Gestern habe ich zum ersten Mal wieder den ganz famosen Film "Talk Radio" von Oliver Stone gesehen... und mußte feststellen, daß ich älter geworden bin.
Es handelt sich dabei um eine Art Filmbiographie, die sich am Leben des amerikanischen Radiomoderators Alan Berg orientiert, der 1984 ermordet wurde, und zwar von einer Neonaziorganisation um den relativ bekannten Anführer David Lane, der letztens doch erfreulich früh das Zeitliche segnete.
Nachzulesen ist das Ganze recht informativ im gleichnamigen Buch von Stephen Singular (welches die Biographien von Berg sowie Lane und anderen US- Nazis parallel montiert), das der Heyne- Verlag als "Buch zum Film" anpries (eigentlich ein ziemlicher Unfug, da dies eine Nacherzählung impliziert) und welches ich schon kurze Zeit später- ca. 1989, glaube ich- für damals 2.50 DM vom Ramschtisch im Landauer "Kaufhof" fischte, was bedeutet, daß es gut 20 Jahre später wahrscheinlich nicht mehr erhältlich sein dürfte.
Im Film von 1988 spielt Eric Bogosian die Hauptrolle, der später noch in Pretiosen wie "Alarmstufe Rot 2" als Gegenspieler von Steven Seagal mitwirken durfte und ansonsten herzlich wenig auf die Reihe bekam... man fragt sich nur warum, der Mann war zweifellos ein Multitalent und hatte auch das Theaterstück über Alan Berg geschrieben, welches Oliver Stone mit ihm in der Hauptrolle dann verfilmte.
Die Handlung ist schnell erzählt... der jüdische Radiomoderator Barry Champlain lotet mit seiner Talkshow die Abgründe Amerikas aus, indem er Anrufe von Neonazis, tumben Hinterwäldlern und religiösen Fanatikern provoziert, die er dann je nach Gusto mit einer Menge Schlagfertigkeit in Grund und Boden diskutiert, erniedrigt und beleidigt, was natürlich auf das vorhersehbare Ende hinausläuft.
In einer Nebenrolle ist übrigens John McGinley zu sehen, den die meisten wahrscheinlich höchstens als Dr. Cox aus der Serie "Scrubs" kennen dürften.
Der Großteil des Films spielt sich im Rundfunkstudio ab, hauptsächlich als eine Art One- Man- Show von Bogosian, der einen geisteskranken Anrufer nach dem nächsten pariert.
Und hier lag gestern der Unterschied zwischen meinem Filmerleben als Jugendlicher und heute: früher fand ich das bzw. Bergs aka Champlains Sprüche in erster Linie lustig, nun wurde ich mir zum ersten Mal der erdrückenden Atmosphäre des Ganzen gewahr... ein Mann im Käfig, umgeben von allerlei Psychopathen und ohne Ahnung, wer nach der Show vor dem Studio auf ihn wartet.
Es war beklemmend... eine Radiosendung als Sieb, welches alles abfließen läßt, bis nur der völlige Bodensatz darin hängen bleibt.
Und der Umstand, daß ein Großteil der Anrufe authentischen Beispielen aus der Vergangenheit nachempfunden und somit kein Phantasieprodukt waren (im Buch sind viele Beispiele abgedruckt)macht den realen Horror (der im Anruf eines Mannes gipfelt, der ankündigt, er werde gleich eine Frau vergewaltigen, was wohl ebenfalls in dieser Form in der realen Show stattgefunden hat)gegenwärtig.
Nein, gestern mußte ich nach "Talk Radio", den ich bereits dreimal gesehen hatte (jedesmal war ich dabei jünger als 20) zum ersten Mal tief durchatmen.
Scheinbar braucht man für manche Dinge einfach eine gewisse Reife, um sie in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen. Zumindest hatte ich gestern das Gefühl, diesen Film endlich kapiert zu haben.
Montag, 11. Oktober 2010
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