Freitag, 17. Januar 2020

Eine Runde Boule

Manchmal braucht es nur einen kleinen - neudeutsch - "Trigger", um am Morgen eines Urlaubstages, den man mit einer Tasse Kaffee und guter Musik (Eric B. & Rakim: Paid In Full, der Vollständigkeit halber angemerkt) den kompletten Emotionshaushalt durchgeschüttelt zu bekommen.
In diesem Fall war das eine Mitteilung aus dem Heimatbrief des Dorfes, in dem ich größtenteils aufgewachsen bin.
Dieser wird von der Gemeinde Zeiskam auch an sogenannte Exil - Zeiskamer versandt, also an Menschen, die irgendwann ebenda einmal gelebt haben und nun weggezogen sind.
Im Ort gibt es einen Partnerschaftsverein, der sich um die Verbindung zu den beiden Dörfern Roccastrada in Italien und Monts in Frankreich kümmert, inklusive Besuche von Menschen aus beiden Gemeinden, was ich für eine durchaus löbliche Initiative halte.
Da mein Vater italienisch wie auch französisch sprach, wurde er in solchen Fällen gerne als Dolmetscher bemüht.
Und heute lese ich also in besagtem Heimatbrief, daß dieser Partnerschaftsverein sein traditionelles Bouleturnier nach meinem Vater benannt hat, um an ihn zu erinnern; das mag eine kleine Geste sein, zeugt aber von derartiger Anerkennung für ihn und seine Arbeit, daß ich kurz extrem überwältigt war.
Ich habe - als ich mit meinem Vater einmal mehrere Tage allein auf Korsika war - versucht, meine Boulefähigkeiten zu verbessern.
Leider stellte sich dabei heraus, daß es nach Tischtennis, Fußball, Singen und Gitarre spielen noch etwas gibt, was ich gerne könnte, in dem ich aber weitgehend unfähig bin.
Noch schlechter war ich nur beim Versuch, mit meinem damals bereits über 60jährigen Vater in der Dorfkneipe in Guagnu beim Pastistrinken mitzuhalten und am nächsten Tag noch Boule zu spielen. Nach einem Heimweg mit beiderseits schwerem Seegang stand mein Vater um zehn Uhr morgens wie wiedergeboren auf der Matte, um zu einer verabredeten Partie auf dem Dorfplatz anzutreten, dabei eine auf einem gräßlich großen Kater reitende Gestalt im Schlepptau, die rudimentär an mich erinnerte und sich zehn Minuten später wieder verabschiedete, um für den Rest des Tages im Bett herumzuliegen und sterben zu wollen.
Das hinderte meinen Vater aber nicht daran, bei sengender Hitze - die obligatorische Selbstgedrehte im Mundwinkel klebend - bis zum frühen Abend massive Metallkugeln durch die Gegend zu werfen und sich - wie jeder aus der versammelten illustren Runde kauziger älterer Herren auch - noch einmal eine gepflegte Ladung alkoholischer Getränke ins Gesicht zu schütten.

Ich wage mal die kühne Behauptung: ein würdigerer Namenspatron für ein Bouleturnier wird sich nur schwerlich finden lassen.
Riposa in pace, babbu caru.

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