Freitag, 30. Oktober 2009

Notizen aus der Provinz

Machen wir uns nichts vor, Karlsruhe ist Provinz, aber auch hier kann man an mancher Ecke einen Hauch Prenzlauer Berg erschnüffeln.

Das schreibt der Karlsruher Journalist Felix Mescoli in seinem Blog, und auf den ersten Blick mag er recht haben.
Hinterfragt man diesen Satz, kann man aber dennoch zu einigen erstaunlichen Schlußfolgerungen kommen.
Daß wir immer noch den Ruf als langweilige Beamtenstadt innehaben, der das Kaugummi ist, das uns seit Jahr und Tag an den Fersen klebt... geschenkt. Oft wird er von Leuten verbreitet, die das Geschehen aus gebührendem Sicherheitsabstand betrachten und außer der immer trostloser werdenden Kaiserstraße kaum etwas vom Karlsruher Leben mitbekommen haben.
Von dem, was bei uns subkulturell abläuft, bekommt man scheinbar auch wenig mit... und ich bin der Meinung, daß wir hier im Vergleich zu ähnlich großen Städten gar nicht so schlecht aufgestellt sind.
Wir haben diverse Clubs, mit der Alten Hackerei eine Punkrockbar, in der oft Veranstaltungen und Konzerte sind, einen freien Radiosender, verschiedene Bands am Start, die sich national auf keinen Fall vor denen der Metropolen verstecken müssen, Leute, die diese Stadt lieben und ihre Energie und Zeit investieren, um etwas zum Laufen zu bringen.
Also, woran hängt es?
Wir haben 280 000 Einwohner und müssen uns in manchen Momenten eingestehen, daß wir provinziell sind.
Mag sein, daß es an der Focussierung hängt.
Daß das Substage, das jahrelang unser Aushängeschild war, seit Heiko Räthers Rückzug aus dem Veranstaltungsbereich (und Franks Umzug nach München) konzerttechnisch kaum noch was gebacken bekommt und sich oft mit dem Einfachsten zufrieden gibt, ist kein Geheimnis. Daß die immer gleichen Mittelalterrockbands scheinbar im Abstellraum geparkt sind und herausgeholt werden, wenn nicht gerade Hendriximitator Randy Hansen gefühlt sieben Mal im Jahr herumgniedeln darf, auch nicht.
Ich mag das nicht verurteilen,da ich keinerlei Einblick in das Budget des Substage habe und somit auch nicht weiß, was möglich wäre. Aber wenn ich mir überlege, daß ich früher dort u.a. Anthrax, die Melvins, Steel Pole Bath Tub, Girls Against Boys, Unsane und Antiseen gesehen habe (mit denen man heute wahrscheinlich kaum noch was ziehen würde, weil die eben hauptsächlich ihre ganz große Zeit vor 15 Jahren hatten, die aber in den 90ern wirklich angesagte Szenebands waren und jede Menge Publikum aus dem Umfeld anlockten... jeden Monat sah man mindestens ein Konzert, auf das man sich schon wochenlang gefreut hatte), fragt man sich, warum es nicht möglich ist, wirklich mal was Neues und Angesagtes (abseits irgendwelcher Nachwuchswettbewerbe und kompletter Geheimtips, die noch kein Mensch kennt)ins Substage zu holen.
Prong und Monster Magnet waren natürlich ok in diesem Jahr, aber auch eher eine Bringschuld für uns alte Säcke, die dem Laden schon seit Jahren die Stange halten.
Doch für die Generation, die jetzt in unserem damaligen Alter ist, tut sich meiner Meinung nach wenig.

Ein weiterer Grund für unsere gefühlte Provinzialität sind komischerweise ausgerechnet Leute, die davon überzeugt sind, wir hätten etwas Metropolenhaftes, und uns mit Aktionen, mit denen wir uns lächerlich machen (aber die ihnen großstädtisch erscheinen), trotz aller Bemühungen unsererseits wieder dorthin zurückkatapultieren, wo wir vor ein paar Jahren hergekommen sind.
Ich lasse das jahrelange Geschacher um das neue Wildparkstadion, bei dem sogar mir als Nicht- KSC'ler (aber als mittlerweile assimiliertem Karlsruher) mittlerweile die Galle hochkommt,und die Kombilösung, der ich mich demnächst gesondert widmen werde, außer acht.

Wir haben immerhin das größte Ortsschild Deutschlands für sagenhafte 185 000 Euro, auf das selbst Bruchweiler- Bärenbach so stolz wäre wie unsere Kommunalpolitiker.
Wir haben gefühlt alle drei Wochen ein Straßenfest in der Innenstadt, das trotz wechselnder Namen absolut gesichtslos und austauschbar ist.
Wir haben eine Elite- Uni, die unser aller Heinz scheinbar dermaßen als Priorität ansieht, daß er von Plakaten herunter dazu auffordert, freien Wohnraum dem Studentenwerk zu melden, so daß man als Berufstätiger nach ca. 8-monatiger Suche nach einer erschwinglichen Wohnung kaum eine andere Chance hat, als in Oberreut, Weiherfeld- Dammerstock oder sonstwo am Arsch der Welt zu landen, wenn man nicht jemanden kennt, der wiederum jemanden kennt, der gerade auszieht.
Wir haben unsere eigene MERIAN- Ausgabe Karlsruhe, in der unsere Stadt gerade mal die Hälfte des Platzes einnimmt und die Umgebung die andere Hälfte, ohne daß es jemanden zu jucken scheint... weil die Leute, die es jucken sollte, scheinbar diesen ganzen provinziellen Mief als das Nonplusultra ansehen, das unsere Stadt ausmachen sollte.
Hauptsache, es steht drinnen, daß man im Sommer am Marktplatz ein gepflegtes Glas Rotwein im Freien trinken kann. Mehr findet hier auch nicht statt.

Nein, wir sind keine Metropole... wir werden auch nie eine sein. Doch genausowenig sind wir das, was uns manche Leute einreden wollen.
Und darum sollten endlich mal einige Menschen, die diesen somnolenten Zustand ändern könnten, ihren Arsch hochkriegen, dann klappt es auch mit mehr als nur einem Hauch von Prenzlauer Berg in der Südstadt. Vielleicht mit einem Hauch von Südstadt in ganz Karlsruhe.
Und damit meine ich nicht, daß uns die Stadtverwaltung mehr Aufmerksamkeit einräumen soll, denn ernstzunehmen ist offiziell geförderte Subkultur sowieso nicht.
Nein, es liegt scheinbar an uns allein, etwas daraus zu machen.

Auf uns wartet noch eine Menge Arbeit.

1 Kommentar:

  1. provinz ist, wo ich bin.
    (hatte ich das nicht schon einmal? egal, es passt).

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