Dienstag, 5. August 2014

Nächtliche Erstickungsanfälle

Kollege Klaus N. Frick hat seine Verwunderung über die ungeheure Popularität, die Helene Fischer samt ihrem Hit "Atemlos durch die Nacht" vor allem unter jungen Leuten genießt, bereits in seinem Blog kundgetan.
Ich möchte mich da gerne anschließen und den Gedanken noch weiterspinnen...ohne dabei in die Falle zu tappen, die komplette Schlagerhörerschaft zu geistig Minderbemittelten zu erklären.
Meiner Meinung nach macht beispielsweise auch Xavier Naidoo weitgehend hirnbefreite Scheißmusik, die ich mir nur freiwillig anhören würde, wenn die Alternative aus 20 Hieben mit der Rattanrute bestünde. Trotzdem habe ich in meinem Freundeskreis Menschen, die ich sehr schätze und sich als Naidoo- Fans bezeichnen... welche dunkle Macht sie auch immer dazu getrieben haben mag, ich war es jedenfalls diesmal nicht.
Aber die Feststellung, daß meine Generation durch eine ersetzt wird, für die ältere Leute, die immer noch Punk, Metal oder sonstigen Lärm hören, eine Art Freakshow aus einer untergegangenen Epoche darstellen, drängt sich schon seit längerem immer mehr auf (davon abgesehen, daß sich die Meinung einschleicht, in unserer Jugend sei vieles besser gewesen... was habe ich diesen Satz vor 20 Jahren gehaßt).
Nicht nur, daß wir die erste Generation sind, die von halb so alten Leuten den Satz "das ist doch keine Musik, sondern nur Krach" zu hören bekommt (was ich an Zitaten aus dem Musikforum, in dem ich aktiv bin, belegen kann), sondern die umgekehrt auch die Musik der Jüngeren nicht für Krach hält, sondern bestenfalls für langweilig. Oder für Bierzelt- Ballermann- Schlagermüll.
Verwundert mußte ich letztens die Aussage einer jungen Arbeitskollegin hinnehmen, daß sie meine "Musik" (die Anführungszeichen sind mit Bedacht gesetzt) nicht hören mag... sondern stattdessen deutsche Schlager, die wären wenigstens lustig.
Schlager. Deutsche Schlager.
Wenn ich daran denke, wie dankbar wir früher waren, wenn wir diese Scheiße eben nicht hören mußten und als wie folternd ich schon als Kind längere Autofahrten mit meinem mittlerweile leider verstorbenen Patenonkel empfand, dessen Cassettendeck mit den Flippers oder Andreas Martin gefüttert wurde, kann ich das nicht nachvollziehen. Ich verstehe die Jugend nicht mehr. Ich bin raus.
Es mag sein, daß das auch eine Form der Rebellion ist; mit was sollen uns unsere Kinder schocken? Wir sind teilweise mit Slayer, Napalm Death, GG Allin oder Throbbing Gristle alt geworden, und heutzutage langweilen uns schon die meisten aktuellen Bands aus diesem Segment und werden unter der Rubrik "Vor 20 Jahren schonmal gehört, und zwar besser" abgeheftet. Da hat man für Gestalten wie weiland Marilyn Manson nür ein müdes Grinsen übrig.
Vielleicht ist es auch eine Art von gefühltem Undank, den man verspürt: unsere Generation mag zwar auch ihre Fehler gehabt haben, hat sich aber nicht jahrelang mit Spießern, Neonazis und Pfaffen herumgeärgert (beziehungsweise im Extremfall -geschlagen), nur damit die Jugendlichen heutzutage wieder werden wie... unsere Eltern.
Ich habe schon einmal an anderer Stelle den Ausruf "Überrascht uns! Beleidigt uns! Haßt uns! Aber langweilt uns um Himmels Willen nicht zutode!" gepostet und tue es hier gerne wieder. Aber momentan sieht es eher so aus, als müßte man- sollte sich das Ganze wirklich immer zyklisch wiederholen- seine Hoffnung in die Enkelgeneration setzen.
Leider fürchte ich, bis dahin zu alt, krank, dement oder tot zu sein, um mich noch darüber freuen zu können.

1 Kommentar:

  1. Das ist aber mal ganz schön misanthropisch ... Ich kann's aber verstehen: Früher habe ich versucht, die alten Leute zu schocken; heute versuche ich es bei jüngeren. Beim Pogo erfülle ich ja gelegentlich gern die Rolle eines alten bösen Mannes ...

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