Mittwoch, 30. November 2011

Witzemacher, Forenuser, Cartoonisten!

Kennt ihr schon den?

Kommt ein Mann zum Arzt und hat rechts eine Augenklappe.
Meint der Arzt: "Wo arbeiten Sie?"
Sagt der Mann: "Beim Verfassungsschutz."

Hahahahahaha!

Ach, den kennt ihr schon? Wer hätte das gedacht.

Aufrechte Demokraten

Was ist denn eigentlich schlimmer? Rechts- oder Linksextremismus? Lechts oder Rinks? Oder ist beides etwa dasselbe?

Eines meiner Lieblingsargumente, oft gehört und immer wieder gerne genommen, herauskopiert aus Kommentaren zu einem entsprechenden Artikel von Henryk M. Broder auf Facebook (wie die Folgezitate übrigens auch):

"Es hiess ja ehrlicherweise auch National-SOZIALISMUS."


Das Leben kann so einfach sein, vor allem deswegen:

Der Linksextremismus ist zahlenmäßiger sogar etwas gefährlicher. Und man vergesse nicht, dass sich hier in den 20ern damals extreme Rechte und extreme Linke auf den Straßen gekloppt haben. Die German Angst vorm Bürgerkrieg (seit dem 30jährigen) konnte da nur Adolf stillen...

Somit wäre der Linksextremismus auch gleich als Hauptursache des Nationalsozialismus festgemacht. Bitte alles in einen Sack und draufhauen, denn

"Die Frage ist, wo ist die Trennlinie zwischen linken und rechten Sozialisten zu ziehen. Irgendwann kommt der Punkt, da gibt es keine Trennlinie.Ob roter oder brauner"


Was jüdische oder farbige Sozialisten spätestens dann merken dürften, wenn sie versehentlich im falschen Veranstaltungssaal landen, weil sie beim "Treffen nationaler Sozialisten" ein Wort übersehen haben.

Es muß die Nacht der reitenden Leichen sein. Kaum öffnet jemand öffentlichkeitswirksam eine jahrelang verschlossene Tür, eilen aus jeder erdenklichen Richtung Gehirntote herbei.

Wie wir die Welt retten

Ach, es wäre doch schön, ein wirklich politisch korrekter Mensch zu sein, wären diese nicht manchmal dermaßen unerträglich.
"Fareus" heißt die Seite, auf die man stößt, wenn man sich in sozialen Netzwerken in irgendeiner Form gegen Rechts engagiert.

- Politisch Korrekt –Gegen Rechtsextremismus,Zionismus, Antisemitismus, Islamophobie, Menschenhass
heißt es da vollmundig, und es wird in- nach dieser Ankündigung erwartbarer- Schwarz- Weiß- Malerei mal wieder versucht, die Menschheit zu retten, indem man sich ein Weltbild zurechtzimmert, in das nur hineinpaßt, was man vorher nicht kurz und klein schlagen muß, weil auch nur ein Eckchen übersteht.
Will heißen: Dogmatismus praktizieren, ohne die eigene Meinung auch nur einmal ansatzweise zu hinterfragen.
Heraus kommt das übliche politische Sektierertum, das nur zwischen zwei Sorten Menschen zu unterscheiden weiß: die Guten und die Bösen. Und jedem, der auch nur ansatzweise die Fähigkeit zu differenzierter Auseinandersetzung hat und sich nicht wie bei der Essensausgabe in einer Schlange anstellen will, an deren Ende politische Schubladen verteilt werden, kann dabei nur grausen.

Als Watschenaugust muß die- zugegeben- mittlerweile relativ unerträgliche Kristina Schröder herhalten, deren Kürzung von Mitteln für Initiativen gegen Rechts reichlich undifferenziert und realitätsfremd erscheint; deren weiteres Beharren darauf unter den momentanen Umständen einfach nur skandalös ist und eine Unfähigkeit zeigt, über den parteipolitischen Tellerrand (fünf Euro ins Phrasenschwein) hinauszublicken.
Aber muß man sie auch völlig undifferenziert in die Ecke stiller Nazisympathisanten stellen und in einer Art und Weise auf sie eindreschen, die einfach nur plump wirkt? Das geschieht, indem man nämlich versucht, alles in einem Abwasch zu erledigen und sie auch gleich als Islamhasserin (ein gerne genommener Vorwurf) zu überführen. Denn man wird zu einem Magazin namens (Achtung! Wortspiel!) "Migazin" verlinkt, das zum Thema "Zwangsheirat" konstatiert:

"Die Befürchtung, dass eine Erhebung der Religionszugehörigkeit Anlass für Missverständnisse [...]werden könnte, war sowohl im Beirat als auch im Rahmen des wissenschaftlichen Workshops ausdrücklich Thema. Leider bestätigt sich diese Befürchtung durch den genannten FAZ-Beitrag, in dem Frau Ministerin Schröder behauptet, dass „nach Angaben der Betroffenen 83,4% der Eltern Muslime seien“. Diese Behauptung ist schlichtweg falsch, denn Betroffene von Zwangsverheiratung sind zu keiner Zeit im Rahmen dieser Studie direkt befragt worden. Es handelt sich bei der genannten Zahl vielmehr um das Ergebnis einer Befragung von Menschen, die in Beratungseinrichtungen tätig sind; diese sollten im Jahre 2009/2010 Auskunft über Fälle von (angedrohter) Zwangsverheiratung im Jahr 2008 geben.

Es ist nicht bekannt, ob die Beraterinnen und Berater in der Praxis die Religion der Eltern abgefragt haben, ob sie im Nachhinein versucht haben, sich zu erinnern, oder ob sie bloße Vermutungen äußern. Daher wäre die richtige Formulierung „Beraterinnen und Berater gaben an, dass sie davon ausgehen, dass 83,4% der Eltern der Betroffenen vermutlich muslimischer Herkunft sind“. Wer solche Differenzen als beiläufig abtut, spricht empirischen Studien implizit jeden Sinn ab. Man kann sich die Mühe dann lieber gleich sparen. Darüber hinaus ist auch die genannte Zahl mit Vorsicht zu genießen, denn sie sagt nichts darüber aus, welchen Stellenwert Religion im Alltag bzw. im Handeln gespielt hat."


Es stimmt: die Praxis der Zwangsheirat ist auch im Christentum eine durchaus gängige und somit jeglicher Versuch, eine Verbindung zum Islam herzustellen, das Verhalten eines Phobikers und Rassisten.
Die Methode der Gleichstellung von Islamkritikern jeglicher Ausrichtung mit Rechtsextremisten läßt sich an folgendem Beispiel wunderbar ablesen:

um den Vorwurf der zunehmenden Islamophobie zu untermauern, werden unter der Überschrift "Islamkritik" auf Fareus besonders beknackte Zitate aus dem Internet gepostet.
Nur stammen diese in erster Linie von einer auch in anderen Belangen als schlechtes Beispiel zitierten Website namens "PI" mit einem hauptsächlich von allerlei dämlichem Seich ablassenden Dumpfbacken frequentierten Forum.
Das tutet ungefähr in dasselbe Horn, als würde man jüdischen Mitbürgern anhand von Zitaten aus einem NPD- Forum beweisen wollen, daß alle Deutschen Antisemiten seien.

An anderer Stelle wird dafür unter folgender Überschrift- abgesehen von einem unauffälligen Wikipedialink ohne Hintergrundinformationen- ein Videoausschnitt des "Nation Of Islam"- Führers Louis Farrakhan eingestellt:

Louis Farrakhan erteilt den versammelten Vertretern der Mainstream-Presse während einer Werbepause eines Radio-Senders, eine gehörige und verdiente (und teilweise auch angekommene) Standpauke.
Die Gesichter der Angesprochenen sprechen Bände.
So einen Kämpfer wie Farrakhan bräuchten wir hier in Deutschland auch, denn eigentlich hätte der gesamte Medienapparat der Welt diese Ansprache nötig.
Dieses Video sollte Pflicht für jeden Medienschaffenden sein.


Die Hervorhebung stammt von mir. Farrakhan, also.

Eben genau dieser:

Seine in zahlreichen Interviews und Reden propagierte Ideologie wird von vielen Menschen als rassistisch angesehen. Farrakhan propagierte nachdrücklich die Rassentrennung. Weiße - so angeblich Farrakhan - seien das Produkt genetischer Experimente, die von schwarzen Wissenschaftlern ausgeführt wurden. Sie würden 6.000 Jahre lang die Erde beherrschen, bis sie 'von den schwarzen Göttern zerquetscht würden'. Er verbreitete antisemitische Gedanken und zitierte Adolf Hitler[1] als leuchtendes Beispiel.

1986 wurde ihm als persona non grata die Einreise nach Großbritannien verboten, ungeachtet verschiedener Versuche, dieses Verbot anzufechten. Farrakhan war Initiator, Organisator und Redner beim Millionen-Mann-Marsch 1995 in Washington. 1996 wurde ihm der Internationale Gaddafi-Preis für Menschenrechte verliehen.


Das stammt aus Wikipedia, wo lustigerweise ja auch hinverlinkt wird, ohne auf diese Ungeheuerlichkeit auch nur mit einem Wort hinzuweisen (wer sich mehr mit dem Thema "Nation Of Islam" und "Farrakhan" beschäftigen möchte, dem sei einfach nur die in Zusammenarbeit mit Alex Haley entstandene Autobiographie von Malcolm X empfohlen).

Immerhin erhielt er den Gaddafi- Preis für Menschenrechte. Das KANN kein schlechter Mensch sein, denn Negersmann und Moslem in einer Person paßt wie hineingegossen ins kunterbunte Weltbild unserer moralisch integren Vorkämpfer.

Aber der Höhepunkt ist folgendes Zitat unter der Überschrift "Geistige Brandstifter", in der diverse "islamophobe" Aussprüche aufgeführt werden, um natürlich ohne Links einen Gesamtzusammenhang mit dem Zeitgeschehen herzustellen. Neben eindeutigen Fällen wie Thilo Sarrazin findet sich dort folgendes:


"Nicht die Moschee, der Islam ist das Problem!"

Ralph Giordano


Ein Deutscher jüdischen Glaubens, der in seiner Kindheit zu den Verfolgten des Naziregimes gehörte, ist also geistiger Mitvorbereiter der jetzigen Neonazimordserie?

Das Leben ist doch eines der Schönsten.

Dienstag, 29. November 2011

Anti- Anti- Castor

Sie werden mich jetzt konservativ nennen. Oder "Arschloch". Ich muß damit leben.

Ich habe es dennoch jahrelang versucht: aber ich erkenne in Anti- Castor- Demonstrationen immer noch keinen Sinn und Zweck.

Es ist mit Sicherheit legitim, gegen Atomkraft zu demonstrieren, auch gegen die Laufzeitverlängerung von 2015 auf 2022. Seit in Deutschland vor einiger Zeit versuchsweise diverse Atomanlagen abgeschaltet wurden und hier trotzdem nicht das komplette Stromnetz zusammengebrochen ist, halte ich den Atomausstieg ebenfalls für sinnvoll.
Ja, "ebenfalls"; ich war in den letzten Jahren nicht gerade als Atomkraftgegner bekannt, wenn auch in erster Linie deshalb, weil ich kaum vernünftige Alternativen gesehen habe. Vor allem, wenn man die Dreistigkeit betrachtet, mit der neuerdings wieder solche Dreckschleudern wie Kohlekraftwerke als Lösung angepriesen werden.
Ich halte die Erbeben- und Tsunamigefahr in unseren Breiten auch generell für überschaubar und habe mein ganzes Leben in Sichtweite des AKW Philippsburg verbracht, ohne daß ich nachts leuchte. Darum hielt ich hierzulande AKW's für ein kalkulierbares Übel.
Nichtsdestotrotz habe ich mein Denken auf den Prüfstand gestellt und befürworte mittlerweile einen schnellstmöglichen Atomausstieg. So.

Es ist aber weiterhin eine Tatsache, daß dieser gerade nicht stattfindet und immer noch AKW's in Betrieb sind. Und solange dies der Fall ist, wird Atommüll produziert.
Und jetzt kommen wir zu der entscheidenden Frage: wohin damit?

In 3.- Welt- Länder, wie wir es schon seit Jahr und Tag mit Gift- und Plastikmüll machen? Im Meer versenken? Ins All schießen?

Halten wir fest: wenn der ganze Scheiß, der da gerade aus La Hague kommt, bei uns produziert wurde, haben wir die moralische Verpflichtung, ihn zurückzunehmen, ob uns das paßt oder nicht.
Und wer immer in den letzten Jahren Strom verbraucht hat, ohne eine Solaranlage auf dem Dach zu haben, wird wohl auch zumindest gelegentlich von Atomstrom profitiert haben, und sei es beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz.
Somit ist und bleibt es UNSER Müll, egal, ob wir der Meinung sind, persönlich dafür verantwortlich zu sein oder nicht.

Nächster Punkt: "Nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg enthält ein einziger Castor-Behälter 100 bis 200 mal mehr Radioaktivität als das absaufende Atommüll-Endlager Asse. „Von einem normalen Transport kann also keine Rede sein.“


Das sei hier also stellvertretend für ähnlich lautende Meinungen, die ich im Netz gelesen habe, einmal zitiert.
Man hat also unter anderem Angst, daß die Castoren vermehrt Radioaktivität abgeben könnten, was- weitere Bedenken, die ich auch nachlesen konnte- auch im Falle eines Anschlags passieren könnte, da die Behälter ein lohnendes Ziel für Terroristen seien (Links zu den Artikeln poste ich hier keine, sonst werde ich nicht mehr fertig... bemühen Sie ihre Suchmaschine, wenn Sie Detailliertes lesen möchten).
Deswegen sabotiert man also die Transportwege oder hält den Zug so lange wie möglich auf, damit die Castoren in freier Natur oder der Nähe von Ortschaften ungestört vor sich hinstrahlen können.
Sollte es da irgendeine Logik geben, man möchte sie mir so erklären, daß ich sie auch kapiere.

Aber es gibt ja Hoffnung:


Mit dem aktuellen Castor-Transport lagern bereits 113 Behälter mit hochradioaktivem Atommüll im Zwischenlager Gorleben, die auf die Endlagerung warten. Könnte der Müll nach jahrzehntelanger Abkühlung nicht im Salzstock für immer entsorgt werden, müsste er wieder für viele Millionen Euro abtransportiert werden. Dann dürfte es an der Castor-Wegstrecke ein ganz neues Bild geben: Jubelnde Wendländer und freie Fahrt statt Sitzblockaden und an Gleise gekettete Menschen.


So schreibt das "Greenpeace- Magazin". In dem Fall bin ich mal gespannt, ob die "jubelnden Wendländer" dann auch demonstrierend vor Ort wären, wenn der Atommüll stattdessen in Südwest- oder Ostdeutschland gelagert würde oder gleich in Frankreich verbliebe.
Denn das Gefühl, daß es in erster Linie um "Hauptsache, nicht bei uns" geht verbunden mit der Hoffnung, der Atommüll würde sich in Luft auflösen, wenn man ihn nicht vor der Haustür hat, will bei mir nicht weichen.

Genausowenig wie die Überzeugung, daß man mit den 33,5 Millionen Euro, die allein das Land Niedersachsen der jetzige Transport dank der ganzen Verzögerungen gekostet hat, etwas weitaus Sinnvolleres anstellen könnte.

In ein geeignetes und sicheres Endlager investieren, beispielsweise.

Katzen, Katzen, Katzen

Heute erreichte mich die Nachricht von Daniel Prohart, daß er mit den Zeichnungen für den "Katzenkönig" fertig ist.
18 Bildtafeln sind es am Ende geworden, die wir nach dem letzten Feinschliff endlich auf die Menschheit loslassen können. In welcher Form und welchem Format wird uns noch einiges Kopfzerbrechen bereiten, aber da Miriam Spies vom gONZo- Verlag gußeisern darauf beharrt, die Geschichte ohne weiteres Beiwerk herauszubringen, fällt zumindest mal die Notwendigkeit weg, sich auf die Schnelle noch irgendwas aus dem Ärmel zu leiern.
Was bleibt ist die Spannung, wie das Ganze im Endeffekt aussehen wird.

Ich schrieb vor geraumer Zeit, daß mir der Umgang mit Hunden und Katzen widerwärtig ist, und daran hat sich eigentlich nicht viel geändert.
Da ich mich jedoch immer noch in der Rekonvaleszenzphase bei meinen Eltern befinde, die nun mal zwei Katzen ihr eigen nennen, habe ich mich aber daran gewöhnt.
Die ältere der beiden, "Muni" genannt, die ich in den letzten 12 Jahren erfolgreich ignoriert habe, scheint mittlerweile einen Narren an mir gefressen zu haben; wann immer ich auf der Couch vor dem Fernseher liege, kann ich davon ausgehen, spätestens nach 10 Minuten einen zusammengerollten schnurrenden Fellklumpen neben mir zu haben, der zumeist noch seinen Kopf in meine Armbeuge bettet.
Nennen Sie es Altersmilde, aber mittlerweile ist das schon so alltäglich, daß mir fast etwas fehlt, wenn das Vieh nicht im Haus ist.
Wahrscheinlich sollte mir das zu denken geben.

Sonntag, 27. November 2011

Mal wieder ein Verriß

Zufällig bin ich beim Herumsurfen im Internet auf das "Onlinemagazin für kreatives Schreiben, Bad Kreuznach & Bingen" namens EXPERIMENTA gestoßen, in dem auch "Katharsis I- Kreisklassenhölle" besprochen wurde.
Der Rezensent, ein (ich gehe bei dem Namen mal von einem männlichen Wesen aus) gewisser Toni Reitz, hat das Buch ziemlich geschlachtet.
Es ist nie sonderlich erfreulich, einen Verriß zu kassieren, aber für mich wiederum mal wieder eine Motivation, mich aus dem relativ engen Korsett zu befreien, das ich mir mit der "Kreisklassenhölle" angelegt habe.
Natürlich definiert man mit seinem Erstling einen gewissen Standpunkt, von dem aus der Leser weiß, was er künftig ungefähr von einem zu erwarten hat; aber als einzige Referenz einen mittlerweile fast zehn Jahre alten Text vorweisen zu können und ständig daran gemessen zu werden, nervt andererseits auch ziemlich. Zum Glück liegt es an mir, etwas daran zu ändern und meiner Arbeit zusätzliche Facetten hinzuzufügen.
Daß Esoterik und positive Lebensratgeber trotzdem auch künftig nicht von mir zu erwarten sind, muß ich glaube ich nicht gesondert erwähnen.
Hier also die Rezension; um ein paar Stellen gekürzt, die meiner Meinung nach zu große Spoilerfunktion bezüglich des Inhalts haben.
Ich lasse sie auch weitgehend kommentarlos stehen, abgesehen von folgenden Anmerkungen: das Ende des Buches ist absichtlich offen gehalten. Und daß sie, Herr Reitz, das Ende nicht nur auf einen Punkt festmauern, sondern ihre Schlußfolgerung auch in Ihrer Kritik veröffentlichen, lasse ich genausowenig unwidersprochen wie Ihren Vorwurf bezüglich meines mangelnden Respekts vor meinen Lesern.
Der Respekt vor meinen Lesern erwächst aus der Rückmeldung, die ich erhalte. Beim Schreiben selbst, es sei mir verziehen, denke ich nicht groß über potentielle Leser nach, auch weil das unweigerlich zu einer Selbstzensur führen würde.
Das mag man mir als Arroganz auslegen; letztendlich ist es nur der Versuch, äußere Einflüsse auszuklammern... verbunden mit dem Risiko, dementsprechend negative Kritiken zu erhalten.
Was nichts daran ändert, daß ich mich über positive Reaktionen freue und sie mir nicht gleichgültig sind.
Was den Ausspruch des Erzählers (ja, um einen solchen handelt es sich, was ja scheinbar im Verlauf von Rezensionen- unabhängig von der Bewertung- immer gerne vergessen wird) über seinen mangelnden Analverkehr angeht: wie man da durch das Verb "trompetet" eine Art machohaften Stolz hineindeuten kann, wo es letztendlich um eine ausbleibende Rechtfertigung für destruktives Verhalten geht, bleibt mir ein Rätsel.
Vielleicht war der Dreh auch nötig, um die Pointe mit dem "Arschficken" unterbringen zu können; solche güldenen Sternstunden erlesenen Humors sollte man nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Hier nun also die Rezension:

Es muß doch irgendwie schrecklich sein können

Kreisklassenhölle von Stefan Gaffory

Stefan Gaffory hat das Zeug zu einem guten Schriftsteller. Seine Darstellung der
Verletzungen eines gescheiterten Liebhabers durchdringt den Schutzschild selbst
geübter Leser. Nach dem letzten Ausraster seines Helden, mit dem er endgültig zerstört hat, was bei seiner Freundin an Zuneigung noch übrig war, schickt sie
ihm eine Kassette. „Play it loud“, schreibt sie dazu.[...]

Doch Gaffory ist kein guter Schriftsteller. Was er aufbaut, bleibt schreckenerregend
angemaltes Pappmaché.
Der Held wächst in einem Provinzkaff, der Kreisklassenhölle, auf, findet dort weder Halt noch Rolle. In ihm wächst nicht Persönlichkeit, nur Haß auf seine Umgebung. Mangels Besserem wird er Altenpfleger und kommt im Heim erst recht nicht zu Rande, was nur noch mehr Haß in ihm wachsen läßt. Er flieht in die Universitätsstadt, doch auch dort findet er sich nicht, zu hoch stehen Haß und Selbsthaß schon in ihm, er läßt nur alles Zerstörerische aus sich heraus, eckt noch mehr an und fällt beinahe schon.
Gebremst wird der Weg nach unten nur einmal, als das Mädchen, der Engel, in sein Leben tritt. Doch er kann nicht aufhören, um sich zu schlagen, und verliert
sie - und alles.

[...]
Das alles ertränkt er in einem nicht enden wollenden Strom aus Alkohol und Rauschgift, aus Geschrei und Wut, aus Prügel und Randale, verziert mit einer Kette von Anrufungen des magischen Namens „Heidegger!“
Es ist als sei Kinski – seligen Angedenkens – aus dem Grab auferstanden, um alle Vorurteile gegen seinen Namen noch einmal zu verzehnfachen. Hauptsache, es nimmt sich schrecklich aus.
So etwas haben wir schon oft genug gelesen oder gesehen, aber ein großer Autor hätte vielleicht noch etwas daraus gemacht.

Das Glück haben wir aber nicht, und so bleibt der 237 Seiten lange Zornausbruch letztlich äußerlich. Genau mit der gleichen arroganten Haltung, in ein und dem selben
Moment alles kaputtzuschlagen, sich dafür selbst zu bemitleiden und trotzdem alles
besser zu wissen, die er die ganze Handlung hindurch an den Tag legt, genau mit
dieser Haltung spricht der Erzähler auch den Leser an. Er nimmt einfach den Mund zu
voll, das beginnt schon am Anfang, als er trompetet, noch nicht einmal als Jugendlicher mit Gewalt zum Analverkehr gezwungen worden zu sein. Ach hätte ihn doch nur jemand rechtzeitig ein paar Mal ordentlich in den Arsch gefickt – dann hätten beide was davon gehabt, und dem Leser wären Kaskaden der Banalität erspart geblieben.

Was vielleicht sonst noch Interesse geweckt hätte an dem kleinen Buch, wird durch
verunglückte Typographie vollends ruiniert. Unsaubere Typen, die ihre eigene Form
nicht recht ausfüllen, tummeln sich auf rauhem Papier, das sie beinahe tanzen läßt.
In viel zu langen Zeilen findet das Auge keinerlei Halt; sie fallen nach unten, längst bevor das rettende Ufer des rechten Rands erreicht ist. Die Sakkade, der Augensprung beim Lesen, wird zum ungebremsten Absturz.

Insofern gebührt der Verlegerin Respekt für Ihren Mut, einem Schriftsteller im Werden
seine Gelegenheit zu geben. Gleichzeitig wünschen wir ihr, daß auch Autoren
in ihr Programm finden, die auf ihrem Weg schon weiter sind. Und daß ihr Hersteller
demnächst mit etwas mehr Fortüne arbeitet.
Dem Autor aber sei ins Stammbuch geschrieben: Habe Respekt vor Deinem Leser.
Er ist nicht einfach die Müllhalde Deiner Befindlichkeiten, sondern der, ohne den es
den ganzen Literaturbetrieb nicht gäbe!

Toni Reitz, in: eXperimenta September 2010: Literarischer Wegweiser

Mittwoch, 23. November 2011

Hundetöten in der Ukraine

Beachtlich, wie man momentan mit gutem Gewissen zugeschüttet wird: anläßlich der EM 2012 werden in der Ukraine massenhaft streunende Hunde getötet und in mobilen Krematorien verbrannt.
Das ist mit Sicherheit nicht schön; deswegen rufen auch diverse Leute reflexartig in sozialen Netzwerken zum Boykott der EM auf.

Der Haken ist nur, daß das in erster Linie Menschen sind, die nicht mal Vegetarier sind; das soll nun keine Grundvoraussetzung für soziales Engagement sein.
Dennoch wirft es die Frage auf: werden Schweine und Kälber hierzulande in Schlachthöfen totgestreichelt? Wäre es nicht sinnvoller, bei seinem Kampf gegen Tierquälerei erst einmal bei sich selbst anzufangen und sein eigenes Konsumverhalten zu überdenken, bevor man sich quasi seine fünf Minuten guten Gewissens mit solch hanebüchenem Aktionismus erkauft?

Hanebüchen deshalb, weil es letzten Endes egal ist, welche Art von Tier vermeidbarerweise über die Klinge springen muß; und weil mit Sicherheit keiner der lautstarken Tierfreunde bereits eine Reise samt Hotel zur EM in der Ukraine gebucht und nun unter lautstarkem Protest alles storniert hat.

Ich wage zu bezweifeln, daß es einen einzigen Köter retten wird, wenn man während der EM den Fernseher ausgeschaltet läßt und stattdessen in der Zeit mit Freunden beim Italiener ein Rahmschnitzel essen geht.

Georg Kreisler R.I.P.

Ich entdeckte Georg Kreisler eher zufällig vor wenigen Jahren, als im Plattenladen meines Vertrauens die erste "Everblacks" für einen lumpigen Euro in der Ramschkiste zu haben war.
Bis dahin wußte ich lediglich, daß die Kassierer einmal eine Coverplatte mit seinen Liedern aufgenommen hatten; ansonsten nichts.
Was ich hörte, gefiel mir ganz gut; es waren Liveaufnahmen von einem Auftritt in Tübingen, entstanden 1975.
"Taubenvergiften", "Gelsenkirchen", "Zwei alte Tanten", "Der Max auf der Rax"... heutzutage eher milder schwarzer Humor, aber immer noch sehr unterhaltsam, und mit einer Virtuosität getextet und vorgetragen, die mich ehrfurchtsvoll staunen ließ.
Eigentlich dachte ich, er wäre zwischenzeitlich gestorben; doch plötzlich las ich, daß seine Autobiographie erschienen wäre.
Und keine zwei Tage später, es muß 2008 gewesen sein, hing tatsächlich ein Plakat am Entenfang, das eine Lesung von ihm in Karlsruhe ankündigte.
Selten ging ich dermaßen demütig zu einer Veranstaltung; der Mann war schon über 80, und trotzdem machte er einen sehr aufgeräumten Eindruck.
Danach hatte man noch die Gelegenheit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln; da stand ich dann also vor ihm, gefühlt 13 Jahre alt, und ließ mir mein "Everblacks"- Exemplar signieren, etwas zurechtstammelnd, wie dankbar ich dafür wäre, das noch erleben zu dürfen, worauf er mir die Hand schüttelte und sich gleichsam bedankte.

Letztes Jahr sah ich ihn nochmal-diesmal deutlich hinfälliger geworden- zusammen mit seiner Frau in der Mainzer Synagoge, wo er einen Querschnitt aus seinem Schaffen zu Gehör brachte, natürlich nur lesenderweise, denn um Musik zu machen, war er wohl körperlich nicht mehr in der Lage. Den Auftritt habe ich aber irgendwo in den Weiten meines Blogs ausführlich besprochen, darum sei er hier nur angerissen.

Der Grund dafür ist allerdings ein trauriger, denn nun ist er gestorben, im reichlich gesegneten Alter von 89 Jahren. Stur bis zum Schluß; nie hat er seine im Exil erworbene US- Staatsbürgerschaft wieder abgegeben, um nicht von einem Land, das ihn seinerzeit vertrieben hat, als "österreichischer Künstler" vereinnahmt zu werden.

R.I.P., Georg Kreisler. Für mich war er einer der Größten.

Montag, 21. November 2011

Fast 100 Jahre Todeskitsch

Am 14. April 1912 lief die "Titanic" auf einen Eisberg und sank. Dabei starben 1513 Menschen.

Das ist nun fast 100 Jahre her, und es steht zu erwarten, daß die Medien dieses Scheißjubiläum genauso geschmacksbefreit ausschlachten werden, wie es scheinbar seit Jahr und Tag zum guten Ton gehört.

Eigentlich sollte man annehmen, daß solch eine Katastrophe nicht dazu taugt, verkitscht zu werden.
Doch scheinbar hat man sich in dem Fall stillschweigend auf eine gewinnbringende Form der Leichenfledderei geeinigt, bei der niemand auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, diese Inflationierung menschlichen Elends zur Unterhaltung von "Goldenes- Blatt"- Leserinnen anzuprangern.
Mit Sicherheit spielt der zeitliche Abstand eine Rolle. Aber während das "Hindenburg"- Unglück ebenfalls einen altersweisen Zwickelbart trägt, ohne auch nur ansatzweise ähnlich Einzug in die Unterhaltungsindustrie gefunden zu haben, kann sich jeder auf die "Titanic" als sein liebstes Unglück einigen. Und auch, wenn mittlerweile keiner mehr lebt, der damit direkt zu tun hatte, was einem eine Art Narrenfreiheit zu geben scheint,frage ich mich, ob es wirklich niemandem auffällt, wie menschenverachtend nun schon seit langer Zeit mit diesem Thema umgegangen wird.

Nicht nur, daß es als Kulisse für einen- wenn auch perfekt gemachten- Hollywoodschmachtschinken herhalten muß, bei dem einen das Schicksal zweier fiktiver Charaktere gefälligst mehr berühren soll als der Umstand, daß 1500 Menschen unter teils elenden Umständen ersoffen wie Ratten; im Radio wurde die Ausstrahlung eines früheren Titanicfilms auf PRO 7 einmal damit beworben, daß ein Mann mit zittriger Stimme kundtat, er säße gerade in einer Wanne mit Eiswasser, um sich schonmal "darauf einzustimmen".
Was hätte er bei der Ausstrahlung von "Holocaust" gemacht? Den Gashahn aufgedreht?
Jedenfalls hat es mich bereits als Jugendlichen gewundert, daß derartiger Zynismus unbemerkt blieb, beziehungsweise einfach hingenommen wurde.

Und um dem ganzen Scheiß noch eins draufzusetzen, darf bzw. durfte DAS natürlich auch nicht fehlen: "Die Geschichte der Titanic wurde auch in einem Broadway-Musical unter dem Titel Titanic – Das Musical wiedergegeben, das von 1997 bis 2000 lief. In den Jahren 2000 und 2001 wurde das Musical in den Niederlanden aufgeführt, und 2002–2003 lief es in Deutschland in der Neuen Flora in Hamburg".

Davon abgesehen,daß Musicals generell eine Geißel der Menschheit sind, läßt man Menschen kurz vor ihrem Tod also noch einen bunten Melodienreigen von sich geben.

Aber zum Glück ist auch diese letzte Hürde über den guten Geschmack bzw. den gesunden Menschenverstand genommen.

Damit ist vielleicht endlich der Weg frei für "Schindlers Liste On Ice".

Freitag, 18. November 2011

Hui. Neonazis sind ja gefährlich...

sprach Samson zu Tiffy, und schon war die ganze Sesamstraße in Aufruhr.

Dieser hektische Aktionismus, der nun gerade ausbricht: er hat ja durchaus seine guten Seiten. Das ändert aber nichts daran, daß ihm ein Hauch tragischer Lächerlichkeit anhaftet, vor allem, wenn man sich die Statistik betrachtet.

137 Opfer rechter Gewalt gab es in den letzten 20 Jahren, als bunten Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Schichten. Ein Schiffskapitän, der in Gegenwart der falschen Leute Hitler einen "Verbrecher" nannte ist genauso darunter wie Leute aus der Punkszene und Obdachlose, Sinti und Roma genauso wie ausländische Arbeiter und Familienväter.
Scheinbar war das alles Pillepalle; abgesehen von Mölln und Solingen war da nichts dabei, was die öffentliche Ordnung sonderlich gestört hätte, und sogar da hat die Zeit alle Wunden geheilt.
Solange in der Sesamstraße nur Kamerad Braunbär und sein Kumpel Ossibär nach dem Kneipenabend Kanaken klatschen gingen, konnte man das auch geflissentlich ignorieren. Waren ja Einzeltäter, die kurz eine "neue Dimension des Terrors" sein durften, als mit Polizeichef Mannichl zur Abwechslung mal ein Repräsentant des Staates attackiert wurde.

Ansonsten war das Leben ein langer, ruhiger Fluß, manchmal etwas aufgelockert durch V- Mann- Kaspereien. Aber solange die ungezogenen Racker sich nicht richtig terroristisch betätigten, hatte man eher die Muße, sich um die Dinge zu kümmern, die den Fortbestand unseres Staates ernsthaft bedrohten. Leute, die Autos anzündeten, beispielsweise, die letzte "neue Dimension des Terrors", die uns heimsuchte und generell unter "Linksterrorismus" eingeordnet wird, auch wenn einige Taten aus Frust, Vollsuff, persönlichen Rachegründen, Dummheit und sonstiger Trittbrettfahrerei erfolgten.
Welch Aufmerksamkeit den Rechtsextremisten zuteil wurde, sieht man alleine schon daran, daß selbst heute noch Medien ganz tief in die Mottenkiste greifen und das Klischee vom Dumbo mit Glatze, Baseballschläger und Springerstiefel herausholen, als hätten die Rechtsextremen in den letzten Jahren nichts dazugelernt, um in manchen Gebieten Deutschlands auch vom Normalbürger akzeptiert zu werden und attraktiv auf Jugendliche zu wirken, die zu Höherem berufen sind als zu einem Sonderschulabschluß.

Trotzdem: um Mißinterpretationen vorzubeugen (da ich mich nicht gerne unwidersprochen politisch einsortieren lasse, denn dafür halte ich mein Weltbild für zu kompliziert) gerne noch einmal Grundsätzliches:

Ich möchte hier nicht einseitig wirken. Ganz richtig finde ich, wie der Staat ein Auge auf die Gefahr islamistischen Terrors hat, da man ja immer Gefahr läuft, ein Übel gegen das andere abzuwiegeln ("Hätte sich der Verfassungsschutz lieber mal um Nazis gekümmert, statt den Anti- Islamismus zu schüren" bla blubb).
Auch mit vielen Zielen der extremen Linken gehe ich schon lange nicht mehr konform, genauso wie ich die Gleichung "Ausländer=prinzipiell gut" für Sozialromantik halte, die der Realität keine zwei Stunden standhält.

Das ändert aber nichts daran, daß es niemand verdient, zu Klump geschlagen zu werden, weil er einfach so aussieht, wie er aussieht... oder zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Was wiederum auch heißt, daß ich mir von niemandem gerne vorschreiben lasse, was ich zu sagen und wie ich mich zu kleiden habe und mit welchen Menschen ich Umgang pflegen soll, schon gar nicht von den Repräsentanten solch geistiger und kultureller Unterernährtheit.

Und es ändert nichts daran, daß der Staat bezüglich der extremen Rechten jahrelang grob fahrlässig und verharmlosend gehandelt hat.

Und was nun, Samson? Uiuiui.

Donnerstag, 17. November 2011

Aus der Zeit gefallen.

Das Herumsurfen im Businessnetzwerk XING verursacht bei mir zu mindestens 80% Brechreiz.
Ich kann mir nicht helfen; es wurde mir dermaßen oft empfohlen, als ideales Mittel um Aufträge zu akquirieren oder neue Kontakte zu knüpfen, und es mag ja auch sein, daß es einigen von mir durchaus geschätzten Leuten geholfen hat, zu einem geregelten Einkommen zu finden: aber mich schaudert es.
Man hackt sich durch ein Dickicht aus denglischem Eventmanagersprech, passiert ganze Galerien mehr oder weniger gelackter Gesichtsärsche, die einem Dienste anbieten, die man im Traum nicht haben möchte und kommt sich völlig deplaziert vor... auch weil man bei manchen Schlüsselwörtern wie "Promotion", "Creative Consulting" oder "Coaching" sofort allergische Reaktionen zeigt.
Irgendwie hat man das Gefühl, man stünde sich selbst im Weg. Wäre nicht in der Lage, die vier Wände, die man um sich und seine eigene künstlerische Arbeit herumgezimmert hat, einmal zu verlassen. Sei zu weltfremd für die heutigen Verhältnisse in der Arbeitswelt, auch bei Kreativschaffenden.
Oder man ist zu bodenständig. Und opfert das berufliche Fortkommen in dem Bereich der eigenen Bequemlichkeit. Oder einem Renegatentum, das einst als jugendlicher Trotz begann und mittlerweile dabei ist, in bedenklichen Altersstarrsinn umzuschlagen.
Ich weiß nicht, ob das ein eisernes Festhalten an Prinzipien ist... oder einfach nur dämlich. Vielleicht gibt es ja Menschen, gerne auch Jugendliche, die mich dafür bewundern, so wie ich selbst immer schon die Sturheit mancher Querulanten bewundert habe.
Doch wahrscheinlich mache ich zuwenig daraus, um das jemals zu erfahren.

Dienstag, 15. November 2011

Zwischenstand: immer noch.

Immer noch krankgeschrieben. Immer noch bei meinen Eltern. Immer noch Komplikationen.

Seit der OP anfallsweise Schmerzen unklarer Herkunft in den Beinen und in den Füßen, ein Gefühl vergleichbar dem, bei diesen Temperaturen barfuß im Freien herumzulaufen. Und ständig schubweise Anfälle von Schüttelfrost, ebenfalls ohne erkennbaren Grund.
Dazu kommt noch eine baldige ambulante Nachbehandlung mit Neueröffnung des Schnitts unter Teilnarkose.
Mittlerweile komme ich mir bald vor wie ein Fall für die Abdeckerei. Als Kernseife gäbe ich mit Sicherheit eine bessere Figur ab als mein momentanes Gesamterscheinungsbild.
Obwohl ich zumindest mittlerweile wieder ausgehfähig angezogen bin und den Jogginganzügen entsagt habe. Eine Spur von Normalität sollte man zumindest mal wieder herstellen, soweit das möglich ist.
Wenn man ansonsten schon im Halbschlaf auf der elterlichen Couch dahindämmert, während im Fernsehen irgendwelche gequirlte Scheiße läuft.
Früher hätte ich mir lieber ein Bein abgesägt, als freiwillig in einem Raum zu sein, in dem "Richter Alexander Hold" läuft. Heute bin ich nur froh, wenn ich nicht unnötig aufstehen muß. Richtig krank zu sein, macht einen zum dankbaren Opfer für alle Übel dieser Welt.

Donnerstag, 10. November 2011

Bohei

Ich saß gerade am Rechner im Arbeitszimmer meiner Eltern (immer noch; so langsam bereite ich aber meine Rückkehr zu meinen Illuminatenfreunden vor und hege die vage Hoffnung, mich nächste Woche wieder selbst versorgen zu können) und beschloß eine Zigarettenpause.
Als ich ins Wohnzimmer kam, bemerkte ich, daß ich genau den richtigen Zeitpunkt erwischt hatte: Bushido bekam den Bambi verliehen.
Was hatte es die Tage vorher nicht für einen Bohei darum gegeben; ein Wald aus mahnenden Fingern reckte sich einem medial entgegen, von allen möglichen Besserwissern in die Raumluft gestochen, die ein Prinzip nicht begriffen haben:
wer in sozialen Brennpunkten aufwächst und mit Drogen dealt, liest abends nicht Heidegger und Sartre. Und wenn er die Möglichkeit bzw. ein Ventil hat, um sich auszudrücken, wird das nicht zwangsläufig irgendwelchen bürgerlichen Moralvorstellungen entsprechen.
Wichtig ist, was am Ende daraus wird, und ob derjenige die Chance, etwas an sich und seinen Inhalten zu ändern, nutzt.
Daß Bushido auf dem Weg dazu ist, hat er mit einer erstaunlich souveränen Rede unter Beweis gestellt; daß er sich auf eine Art und Weise sozial engagiert, die für Leute, für die es schon gelungene Integration bedeutet, auf türkischen Straßenfesten in Berlin zur Musik mitzuhüpfen, wie es Deutschlands dümmste und unerträglichste Politikerin gerne vorführt, nicht nachvollziehbar ist, sollte anerkannt werden.

Stattdessen wurden Debatten um zehn Jahre alte Texte geführt, und alles, was dahintersteckt, generell unter den Tisch fallen gelassen, was wiederum auch manches über die Eitelkeit mancher Preisträger aussagt, die offenbar davon ausgehen, mit dem Erwerb des Bambi über den Rang von Normalsterblichen hinausgehoben zu werden, auf eine Plattform, an der so jemand wie Bushido nicht einmal schnuppern darf.
Könnte es nicht sein, daß man manche Jugendliche eben nur erreicht, wenn man mal einer von ihnen war? Daß man nicht jedermann's Liebling sein muß, um sinnvolle Dinge zu tun?
Und daß Taten immer noch mehr zählen als Worte?


Daß dann, wie um den letzten Satz noch zu unterstreichen, der widerwärtige Karl Lagerfeld auf die Bühne schleimte und meinte, er müsse die Banalität und die Political Correctness geißeln, er, der in seinem ganzen Leben für kaum etwas anderes stand als Oberflächlichkeit und Trivialität; und über einen dermaßen fundamentalen Seich niemand im Publikum auch nur die Stirn runzelte, denn es ist ja der Karl, zwinker zwinker:
das läßt mich doch zu dem Schluß kommen, daß von allen versammelten Übeln Bushido mit Abstand das kleinste war, und manche Leute die Maßstäbe, die sie anderen abverlangen, einmal auf ihresgleichen anwenden sollten.

Es wäre spannend, ob sie dabei etwas bemerken.

Mittwoch, 9. November 2011

Eine der dämlichsten Werbefiguren...

aller Zeiten ist ohne Vorwarnung über den Jordan gegangen.

Jahrein, jahraus wurde man im Radio folgendermaßen begrüßt:
"Hallo, hier ist wieder Freddy Frisch von den Gefako- Getränkespezialisten."

Ein Halt in diesen unruhigen Zeiten. Eine unbeugsame Galionsfigur aller Werbemacher im Rentenalter, die sich um Spots im Jugendjargon bemühen. Der letzte Mohikaner auf einem in den 80er Jahren zurechtgeformten Eiland ewiger Strunz- und Brezelblödheit.
Und nun? Sendeschluß.
Stattdessen hat ein reichlich uninteressantes Paar diesen Job übernommen, auf daß man sich endgültig zu Tode langweilen möge.
Er, nennen wir ihn Andreas, neuernannter Filialleiter im örtlichen Getränkemarkt mit dem Auftritt seines Lebens, und sie, nennen wir sie Katharina Schulze- Rohr, Chefsekretärin in der Warenannahme, die sich beide Bälle zuspielen, die gar niemand geworfen hat.

Irgendwie ist das nicht nett. Scheinbar bin ich in diesem Punkt konservativ, aber ich behalte gerne meine altgewohnten Blödmänner.

Wenigstens gibt es den Seitenbacher- Müslimann noch, unverwüstlich einen gedachten Dialog mit dem von Verdauungsproblemen geplagten Karl ausschlachtend und somit als die beste Idee darstellend, die er jemals hatte.
Dabei war schon seine unerreicht dilettantische "Fruchthütchen"- Werbung schwer zu unterbieten.
Aber tröstlich, daß es zumindest noch eine Gestalt im Radio gibt, die parodibel ist.

Dienstag, 8. November 2011

Beweise! Beweise!

Karlsruhe als Illuminatenstadt ("Hauptstadt" gar, wie in manchem Kommentar betont wird, wonach unser Aufstieg zur Weltmacht ja wirklich rapide voranzuschreiten scheint, ohne daß wir was davon merken), da haben natürlich allerlei kluge Köpfe etwas dazu beizutragen.
Hier mal eine Hitliste meiner fünf liebsten Kommentare, aus diversen Foren zusammenkopiert (allerdings ohne die zugehörigen Nicknamen; aber glauben Sie mir, das Ganze steht in den Tiefen des World Wide Web tatsächlich so geschrieben):

5. "use google earth – watch KARLSRUHE GERMANY and WASHINGTON DC from air – and u will see karlsruhe was the idol to build up washington dc – its both build up by illuminatis – watch the signs"

Belegt natürlich eindrucksvoll, was für einen großen Einfluß Karlsruhe seit seiner Stadtgründung auf den Lauf der Welt hat. Da Karlsruhe am 17. Juni 1715 gegründet wurde und Washington am 16. Juli 1790, kann man deutlich sehen, wie wichtig den Illuminaten der Bau der amerikanischen Hauptstadt nach ihrem deutschen Vorbild war... ich bin mir sicher, die Pläne dazu lagen schon seit mindestens 50 Jahren in der Schublade.

In dieser Zeit waren wir natürlich nicht untätig. So haben unsere geheimen Herrscher immer mehr Zeichen gesetzt, um ihr Terrain zu markieren:

4. "ich finde es schon recht merkwürdig das uns in der schule gesagt wurde karlsruhe sei eine FÄCHERSTADT – obwohl es in wirklichkeit EINE PYRAMIDE ist die in der architektur verwendet wird und definitiv KEIN FÄCHER – und was macht 1715 eine agyptische pyramide in karlsruhe ? schau dir mal das KARSTADT GEBÄUDE AN ! OBEN AM DACH !"

Dabei war noch gar nicht ganz sicher, wo das überhaupt hinführen sollte. Der Grundriß der Stadt stellt auch noch heute so manchen vor schier unlösbare Rätsel:

3. "Ist Karlsruhe eine Stadt der Freimaurer und Pyramiden? Ist Karlsruhe wirklich eine Fächerstadt, oder eine Pyramidenstadt? Ist dieser so genannte Fächer vielleicht ein Zirkel? Und ist welche Geheimnisse stecken noch hinter der Fächerstadt und dem Schloss? Gibt es eine zugehörige Loge zur Pyramide? "

Ist der sogenannte Zirkel vielleicht ein Quadrat? Oder ein Rhombus? Und wo ist hier der Ausgang?
Ah ja. Danke.

Zum Glück gibt es Unerschrockene, die trotz Gefahr für Leib und Leben der Sache auf den Grund gehen wollen, um die Verantwortlichen zu stellen und dingfest zu machen:

2. " hallo ich möchte in den ostert frein nach kalhruhe fahren und die illuminati zu filmen um das dan der polizei zu übergeben was genau musss ich machen um sie zu finden muss ich mich zum schein anmelden oder was hilft mir"

So, diese Ankündigung wird die Illuminaten das Fürchten lehren. Ein Ziel im Leben braucht jeder Mann, und wenn man schon am Erlernen der deutschen Rechtschreibung scheitert, muß man zumindest das Böse bekämpfen.
Da "Karlsruhe" ja angeblich "Kralsruhe" bedeutet, was darauf hinweist, daß die Illuminaten in der Stadt den Heiligen Gral versteckt haben, kann er sich auch gleich auf die Suche machen.
Denn ein anderer User hat in einer logisch nachvollziehbaren und klar strukturierten Argumentationskette bewiesen, daß dieser unter der Pyramide am Marktplatz versteckt sein muß. Hier also der Gewinner dieser Runde:


‎"ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, das Dingen sieht, auch wenn es nicht exact symetrisch ist, aus wie ein Durchschnitt, bzw die Innenansicht einer Pyramide, und wenn man nun die darunter liegenden kleine Pyramide seiht, könnte man meinen, dass diese unter der anderen bzw unterirdisch sein müsste, was bedeuten würde, wenn man die Sache mit den drei Pyramiden auf Gizeh überträgt, dass unter der Pyramide, die etwas schräg oberhalb der beiden anderen liegt, eine unterirdische kleinere Pyramide begraben liegt......
UND DA BEFINDET SICH DER HEILIGE GRAL "


Herrlich.

Der ganze Scheiß: er ist einfach zu schön, um wahr zu sein.

Montag, 7. November 2011

Die Stadt der Illuminaten

Da lebt man nun seit gut 13 Jahren in einer Stadt, zu der man bereits den ein oder anderen launigen Blogeintrag verfaßt hat und von der man annahm, sie hätte für den Rest der Welt nichts sonderlich aufregendes zu bieten... bis man dann auf die Idee kommt, mal auf You Tube zu schauen, ob Bildmaterial vorhanden ist.
Und was soll ich sagen? Abgründe.
Abgründe tun sich auf.
Man stößt auf einen Beitrag über die Illuminatenstadt Karlsruhe, der in erster Linie folgenden Text mit Bildmaterial und esoterischem Musikgeschwurbel unterfüttert:

Die Illuminatenstadt Karlsruhe

Nehmen Sie einen Stadtplan von Karlsruhe.
Ihnen wird schon beim ersten Blickdarauf die eigentümliche Stadttopologie auffallen.
Das Karlsruher Schloß steht in der Stadtmitte. Davon gehen 33 große Straßen strahlenförmig aus. Sie erinnern sich, daß 33 eine Illuminatenzahl ist?
Die zwei Strahlen, die in Ost-West-Richtung verlaufen, sind auffällig breiter. In dem obersten Kreisteil befinden sich 13 Strahlen. Zur Erinnerung, auch 13 ist eine Illuminatenzahl! Südlich des Schlosses bilden die Strahlen eine Pyramide.
Diese Pyramide wird durch zwei große Querstraßen dreigeteilt!
Zusammen mit den 13 Strahlen, die gleichsam um die Spitze der Pyramide ausgehen, haben wir hier die dreigeteilte Illuminatenpyramide mit dem strahlenden Auge in der Spitze.
Genau in der Mitte dieser Illuminatenpyramide steht auf dem Marktplatz eine richtige Steinpyramide, das Wahrzeichen von Karlsruhe. Unter dieser Steinpyramide ist Markgraf Karl Wilhelm begraben. Er war ein Illuminat im Rat der 300.
Die Steinpyramide steht genau am Ort, die seiner Position innerhalb des Illuminatenordens entspricht. Suchen sie nun auf der Karte den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht. Ersterer liegt im linken Sockel der Pyramide, letzterer direkt links vom Pyramidenauge. Die beiden höchsten juristischen Instanzen in Deutschland sind also direkt den Illuminaten untergeordnet.
Rechts vom Illuminatenauge liegt die Universität. Die Karlsruher Uni ist führend in der Forschung der Künstlichen Intelligenz und der Überwachungssoftware, wo die Werkzeuge für den zukünftigen Orwellschen Schreckensstaat erforscht werden.

Etwas außerhalb des Stadtkerns, jedoch immer noch im Einflußbereich der Strahlen des Illuminatenauges, befinden sich Industriekonzerne, die symbolisch für den Kapitalismus stehen, wie zum Beispiel Mercedes Benz...
Auch der südlichste Führerbunker liegt in diesem Illuminatenbannkreis. Vielleicht ist auf Ihrem Stadtplan auch das Wappen Karlsruhes verzeichnet. Sie werden dann sehen, daß es sich um ein rotes Schild handelt. Werden Sie nicht auch an Rothschild, den Oberilluminaten, erinnert? Auf dem Schild ist ein abwärtsgerichteter goldener Balken.
Er steht für die Abwärtsideologien. Auf dem Balken steht in schwarzer Schrift FELICITAS. Felicitas ist lateinisch und heißt Treue. Dies soll auf den Karlsruher Orden der Treue hinweisen, der den Illuminaten heimlich unterstellt war.
Das Stadwappen symbolisiert, daß Karlsruhe Rothschild in Treue ergeben ist. [...]


Davon abgesehen, daß im Karlsruher Stadtwappen klar und deutlich FIDELITAS steht (nun, bei solch einem komplizierten Wort kann man sich leicht einmal verlesen) und zu Beginn des Films die Losung "Treue bis in den Rot" angeführt wird (FCK olé), ist das nur die Spitze des Eisbergs.
Googelt man sich mit den Schlagworten "Karlsruhe" und "Illuminaten" in den Tiefen des Internets weiter vorwärts, stößt man neben allerlei verschiedener Ausgaben desselben Films und seines Textes auch auf diverse Weltverschwörungsforen, in denen Leute in verschiedenen Stadien der paranoiden Schizophrenie ihre absonderliche Weltsicht kundtun.
Die Stadt Satans, die die Weltherrschaft anstrebt, und das unter der Einbeziehung geometrischer Formen... sogar das Dach des KARSTADT- Gebäudes hat in seiner Bauweise einen tieferen Sinn.
Davon abgesehen, daß die Squarts in allen Veröffentlichungen sträflich ignoriert werden, frage ich mich, wie mir dieser große Spaß dermaßen lange entgehen konnte.
Schon lange habe ich mich nicht mehr so prächtig amüsiert.

Die Frage ist nun, mit welchem geheimbündlerischen Gruß man sich als Illuminat in spe von seinen Lesern verabschiedet.
"Zickezacke zickezacke hoi hoi hoi"?

Musik für Hyperaktive

Anfang der 90er konnte ich mit der Inselspielart des Hip Hop, "Britcore" genannt, nicht viel anfangen.
Nicht nur, daß die Bands (abgesehen von Hijack) den ihrer Meinung nach "kommerziellen" US- HipHop, den ich damals bevorzugte, als Feindbild ausgemacht hatten, auch versuchten sie sich damals musikalisch von ihm abzugrenzen: klapprige Beats, aber meist rasend schnell, dazu Noiseloops und allerlei elektronische Geräusche und ein ebenso schnelles Dauerstakkato an Raps, von denen man auch ohne Londoner Straßenslangeinschlag kein Wort verstanden hätte. Das Textblatt lesen war auch ein vergeblicher Vorsatz, weil man für die epischen Werke, die da meist in Miniaturschrift ins Booklet gedruckt waren, weder Zeit noch Lust hatte.
Es war einfach nur völlig nervtötend hyperaktives Gehoppel.

Nun, da Britcore meines Wissens schon etliche Jahre mausetot ist (obwohl es natürlich einiges gab, was ähnlich klang, aber ohne die Attitüde jener Bands), kaufte ich mir aus einer Laune heraus vor einiger Zeit im Second- Hand- Laden "Patriot Games" von Gunshot, die bereits 1991 oder 92 veröffentlicht worden war, und bin seitdem begeistert... was dazu führt, daß ich seit zwei Tagen wieder einen Rappel habe und mir jeden Britcoretrack anhöre, den ich im Internet finden kann.
Normalerweise kann man Menschen damit in Minutenschnelle in den Wahnsinn treiben.

Dabei waren das- mit einigen Jahren Abstand betrachtet- die Guten: ausnahmslos Independent in Verkauf und Vertrieb, unkommerziell, ohne Berührungsängste zu anderen Richtungen (Gunshot kollaborierten beispielsweise mit Napalm Death und trugen in Videos oder bei Auftritten gerne mal deren T- Shirts. Oder Mützen von Bolt Thrower, was ich noch bemerkenswerter finde), und so nahe wie in diesen zwei, drei Jahren kamen sich dermaßen unterschiedliche Subkulturen wie Punk/Extremmetal und Hip Hop wahrscheinlich nie wieder.

Ich lasse mich gerade davon total mitreißen... sollte es da jemals ein Revival mit frischen jungen Bands geben, wäre ich sofort aufmerksam dabei, egal wie alt ich bis dahin bin.
Solange da aber nichts kommt, hält man sich an die Klassiker: Gunshot, Silver Bullet, Blade (beispielsweise) oder die etwas zugänglicheren (weil mit Ice-T's Rhyme Syndicate kooperierenden) Hijack.
Auf jeden Fall ist das mit 20 Jahren auf dem Buckel immer noch spannender als vieles, was heutzutage am Start ist.

Schade, daß ich 38 Jahre werden mußte, um das zu entdecken... und toll, daß ich mit 38 nochmal soviel mir bisher unbekannte Musik entdecke, die mir Spaß macht.

P.S.: für sachdienliche Hinweise aus Leserkreisen bin ich natürlich auch immer ein dankbarer Adressat.

Hmmm... Kleinigkeiten

Was ich in meinem Steckbrief vergessen habe, weil es vergleichsweise eine Kleinigkeit ist, die ich aber AUF DEN TOD hasse:
wenn jemand geräuschvoll ißt.

Ich frage mich, warum es nicht möglich sein kann, einen Löffel Suppe auf eine erträgliche Temperatur herunterzupusten und ihn sich dann in den Mund zu stecken, ohne ihn laut in sich hineinzuschlürfen.
Theoretisch muß das ja funktionieren; schließlich mache ich es auch so, oder bin ich unter allen Menschen einer mit einer singulären Begabung?
Oder wie man mit jemandem am Tisch sitzen kann, der beim Essen schnauft, grunzt, sabbert oder gutturale Laute von sich gibt, obwohl er nicht geistig behindert ist, und der einen dann noch verständnislos anschaut, wenn man den Wunsch äußert, demjenigen die sich in Reichweite befindliche Pfeffermühle auf die Zwölf zu hauen.
Wie man jemandem zusehen und -hören kann, der mit proppevollem Mund spricht, ohne am Rücken Gänsehäute des Ekels zu bekommen, weil es demjenigen aufgrund einer motorischen Störung unmöglich zu sein scheint, ein Handsignal zu geben, daß er gleich antwortet, wenn er heruntergeschluckt hat.
Oder warum man nicht einfach etwas Wohlschmeckendes verzehren kann, ohne hinterher Köchin oder Koch ein Kompliment zu machen, sondern nach dem ersten Probierhappen schon ein tiefkehliges "hmmmm" in die Runde werfen muß, das dann möglichst oft während der Mahlzeit wiederholt wird.
Über Menschen, die kein Bonbon essen können, ohne Schleckgeräusche von sich zu geben, habe ich mich ja bereits ausgelassen.

Alles Dinge, die mich unglaublich aggressiv machen, darum sehe ich mich auch genötigt, in dieser Hinsicht endlich einmal den Benimmschiedsrichter herauszuhängen, bevor jemand Gefahr läuft, einen Salzstreuer, eine halbe Salami (oder was auch immer sich gerade auf dem Tisch befindet) von mir an die Rübe gefeuert zu bekommen.
Die aufgeführten Verhaltensweisen waren immer schon da, höre ich da manchen sagen, und sind sogar ein anerkannter Teil der Eßgewohnheiten ("hmmmm", etwa).

Prima, dann kann man bei Tisch ja endlich wieder rülpsen und furzen. Das gehörte früher auch einmal mit zum Programm.

Sonntag, 6. November 2011

4 U

Irgendwann in den 70ern und 80ern begannen schwarze Bands aus dem Funk- und HipHop- Bereich die englische Sprache lautmalerisch zu verballhornen.
Nicht selten konnte man da einen politischen Hintergrund hineinlesen: die Sprache des weißen Mannes bis zur Unkenntlichkeit zu verfremden und sie somit zu etwas eigenem zu machen.
Jedenfalls war das meine Schlußfolgerung gewesen; ob sie irgendjemand teilte, weiß ich nicht.
Aber nach einiger Zeit nahm das Ganze Ausmaße an, das die Lektüre von Tracklisten auf HipHop- CD's zu einer Pein machte, bei der man zwischen Verständnis, "man kann's auch übertreiben" und Fremdscham aufgrund offensichtlicher Albernheit (bzw. instinktiv erahnter Brunzdummheit) hin- und herschwankte.
Schönstes Beispiel hierfür ist immer noch das fabulöse "Enta Da Stage"- Album der nicht weniger großartigen Black Moon, deren Texte aber trotzdem den Schluß nahelegten, daß die Jungs ihr Leben nicht mit dem Bohren dicker Bretter verbracht hatten... wobei Songtitel wie "Powaful Impak!" und "I Got Cha Opin" diesen Eindruck eher abrundeten als widerlegten.

Sei's drum, mittlerweile ist das Ganze zur völlig sinnentleerten Pose erstarrt... und wenn auf Facebook Gruppen auftauchen, die da verkünden "IF U DON LIKE WAT I POST REMOVE URSELF FROM MY PROFILE bei I & ONLY I RESERVES THE RIGHT 2 POST WATEVER I WANT 2 POST ON MY PROFILE", freut man sich.

Nämlich darüber, daß auch Sprachbehinderte nun weltweit eine Lobby haben.

Erinnerungen: Waschmaschinen und Menschen

Heute war ich in Zeiskam spazieren, dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin... etwas, was ich schon seit Jahren nicht mehr gemacht habe.
Langsam kann ich wieder längere Strecken zu Fuß gehen, auch wenn ich immer noch Probleme habe, beim Laufen meine Bewegungen zu koordinieren. Das führt dazu, daß etwa ein nahe an einer Hauswand parkendes Auto ein Problem darstellt, wenn ich zwischen beidem durchlaufen muß... eine Situation, vergleichbar mit der, auf einem schmalen Baustellenabschnitt im Auto links einen rechts fahrenden LKW zu überholen, während die Absperrung auf der Fahrerseite einem so nahe erscheint, daß man denkt, man könne nie vorbeiziehen, ohne irgendwo hängenzubleiben.
Aber egal. Ich durchwanderte also ein Geflecht von Gassen, bei denen ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnte, wo sie eigentlich hinführen.
War ich dann jedoch am Ende angelangt, landete ich immer an einem Ort, der Erinnerungen hervorgerufen hat, ähnlich dem Proust'schen Madeleine in der "Suche nach der verlorenen Zeit".
Es waren nicht nur positive Erinnerungen; ein Amalgam aus früheren Bäckereien, in welchen ich mir nach der Schule zusammen mit einem Freund Biene- Maja- Figuren aus Fruchtgummi und Wassereis für 25 Pfennige gekauft habe und Orten, an denem einem nach dem Sportunterricht oder dem Fußballtraining von irgendwelchen zwei oder drei Jahre älteren Dorfdumbos aufgelauert wurde, die einen dann unter allerlei hanebüchenen Begründungen (oder keinen, wenn sie einen schlechten Tag hatten) durch die Gegend scheuchten. Oder verprügelten. Oder auf irgendeine sonstige Weise zurichteten, zum Beispiel mit Sand, Schlamm oder Fallobst bewarfen, so daß man sich - die morgens frisch von der Mutter bereitgelegten Klamotten ein Bild des Jammers- fast nicht mehr nach Hause traute, weil die Eltern oft genug davon ausgingen, daß man die Sauerei selbst verursacht hatte.
Vor allem, wenn man ansonsten vor wenig zurückschreckte: auf Baustellen herumklettern. An leeren Pferdekoppeln mit mitgebrachten Streichhölzern Altpapier und morsches Holz anzünden, davor durch ein Meer von Brennesseln watend um eine Stelle zu erreichen, an der man vom Dorf aus die Flammen nicht sehen konnte.
Mit Schulkameraden Fahrradwettrennen auf holprigen Feldwegen durchführen, dabei natürlich ab und zu auf die Schnauze fallen oder das klapprige Damenrad, das ich fuhr, sonstwie schinden.
Erkundungsgänge an Bachläufen, um nach einem Moment der Unachtsamkeit in voller Bekleidung plötzlich wadentief im Wasser zu stehen.
Und ich hatte bestimmt fünf Jahre am Stück durchgehend aufgeschürfte Knie oder Ellbogen. Oder beides.

Wenn ich so zurückblicke, finde ich diese Erinnerungen durchaus interessant. Aber es ist keine Wehmut dabei. Ich bin froh, daß ich kein Kind mehr bin und daß mir Regungen kindlichen Gemüts bei mir selbst zumeist fremd sind. Ich weiß, daß das viele Erwachsene für sich anders sehen... dann frage ich mich allerdings: warum?
Obwohl, eine Macke von damals ist bei mir hängengeblieben, so daß ich sie heute noch kindlicher Prägung zuordnen kann: kaum im Krabbelalter, liebte ich es immer, der Waschmaschine zuzusehen, wenn sie meine Mutter vorher mit Buntwäsche befüllt hatte.
Auch heute noch, wenn ich selbst wasche, kann ich den Blick kaum vom Sichtfenster abwenden, bis sich die Trommel einige Male gedreht hat... wäre glaube ich eine gute Methode, um mich zu hypnotisieren.

Immerhin: mittlerweile habe ich meinen Frieden mit dem Dorf gemacht. Daß das nicht immer so war, ist kein großes Geheimnis.
Allerdings: leben möchte ich hier nie mehr. Und diese zwei Wochen jetzt reichen mir wieder für die nächsten zehn Jahre.

Samstag, 5. November 2011

Wenn die Flüsse rückwärts fließen...

...und die Hasen Jäger schießen.

Ich habe es als Kind geliebt, in Poesiealben zu schreiben. Später wurde es dann noch spannender, als die Steckbriefbücher in Mode kamen, in denen man seinem Mitteilungsbedürfnis frönen konnte sowie der Möglichkeit, sich in relativ gutem Licht darzustellen... eventuell Seiten aus sich herauszukehren, die Klassenkameraden in Staunen versetzen würden, durch erlesene Lieblingsbands oder -filme etwa.

Daß ich besagte Bücher zumeist als Letzter in der Klasse bekam, da ich in der Schule ungefähr auf demselben Platz in der Coolheitsskala stand wie die Putzfrau und der Hausmeistergehilfe... geschenkt.
Genauso wie der Umstand, daß ich beim Lesen meiner damaligen Ergüsse auch 25 Jahre später noch peinlich berührt sein würde.

Steckbriefe dagegen fülle ich immer noch gerne aus, wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem ich auch blogge.

Deshalb habe ich mir aus einem Forum einen herüberkopiert und werde ihn jetzt ausfüllen. Einfach so.

Name: Stefan Gaffory aka King Bronkowitz
Geschlecht: Nein, nicht dieser naheliegende Kalauer, bitte.
Alter: 38
Hobbies: Musik, Film, Literatur, Fußball, neuzeitliche Geschichte (Dokumentationen)
Lieblingsbeschäftigung: alles, was mit dem Hören von Musik in passender Umgebung mit den richtigen Leuten zu tun hat. Die erwartbaren Kalauer spare ich mir erneut.
Gute Eigenschaften: wenn ich jemanden mag, bin ich der netteste Mensch der Welt. Wenn nicht, hat er ein Problem. Zumindest wissen die meisten, wo sie mit mir dran sind, und diese Eigenschaft kann auch nicht jeder für sich reklamieren.
Schlechte Eigenschaften: Launisch. Impulsiv. Manchmal wortkarg, manchmal zu kompletter Logorrhöe neigend, egal ob verbal oder schriftlich.
3 Lieblingsbands: Slayer. The Stooges. Black Rebel Motorcycle Club.
3 Lieblingskünstler: Iggy Pop. Steve Albini. Nick Cave.
Lieblingssängerin: PJ Harvey
Lieblingsalbum: The Stooges- Fun House
Lieblingssong: müßte ich mich auf einen festlegen: Iggy Pop- The Passenger
Lieblingsfilm: Taxi Driver/ epische Mafia- und Gangsterfilme
Lieblingsserie: irgendwann ist scheinbar aus jeder die Luft raus. Obwohl "Life On Mars" nach zwei Staffeln rechtzeitig die Reißleine gezogen hat.
Lieblingsbuch: Max Frisch- Tagebücher 1946-1949
Lieblingsschauspieler: Brad Pitt (ohne Witz)
Vorbild: mein Vater hat mich in meinem Leben doch mehr geprägt, als ich früher dachte.
Wie möchtest du sterben: in unerträglichen Qualen in meiner eigenen Scheiße und Kotze in einem Rinnstein liegen. Und dann überfährt mich ein LKW.
Das mag ich total: mir macht es Spaß, ein Musiknerd zu sein. Ich glaube, das war mit 13 eines meiner ersten Lebensziele.
Das mag ich gar nicht: nichts macht mich aggressiver als Affektiertheit. Künstlerische Selbstvernuttung, vor allem für Konsumprodukte.
Das sollte noch erfunden werden: Cybersex mit Ziegen
Ein Satz für die Ewigkeit: "Ich versuche in einem Elfenbeinturm zu leben, doch ein Meer aus Scheiße schlägt an seine Mauern." (Flaubert)

King Bronkowitz

(nach Diktat verreist)

Verhaltensforschung

Eine für mich interessante Feststellung habe ich in letzter Zeit auf Facebook gemacht.

Notgedrungen halte ich mich in den letzten Tagen oft dort auf.
Bedingt durch meinen Allgemeinzustand ist das die einzige Art an Freizeitgestaltung, bei der ich nach wie vor Kontakt zu relativ vielen Leuten halten kann, die ich kenne.
Dazu poste ich viel Musik, die ich mir auf You Tube anhöre oder spontan das, was mir gerade durch den Schädel brummt.
Soweit, so gut.

Ich habe fast 200 Leute in meiner Liste, die ich alle mehr oder weniger kenne. Mein Auswahlkriterium, jemanden zu adden ist jenes, daß es mir möglich sein muß, mit den Leuten in meiner Liste auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die- wenn überhaupt- über "Hallo, wie geht's" hinausgeht.
Deswegen nehme ich auch generell keine Leute auf, die ich nicht oder nur flüchtig persönlich kenne, auch wenn es drei oder vier Ausnahmen gibt... aber die habe ich zumindest über längeren Kontakt in Internetforen kennengelernt.

Will heißen: man ist mit diversen der Leute unterwegs, aber immer in separaten Gruppen oder Einzelkonstellationen. Untereinander kennen sich vergleichsweise wenige.
Postet man nun aber einen Status oder ein Video, dem mehrere Kommentare verschiedener Leute folgen, sieht man plötzlich Leute aus seinem Bekanntenkreis miteinander interagieren, die sich normalerweise nie im Leben kennenlernen würden.
Manchmal denkt man, sich irgendeinen Anlaß basteln zu müssen, um X mit Y zusammenzuführen, weil das perfekt passen würde, manchmal geraten sich Leute aus nichtigen Anlässen in die Haare, bei denen man nur denkt, daß es gut ist, daß sie sich nicht kennen, auch weil man bei einem Streit im Netz als Freund/Kumpel/Bekannter nicht zwangsweise in der Pflicht steht, zu vermitteln, im Gegensatz zum realen Leben.

Mittlerweile finde ich das Beobachten der einzelnen Reaktionen aufeinander spannender als die Kommentare zu meinen Auslassungen selbst. Anders als im realen Leben, wo es zumeist so ablaufen würde, daß auf einer Party alle in Gruppen zusammenstehen würden, ohne miteinander zu kommunizieren.
Also: kommentiert! Streitet euch! Habt euch lieb!

King Bronkowitz- connecting people.

Mittwoch, 2. November 2011

When the music's over

So, nun habe ich alle Texte, die noch irgendwo standen, wo sie nichts mehr zu suchen haben, in meinem Blog veröffentlicht.
Eigentlich würde ich jetzt gerne schreiben, daß es künftig mit dem regulären Programm weitergeht, nur ist dies momentan reichlich unspannend.
Außer dazu, mich im Jogginganzug im Haus meiner Eltern vor dem Fernseher oder dem Rechner herumzufläzen, reicht meine Energie nicht für sonderlich viele Alternativen in punkto Freizeitgestaltung aus.
"Jogginganzug" ist natürlich die Höchststrafe. Eines der Kleidungsstücke, welche bei mir komplett auf dem Index stehen und die ich normalerweise mit keiner Beißzange der Welt anfasse, nicht mal, wenn ich nichts anderes vorhabe, als den ganzen Tag auf der heimischen Couch zu verrotten.
Wobei die absolute Nummer 1 auf meiner Haßliste von einem anderen Kleidungsstück belegt wird.
Menschen, die mich kennen, werden bestätigen, daß man mich sogar bei 40 Grad im Schatten niemals in der Öffentlichkeit in kurzen Hosen sieht.
Das verdanke ich in erster Linie einer Art religiösem Erweckungserlebnis, das darin bestand, in Landau/Pfalz einer damaligen Arbeitskollegin mit der Statur eines Sumoringers begegnet zu sein, die ihre Krampfadern in knielangen, hautengen cremefarbenen Leggings zur Schau stellte.
Während ich noch einen Platz suchte, an dem ich mich ungestört übergeben konnte, dachte ich bei mir, daß mein nacktes Gebein auch nicht zum ästhetischsten zählt, was Mutter Natur zu bieten hat, und ich der Menschheit fürderhin diesen Anblick ersparen sollte. Und genau das habe ich mittlerweile kultiviert und neige da schnell zu Verallgemeinerungen... die in der Feststellung gipfeln, daß 97 % aller Männer in kurzen Hosen völlig lächerlich wirken, wenn sie nicht gerade Fußball spielen.

Auf neudeutsch: "Practice what you preach."

Verriß 2: R.E.M.: Out Of Time

(erstmals veröffentlicht am 29.03. 2010, überarbeitet am 02.11.2011)




Erschienen: 08. 03. 1991


Trackliste:


1. Radio Song
2. Losing My Religion
3. Low
4. Near Wild Heaven
5. Endgame
6. Shiny Happy People
7. Belong
8. Half A World Away
9. Texarkana
10. Country Feedback
11. Me in Honey

Würde ich

hier und jetzt behaupten, dieses Album, das ich schon lange und gerne entsorgt habe, noch voll und ganz rekapitulieren zu können, würde ich lügen.
Aber gerade das Faktum, daß ich nicht lügen kann und das Album tatsächlich höchstens dreimal gehört habe (was auch schon fast 20 Jahre her ist) sollte Bände sprechen und macht es definitiv zu einem würdigen Vertreter dieser abscheulichen Rubrik, auch wenn die Rezension aus dem angesprochenen Grund reichlich kurz ausfallen wird.


Denn


der 08.03. 1991 war der Tag, an dem eine meiner damaligen Lieblingsbands für mich starb. Hätten sich R.E.M. an jenem Tag kollektiv in eine Cessna gezwängt und wären im Sturzflug in den Lake Michigan oder sonstwohin gerauscht, es hätte mich wahrscheinlich weniger entsetzt als dieses Album.

Entdeckt hatte ich die Mannen um Michael Stipe ca. 1988, durch "The One I Love". Ich, der ich damals noch Geld für Platten von Queen und U2 ausgab und mir was weiß ich was auf meinen erlesenen Musikgeschmack einbildete (was ich heute wahrscheinlich immer noch tue), kaufte mir daraufhin zum Nice Price "Document" auf Vinyl und war hin und weg.
"It's The End Of The World (As We Know It)" als einsam funkelndes Juwel, dazu Hits wie "Oddfellows Local 151", "Lightnin' Hopkins" oder "Exhuming McCarthy".
Als nächstes folgten "Green", "Life's Rich Pageant" und das zähere "Murmur" in meine Sammlung, und ich hatte endlich eine neue Lieblingsband abseits des Mainstream, die in meinem Umkreis NIEMAND kannte.
Kurz bevor "Out Of Time" herauskam, folgte noch eine Bandbiographie auf Englisch, bei einem ansonsten vernachlässigbaren Mailorder (MALIBU, glaube ich) bestellt, die ich damals lesen wollte.
Aber dazu sollte es nicht mehr kommen, bis heute nicht... der schmale Band dürfte immer noch bei meinen Eltern zwischen den Willi- Heinrich- und Hera- Lind- Büchern meiner Mutter rumstehen und Staub fressen.

Denn was ich da am 08.03. 1991 heimtrug (sogar noch mit einer Bonus- 7" mit zwei Liveaufnahmen von "Turn You Inside Out" und hab ich vergessen ausgestattet), war ein steiler Abstieg. Da saß ich nun also vor der fossilen Stereoanlage meiner Eltern, lauschte kompletter Grütze und was sich Tage vorher an nahezu erotisch aufgeblasener Spannung in mir aufgebaut hatte, schrumpelte schon nach Seite 1 auf Mäusepimmelgröße zusammen.
"Radio Song" mit dem von mir später hochverehrten KRS- One, der aber in seiner langen Karriere schon so manchen Klops abgeliefert hat, begann, um Yellos Dieter Meier in anderem Zusammenhang zu zitieren, schonmal "wie gesalzener Pudding, da mischt sich gar nichts".
Gepflegter Rock- Pop und "Yo, Baby Baby Baby" wollen halt einfach nicht zusammen ins Bett, egal, wie man es herrichtet. Daß KRS dazu immerhin einen zusammenhängenden Vierzeiler knapp vor dem Fadeout rappen durfte, machte die Sache nicht schlüssiger.
"Losing My Religion" machte mir wiederum Hoffnung, klang es doch nach den R.E.M., die ich kannte... damals übrigens mit "Shiny Happy People" für mich der erträglichste Song der Platte und mittlerweile in diesem Doppelpack dermaßen abgenudelt, daß ich beides nicht mehr hören mag, wobei der Text von letzterem mir in seiner völligen Ironiefreiheit noch den Rest gibt.
Gab es damals schon Ecstasy?

"Endgame" war meines Erinnerns nach ein GRAUENHAFTES Quasi- Instrumental, dessen scheint's von Mike Mills intoniertes "Ba ba ba" und "Fa fa fa" die Butter im Kühlschrank ranzig werden ließ... und solcherart schwülstig, zugeseicht, sülzig und glibberig ging es voran bis zum lugubren Ende.

Ich erinnere mich, daß ich Trauer verspürte, als ich die Platte vom Teller nahm, im Bewußtsein, gerade einer Beerdigung beigewohnt zu haben.
Schlimmer war es nur noch, daß die Platte später kommerziell geradezu explodierte (gemäß Murphy's Law) und anschließend sogar mein geschmacksbefreitester Klassenkamerad, dessen furchterregende Cassettensammlung unter anderem Ricky King beheimatete, stolz sein R.E.M.- T- Shirt zur Schau trug und mich auch noch fragte, ob ich die kenne, sei doch eine Super- Band, gell?
Hölle und Finsternis.

Daß- nach über 15 Jahren Funkstille- R.E.M. mit "Accelerate" und danach mit "Automatic For The People" wieder in mein Leben zurückkehrten, ist eine andere Geschichte.
"Out Of Time" jedenfalls habe ich schon vor Jahren verkauft und auch heute noch, wenn ich die Platte irgendwo sehe, überkommt mich höchstens der Drang, mir die Hände zu waschen.
Ich weiß nicht, ob sie mir heute besser gefiele... aber dazu müßte ich sie mir nochmal anhören. Und da fallen mir gefühlt 1872 Dinge ein, die ich lieber täte, unter anderem, zwei Stunden lang eine Ananas zu betrachten oder meinen Kopf in einen Eimer voll Vanillepudding zu tauchen.

Verriß 1: Body Count: Cop Killer

(erstmals veröffentlicht am 10. 01. 2010, überarbeitet am 02.11.2011)




Genug der Lobhudeleien.
Es wird Zeit, den Spieß einmal herumzudrehen.

Ich habe bewiesen, daß ich meine Begeisterung mitteilen kann. Aber was ist mit der dunklen Seite der Macht?
Ist es möglich, genauso fundierte Verrisse zu schreiben (ob es irgendwann 15 werden, sei mal dahingestellt), zur Erbauung der Leserschaft, die ja- mir eingeschlossen- eigentlich viel lieber liest, wie auf etwas nach Herzenslust eingedroschen wird?
Die auch gerne darüber diskutiert, wenn es ein Album erwischt, das ihr am Herzen liegen mag, anstatt- wie bei den "15 Platten"- wohlwollend zu nicken, auch im Falle nicht nachvollziehbarer Lobpreisung?

Nun also Verrisse.
Um das Ganze nicht völlig beliebig zu gestalten, gibt es eine Bedingung:
Es sollte ein Album sein, das man zumindest einmal komplett gehört hat. Und da man es eigentlich kaum 15 Drecksplatten gibt, die man bis zum Ende durchsteht, werde ich die lose hier einstellen, je nachdem, was ich gerade wieder am Stück ertragen mußte.

Also fangen wir an, zuerst mal mit einem einfachen und dankbaren Opfer.


Erschienen: 1992

Erworben:
1992 in der Musicbox, Landau/Pfalz

Trackliste:

1. Smoked Pork
2. Body Count's In The House
3. Now Sports
4. Body Count
5. A Statistic
6. Bowels Of The Devil
7. The Real Problem
8. KKK Bitch
9. C Note
10. Voodoo
11. The Winner Loses
12. There Goes The Neighborhood
13. Oprah
14. Evil Dick
15. Body Count Anthem
16. Momma's Gotta Die Tonight
17. Out In The Parking Lot
18. Cop Killer


1992


war ein Jahr, in dem noch vieles anders war. Man selbst war gerade 19 geworden, ernährte sich vorwiegend von Brettmusik oder HipHop, hielt sich für linksautonom und diskutierte mit Viertel- bis Halbbildung engagiert über Politik, mit Argumenten, die heute eher peinlich berührtes Schweigen hervorrufen würden

Was die Musik anging, war es in der Szene, in der ich mich damals bewegte, nicht unbedingt üblich, HipHop zu hören.
Dennoch gab es eine kurze Zeit, in der es sowas wie einen Schulterschluß gab, bevor sich die Szenen komplett auseinanderdividierten, denn anfangs einte die Punk-/Alternative- und die gerade entstehende deutsche HipHop- Szene, -in der erstmals deutschsprachiger Rap im großen Stil produziert wurde, während sich frühere Crews hauptsächlich auf Breakdance und Graffiti spezialisiert hatten- in erster Linie der Haß auf die Rechte, die Anfang der 90er plötzlich so präsent war wie lange vorher nicht.
So lief eine zeitlang in Alternativeclubs tatsächlich eine heutzutage eigentlich nicht mehr denkbare Mischung aus Independent, Punk, Metal und HipHop, die dann auch Leute formte, die sich in diversen Genres zuhause fühlten, wie den Verfasser dieser Zeilen.

Andere schlossen sich zusammen und gründeten- ein tatsächlich reines End-80er/90er- Phänomen- sogenannte Crossoverbands, in denen zu Bratgitarren zumeist schlecht gerappt wurde, und die außer einigen RATM- Nostalgikern heutzutage niemand- ich wiederhole: NIEMAND- mehr hören will.
Ice-T mochte ich damals sehr, und ich halte "Power" und "O.G. Original Gangster" auch heute noch für gute Alben.


Also


flippte ich nahezu aus, als angekündigt wurde, daß er eine "Hardcoreband" namens Body Count gegründet habe und mit ihr demnächst ein Album veröffentlichen wolle. Ha! Klingen sollte das Ganze wie "NWA mit Gitarren". Ho! Und kurze Zeit darauf erblickte ich eine Werbeanzeige mit dem Cover in feinster Suicidal- Tendencies- Ästhetik. Hui!
Im Kopf überschlagen: Hardcore+ NWA+ publik gewordene Freundschaften zu Henry Rollins und Jello Biafra... da konnte nur eines der größten Alben der Menschheitsgeschichte dabei herauskommen. Mindestens.

Also bestellte ich es sofort im Plattenladen meines Vertrauens... und wurde noch länger auf die Folter gespannt, da es zu Lieferschwierigkeiten kam.
Derweil lief auf "MTV Headbanger's Ball" schonmal der düstere schwarz- weiß- Clip zu "There Goes The Neighborhood".
Mittlerweile gierte ich nach diesem Album, und eine quälend lange Zeit später hielt ich es endlich in den zitternden Händen, legte es zuhause in den CD- Player und fand es scheiße.

Nein, das wäre zu einfach: ich fand es damals bereits nicht gut, wollte es aber gutfinden, aufrecht und verzweifelt. Doch im Lauf der Zeit klappte dies immer weniger.

Dabei hätte ich gewarnt sein sollen. "Body Count", bereits auf "O.G." enthalten, war schon ein reichlich ideenfrei dahinstampfendes Stück Bolzrock mit garstigem Gitarrengegniedel, das wie eine gräßliche 70er- Band auf der Suche nach dem verlorenen Zeitgeist klang, dazu mit ausnehmend blödem Text.


Goddamn what a brotha gotta do
to get a message through
to the red, white and blue?
What I gotta die
before you realize
I was a brotha with open eyes?
The world's insane
while you drink champagne
and I'm livin' in black rain.
You try to ban the A.K.,
I got ten of 'em stashed
with a case of hand grenades.

Tell us what to do... Fuck you!
Tell us what to do... Fuck you!
Tell us what to do... Fuck you!
Tell us what to do... Fuck you!


Sogar in der an Plattheiten nicht immer armen Punkszene war das bereits ein schauriger Tiefpunkt und vom Anspruch, "Hardcore" zu machen, ellenweit entfernt.
Wie möchte jemand "Hardcore" machen, der zwar brav ein Black- Flag- T- Shirt trägt, aber ansonsten von der Materie nicht die geringste Ahnung zu haben scheint?
Doch das war ja noch nicht alles, es ging noch schlimmer.

War

"Body Count's In The House" damals ein noch durchaus passabler Tanzflächenfüller, bei dem man den Versuch, in einem Quasiinstrumental so oft wie möglich das Wort "Motherfucker" unterzubringen, vor dem Hintergrund, daß dies damals noch furchtbar provokativ war, nachsichtig belächeln kann, so geht einem das Lächeln beim ranzigen Herrenhumor von "KKK Bitch" und spätestens beim geradezu gruslig schlechten "Evil Dick" samt Fickimitation und gnadenlos dilettantischem Bolzteil endgültig verlustig.
Daß Männer Lieder über ihre Schwänze schreiben, mag ja beim NWA- Vergleich noch angehen. Aber die waren wenigstens noch lustig. Hier regiert höchstens die Fremdscham.

Der gnadenlos dilettantische Bolzteil darf auch das eh schon reichlich mäßige "Voodoo" und die tranige NY- Hardcore- Imitation "Body Count Anthem" kaputthauen, während "The Winner Loses" eine Ballade um einen drogensüchtigen Freund ist.
Eine Ballade. Wir wiederholen andächtig: eine Ballade.

"Singen kann ich eigentlich nicht, meine Stimme ist total flach", meinte Ice- T später dazu dann im SPEX- Interview.
Warum zur Hölle tut er es dann? Warum muß das auf Platte gepreßt werden?
Und warum tut eigentlich niemand etwas gegen Ernie C's schauriges Gitarrengewichse?
Stattdessen stellt man ihm mit "C Note" fast zwei Minuten zur Verfügung, in welchen er in bester Eunuchenmetalsolomanier sein Können zeigen kann. Das will man wirklich nicht wissen.
Und so reiht sich denn ein immer neuer Tiefpunkt an den nächsten, ein Konglomerat an Stumpfheit, blödem Gebolze, Gitarrengegniedel, doofen Texten und unwitzigen Witzen

Body Count. Unverdrossen machen sie immer noch weiter, in einem ungehörten Niemandsland, in dem auch Ice- T mit seinen letzten HipHop- Alben mittlerweile gelandet ist, und zwar ebenfalls zurecht.
Obwohl ein Teil der ursprünglichen Besetzung mittlerweile tot ist (der ermordete spätere [auf "Beat 'Em Up"] Iggy- Pop- Basser Mooseman und der Schlagzeuger Beatmaster V, der meines Wissens an Leukämie starb) wollen sie einfach kein Einsehen haben.

Dabei ist bereits "Cop Killer" ein Album für die Tonne, das bei mir keinerlei Nostalgie hervorruft und mir beim Wiederhören zwecks des Abfassens dieser Rezension körperliche und seelische Qualen bereitet hat.

Warum dieses Stück Müll dann immer noch ewig bei mir herumstand?
Die Story um den später entfernten Titeltrack dürfte bekannt sein, die Hoffnung auf damit verbundene Wertsteigerung des Originals auch. Erstaunlicherweise hat sich da in den letzten Jahren kaum was getan.

So schenkte ich es einem guten Freund von mir, der damit anscheinend richtig glücklich ist.
Zu irgendwas muß es ja gut sein.