Montag, 31. Oktober 2011

Bohemian Rhapsody

Ich verbringe die Tage immer noch bei meinen Eltern.

Der Krankenschein ist eingereicht, die Begleiterscheinungen der Operation lassen allmählich nach (mittlerweile kann ich wieder ohne Hilfe Treppen steigen und mich alleine anziehen, beides Tätigkeiten, die vor gut einer Woche nur mit Schmerzen verbunden waren) und mache ansonsten ... nichts.

Schlafen, fernsehen, mich bekochen lassen.
Mancher würde das toll finden; mir kommt es eher befremdlich vor. Vor allem, wenn ich mir das Leben betrachte, das ich bis zu meinem Krankenhausaufenthalt geführt habe; das ist knapp über drei Wochen her, aber durch die Ereignisse in den letzten Tagen dermaßen in die Ferne gerückt, daß Erinnerungen daran wirken wie ein Gruß aus längst vergessenen Zeiten.
Momentan kann ich mir nicht einmal vorstellen, in die Bar Milano zu gehen, ein großes Pils zu ordern und nach der Bundesligakonferenz im Fernsehen direkt in die Stadt weiterzuziehen.
Das soll kein Indiz dafür sein, daß ich nun, da ich schon mit anderthalb Beinen im Grab stand, mein Leben überdenke und zum Ergebnis komme, es künftig anders führen zu wollen.
Mich an einfachen Dingen erfreuen, Demut zeigen (auch dem Schöpfer gegenüber, der mich bestimmt verschont hat, um mir eine Lektion beizubringen), täglich joggen, kein Alkohol und Nikotin mehr, gesunde Ernährung, bewußter... Leben.
Fuck it.

Stattdessen sitze ich mit meinem Vater am Küchentisch, wir erzählen uns gegenseitig schlechte Witze, rauchen Zigaretten, als würden sie morgen verboten, trinken literweise Kaffee und ich hoffe dabei, möglichst schnell soweit fit zu werden,daß ich mich ohne Gefahr für Leib und Leben einmal wieder hemmungslos besaufen und dabei zu lauter Musik Sackgitarre spielen kann.

Solange beschränkt sich mein Dasein auf eine Abfolge von Déjà- Vues.
In der vorigen Woche verbrachte ich nämlich in Ermangelung anderer Freizeitangebote einen Großteil des Tages vor dem Radio, um mir die alle paar Jahre wiederkehrenden Top 1000 Hörercharts auf SWR1 Rheinland- Pfalz anzuhören. Und das rund um die Uhr.
Seltsamer Zufall, gerade jetzt Texte gepostet zu haben, in denen eben jene Hörercharts eine essentielle Rolle spielen.
Auf jeden Fall war es zumindest leidlich spannend, viel mehr konnte ich nun wirklich nicht erwarten, auch wenn die ungesunde Häufung von Peter Maffay, ABBA und AC/DC bei mir fast schon zu schweren, postoperativen Nachblutungen geführt hätte.
Die Top 30 versammelten natürlich von "Smoke On The Water" über "Lady In Black", "Hotel California", "Music" und "Stairway To Heaven" die für alle Ewigkeiten in Grütze geronnenen Abgezahntesten der Abgezahnten, bei denen man sich ernsthaft fragt, wie die ein Mensch über 30 auch nur noch sekundenlang erträgt, ohne einen Narkolepsieanfall zu bekommen. In meinem Alter dürfte man nämlich jeden der genannten Titel schon 447mal im Leben gehört haben, egal, ob man das gerade wollte oder nicht.

Erster wurde am Ende "Bohemian Rhapsody" von Queen. Nicht minder totgenudelt wie die bereits aufgeführten, aber deutlich noch als das Erträglichste davon wahrgenommen.

Da war ich offensichtlich bereits völlig apathisch.

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