Wenn man- wie ich- in einem sozialen Beruf arbeitet, hat man unter anderem den Nachteil, daß man recht widerwillig Mitglied einer offiziellen Kirche sein muß, da sonst die Berufsaussichten gen Null tendieren, weil die meisten Altersheime kirchlich und somit sogenannte Tendenzbetriebe sind, die nur Mitarbeiter nach ihrem Gusto einstellen.
Natürlich gibt es auch Privathäuser, aber die zahlen beschissen... und wer weiß, wie hart dieser Beruf ist, wird auch verstehen, daß die Motivation, für 1300 netto im Monat (wenn überhaupt)die Knochen hinzuhalten, nicht übermäßig hoch ist, abgesehen von Willkür und Familienkungelei, die dort häufig auch noch zusammen einhergehen.
Völlig bizarr wird es allerdings, wenn man in einem Haus arbeitet, in dem der Staat in irgendeiner Form involviert ist. Dann darf man nämlich einen Eid auf die Verfassung in einer rathäuslichen Amtsstube leisten; dieses Vergnügen hatte ich bislang zweimal.
Umging ich das Dilemma 1991, als ich mich noch für politisch aktiv mit Kontakten zur und Sympathien für die linksautonome Szene hielt, relativ elegant mit während des Eides hinter dem Rücken gekreuztem Zeige- und Mittelfinger, sah es 2002 ganz anders aus.
Ich arbeitete in der Bürgerhospitalstiftung in Speyer; damals war ich aus diversen Gründen 8 Monate aus Karlsruhe weg.
Mir war angekündigt worden, ich hätte mich darauf einzustellen, den Eid leisten zu müssen, ich würde dann- wenn es Bürgermeister Werner Schineller (CDU) terminlich einrichten könne- zum Rathaus gebracht und dort empfangen werden.
Als ich schon gar nicht mehr damit rechnete, war es dann soweit, mitten in meiner Frühschicht wurde ich wegbeordert.
Unglücklicherweise hatte ich den Abend vorher kräftig einen zur Brust genommen und war nicht nur noch schwer angeschlagen, sondern auch unrasiert, meine Augen waren so rot wie die eines Bassets und ich hatte eine Fahne, die man im Fritz- Walter- Stadion über die Westkurve hätte spannen können. Dazu trug ich zerschlissene Jeans und meine Exxon- Arbeitsjacke, die mir schon einige lustige Gutmenschendiskussionen beschert hat, aber das ist ein anderes Thema.
Anschließend wurde ich mit zwei anderen Leuten aus dem Haus, die ebenfalls frisch im Staatsdienst waren, von einem elegant gekleideten Paladin in einem Renault zum Rathaus gekarrt.
Eine der beiden anderen Ischen war eine der widerlichsten Napfschnecken, die ich je im Leben gesehen habe... man wünscht sich, solche Leute würden auf ihrer Schleimspur ausrutschen und sich den Hals brechen.
Nicht nur gratulierte sie Schineller bei der Begrüßung wortreich zur jüngst erfolgten Wiederwahl, später beim Abschied wünschte sie ihm auch- es ist wirklich kaum zu fassen- "noch viel politische Schaffenskraft". Würrrg.
Dann wurden wir um einen Tisch in des Bürgermeisters Arbeitszimmer gruppiert, um ein lockeres Gespräch über die Gründe unserer Berufswahl zu führen.
Ich saß zur Rechten unseres Herrn, und abgesehen davon, daß ich barbarisch nach Alkohol stank und- kaum daß ich saß- verbissen gegen den herbeikriechenden Schlaf kämpfen mußte, beantwortete ich die an mich gestellten Fragen nur extrem einsilbig, und das wohl mit einem nicht sonderlich "amused" wirkenden Gesichtsausdruck.
Das brachte mir schon erste seltsame Seitenblicke ein.
Zum Eid mußten wir uns hinstellen, und den Dreizeiler von einem Blatt zusammen mitlesen.
In der ersten Zeile verhaspelte ich mich bereits; die zweite übersprang ich ganz und stotterte mir etwas zurecht, als ich merkte, daß die Mitvereidigten ein anderes Stück Text als ich vorlasen.
Die Verabschiedung zwischen Schineller und mir fiel deutlich distanzierter aus als bei den anderen beiden; zudem glaubte ich, einen Funken Fassungslosigkeit darüber in seinem Blick zu erkennen, wen sich die Stadt da ins Boot geholt hatte.
Als ich zurück im Bürgerhospital war und mich zum Rest der Frühschicht umzog, glaubte ich auch endgültig zu wissen, warum.
Während der kompletten Zeremonie hatte mein Hosenstall sperrangelweit offengestanden.
Montag, 1. November 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen