Larry, Larry, Larry unterwegs."
Entschuldigung.
Eigentlich sollte sich die Schilderung bzw. Aufarbeitung bahninduzierter Alpträume morgens um 7 nach einer weitgehend schlaflosen Nacht in meiner mittlerweile halbleeren Wohnung (umgeben von gebrauchten Umzugskartons, die ich mir von einem guten Freund mit erlesenem Sinn für Humor entliehen habe. Kryptische Beschriftungen derselben von seinem letzten Umzug wie "Kram, bla.Würste.Sexdecke." haben dem Bascht und mir doch mit simpelsten Mitteln einen guten Lacher beschert)auf mein gestern in der S1 aufgeschnapptes Zitat eines gar öligen jungen Mannes beschränken, das da lautete:
"Ich bin ernsthafter Künstler. Ich habe eine Reputation."
Diese Reputation wurde natürlich betont lässig englisch ausgesprochen.Kotz.
Dennoch kann man über solch denkbar ungeeignete Episoden, den Tag halbwegs vernünftig zu beginnen, noch hinwegsehen, wenn es schlimmere gibt, ihn zu beenden.
Man fährt also nach einem unspektakulären Kneipenabend in der S2, und ein geistig behinderter Mensch meines Alters steigt an der Schillerstraße ebenfalls zu, jemand, den ich aus meiner Studienzeit noch unter dem Spitznamen "Larry" in Erinnerung hatte.
Er sitzt also in der Bahn mit einer Tabaksdose in der Hand, der Blick allein signalisiert bereits, daß er die Welt allenfalls noch gesiebt wahrnimmt, und man erinnert sich, daß er an der Universität als schwere Nervensäge galt, die so ziemlich jedes Semester den Studiengang wechselte, weil sie im jeweils gewählten nichts gebacken bekam und in Vorlesungen ständig sinnlose Kommentare von sich gab.
"Moment", fragt sich da zurecht der geneigte Leser, "Geistig behindert? Studium? Warum sitzt der Typ dann nicht in der Südpfalzwerkstatt und baut Kugelschreiber zusammen?"
Weil, und das ist eine Geschichte, die ich in meiner kurzen Studienzeit schon ziemlich unerträglich fand, jener Mann tatsächlich mal ein hoffnungsvoller Studienanfänger war, der mit seiner Freundin in den Urlaub nach Griechenland flog, wo er sich eine Gehirnhautentzündung einfing, die er zwar überlebte, ihn aber als "Larry" zurückließ... worauf er weitgehend sinn- und planlos durch die Fakultäten stolperte, weil man ja schließlich niemandem wegen plötzlicher Debilität nachträglich das Abitur aberkennen kann.
Und um das Ganze noch abzurunden, erinnerte ich mich, wie ich eines Tages im Unicafé saß, mit "Larry" am Nebentisch, der schwer Verständliches in sich hineingrummelte... worauf ihm von einem weiteren Nachbartisch eine zusammengeknüllte DIN-A-4- Seite an den Kopf geworfen wurde und sich zwei der widerwärtigsten und oberflächlichsten Ischen meines an Widerwart und Oberflächlich- bzw. erstaunlicher Krappendummheit nicht gerade armen Studiengangs den oben erwähnten Singsang intonierend gegenseitig abklatschten wie Mädels beim Gummitwist.
Ich hatte bestimmt schon Jahre nicht mehr an diese Geschichte gedacht, vor allem, weil die Begleitumstände nicht gerade zu den güldenen Momenten im Leben eines Mannes zählen (was vielleicht weniger Mitleid oder moralischer Empörung geschuldet ist als einer gewissen animalischen Urangst, daß es einem vielleicht selbst einmal so ergehen könnte), und kurz vor meinem Umzug noch einmal daran erinnert zu werden, wäre nun wirklich nicht nötig gewesen.
Das Leben ist doch eines der Schönsten.
Donnerstag, 28. Oktober 2010
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