Ich traf letzte Woche eine gewichtige Entscheidung, die ich heute meinen Eltern mitteilte.
Nachdem ich mich in Berlin intensiv mit korsischer Geschichte beschäftigte, um endlich meine Bildungslücken aufzuarbeiten, hatte ich erst einmal einen gewaltigen Brocken zu schlucken.
Ich wußte ja schon, daß Frankreich als Kolonialmacht auf Korsika einige Sauereien veranstaltet hatte, aber das Ausmaß der Ungerechtigkeit, welches die sogenannte "Francisata" mit sich brachte, hat sogar mich in seiner Infamie noch überrascht.
Geplant war, Korsika einen französischen Charakter zu geben und die korsische Sprache und Kultur restlos auszulöschen.
Daß dies nicht mit Waffengewalt geschah, sondern mit einem jahrelangen Verbot eben dieser Kultur sowie der massenhaften Ansiedlung von Festlandfranzosen ("pieds-noirs" genannten Algerienrückkehrern), die die Korsen zu einer Minderheit auf der eigenen Insel machen sollte (und auch machte), ist dabei nebensächlich.
Daß sogar Namen französisiert wurden, ist eine genauso unfaßbare Tatsache (auch wenn mir die schon länger bekannt war), wofür mein Nachname das beste Beispiel ist: der Buchstabe Y existiert nämlich im Korsischen nicht, und eigentlich lautet der Name Gaffori.
Sogar vor historischen Personen hat das Ganze in seiner Konsequenz nicht haltgemacht: so wurde aus dem ersten Präsidenten eines eigenständigen korsischen Staates, der dieser von 1755-1769 tatsächlich einmal war, Pascal Paoli (anstatt Pasquale); und mein Vorfahr Ghjian- Pietru Gaffori, der einst Corti gegen die Genueser verteidigte, fristet seit geraumer Zeit sein Dasein in der Geschichtsschreibung als Jean- Pierre Gaffory.
Dies nur als kurzer Abriß zu einem Thema, das mir sehr am Herzen liegt und dem ich mich hier im Blog noch einmal gesondert widmen werde, auch weil ich im Rahmen meiner Möglichkeiten sehr engagiert in dieser Sache bin.
Die daraus resultierende Entscheidung war, daß ich die eigentlich geplante Wiederannahme meiner französischen Staatsbürgerschaft, die ich mit 18 abgegeben hatte, bis auf weiteres ablehnte... sollte ich sie doch annehmen, hängt das von der eventuellen Notwendigkeit ab, mich mit französischen Behörden auseinandersetzen zu müssen, sollte ich jemals in die Verlegenheit kommen, auf Korsika mit meiner dortigen Familie Erbangelegenheiten regeln zu müssen.
Mein Support für die französische Nationalmannschaft ist ein schwierigeres Thema; hier werde ich aus dem Bauch heraus entscheiden, denn lebenslange Sympathie läßt sich nicht plötzlich kappen. Allerdings werde ich künftig nicht mehr im Frankreichtrikot zu sehen sein.
Das führte heute zum folgenden Dialog mit meinen Eltern:
meine Mutter, die ja Deutsche ist, machte mir Vorhaltungen, ich würde meinen Vater kränken, wenn ich kein Franzose werden will, und es sei ein Affront.
Daraufhin mein Vater: "Ich verstehe das. Franzose bin ich auch nur, weil ich den Paß habe, aber Frankreich geht mir auch schon immer am Arsch vorbei. Ich bin Korse, fertig."
Sonntag, 29. Mai 2011
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