Was eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist:
mich an freien Tagen meiner Plattensammlung zu widmen. Neben selten Gehörtem tauchen mittlerweile immer mehr ungehörte Scheiben auf, sei es, weil man gerade keine Lust dazu hatte und sie trotz aller guten Vorsätze ins Regal gewandert sind, sei es, weil man sich drei Alben gekauft hat, beim erstbesten hängenblieb und aufgrund assoziativer Querverweise bei allem möglichen landete, nur nicht da, wo man eigentlich hinsollte und -wollte.
Mittlerweile tauchen Platten auf, von denen ich gar nicht mehr wußte, daß ich sie überhaupt besitze. Das gibt dem Vorgang natürlich einen Hauch von enormer Dekadenz.
Denn- das wird sich der vom Plattensammlerwahn weitgehend freie Leser fragen- was ist der Sinn und Zweck des Ganzen?
Platte um Platte anzuhäufen, vor einem unübersichtlichen Regal stehen und dennoch immer dieselben 200 Alben zu hören? Bzw.: ob das Ganze nicht reine Jagd nach Stückzahlen sei, Musik zur bloßen Ware verkommt, überhaupt noch einen nachvollziehbaren Stellenwert hat?
Das sind mit Sicherheit berechtigte Fragen.
Die Antwort wäre für alles nach "Bzw." ein einfaches "nein". Das wäre aber tiefenpsychologisch nicht weiter verwertbar, außer der Onkel Doktor diagnostizierte eine Art spätpubertärer Trotzreaktion.
Deswegen ein einfacher Erklärungsversuch: abgesehen von der Tatsache, daß manche Leute ihr Auto tunen, in gereiftem Alter irgendwelche jugendlichen Dumpfbacken in Paninialben kleben(wobei die Parade der mittlerweile erschreckend identischen Hackfressen aufgrund ihrer Abwesenheit von Schnauzbärten und Scheißfrisuren seit Ende der 80er auch immer langweiliger wird), oder aus in Kunstharz eingegossenem Hundekot Mobiles basteln (nun gut, das ist reine Spekulation, aber wundern würde es mich auch nicht), ist das Sammeln von Platten ein Hobby wie jedes andere auch, wie es jeder hat oder zumindest haben sollte.
Zudem ist es eines, über das man nicht nur wunderbare Nerdgespräche führen kann, sondern das sich auch einfach teilen läßt... wer jemals mit einem ihm wichtigen Menschen auf ein bestimmtes Lied ausgeflippt ist, wird das nachvollziehen können.
Jeder, der etwas mit Leidenschaft tut, wird wissen, was für einen Zugewinn er sich damit im Leben erworben hat... sei es nun das Basteln von Buddelschiffen, das Sammeln von Gipsfigürchen oder das Herumjuckeln mit dem Fahrrad über Stock und Stein.
Hauptsache, man wird zeitlebens kein "reiner Durchgang für die Nahrung" (da Vinci).
Und das Allerwichtigste an diesem ganzen Sermon: ich liebe Musik.
Seit ich ein Kind war, gibt es für mich kaum etwas Wichtigeres. Nichts, was meine momentane Stimmung genauso wiederspiegeln, mich so schnell aufbauen und in den falschen Momenten schier in Tränen ausbrechen lassen oder mehr zu einem gelungenen oder mißratenen Abend beitragen kann.
Bin ich in einem Club, in dem die Musik beschissen ist, gibt es kaum noch etwas, was den Abend retten kann... anregende Gespräche vielleicht noch, aber da ich mich zumeist mit Leuten umgebe, bei denen die Beschallung einen ähnlichen Stellenwert genießt wie bei mir, läuft das Ganze bei beiderseits sinkendem Stimmungsbarometer letztendlich irgendwann auf ein gelangweiltes Anschweigen hinaus (das gilt nur in Clubs oder auf Konzerten, wohlgemerkt... trifft man sich in einer Kneipe, erwartet man normalerweise nicht, daß der Abend bei Hintergrundbeschallung in einen Tanzmarathon ausartet).
Und die Frau seiner Träume begegnet einem selten mal auf langweiligen Clubabenden, sonst wären es keine; und langweilige Clubabende, auf denen man die Frau seiner Träume trifft, dauern gefühlte 5 Minuten, in denen auch das Gesamtwerk von Michael Bolton laufen könnte, ohne daß man es bemerken würde.
Nein: mehr Platten zu besitzen, als ich jemals würde hören können, war einer meiner Kindheitsträume, die ich mir erfüllt habe. Punkt.
Darin zu stöbern und bislang sträflich Ignoriertes zu entdecken, macht fast soviel Spaß, wie in einer Art Jäger- und- Sammler- Stimmung in einem Plattenladen Langgesuchtes zu finden, oder die Genugtuung, nachdem man stundenlang von einem Ohrwurm geplagt wurde, daheim einfach ins betreffende Regal greifen und sich das Stück anhören zu können.
Ich liebe das; und ich würde es niemals gegen irgendwelche anderen Hauptinteressen tauschen.
P.S.: ich habe gerade die "Jack Pepsi"- EP von Tad im Regal entdeckt. Großer Spaß.
Freitag, 6. August 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
das mit michael bolton ist gut.
AntwortenLöschenund das mit den platten auch. es ist wie eine ehe, die nie geschieden werden kann; vinyl steht für keine platte attitüde (achtung, wortspiel zur nacht) - es ist eine scheibe leben. jede hat ihren wert, auch oder gerade wenn man ihn nur selbst kennt. früher dachte ich oft, dass das schlimmste, was ich bei einem brand verlieren würde, meine musik ist. keine fotos o.ä., nein, die musik.
schon komisch.
Lustig, das denke ich heute immer noch.
AntwortenLöschenWürde ich in meine Wohnung kommen, und alles wäre weg außer meinen Platten, würde mich das ärgern, aber es wäre nichts unersetzbar.
Würde ich in meine Wohnung kommen, und alles wäre noch da bis auf meine Platten, würde ich durchdrehen.
Das ist der Unterschied.
@Nina:
AntwortenLöschenPuh, danke für den Kommentar... allein schon aus dem Grund, daß ich mir den Post nochmal aufmerksam durchgelesen, dabei eine Menge Flüchtigkeitsfehler entdeckt und ihn komplett runderneuert habe. Keine Ahnung, warum das Korrekturlesen da weggefallen ist... wahrscheinlich war ich in Eile.