Versuch einer Kritik an Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten"
Wenn man es- in einem Anfall von Masochismus- auf sich genommen hat, eine 1359seitige Dummschwarte zu lesen, darf man sich auch dazu berufen fühlen, der Welt seine Eindrücke mitzuteilen.
Zunächst einmal zur Handlung: Dr. Maximilian Aue, ehemaliger Obersturmbannführer der SS, schreibt im vorgerückten Alter seine Memoiren. Schonungslos, natürlich.
Aufgerollt wird die komplette Geschichte des Zweiten Weltkriegs samt Ermordung von 6 Millionen Juden bis zum lugubren Ende im zerbombten Berlin, wo der Russ' bereits auf der Fußmatte steht.
Soweit, so gut. Das liest sich zumindest in den nüchtern formulierten, historisch nachvollziehbaren Abschnitten fesselnd, fundiert und halbwegs bestürzend.
Was heißen will, daß Littell ein guter Sachbuchautor wäre.Leider sieht er sich aber als Romancier, als ein Künstler gar. Und ab da wird es wirklich grauenhaft.
Denn natürlich hat Dr. Aue auch ein Privatleben, und das liest sich, wie am Reißbrett eines überambitionierten Kunstseminars zusammengepuzzelt. Er darf natürlich kein Biedermann mit einer halbwegs bürgerlichen Existenz sein; das wäre vermutlich zu unspektakulär, auch wenn es seinen Abstieg zum Erfüllungsgehilfen eines verbrecherischen Regimes wahrscheinlich authentischer gemacht hätte.
Nein, die Kopfgeburt Dr. Aue ist ein deutsch- französischer homophiler Schöngeist mit einem Mutterkomplex und einer inzestuösen Liebe zu seiner Zwillingsschwester, dessen Mutter und Stiefvater im Lauf des Buches noch von einem Psychopathen ermordet werden, und der sich beim Onanieren gerne Würste und Besenstiele in den After einführt.
Das eigentliche, vollmundig angekündigte Sujet, nämlich schonungslose Schilderung der Vernichtung von sechs Millionen Juden, rückt infolgedessen im Lauf des Buches immer mehr in den Hintergrund, denn der Platz wird für eine ausführliche Introspektive Aues benötigt.
So wird der Leser nach Aues Verwundung in Stalingrad zunächst einmal mit einer genauso sinn- wie talentfreien Seitenschinderei malträtiert, die eine Abfolge von Traumbildern darstellen soll, was uns in eine sprachlich limitierte Bleiwüste von mehr als 20 Seiten führt, und zwar folgenden Inhalts:
der verwundete Dr. Aue landet in seinem Fiebertraum im Zeppelin des Dr. Sardine (Zitat Eckhard Henscheid: "Wer hat da gelacht? Ach so, das war er selbst"), der zum Ende der Welt unterwegs ist. Und das liest sich noch grumpf- und sumpfdümmer, als es hier klingt. (Nachträglich eingefügt, da übersehen: da die Sardine ein Heringsfisch ist und die Passage auf einem fliegenden Objekt spielt, kann man ahnen, welch bärtiges Wortspiel sich dahinter auf einer tiefenpsychologischen Ebene verbirgt. Aber will man das wirklich wissen?)
Aber damit fängt der Niedergang nach dem halbwegs passablen Start erst an: nächster Tiefpunkt ist jene Halluzination, in der Aue Adolf Hitler bei einer Rede plötzlich als Rabbiner am Pult stehen sieht. Erklärt wird das mit dem in Stalingrad erlittenen Kopfschuß, der eine Art drittes Auge zur Folge hat, durch das Aue laut eigener Aussage in der Lage sei, die Realität hinter allen Dingen zu erkennen.
Die Frage ist damit nur, was uns diese Passage somit sagen will: daß Hitler in Wirklichkeit Jude war? Gern Jude gewesen wäre? Insgeheim die Juden bewunderte? Mit den Juden ein Stück Deutschland umbrachte? Daß nicht nur Aue einen Kopfschuß erlitten hat, sondern irgendwann auch der Autor? Dunkel bleibt der Worte Sinn.
Aber die Geschichte ist noch lang, und Frankreich ist groß und von Menschen bevölkert, die sich schon für bedeutende Autoren halten, wenn in ihren Romanen nur ausreichend gewichst, geleckt und gearschfickt wird, und das möglichst "kontrovers", wenn nicht grad geschissen und gekotzt wird, am besten alles zusammen.
Sei es Nicolas Jones-Gorlin mit "Rose Bonbon", sei es Catherine Millet mit ihren eigenen Fickgeschichten, hauptsache, es wird gepimpert, bis die Schwarte kracht, je expliziter, desto besser, desto subversiver, desto verkaufsfördernder. Ob da noch irgendwo Sinn und Verstand drinstecken, die Frage ist müßig.
Davon abgesehen, daß alles mögliche erotische Konnotationen hervorruft (Beispiel: eine griechische Statue im Museum in Paris) muß auch Dr. Aue natürlich am Ende Gelegenheit bekommen, sich ausgiebig selbst zu befriedigen und dabei an seine Zwillingsschwester zu denken, in einem quälend langen Abschnitt mit Holzdildos, Kerzen im Arsch, seiner eigenen Scheiße und inzestuösen Phantasiebildern, bis man sich vor lauter Überdruß an der deutlich plazierten Stammhirnkacke des Autors Schilderungen der Tätigkeit des Protagonisten im KZ zurückwünscht, bevor Littell das Buch in einem von Zufällen Dickens'scher Dimension wimmelnden, plumpen, unbeholfen erdachten Schluß vor der völligen Ausfaserung rettet und wieder in die Spur zurückführt. Denkt er.
Und was denke ich?
Daß 6 Millionen toter Juden als Statisten für einen dummdreisten Kunstporno herhalten müssen, in dem der Protagonist als schicke Chocerie SS- Mann ist (auch so eine unselige literarische Masche aus vergangener Zeit)? Daß es toll ist, wie er am Ende die Bombardierung Berlins schildert, so daß auch die Deutschen noch ihr Stück vom Opferkuchen abhaben dürfen? Daß man sich Skandale wie die Selbstinszenierung eines Verbrechers wie Albert Speer als waschecht guten Nazi mit einhergehendem Nachkriegsruhm und -reichtum besser ohne pseudoliterarischen Überbau vor Augen führen sollte? Daß die Behängung dieses Machwerks mit Preisen ein Indiz für den verrotteten Kulturbetrieb ist, in dem die Schlüsselworte "Juden" und "Shoah" jeden Quatsch rechtfertigen?
Immerhin: als Aue am Ende im Berliner Zoo einen toten Gorilla findet (natürlich sinnlos hingemetzelt von barbarischen Russen), der so "menschenähnlich aussieht, daß man erwartet, er würde gleich zu reden beginnen", mußte ich immerhin einmal lachen. Die unfreiwillige Komik ließ mich sogar im nächsten Augenblick meine Befürchtung vergessen, Aue würde nun auch noch den Gorilla in den Arsch ficken.
Montag, 20. Mai 2013
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen