Donnerstag, 7. Juli 2011

Hell is round the corner

Wenn ich mit meinem Kumpel Mario Haecker zusammentreffe, der im TITANIC als Koch arbeitet, endet der Abend rituell mit einer Stippvisite in Randgebiete der menschlichen Existenz, die vom Ausgangspunkt gerade mal gut 100 Meter und eine Häuserecke entfernt sind.
Es geht "...ins Blatt", das ist eine Kneipe exakt diesen Namens, die bis um drei geöffnet hat, so daß man die Wartezeit bis zur Ankunft von Marios Bahn noch bei einem Bier zubringen kann... und zwar in einem Laden, dessen Stammbedienung gerade wegen Verstoß gegen die Bewährungsauflagen in den Knast gewandert ist und man sich bei irgendeinem Eurodancegequieke oder den Böhsen Onkelz zurücklehnen kann, um miserabel gekleideten Trägern von Nackenspoilern beim Versuch zuzusehen, irgendwas zum Resteficken zu kriegen.
Das ist so trostlos, wie es sich anhört. Zumindest haben solche Läden den unbestreitbaren Vorteil, daß man- egal, was einem in letzter Zeit Verdammenswertes passiert ist- zumindest mal die restliche Nacht lang zur Überzeugung gelangt, daß das eigene Leben ziemlich großartig ist, wenn man es mit anderen vergleicht.
Vor allem, wenn ein Automatendaddler vorgerückten Alters auf seinem Stuhl sitzt und Bier aus einer Flasche mit Trinkvorrichtung zu sich nimmt... und man nach einem kurzen Blick entsetzt feststellt, daß er das tut, weil er keinen Unterkiefer mehr hat, da ihm selbiger scheinbar vor einigen Jahren entweder krebs- oder autounfallbedingt entfernt wurde.

Und während man dann dasitzt und sich unbewußt übers Kinn streicht, erfüllt einen eine immense Dankbarkeit für dessen pure Existenz. Das muß auch erst mal jemand auslösen können: daß man in lauer Sommernacht kurz nach 2 plötzlich beginnt, sein Kinn zu lieben.

3 Kommentare:

  1. Starke Vorstellung - respektabler Text. Cool.

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  2. Alles halbwegs erträglich, aber bei den Böhßen Onkelß werden klare Grenzen überschritten.

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  3. Ich freue mich auf dein neues Buch Kollege, liebe Grüße Andrea aka Pixie

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