war die ganze Sesamstraße in Aufruhr.

Dieser hektische Aktionismus, der nun gerade ausbricht: er hat ja durchaus seine guten Seiten. Das ändert aber nichts daran, daß ihm ein Hauch tragischer Lächerlichkeit anhaftet, vor allem, wenn man sich die Statistik betrachtet.

137 Opfer rechter Gewalt gab es in den letzten 20 Jahren, als bunten Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Schichten. Ein Schiffskapitän, der in Gegenwart der falschen Leute Hitler einen "Verbrecher" nannte ist genauso darunter wie Leute aus der Punkszene und Obdachlose, Sinti und Roma genauso wie ausländische Arbeiter und Familienväter.
Scheinbar war das alles Pillepalle; abgesehen von Mölln und Solingen war da nichts dabei, was die öffentliche Ordnung sonderlich gestört hätte, und sogar da hat die Zeit alle Wunden geheilt.
Solange in der Sesamstraße nur Kamerad Braunbär und sein Kumpel Ossibär nach dem Kneipenabend Kanaken klatschen gingen, konnte man das auch geflissentlich ignorieren. Waren ja Einzeltäter, die kurz eine "neue Dimension des Terrors" sein durften, als mit Polizeichef Mannichl zur Abwechslung mal ein Repräsentant des Staates attackiert wurde.

Ansonsten war das Leben ein langer, ruhiger Fluß, manchmal etwas aufgelockert durch V- Mann- Kaspereien. Aber solange die ungezogenen Racker sich nicht richtig terroristisch betätigten, hatte man eher die Muße, sich um die Dinge zu kümmern, die den Fortbestand unseres Staates ernsthaft bedrohten. Leute, die Autos anzündeten, beispielsweise, die letzte "neue Dimension des Terrors", die uns heimsuchte und generell unter "Linksterrorismus" eingeordnet wird, auch wenn einige Taten aus Frust, Vollsuff, persönlichen Rachegründen, Dummheit und sonstiger Trittbrettfahrerei erfolgten.
Welch Aufmerksamkeit den Rechtsextremisten zuteil wurde, sieht man alleine schon daran, daß selbst heute noch Medien ganz tief in die Mottenkiste greifen und das Klischee vom Dumbo mit Glatze, Baseballschläger und Springerstiefel herausholen, als hätten die Rechtsextremen in den letzten Jahren nichts dazugelernt, um in manchen Gebieten Deutschlands auch vom Normalbürger akzeptiert zu werden und attraktiv auf Jugendliche zu wirken, die zu Höherem berufen sind als zu einem Sonderschulabschluß.

Trotzdem: um Mißinterpretationen vorzubeugen (da ich mich nicht gerne unwidersprochen politisch einsortieren lasse, denn dafür halte ich mein Weltbild für zu kompliziert) gerne noch einmal Grundsätzliches:

Ich möchte hier nicht einseitig wirken. Ganz richtig finde ich, wie der Staat ein Auge auf die Gefahr islamistischen Terrors hat, da man ja immer Gefahr läuft, ein Übel gegen das andere abzuwiegeln ("Hätte sich der Verfassungsschutz lieber mal um Nazis gekümmert, statt den Anti- Islamismus zu schüren" bla blubb).
Auch mit vielen Zielen der extremen Linken gehe ich schon lange nicht mehr konform, genauso wie ich die Gleichung "Ausländer=prinzipiell gut" für Sozialromantik halte, die der Realität keine zwei Stunden standhält.

Das ändert aber nichts daran, daß es niemand verdient, zu Klump geschlagen zu werden, weil er einfach so aussieht, wie er aussieht... oder zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Was wiederum auch heißt, daß ich mir von niemandem gerne vorschreiben lasse, was ich zu sagen und wie ich mich zu kleiden habe und mit welchen Menschen ich Umgang pflegen soll, schon gar nicht von den Repräsentanten solch geistiger und kultureller Unterernährtheit.

Und es ändert nichts daran, daß der Staat bezüglich der extremen Rechten jahrelang grob fahrlässig und verharmlosend gehandelt hat.

Und was nun, Samson? Uiuiui.

1 Kommentar:

  1. »geistige und kulturelle Unterernährtheit«? Hübsch. Warum bin ich auf diese Formulierung nicht selbst gekommen?

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