Dienstag, 24. August 2010

Der sich selbst häutende Hase

Ich schaue mir im Fernsehen jeden Dokumentarbericht über Schlachthöfe und Wurstherstellung an, den ich beim zufälligen Herumzappen erwische.
Dem liegt kein sonderlich sadistischer Drang zugrunde; es ist eher meiner Vorstellung von "Konsequenz" geschuldet.
Ich war selbst 12 Jahre lang Vegetarier, bis ich dann- zum Teil aus Bequemlichkeit, zum Teil aus wirklicher Notwendigkeit, zum dritten und letzten Teil aus Willensschwäche, die mich schleichend und letztendlich alle Prinzipien ausschaltend übermannte- wieder begann, mir totes Tier einzuverleiben.

Ich finde es auch heute noch prinzipiell richtig, kein Fleisch zu essen, und jeder Vegetarier genießt meinen Respekt, solange es nicht ins dogmatisch Wahnhafte umkippt (siehe meinen Post über 108... davon abgesehen, daß ich mir von dahergelaufenen Gehirnwäscheopfern nicht gerne die Pest an den Hals wünschen lasse, darf jeder, der was von "Speziesismus" fabuliert, gerne mal eine Nacht in einem gutgefüllten Schweinekoben verbringen und am nächsten Morgen schauen, wieviel noch von ihm übrig ist, oder sich von unseren haarigen Brüdern und Schwestern im hiesigen Affengehege beißen, anwichsen und mit Scheiße bewerfen lassen).
Meine Gründe für den Vegetarismus waren eine Art "peer pressure"... in der Umgebung, in der ich mich mit 19/20 zu meiner politisch noch aktiven Zeit bewegte, galt der Verzicht auf Fleisch als unausgesprochener Konsens, den ich nach anfänglichen Schwierigkeiten rasch kultiviert hatte.
Schon damals war ich kein sonderlicher Tierfreund... und heute bin ich es ziemlich offensichtlich nicht mehr, da mir der Umgang mit Tieren, vor allem Hunden und Katzen, widerwärtig ist.
Die Ausnahme sind allerlei Vögel, was aber ein Relikt meiner Kindheit ist, als ich Anfang der 80er einen Naturführer über die heimische Vogelwelt geschenkt bekam, der in mir als kleiner Murkel jahrelang den Wunsch erweckte, Ornithologe zu werden... und auch heute noch jagt mir der Anblick von Greifvögeln angenehm erhabene Schauer über den Rücken und jener kleiner Singvögel angenehme Wellen der Sympathie durch die Innereien.
Deswegen mag ich auch keine Katzen. Würde mir so ein Vieh allmorgendlich tote Vögel auf die Türschwelle legen, ich würde es irgendwann ersäufen.

Was ich aber seitdem bis heute abgrundtief hasse, ist die mangelnde Konsequenz diverser Fleischesser, zu realisieren, woher das kommt, was sie sich da abgepackt im Supermarkt kaufen.
Ich kenne nicht wenige (leider inklusive meiner Mutter ), die sofort umschalten oder wegsehen, wenn im Fernsehen irgendwas über Schlachthöfe kommt.
Eine Exfreundin von mir, der ich im Supermarkt vor Jahren mal einen abgepackten, hautlosen und tiefgefrorenen Hasen vor's Gesicht hielt, brachte gar die Bemerkung, ich solle das Ding weglegen, sie esse nämlich gerne Hase und wolle sich von mir nicht den Appetit verderben lassen.
Diese Feigheit vor den Tatsachen geht mir gewaltig auf den Zeiger. Entweder man ißt Fleisch und vergegenwärtigt sich, was passiert, bevor es auf dem Teller landet... oder man läßt es bleiben, wenn man die Wahrheit nicht erträgt.

So einfach ist das.

Mother Tongue, 23.08. 2010, Universum Stuttgart

Mother Tongue haben bei mir eine lange Geschichte. Eine der Mißverständnisse, genauer gesagt, so lange befanden sie sich unberechtigterweise unter ferner Liefen.
3-4 ganz nette Hits, ansonsten zuviel Psychedelik- und Chili- Peppers- Momente, um richtig relevant für mich zu sein... bis sie im Sommer 2007 in Karlsruhe spielten, ich gerade etwas Geld über und ansonsten nichts zu tun hatte und einfach mal schauen wollte, ob an ihrem Ruf als eine der großartigsten Livebands des Planeten was dran wäre.
Damals betrat ich das Substage als Skeptiker und ging nach einer knapp über dreistündigen Show, die keine Sekunde langweilig war, als Fan.
Mein letztes Geld gab ich damals für die CD "Streetlight" aus... ironischerweise hatte ich die schonmal besessen und sie ein halbes Jahr vorher weitgehend ungehört für geringen Obolus verscheuert, damals heilfroh, sie überhaupt losgeworden zu sein... und heute ist sie nun im zweiten Anlauf fester Bestandteil meiner Sammlung.

Gestern nun also die Comebacktour zum 20jährigen Bestehen.
Zuerst einmal traf ich mich in Stuttgart (für einen Karlsruher ja bekanntermaßen die "Verbotene Stadt"... das kann man als Pfälzer Wahlkarlsruher sogar noch toppen, wie ich feststellte, als ich mit meiner FCK- Kappe dort einlief. Wenn schon, denn schon... soviel stiere Blicke ernte ich damit nicht mal in KA, da ist man verwirrte Pfälzer wahrscheinlich eher gewohnt)mit meinem Kumpel Gerd aus dem Musikexpress- Forum... da das Universum etwas versteckt in der Nähe des Hauptbahnhofs liegt, waren wir nach kurzer Pfadfindertätigkeit dann auch relativ zügig dort angelangt, wo wir vor dem Konzert inmitten des sonstigen zahlreichen Publikums (Altersschnitt: ca. 31,7) noch das eine oder andere Bier vernichteten.
Das Universum ist ein schier nicht endenwollender Schlauch mit einem Bühnenraum von übersichtlicher Größe, der recht gut gefüllt war und sich im Laufe der nächsten fast zweieinhalb Stunden in eine Sauna verwandelte, in der bald kondensierter Schweiß von der Decke tropfte. Bäh.
Da die Bühne relativ ebenerdig liegt, hatte Gerd aufgrund seiner Größe den taktischen Vorteil auf seiner Seite, da wir ziemlich weit hinten standen... (und für mich brachte das die Erleichterung, nach dem Bierholen einfach nach jemandem Ausschau halten zu müssen, der die Menge um einen halben Kopf überragt) was aber trotzdem wiederum kein Nachteil war, hier war der Sound recht druckvoll, aber in moderater Lautstärke, so daß man ohne Ohrstöpsel zurechtkam.
Die Band selbst gab natürlich wieder alles... da sie ja einen besonderen Bezug zu Deutschland und hier ein sehr großes und treues Stammpublikum hat, sprang der Funke auch sofort wieder auf die Menge über, um mal eine abgedroschene Phrase zu bemühen.

Mother Tongue präsentierten sich wie gewohnt unarrogant und sympathisch, und die Freude, wieder auf der Bühne zu stehen, war auch ihrem Set anzumerken.
Wo bekommt man für 17 Euro Eintritt bei gefühlten 50 Grad noch eine weit über zweistündige Show geboten, bei der sich die Musiker danach noch unbefangen unters Publikum mischen?
Geboten wurde ein Alternative- Blues- Psychedelikgemisch mit vielen Laut- Leise- Spielereien, Balladeskes folgte auf Abgehnummern vom Schlage von "F.T.W.", und auch ansonsten war als repräsentativer Schnitt durch alle drei Alben alles geboten, was man hören wollte:
"Broken", "Casper", "CRMBL", "Damage" und natürlich "Burn Baby", das relativ früh kam und nicht im völlig ausufernden (ca. 45 Minuten) Zugabenblock landete.

Fazit: eine sehr gute Stimmung, eine Klasseband, Value for money... was will man mehr?

Daß mich die nicht endenwollende Zugfahrt zurück über Käffer wie Ellental und Illingen führte und damit meine Geduld in der Erwartung irgendwelcher bekannter Orientierungspunkte doch ziemlich strapazierte, ist wieder eine andere Feststellung.
Erbaulich ist es nicht, wenn man mit dem Schlaf kämpfend in einer Regionalbahn durch die Nacht zuckelt, hoffend, daß zumindest mal Pforzheim käme (was man unter alltäglichen Umständen mit seinem gesunden Menschenverstand nicht vereinbaren kann) und man gleich daheim wäre und ständig in Ortschaften landet, von denen man nicht mal wußte, daß sie existieren.
Männer, die auf Ziegen starren.

Montag, 23. August 2010

Tage des... was auch immer.

Ja, schon seit dem 12.08. kein Eintrag mehr... das mag daran liegen, daß sich die Fülle spektakulärer Ereignisse in den letzten Tagen in Grenzen hielt.

Daß ich jetzt in Ettlingen arbeite... geschenkt. Davon abgesehen, daß mein dortiger Arbeitgeber unaufwendiger zu erreichen ist als mein bisheriger in Gaggenau, gibt es nichts Memorables zu vermelden. Ich bin dort für maximal 6 Wochen gebucht und werde hindurchglitschen, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, was mir aufgrund des dort versammelten Flachwitzgeschwaders in der Kollegenschaft kein sonderlich großes Kopfzerbrechen bereitet.
Es gibt Leute, die sind dermaßen uninteressant, man möchte mit ihnen nicht einmal gemeinsam tot sein, aus lauter Angst, sich dann zu langweilen.

Obwohl: penetrant ist auch nicht zwingend die angenehmere Alternative.
Penetrantes, sich in Menschenform materialisiert habendes Gemisch aus Hämorrhoidensalbe, "Flutsch"- Analgleitcreme und vorverdautem Heringssalat schon gar nicht.
Will heißen: sitzt man im Biergarten des "Titanic" und wird- zusammen mit anderen Leuten- Ohrenzeuge, was ein blonder Schmierlappen in Anzugjacke seinem weiblichen Gegenüber ironiefrei an sabbrigem Seich ins Gehör seift, was dann in der Feststellung gipfelt:
"Jetzt mal ohne Witz: ich bin ein Frauentyp, ich bin ziemlich erfolgreich und trotzdem noch Single. Und weißt du auch warum? Weil ich mich nicht auf eine Einzige festlegen will und kann" (oder so ähnlich, jedenfalls halbwegs wortgetreu), möchte man ihm eigentlich die Bierbank zu fressen geben, auf der man gerade sitzt... wäre man nicht just in jenem Moment zu faul zum Aufstehen.
In einer besseren Welt würden solchen Leuten eines harmlosen Tags auf dem Weg zum Bäcker einfach die Genitalien abfallen. Es muß nicht schmerzhaft sein... ein einfaches "Plopp" mit während des Gehens durch das Hosenbein rutschen, auf dem Trottoir landen und anschließend von einem extra für solche Fälle angeheuerten furchtlosen, aber fürstlich entlohnten Kehrmaschinentrupp (Name: "Schwanz-Schlund Entsorgungs- GmbH" [(c)Matthias Weingard])entfernt werden, würde gänzlich ausreichen.

Und das waren- abgesehen vom gelungenen Bundesligawiedereinstand- bereits spektakuläre Höhepunkte einer angenehm verbummelten Woche.
Gleich geht es nach Stuttgart, auf das Konzert der großartigen Mother Tongue, hoffend, daß ich morgen eine fundierte Rezension dazu abliefern kann... vor allem, weil es die Band anfangs schwer bei mir hatte, und mich erst ein Konzert 2007 in Karlsruhe zum Fan machte.
Doch wie, weshalb, warum... das gibt es die Tage von mir in einem Abwasch.

Donnerstag, 12. August 2010

Idylle mit Entenfrau

Heute Abend saß ich mal wieder im Schloßpark, und zwar am See.
Es hätte alles so schön sein können: die untergehende Sonne schickte seltsame Farben zwischen dicken Wolkenfetzen hindurch, Stockenten und Bläßhühner trieben friedlich an mir vorbei und allerlei Gemäus raschelte durchs Gestrüpp, streckte den Kopf heraus und huschte wieder davon.
Ich saß eine geschlagene Stunde auf einer Holzbank, trank ein mitgebrachtes Schwarzbier, rauchte tiefphilosophisch vor mich hin und fand es gar nicht mal so übel, am Leben zu sein...
bis dann plötzlich aus dem Nichts wie in einer Folge der Simpsons eine verbiesterte alte Frau mit einer Plastiktüte auftauchte, dem sie einen großen, offenbar nicht mehr backfrischen Laib Schwarzbrot entnahm, um ihn in Fetzen zu reißen und unter das sich traubenartig zusammenballende Entenvolk zu werfen, dabei dem Geflügel wichtige Anweisungen zukrächzend wie "Halt, halt, alle de Roi nooch, ihr krieget alle was... wo sinn die Kloine?"
Nach fünf Minuten hatte ich genug von dieser Freakshow und flüchtete... den Gedanken, daß ich- wäre das im Alter mein offensichtlich größter Lebensinhalt- lediglich zum See gehen würde, um mich darin zu ersäufen, unausgesprochen lassend.

Gespenster, die Dritte

Manchmal, in ruhigen, stillen Minuten, fragt man sich ja schon, warum man nicht einfach konsequent sein kann.
Man trifft Leute wieder, von denen man anderthalb Jahre mit gutem Grund nichts gehört hat, und in dem Moment paßt alles.
Die angesprochene Entmaterialisierung wäre bestimmt nicht das Verkehrteste...
zumindest dadurch die Entscheidung, ob man seine Inkonsequenz verfluchen soll, oder für die Fähigkeit, auch mal über seinen Schatten zu springen (eine Phrase, mit der man eben diese Inkonsequenz gerne ummäntelt) dankbar sein soll, abgenommen zu kriegen, wäre irgendwie ziemlich klasse.
Aber deswegen auch gleich noch gerade kürzlich erstellte Posts zurückzuziehen, oder mich gar dafür zu entschuldigen, weil die angesprochene Person angemerkt hat, diesen Blog regelmäßig zu lesen: dieser Grad an Selbstverleugnung muß dann doch nicht sein.

Momentaufnahmen sind und bleiben eben solche.

Sonntag, 8. August 2010

Unverquast

Manche Songtexte bzw. einzelne Zeilen daraus kommen dermaßen perfekt auf den Punkt, man würde sie sich am liebsten auf den Rücken tätowieren lassen.
Oder zumindest in irgendein Tuch sticken und es dann rahmen.

Momentan hat es mir textlich vor allem "Love Songs For The Unloved" von Sheer Terror (Hardcorewochen bei Bronkowitz, offensichtlich)angetan, besonders der Titelsong.
Und dazu braucht Paul Bearer nicht mal in die Metaphernkiste zu greifen.
Es reicht einfach eine schlichte Aussage, die in manchen Situationen mehr Wahrheit beeinhaltet als irgendwelcher verkopfter Quark:

"I wish I had something new to tell you,
I wish I could say anything at all to make you go away (please don't leave)."


Sehr schön.

"How I hate this 108..."

Weil wir es gerade von "Hardcore" hatten: innerhalb der "guten" Seite des Hardcore gab es eine Szene, die mir gewaltig auf den Senkel ging.
Christenhardcore habe ich schon immer weitgehend gemieden; aber um Krishnahardcore kam man in den 90ern nur schwerlich herum, so sehr man es auch versuchte.
Und heute schlage ich das OX auf und erblicke tränenden Augs die Blödmänner von 108. Heißa, was haben wir uns gefreut.
Immerhin bringt einen das dazu, mal wieder "108" von Slapshot aufzulegen, aus welchem obiges Zitat stammt.

Es muß Anfang oder Mitte der 90er gewesen sein.
Trotz meiner Boykotthaltung wurde ich in einem Auto als Mitfahrer mit 108 beschallt, ohne anfangs zu wissen, was mir da vorgesetzt wurde. Im Vergleich zu den eher poppigen Shelter war das ein gnadenloses musikalisches Brett, das mich dermaßen in den Sitz preßte, daß ich mich dann doch zu einem Konzertbesuch überreden ließ.
Ich glaube, es war das Café Central in Weinheim oder irgendwo in Ludwigshafen... aufgrund meines Verdrängungsmechanismus kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern.
Aber den Umstand, solchen Kompletthorsten mein Geld in den Rachen geworfen zu haben, den bedauere ich noch heute unverändert.
Musikalisch war das großartig... aber die Ansagen gehörten zum Unrechnungsfähigsten, was ich abseits irgendwelcher Pfaffenshows im Fernsehen jemals zu hören bekam. Und irgendwann konnte ich nicht mehr an mich halten.
Forderte "Emptiness. Despair. Guilt. Loneliness." oder eine ähnlich glumpfige Assoziationskette, die mit dem Satz "This is a song about sexuality" abgerundet wurde, bei mir lediglich die halblaute Bemerkung heraus, der Idiot solle doch zum Therapeuten gehen, wenn er solche Probleme mit Sexualität hätte, war bei der nächsten Ansage alles zu spät.
"The corpse is lifted unto the table; to show your horns you are not able; and every hair on the back of every cow you eat means one more year in hell for you" trieb mich- damals selbst noch überzeugter Vegetarier, was ich immerhin 12 Jahre lang war- wüste Beschimpfungen ausstoßend augenblicklich zur Tür hinaus.
Draußen standen Leute herum, die ich kannte, und die meinen Furor nicht nachvollziehbar fanden.
Ob es mir lieber wäre, er würde Fleisch essen?
Die Antwort, daß mir jeder Fleischesser mit gesundem Menschenverstand lieber wäre als solche Bekloppten, und daß Adolf Hitler schließlich auch Vegetarier gewesen sei, waren meine letzten beiden Bemerkungen vor Verlassen dieses grusligen Ortes.
Nichts hat mich jemals wieder dazu bewogen, mir diese Scheiße noch einmal freiwillig anzuhören.
Und jetzt sind 108 zurück.
Ich grüße nach wie vor freundlich mit hochgerecktem Mittelfinger.

Samstag, 7. August 2010

NSHC fuck off!

Es gibt und gab in der Hardcoreszene ja schon immer Inhalte, die fragwürdig bzw. nicht unbedingt explizit politisch links waren... gerade bei Bands wie Agnostic Front, Madball, Warzone, Sheer Terror, Slapshot, Sick Of It All, Judge etc. pp.
Trotzdem waren die Bands im Zweifelsfall zu verorten. Auch wenn sie für manche Leute schwer erträgliche Ansichten hatten, waren es doch keine Faschisten.

Doch was sich zur Zeit unter dem Etikett NSHC formiert, nämlich explizit nationalsozialistische Hardcorebands (wobei das alleine schon ein Oxymoron ist), ist schlicht und ergreifend zum Kotzen.
Ich möchte hier nicht essayistisch die ganze Bedeutung und Geschichte aufrollen, dazu bin ich erstens zu faul, und zweitens kann das jeder selbst im Netz nachlesen, wenn er NSHC googelt, und zwar von beiden Seiten... wobei die rechte zumindest dazu taugt, sich zu informieren, von welchen Bands man lieber die Finger läßt, denn vieles ist erst auf den zweiten Blick als NSHC erkennbar.
Ich möchte mit diesem Beitrag nur kurz auf die Problematik aufmerksam machen.
Es kann nicht angehen, daß wieder eine Subkultur von Neonazis vereinnahmt wird, wie es mit der Skinheadbewegung schon einmal geschehen ist.
Dafür ist sie mir zu wichtig.

*edit*

Hier doch noch eine Mailadresse, die führt zu einem gut gemachten und informativen Reader über dieses Thema:

http://ausschalten.wordpress.com/

Freitag, 6. August 2010

Blick in den Abgrund

Ich bin es ja von Berufs wegen eigentlich gewohnt, mit psychisch Kranken umzugehen. Die bizarren Erlebnisse, die mir das teilweise schon beschert hat, würden einige Kladden füllen.
Beunruhigt war ich dabei äußerst selten... teilweise nicht einmal, wenn ich körperlich bedroht wurde.
Anders ist es, wenn man dem blanken Wahnsinn in der freien Wildbahn begegnet... und damit meine ich nicht irgendwelche Irren am Bahnhof oder an Straßenbahnhaltestellen, auch die kennt man schon seit Jahren vom Sehen her und macht sich höchstens Gedanken, wenn sie mal eine zeitlang fehlen.
Nein, ich meine Wildfremde, die sich einen Moment lang offenbaren und dabei schwindelerregende Abgründe zur Schau stellen, die einen mit einer sich eklig anfühlenden Gänsehaut des Grauens den Heimweg antreten lassen, wissend, daß da draußen etwas unterwegs ist, was man gar nicht so genau wissen will... bzw. dessen Leben man auch nicht mal ansatzweise führen möchte.

Es muß wohl vor zwei oder drei Jahren gewesen sein:
ich stieg am Entenfang aus der Bahn und ging die Lameystraße entlang nach Hause. In gemessenem Abstand lief vor mir eine junge Frau, von der ich annahm, sie sei hübsch, zumindest ließ das, was ich von ihr sehen konnte, diesen Schluß zu.
Sie war bereits am PENNY- Markt, ich noch auf Höhe des Parkplatzes desselben, als mir plötzlich ein Typ den Weg versperrte... blaue Trainingsjacke, dreckige Jeans, fettiges Haar und ein altmodisches Kassengestell, dahinter ein debiler Gesichtsausdruck, der auch dem Unbedarftesten klargemacht hätte, daß da nicht viel zu holen war.
Er grinste mich an, schaute kurz der Frau hinterher und sagte dann mit verschwörerischem Unterton:
"Das da ist meine Freundin."
Und bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte, war er bereits wieder auf dem Parkplatzgelände verschwunden.
Ich habe ihn nie wiedergesehen... aber diese geschätzt fünf Sekunden an jenem Abend sorgen auch heute noch bei mir für ein flaues Gefühl in der Magengegend.
Scary, isn't it?

Im Wunderland der verlorenen Platten

Was eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist:

mich an freien Tagen meiner Plattensammlung zu widmen. Neben selten Gehörtem tauchen mittlerweile immer mehr ungehörte Scheiben auf, sei es, weil man gerade keine Lust dazu hatte und sie trotz aller guten Vorsätze ins Regal gewandert sind, sei es, weil man sich drei Alben gekauft hat, beim erstbesten hängenblieb und aufgrund assoziativer Querverweise bei allem möglichen landete, nur nicht da, wo man eigentlich hinsollte und -wollte.
Mittlerweile tauchen Platten auf, von denen ich gar nicht mehr wußte, daß ich sie überhaupt besitze. Das gibt dem Vorgang natürlich einen Hauch von enormer Dekadenz.
Denn- das wird sich der vom Plattensammlerwahn weitgehend freie Leser fragen- was ist der Sinn und Zweck des Ganzen?
Platte um Platte anzuhäufen, vor einem unübersichtlichen Regal stehen und dennoch immer dieselben 200 Alben zu hören? Bzw.: ob das Ganze nicht reine Jagd nach Stückzahlen sei, Musik zur bloßen Ware verkommt, überhaupt noch einen nachvollziehbaren Stellenwert hat?
Das sind mit Sicherheit berechtigte Fragen.

Die Antwort wäre für alles nach "Bzw." ein einfaches "nein". Das wäre aber tiefenpsychologisch nicht weiter verwertbar, außer der Onkel Doktor diagnostizierte eine Art spätpubertärer Trotzreaktion.
Deswegen ein einfacher Erklärungsversuch: abgesehen von der Tatsache, daß manche Leute ihr Auto tunen, in gereiftem Alter irgendwelche jugendlichen Dumpfbacken in Paninialben kleben(wobei die Parade der mittlerweile erschreckend identischen Hackfressen aufgrund ihrer Abwesenheit von Schnauzbärten und Scheißfrisuren seit Ende der 80er auch immer langweiliger wird), oder aus in Kunstharz eingegossenem Hundekot Mobiles basteln (nun gut, das ist reine Spekulation, aber wundern würde es mich auch nicht), ist das Sammeln von Platten ein Hobby wie jedes andere auch, wie es jeder hat oder zumindest haben sollte.
Zudem ist es eines, über das man nicht nur wunderbare Nerdgespräche führen kann, sondern das sich auch einfach teilen läßt... wer jemals mit einem ihm wichtigen Menschen auf ein bestimmtes Lied ausgeflippt ist, wird das nachvollziehen können.
Jeder, der etwas mit Leidenschaft tut, wird wissen, was für einen Zugewinn er sich damit im Leben erworben hat... sei es nun das Basteln von Buddelschiffen, das Sammeln von Gipsfigürchen oder das Herumjuckeln mit dem Fahrrad über Stock und Stein.
Hauptsache, man wird zeitlebens kein "reiner Durchgang für die Nahrung" (da Vinci).

Und das Allerwichtigste an diesem ganzen Sermon: ich liebe Musik.
Seit ich ein Kind war, gibt es für mich kaum etwas Wichtigeres. Nichts, was meine momentane Stimmung genauso wiederspiegeln, mich so schnell aufbauen und in den falschen Momenten schier in Tränen ausbrechen lassen oder mehr zu einem gelungenen oder mißratenen Abend beitragen kann.
Bin ich in einem Club, in dem die Musik beschissen ist, gibt es kaum noch etwas, was den Abend retten kann... anregende Gespräche vielleicht noch, aber da ich mich zumeist mit Leuten umgebe, bei denen die Beschallung einen ähnlichen Stellenwert genießt wie bei mir, läuft das Ganze bei beiderseits sinkendem Stimmungsbarometer letztendlich irgendwann auf ein gelangweiltes Anschweigen hinaus (das gilt nur in Clubs oder auf Konzerten, wohlgemerkt... trifft man sich in einer Kneipe, erwartet man normalerweise nicht, daß der Abend bei Hintergrundbeschallung in einen Tanzmarathon ausartet).
Und die Frau seiner Träume begegnet einem selten mal auf langweiligen Clubabenden, sonst wären es keine; und langweilige Clubabende, auf denen man die Frau seiner Träume trifft, dauern gefühlte 5 Minuten, in denen auch das Gesamtwerk von Michael Bolton laufen könnte, ohne daß man es bemerken würde.

Nein: mehr Platten zu besitzen, als ich jemals würde hören können, war einer meiner Kindheitsträume, die ich mir erfüllt habe. Punkt.
Darin zu stöbern und bislang sträflich Ignoriertes zu entdecken, macht fast soviel Spaß, wie in einer Art Jäger- und- Sammler- Stimmung in einem Plattenladen Langgesuchtes zu finden, oder die Genugtuung, nachdem man stundenlang von einem Ohrwurm geplagt wurde, daheim einfach ins betreffende Regal greifen und sich das Stück anhören zu können.
Ich liebe das; und ich würde es niemals gegen irgendwelche anderen Hauptinteressen tauschen.

P.S.: ich habe gerade die "Jack Pepsi"- EP von Tad im Regal entdeckt. Großer Spaß.

Aus dem toten Winkel

Schreiben, das weiß jeder, der sich auch nur annähernd professionell damit beschäftigt, ist Arbeit.
Wenn man längere Zeit aus der Übung ist, ist man komplett draußen. Keine Inspiration kommt einem da zu Hilfe, die einen schlagartig wieder sechs Stunden am Stück wie wahnsinnig in die Tasten hauen läßt, wie das der Fall ist, wenn man sich eine Arbeit vorgenommen hat und sie schon länger verfolgt.
Nein, ist man aus der Übung, fallen einem die einfachsten Dinge schwer; Metaphern sind ranzig, der Satzbau auch nach mehrmaligen Versuchen eine pure Katastrophe, und die Muse, die einem in Momenten kreativer Höhepunkte barbusig auf den Schoß hüpft, muß erstmal mühsam wieder aus dem Keller hervorgekramt werden und hat anfangs etwas Quasimodohaftes.

Zumindest mir geht es gerade so.
Nach mehr oder minder erzwungener Kreativpause taste ich mich im absoluten Kriechgang wieder an das Sujet heran... rückblickend hat das bei "Erste Liebe" noch lange nicht so gut funktioniert, wie ich dachte.
"Erste Hürde" wäre durchaus der adäquatere Titel gewesen.

Ich weiß noch nicht, wo alles hinführt; jeder Tag ist ein Kampf gegen mich selbst, zuerst einmal die Überwindung, tatsächlich wieder tätig zu werden und danach der, das Ergebnis auf die Menschheit loszulassen, sich bewußt werdend, daß es negative Kritik hageln wird, ja, hageln MUSS, um daraus zu lernen und zu seinem selbstgesetzten Standard zurückzukehren.

Schön, wenn man sich wieder den Luxus erlauben kann, so etwas als Problem zu betrachten.

Heutiges Ergebnis meiner Bemühungen ist folgende kleine Geschichte. Ich weiß nicht, ob sie gut ist; mögen würde ich sie jedenfalls, wenn sie jemand anderes verfaßt hätte. Jedenfalls wollte ich sie einfach aufschreiben; das habe ich hiermit getan.


Der G_lgenm_nn


Die sterbende Erdkröte lag im Rinnstein, und als letztmögliche Bewegung zuckte eines ihrer Hinterbeine noch krampfhaft... ein verzweifeltes Rudern im Straßenstaub, der an ihrer Unterseite klebte wie Panade, während der obere Teil ihres Körpers in der Sonne bereits dermaßen vertrocknet war, daß er an gebeiztes Leder erinnerte.
Ob ihre milchig trüben Augen ihn wahrnahmen, ob sie überhaupt noch etwas sah: er konnte nur spekulieren.
Aber dennoch beschloß er, freundlich zu sein: es war kein Fehler, im Angesicht des Todes ein gewisses Maß an Empathie zu zeigen.
Er legte sich auf das Trottoir, sein Gesicht in Höhe des zuckenden Krötenkörpers, und drehte den Kopf in dessen Richtung.
"Na, das war's dann wohl, mein Freund?"
Das klang unangemessen sarkastisch, wie er sich selbst eingestehen mußte. Vielleicht sollte er als Zeichen seiner durchaus ehrenwerten Absichten versuchen, anderweitig Kontakt zu dem dahinsiechenden Tier aufzunehmen, in der vagen Hoffnung, den nebulösen Schleier verlöschenden Lebens zu durchbrechen.
"Quak", sagte er. "Quak quak?"
Die Sonne, die trotz der frühen Morgenstunde bereits unbarmherzig den Asphalt aufwärmte, trocknete langsam den Urin im Schritt seiner verdreckten Hose.

Heute war ein guter Tag zum Sterben.
Das war sein erster Gedanke, als er an einem schartigen Stein seinen Stiefelabsatz von den letzten Überresten der zerstampften Erdkröte befreite.
Er hatte den Beweis angetreten: lag man heute irgendwo und wartete auf seine letzte Stunde, gäbe es eine gute Chance, das Eingreifen einer höheren Macht herbeizurufen, die dem ganzen Elend mit einem Schlag ein Ende bereiten würde.
Hooka Hey, wie die Indianer sagten... er würde sich in aller Ruhe auf die Weide ein gutes Stück außerhalb des Dorfes legen und dort auf sein Ende warten, bereit dazu, den Atem Gottes zu spüren, der ihn aus seinem niederen Dasein befreien würde.
Hooka Hey.

Die Mittagshitze schien die Luft um ihn herum in eine gallertartige Masse zu verwandeln, als er im frischgemähten Gras lag, das morsche, wurmstichige Gebälk der Pferdekoppel hinter sich, das sich seinem Blick entzog, so sehr er es auch suchte.
Er suchte auch die Gemeinsamkeit: ein verwitterter Pfosten, ausgewaschen und von der Sonne dermaßen vertrocknet, daß ein Funke reichen würde, ihn zu entzünden und gnadenlos zu vernichten, alles um ihn herum mit in den Untergang reißend.
Er würde dem zuvorkommen: er tat der Menschheit und sich selbst den Gefallen, im gleißenden Licht der in ihrem Zenith stehenden Sonne auf die Dehydration zu warten, die seine Nieren versagen lassen würde.
Regungslos lag er da, selbst als eine blauschimmernde Schmeißfliege träge über sein Gesicht kroch.
Zeit, sich zu erinnern, was ihn hierhergeführt hatte... unterstützt wurde dieses Vorhaben durch den fliegenbeininduzierten Niesreiz, der ihn plötzlich überkam und seinen Oberkörper in die Höhe riß, als er schlagartig in seine offene rechte Hand prustete.
Im Gegenlicht betrachtete er seine dürren, zitternden Finger und den hauchdünn zerfaserten Schleim dazwischen, fein wie ein Spinnennetz.
Fast war es ihm, als seien die Fäden, die ihn in den letzten Jahren immer weiter eingewickelt hatte, bis es ihm unmöglich war, sich aus eigener Kraft daraus zu befreien, nun endlich sichtbar gemacht.
Das "Dr." vor dem Namen in seinem Personalausweis: es war bereits so lange her, daß er sich kaum noch daran erinnern konnte, wie es zustandegekommen war.

Er war immer noch da.
Ein letztes Rot stand über dem Horizont, wie ein aufgespannter Streifen blutiger Gaze.
In seiner Schulzeit hatten sie ein Spiel, das man Galgenmännchen nannte: er erinnerte sich, als sei es gestern gewesen, die zurückliegenden Jahre gnädig überspringend.
Man mußte ein Wort erraten, indem man einzelne Buchstaben nannte, um die Striche aufzufüllen, die an die Schultafel gemalt waren... für falsche Buchstaben wurde ein Kreidegalgen daneben errichtet, an dem- konnte man das Wort nicht nennen- ein Strichmännchen baumelte.
Erriet man das Wort vorher, fehlte dem Männchen ein Arm oder ein Bein, aber es durfte weiterleben. Es MUSSTE weiterleben, mit dem Kopf in der Schlinge.
Wer hatte geraten? Wie lautete das Wort?
Er wußte es nicht, nur ungefähre Vermutungen zirkulierten in seinem Kopf, nicht greifbar, nicht diskutabel, nicht mehr ernstzunehmen, seit er sich aus den Kreisen verabschiedet hatte, in denen er früher ein gerngesehener Gast war.
Nun war er nur noch der G_lgenm-nn, darauf wartend, endlich vervollständigt zu werden.

Der Vollmond war nun deutlich von seinem Liegeplatz aus zu sehen... in seinem kalten Widerschein starrte er in dessen pockennarbiges Gesicht.
Fast war es ihm, als erhöbe die Liebe ihr häßliches Haupt.

Donnerstag, 5. August 2010

Life On Mars

Gestern ist Hamburg endgültig geplatzt.

Natürlich nicht in der Realität; aber meine letzte Option war ein Zimmer in einer 2er- WG, bei dem sich mein designierter Mitbewohner dann gestern doch kurzfristig entschloß, es anderweitig zu vergeben.
Und nun?

Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, daß mir die Entscheidung nun doch abgenommen wurde, zumindest einmal vorerst. Aber ein Gefühl der Erleichterung kann ich mir dennoch nicht verhehlen.
Daß ich in den letzten beiden Tagen die komplette zweite Staffel der BBC- Serie "Life On Mars" auf DVD geschaut habe, paßt irgendwie dazu:
der Protagonist hat in der Jetztzeit einen Autounfall und landet im Wachkoma im Jahr 1973, in dem er versucht, wieder zurück nach Hause ins Jahr 2003 zu kommen... und als er dies endlich schafft, merkt er, wie sehr er plötzlich seine nun gewohnte Umgebung vermißt, die ihn eigentlich nur völlig angekotzt hat, als er sich noch gezwungenermaßen dort befand.

Kommt mir ziemlich bekannt vor.