Ich las mal ungefähr folgendes, was mich in den letzten Jahren immer darin bestärkt hat, auf der richtigen Seite zu stehen:
Stell dir einmal bildlich vor, daß der Mensch, den du auf dieser Welt am meisten liebst, tot auf der Erde liegt; nackt, zerschunden, abgemagert, seiner Würde beraubt, zwischen lauter anderen Schicksalsgenossen in einer Gosse entsorgt wie Dreck.
Solange wir uns das noch vorstellen können und dabei Wut, Haß und Trauer verspüren; solange wir noch in der Lage sind, dieses Bild und dieses Gefühl an nachfolgende Generationen weiterzugeben, solange ist noch nicht alles verloren.
Darum darf es nie einen Schlußstrich geben, denn wir sollten uns dieser historischen Aufgabe und der Verantwortung, die aus ihr erwächst, immer bewußt sein.
Mittwoch, 29. Januar 2020
Dienstag, 28. Januar 2020
Freitag, 24. Januar 2020
2020: Rückschläge revisited
Ich hatte eine vage Ahnung, daß 2020 nur antäuscht; zu gut lief alles seit dem Jahresumbruch.
Nun also "Die Papageienschaukel".
Es war bereits alles in trockenen Tüchern:
das Lektorat lief (wenn auch nicht durch Frau Turini, sondern meine Verlegerin höchstselbst), das Cover und der Klappentext waren in Auftrag gegeben, die Buchvorstellung war angemeldet, und was letzten Endes dabei herauskam, ist gerade komplett für den Arsch.
Ich mußte das Manuskript zurückziehen; der Fehler liegt bei mir, denn ich hatte mich ganz schnöde verkalkuliert.
Nach einer neuerlichen Rechnung schrumpften die erhofften 120 Seiten auf eine geradezu lächerliche Anzahl, und da ich nunmal ein Buch geschrieben habe und kein Reclamheft, schreit der Text nach einer gründlichen Überarbeitung.
Das heißt: alles Geschriebene noch einmal mit dem Rasiermesser in dünne Scheibchen schneiden, auffächern und dann möglichst sinnvoll unterfüttern. Und das wirft mich in punkto "Veröffentlichung" gerade im schlechtesten Fall um Monate zurück.
Da ich mich gerade durch eine Woche Nachtschicht würge und danach ein paar Tage freihabe, werde ich nun zumindest einige Leerlaufzeit (etwa nachts um halb drei) damit überbrücken, mir Gedanken und Notizen zu machen, damit ich Ansätze dazu habe, die sich angliedernde Erholungswoche sinnvoll zu nutzen.
Aber der Frust darüber, einen eigentlich veröffentlichungsbereiten Text noch einmal komplett von vorne beginnen zu müssen: dieses Gefühl ist zum Glück unbeschreiblich.
Nun also "Die Papageienschaukel".
Es war bereits alles in trockenen Tüchern:
das Lektorat lief (wenn auch nicht durch Frau Turini, sondern meine Verlegerin höchstselbst), das Cover und der Klappentext waren in Auftrag gegeben, die Buchvorstellung war angemeldet, und was letzten Endes dabei herauskam, ist gerade komplett für den Arsch.
Ich mußte das Manuskript zurückziehen; der Fehler liegt bei mir, denn ich hatte mich ganz schnöde verkalkuliert.
Nach einer neuerlichen Rechnung schrumpften die erhofften 120 Seiten auf eine geradezu lächerliche Anzahl, und da ich nunmal ein Buch geschrieben habe und kein Reclamheft, schreit der Text nach einer gründlichen Überarbeitung.
Das heißt: alles Geschriebene noch einmal mit dem Rasiermesser in dünne Scheibchen schneiden, auffächern und dann möglichst sinnvoll unterfüttern. Und das wirft mich in punkto "Veröffentlichung" gerade im schlechtesten Fall um Monate zurück.
Da ich mich gerade durch eine Woche Nachtschicht würge und danach ein paar Tage freihabe, werde ich nun zumindest einige Leerlaufzeit (etwa nachts um halb drei) damit überbrücken, mir Gedanken und Notizen zu machen, damit ich Ansätze dazu habe, die sich angliedernde Erholungswoche sinnvoll zu nutzen.
Aber der Frust darüber, einen eigentlich veröffentlichungsbereiten Text noch einmal komplett von vorne beginnen zu müssen: dieses Gefühl ist zum Glück unbeschreiblich.
Samstag, 18. Januar 2020
Zehn Jahre: es nagt der Zahn der Zeit
Diesen kurzen Absatz habe ich nach Beenden des Beitrags diesem vorangestellt: eigentlich wäre das hier ein gutes vorläufiges Fazit zum zehnjährigen Blogjubiläum 2019 gewesen.
Aber damals war ich nachvollziehbarerweise mit anderen Dingen beschäftigt.
Interessant ist es, aus Gründen der Prokrastination mal wieder irgendwelche Uraltbeiträge aus diesem Blog zu lesen.
Vor genau zehn Jahren habe ich einen Verriß zu Philippe Djians rumpeldummem vorgeblichen Roman "Erogene Zone" geschrieben, und dieser Beitrag ist mir in seiner flapsig - hysterischen Geschwätzigkeit heute angemessen peinlich.
Ansonsten kann ich mich an einiges nicht mehr (oder nur vage) erinnern. Manches finde ich noch ganz amüsant (ich gehöre zu den gesegneten Menschen, die über ihren eigenen Schwachsinn lachen können), bei manchen Beiträgen frage ich mich, was die sollten beziehungsweise was mir zu dieser Zeit mit Mitte 30 offensichtlich ohne Nachhall durch das Stammhirn rauschte. Das Gefühl, das sich dabei entwickelt, oszilliert zwischen Selbstzufriedenheit und Scham.
Ich bin definitiv älter geworden. Damals hingen mir noch Überreste aus meinen wilden Zwanzigern an, die ich irgendwann unbemerkt abgeschüttelt oder bewußt von mir abgekratzt habe.
Gelassener scheine ich auch geworden zu sein; manchmal erstaunt mich die hektische Aufregung, mit der ich auf leicht zu ignorierende Alltagsphänomene reagiert habe. Und nicht nur das: sondern was für eine riesige Metaphernkeule ich geschwungen habe, um die damit auch ja mausetot zu hauen; für manches würden mir heute ein bis zwei überlegt plazierte Sätze reichen.
Aber: man wächst an seinen Aufgaben, und sei es die Suche nach seinem eigenen Stil.
Die Frage, warum man einen Blog startet, in dem es eigentlich in erster Linie um einen selbst geht, steht natürlich immer noch im Raum.
Heutzutage habe ich die Gewißheit, daß ich das in erster Linie für mich selbst tat.
Zwar habe ich in manchem Beitrag meine Meinung zu gewissen Dingen kundgetan und hoffte natürlich in einem verborgenen Winkel meines Gehirns, damit eine Diskussion anzustoßen, was aufgrund der auch heute noch geringen Reichweite lächerlich war.
Damals hatte ich an guten Tagen 25 Seitenzugriffe und an schlechten gar keinen, heute pendelt es zwischen 200 und 20; also nichts, was diesen Blog als ernstzunehmenden Beitrag für die Kulturlandschaft erscheinen ließe.
Zu faul, ein handschriftliches Tagebuch zu führen verbunden mit der Sorge, was nach meinem Ableben damit passieren und wer es dann lesen würde, war das ein guter Mittelweg, mein Leben zu memorieren.
Aber ich kann meine persönliche Entwicklung nachvollziehen, Lebensereignisse chronologisch sortieren und - auch wenn der Blog frei von allzu intimen Details ist - sehe ich hinter den Beiträgen auch immer meine jeweilige Lebenssituation und mein Befinden.
Manche Situationen waren um einiges prekärer, als es der jeweilige Beitrag vermuten läßt, und machen mich froh, sie gemeistert zu haben.
Aber alles in allem ist und bleibt das doch ein einziger egozentrischer Scheiß.
Wenigstens taugt er im Gegensatz zu meinem übrigen real existierenden egozentrischen Scheiß zumindest dazu, Sie zu unterhalten.
Aber damals war ich nachvollziehbarerweise mit anderen Dingen beschäftigt.
Interessant ist es, aus Gründen der Prokrastination mal wieder irgendwelche Uraltbeiträge aus diesem Blog zu lesen.
Vor genau zehn Jahren habe ich einen Verriß zu Philippe Djians rumpeldummem vorgeblichen Roman "Erogene Zone" geschrieben, und dieser Beitrag ist mir in seiner flapsig - hysterischen Geschwätzigkeit heute angemessen peinlich.
Ansonsten kann ich mich an einiges nicht mehr (oder nur vage) erinnern. Manches finde ich noch ganz amüsant (ich gehöre zu den gesegneten Menschen, die über ihren eigenen Schwachsinn lachen können), bei manchen Beiträgen frage ich mich, was die sollten beziehungsweise was mir zu dieser Zeit mit Mitte 30 offensichtlich ohne Nachhall durch das Stammhirn rauschte. Das Gefühl, das sich dabei entwickelt, oszilliert zwischen Selbstzufriedenheit und Scham.
Ich bin definitiv älter geworden. Damals hingen mir noch Überreste aus meinen wilden Zwanzigern an, die ich irgendwann unbemerkt abgeschüttelt oder bewußt von mir abgekratzt habe.
Gelassener scheine ich auch geworden zu sein; manchmal erstaunt mich die hektische Aufregung, mit der ich auf leicht zu ignorierende Alltagsphänomene reagiert habe. Und nicht nur das: sondern was für eine riesige Metaphernkeule ich geschwungen habe, um die damit auch ja mausetot zu hauen; für manches würden mir heute ein bis zwei überlegt plazierte Sätze reichen.
Aber: man wächst an seinen Aufgaben, und sei es die Suche nach seinem eigenen Stil.
Die Frage, warum man einen Blog startet, in dem es eigentlich in erster Linie um einen selbst geht, steht natürlich immer noch im Raum.
Heutzutage habe ich die Gewißheit, daß ich das in erster Linie für mich selbst tat.
Zwar habe ich in manchem Beitrag meine Meinung zu gewissen Dingen kundgetan und hoffte natürlich in einem verborgenen Winkel meines Gehirns, damit eine Diskussion anzustoßen, was aufgrund der auch heute noch geringen Reichweite lächerlich war.
Damals hatte ich an guten Tagen 25 Seitenzugriffe und an schlechten gar keinen, heute pendelt es zwischen 200 und 20; also nichts, was diesen Blog als ernstzunehmenden Beitrag für die Kulturlandschaft erscheinen ließe.
Zu faul, ein handschriftliches Tagebuch zu führen verbunden mit der Sorge, was nach meinem Ableben damit passieren und wer es dann lesen würde, war das ein guter Mittelweg, mein Leben zu memorieren.
Aber ich kann meine persönliche Entwicklung nachvollziehen, Lebensereignisse chronologisch sortieren und - auch wenn der Blog frei von allzu intimen Details ist - sehe ich hinter den Beiträgen auch immer meine jeweilige Lebenssituation und mein Befinden.
Manche Situationen waren um einiges prekärer, als es der jeweilige Beitrag vermuten läßt, und machen mich froh, sie gemeistert zu haben.
Aber alles in allem ist und bleibt das doch ein einziger egozentrischer Scheiß.
Wenigstens taugt er im Gegensatz zu meinem übrigen real existierenden egozentrischen Scheiß zumindest dazu, Sie zu unterhalten.
Freitag, 17. Januar 2020
Eine Runde Boule
Manchmal braucht es nur einen kleinen - neudeutsch - "Trigger", um am Morgen eines Urlaubstages, den man mit einer Tasse Kaffee und guter Musik (Eric B. & Rakim: Paid In Full, der Vollständigkeit halber angemerkt) den kompletten Emotionshaushalt durchgeschüttelt zu bekommen.
In diesem Fall war das eine Mitteilung aus dem Heimatbrief des Dorfes, in dem ich größtenteils aufgewachsen bin.
Dieser wird von der Gemeinde Zeiskam auch an sogenannte Exil - Zeiskamer versandt, also an Menschen, die irgendwann ebenda einmal gelebt haben und nun weggezogen sind.
Im Ort gibt es einen Partnerschaftsverein, der sich um die Verbindung zu den beiden Dörfern Roccastrada in Italien und Monts in Frankreich kümmert, inklusive Besuche von Menschen aus beiden Gemeinden, was ich für eine durchaus löbliche Initiative halte.
Da mein Vater italienisch wie auch französisch sprach, wurde er in solchen Fällen gerne als Dolmetscher bemüht.
Und heute lese ich also in besagtem Heimatbrief, daß dieser Partnerschaftsverein sein traditionelles Bouleturnier nach meinem Vater benannt hat, um an ihn zu erinnern; das mag eine kleine Geste sein, zeugt aber von derartiger Anerkennung für ihn und seine Arbeit, daß ich kurz extrem überwältigt war.
Ich habe - als ich mit meinem Vater einmal mehrere Tage allein auf Korsika war - versucht, meine Boulefähigkeiten zu verbessern.
Leider stellte sich dabei heraus, daß es nach Tischtennis, Fußball, Singen und Gitarre spielen noch etwas gibt, was ich gerne könnte, in dem ich aber weitgehend unfähig bin.
Noch schlechter war ich nur beim Versuch, mit meinem damals bereits über 60jährigen Vater in der Dorfkneipe in Guagnu beim Pastistrinken mitzuhalten und am nächsten Tag noch Boule zu spielen. Nach einem Heimweg mit beiderseits schwerem Seegang stand mein Vater um zehn Uhr morgens wie wiedergeboren auf der Matte, um zu einer verabredeten Partie auf dem Dorfplatz anzutreten, dabei eine auf einem gräßlich großen Kater reitende Gestalt im Schlepptau, die rudimentär an mich erinnerte und sich zehn Minuten später wieder verabschiedete, um für den Rest des Tages im Bett herumzuliegen und sterben zu wollen.
Das hinderte meinen Vater aber nicht daran, bei sengender Hitze - die obligatorische Selbstgedrehte im Mundwinkel klebend - bis zum frühen Abend massive Metallkugeln durch die Gegend zu werfen und sich - wie jeder aus der versammelten illustren Runde kauziger älterer Herren auch - noch einmal eine gepflegte Ladung alkoholischer Getränke ins Gesicht zu schütten.
Ich wage mal die kühne Behauptung: ein würdigerer Namenspatron für ein Bouleturnier wird sich nur schwerlich finden lassen.
Riposa in pace, babbu caru.
In diesem Fall war das eine Mitteilung aus dem Heimatbrief des Dorfes, in dem ich größtenteils aufgewachsen bin.
Dieser wird von der Gemeinde Zeiskam auch an sogenannte Exil - Zeiskamer versandt, also an Menschen, die irgendwann ebenda einmal gelebt haben und nun weggezogen sind.
Im Ort gibt es einen Partnerschaftsverein, der sich um die Verbindung zu den beiden Dörfern Roccastrada in Italien und Monts in Frankreich kümmert, inklusive Besuche von Menschen aus beiden Gemeinden, was ich für eine durchaus löbliche Initiative halte.
Da mein Vater italienisch wie auch französisch sprach, wurde er in solchen Fällen gerne als Dolmetscher bemüht.
Und heute lese ich also in besagtem Heimatbrief, daß dieser Partnerschaftsverein sein traditionelles Bouleturnier nach meinem Vater benannt hat, um an ihn zu erinnern; das mag eine kleine Geste sein, zeugt aber von derartiger Anerkennung für ihn und seine Arbeit, daß ich kurz extrem überwältigt war.
Ich habe - als ich mit meinem Vater einmal mehrere Tage allein auf Korsika war - versucht, meine Boulefähigkeiten zu verbessern.
Leider stellte sich dabei heraus, daß es nach Tischtennis, Fußball, Singen und Gitarre spielen noch etwas gibt, was ich gerne könnte, in dem ich aber weitgehend unfähig bin.
Noch schlechter war ich nur beim Versuch, mit meinem damals bereits über 60jährigen Vater in der Dorfkneipe in Guagnu beim Pastistrinken mitzuhalten und am nächsten Tag noch Boule zu spielen. Nach einem Heimweg mit beiderseits schwerem Seegang stand mein Vater um zehn Uhr morgens wie wiedergeboren auf der Matte, um zu einer verabredeten Partie auf dem Dorfplatz anzutreten, dabei eine auf einem gräßlich großen Kater reitende Gestalt im Schlepptau, die rudimentär an mich erinnerte und sich zehn Minuten später wieder verabschiedete, um für den Rest des Tages im Bett herumzuliegen und sterben zu wollen.
Das hinderte meinen Vater aber nicht daran, bei sengender Hitze - die obligatorische Selbstgedrehte im Mundwinkel klebend - bis zum frühen Abend massive Metallkugeln durch die Gegend zu werfen und sich - wie jeder aus der versammelten illustren Runde kauziger älterer Herren auch - noch einmal eine gepflegte Ladung alkoholischer Getränke ins Gesicht zu schütten.
Ich wage mal die kühne Behauptung: ein würdigerer Namenspatron für ein Bouleturnier wird sich nur schwerlich finden lassen.
Riposa in pace, babbu caru.
Mittwoch, 15. Januar 2020
Kerosin
Das Seuchenjahr 2019 hat mit seinem unwiderruflichen Verschwinden auf seinem Weg in den Orkus wie zum Hohn noch einen der Großartigsten mitgenommen.
An Heiligabend starb Bassist Dave Riley von Big Black, einer der innovativsten und interessantesten Noise- /Punkbands der 80er, im Alter von 59 Jahren an einem Krebsleiden.
Was Big Black für mich bedeuten, habe ich bereits in meinem Essay zum Album "Atomizer" hinreichend beschrieben.
Bei der aktuellen Ausgabe von "Radio Bronkowitz", in dem ich als Nachruf noch einmal (natürlich) "Kerosene" spielte, ward mir dann doch etwas melancholisch zumute.
Es ist eine Hymne ... und zwar vorwiegend eine, die man hauptsächlich nachvollziehen kann, wenn man in Prä - Internetzeiten auf dem Dorf oder in irgendeiner piefigen Kleinstadt aufgewachsen ist.
Eine große Wahl hatte man nicht. Entweder würde man mit 23 eine ehemalige Klassenkameradin aus demselben Ort oder dem Nachbardorf heiraten, zwei Kinder zeugen und den Rest seines Lebens zwischen den Fixpunkten "irgendwann völlig leidenschaftslose Ehe", "Dorfkneipe", "verhaßter Job" und "Hausbau" flipperkugelesk herumspringen und in der Gemeinschaft Anerkennung als "anständiger Kerl" ernten ... oder ausbrechen und dafür in Kauf nehmen, daß einen plötzlich niemand mehr verstand.
Ich und einige andere entschieden uns für letzteres, und zwar sehenden Auges.
Denn was blieben uns für Alternativen? Diejenigen, die Big Black auf den Punkt gebracht hatten, und zwar in einem Text, dessen Allgemeingültigkeit für uns in unserer Situation fast schon in Stein gemeißelt war:
I was born in this town
Live here my whole life
Probably come to die in this town
Live here my whole life
Never anything to do in this town
Live here my whole life
Never anything to do in this town
Live here my whole life
Probably learn to die in this town
Live here my whole life
Nothing to do, sit around at home
Sit around at home, stare at the walls
Stare at each other and wait till we die
Stare at each other and wait till we die
Probably come to die in this town
Live here my whole life
There's Kerosene around, something to do
There's Kerosene around, she's something to do
There's Kerosene around, she's something to do
There's Kerosene around, we'll find something to do
Kerosene around, she's something to do
Kerosene around, set me on fire
Genau so war es. Und weil wir aus dieser Sackgasse flüchten wollten, fanden wir den Antrieb, ohne Rücksicht auf die Meinung anderer ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen, und zwar eines, das unseren Erwartungen entsprach und weder denen unseres Umfelds noch unserer Familie.
Nicht jeder übersprang diese Hürde erfolgreich oder mit den richtigen Methoden. Aber die, die sie gemeistert haben, sind mit Sicherheit nicht mehr dieselben, die sie ohne diesen Entschluß geblieben wären, auch wenn sie vielleicht wieder in einem Dorf wohnen, verheiratet sind und eine Familie gegründet haben.
Für diese Phase in meinem Leben wird "Kerosene" immer der Song sein, der meine damaligen Gefühle exakt widerspiegelt. Und als ich ihn gestern Abend aus diesem traurigen Anlaß hörte, glomm tatsächlich kurz das Gefühl auf, auch einem Teil meiner Jugend gerade einen Nachruf gewidmet zu haben. Und das wird wohl leider nicht das letzte Mal gewesen sein.
R.I.P. Dave Riley.
An Heiligabend starb Bassist Dave Riley von Big Black, einer der innovativsten und interessantesten Noise- /Punkbands der 80er, im Alter von 59 Jahren an einem Krebsleiden.
Was Big Black für mich bedeuten, habe ich bereits in meinem Essay zum Album "Atomizer" hinreichend beschrieben.
Bei der aktuellen Ausgabe von "Radio Bronkowitz", in dem ich als Nachruf noch einmal (natürlich) "Kerosene" spielte, ward mir dann doch etwas melancholisch zumute.
Es ist eine Hymne ... und zwar vorwiegend eine, die man hauptsächlich nachvollziehen kann, wenn man in Prä - Internetzeiten auf dem Dorf oder in irgendeiner piefigen Kleinstadt aufgewachsen ist.
Eine große Wahl hatte man nicht. Entweder würde man mit 23 eine ehemalige Klassenkameradin aus demselben Ort oder dem Nachbardorf heiraten, zwei Kinder zeugen und den Rest seines Lebens zwischen den Fixpunkten "irgendwann völlig leidenschaftslose Ehe", "Dorfkneipe", "verhaßter Job" und "Hausbau" flipperkugelesk herumspringen und in der Gemeinschaft Anerkennung als "anständiger Kerl" ernten ... oder ausbrechen und dafür in Kauf nehmen, daß einen plötzlich niemand mehr verstand.
Ich und einige andere entschieden uns für letzteres, und zwar sehenden Auges.
Denn was blieben uns für Alternativen? Diejenigen, die Big Black auf den Punkt gebracht hatten, und zwar in einem Text, dessen Allgemeingültigkeit für uns in unserer Situation fast schon in Stein gemeißelt war:
I was born in this town
Live here my whole life
Probably come to die in this town
Live here my whole life
Never anything to do in this town
Live here my whole life
Never anything to do in this town
Live here my whole life
Probably learn to die in this town
Live here my whole life
Nothing to do, sit around at home
Sit around at home, stare at the walls
Stare at each other and wait till we die
Stare at each other and wait till we die
Probably come to die in this town
Live here my whole life
There's Kerosene around, something to do
There's Kerosene around, she's something to do
There's Kerosene around, she's something to do
There's Kerosene around, we'll find something to do
Kerosene around, she's something to do
Kerosene around, set me on fire
Genau so war es. Und weil wir aus dieser Sackgasse flüchten wollten, fanden wir den Antrieb, ohne Rücksicht auf die Meinung anderer ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen, und zwar eines, das unseren Erwartungen entsprach und weder denen unseres Umfelds noch unserer Familie.
Nicht jeder übersprang diese Hürde erfolgreich oder mit den richtigen Methoden. Aber die, die sie gemeistert haben, sind mit Sicherheit nicht mehr dieselben, die sie ohne diesen Entschluß geblieben wären, auch wenn sie vielleicht wieder in einem Dorf wohnen, verheiratet sind und eine Familie gegründet haben.
Für diese Phase in meinem Leben wird "Kerosene" immer der Song sein, der meine damaligen Gefühle exakt widerspiegelt. Und als ich ihn gestern Abend aus diesem traurigen Anlaß hörte, glomm tatsächlich kurz das Gefühl auf, auch einem Teil meiner Jugend gerade einen Nachruf gewidmet zu haben. Und das wird wohl leider nicht das letzte Mal gewesen sein.
R.I.P. Dave Riley.
Sonntag, 12. Januar 2020
1978
Wie bereits erwähnt, ist meine erste musikalische Erinnerung "Hello Goodbye" von den Beatles.
Meine Mutter hatte das auf 7" - Single (aus irgendeiner Serie, mit "I Am The Walrus" auf der Rückseite) und ich fand als Vierjähriger die Männer auf dem Cover total nett.
Deshalb mußte sie mir den Song auch so oft vorspielen, bis sie ihn vermutlich selbst nicht mehr hören konnte; mein "Mami! Schbiedels(mit Bandnamen hatte ich es damals nicht so)! Bitte!" läutete immer ein Ritual ein, bei dem ich auf einem Stuhl sitzend andächtig dabei zusah, wie sie die Abdeckung des Plattenspielerfossils anhob, um das schwarze Scheibchen darauf zu plazieren.
Auch heute noch löst der Song in mir geradezu eine Kette an Erinnerungen aus, die an dieser einen aufgehängt ist.
Nachdem ich zur Feier meines derzeitigen Urlaubs nun seit längerem wieder die "Magical Mystery Tour" herausgekramt habe, was irgendwie auch meinem gestrigen Beitrag geschuldet ist (danke, Linus Volkmann) und feststelle, daß diese Platte einen Sonntagmorgen zu einem besseren macht (sofern man es rechtzeitig schafft, vor "All You Need Is Love" auszuschalten), fiel mir passend zum "Magical" gerade wieder ein, daß ich tatsächlich einmal dachte, zaubern zu können.
Denn damals, als wir noch in Zeiskam (Pfalz) wohnten, fuhren wir dreimal ins benachbarte Bellheim, laut meinen Eltern um "Freunde" zu besuchen, die ich noch nie gesehen hatte.
Ich erinnere mich daran, daß der Mann Polizist war, dessen Dienstmütze an einer Ecke des Kleiderschranks hing; als Kind natürlich ein beeindruckender Anblick. Wow, ein echter Polizist!
Zudem hatte er einen gräßlich langen Ziegenbart, was bis zum Ausbruch der Crossoverseuche in Verbindung mit Kopfsockenzwang Anfang der 90er ein recht seltener Anblick war. Das machte diesen aber nicht schöner, und für mich war das damals der häßlichste Mann, den ich je gesehen hatte.
Falls zu der Zeit in mir eine Neigung dazu geschlummert hätte, irgendwann schwul zu werden, hätte sich das spätestens danach erledigt gehabt.
Ich lief durch die Wohnung unserer "Freunde", tatschte zwei oder drei Möbelstücke an und stellte mir vor, diese wegzaubern zu können. Als Kind hatte ich eine blühende Phantasie und erging mich oft in abstrusen Gedankenspielen; eines, das mir noch einfällt ist das Vorhaben, eine Blumensuppe zu kochen und dafür eine Zutatenliste zu erstellen. Warum the fuck auch immer.
Ich berührte also eine große Holzkommode und konzentrierte mich darauf, sie verschwinden zu lassen.
Und tatsächlich: bei unserem nächsten Besuch war sie weg, wie zwei oder drei andere von mir angefaßte Einrichtungsgegenstände auch. Überwältigt von meinem Erfolg (und weil ich sichergehen wollte, daß das auch mit mir zusammenhing) konzentrierte ich mich mit aller Macht auf einen herumstehenden Stuhl
Dieser war dann beim nächsten Besuch immer noch da, aber dafür war fast die ganze restliche Wohnung leer. Der Beweis dafür, daß ich leider doch keine magischen Kräfte hatte.
So mußten also unsere Vormieter ihren Umzug ganz traditionell noch selbst erledigen und den Kram die Treppen heruntertragen, bevor ich dann im Sommer 1978 mit meinen Eltern in der besagten Wohnung einzog.
Meine Mutter hatte das auf 7" - Single (aus irgendeiner Serie, mit "I Am The Walrus" auf der Rückseite) und ich fand als Vierjähriger die Männer auf dem Cover total nett.
Deshalb mußte sie mir den Song auch so oft vorspielen, bis sie ihn vermutlich selbst nicht mehr hören konnte; mein "Mami! Schbiedels(mit Bandnamen hatte ich es damals nicht so)! Bitte!" läutete immer ein Ritual ein, bei dem ich auf einem Stuhl sitzend andächtig dabei zusah, wie sie die Abdeckung des Plattenspielerfossils anhob, um das schwarze Scheibchen darauf zu plazieren.
Auch heute noch löst der Song in mir geradezu eine Kette an Erinnerungen aus, die an dieser einen aufgehängt ist.
Nachdem ich zur Feier meines derzeitigen Urlaubs nun seit längerem wieder die "Magical Mystery Tour" herausgekramt habe, was irgendwie auch meinem gestrigen Beitrag geschuldet ist (danke, Linus Volkmann) und feststelle, daß diese Platte einen Sonntagmorgen zu einem besseren macht (sofern man es rechtzeitig schafft, vor "All You Need Is Love" auszuschalten), fiel mir passend zum "Magical" gerade wieder ein, daß ich tatsächlich einmal dachte, zaubern zu können.
Denn damals, als wir noch in Zeiskam (Pfalz) wohnten, fuhren wir dreimal ins benachbarte Bellheim, laut meinen Eltern um "Freunde" zu besuchen, die ich noch nie gesehen hatte.
Ich erinnere mich daran, daß der Mann Polizist war, dessen Dienstmütze an einer Ecke des Kleiderschranks hing; als Kind natürlich ein beeindruckender Anblick. Wow, ein echter Polizist!
Zudem hatte er einen gräßlich langen Ziegenbart, was bis zum Ausbruch der Crossoverseuche in Verbindung mit Kopfsockenzwang Anfang der 90er ein recht seltener Anblick war. Das machte diesen aber nicht schöner, und für mich war das damals der häßlichste Mann, den ich je gesehen hatte.
Falls zu der Zeit in mir eine Neigung dazu geschlummert hätte, irgendwann schwul zu werden, hätte sich das spätestens danach erledigt gehabt.
Ich lief durch die Wohnung unserer "Freunde", tatschte zwei oder drei Möbelstücke an und stellte mir vor, diese wegzaubern zu können. Als Kind hatte ich eine blühende Phantasie und erging mich oft in abstrusen Gedankenspielen; eines, das mir noch einfällt ist das Vorhaben, eine Blumensuppe zu kochen und dafür eine Zutatenliste zu erstellen. Warum the fuck auch immer.
Ich berührte also eine große Holzkommode und konzentrierte mich darauf, sie verschwinden zu lassen.
Und tatsächlich: bei unserem nächsten Besuch war sie weg, wie zwei oder drei andere von mir angefaßte Einrichtungsgegenstände auch. Überwältigt von meinem Erfolg (und weil ich sichergehen wollte, daß das auch mit mir zusammenhing) konzentrierte ich mich mit aller Macht auf einen herumstehenden Stuhl
Dieser war dann beim nächsten Besuch immer noch da, aber dafür war fast die ganze restliche Wohnung leer. Der Beweis dafür, daß ich leider doch keine magischen Kräfte hatte.
So mußten also unsere Vormieter ihren Umzug ganz traditionell noch selbst erledigen und den Kram die Treppen heruntertragen, bevor ich dann im Sommer 1978 mit meinen Eltern in der besagten Wohnung einzog.
Samstag, 11. Januar 2020
Ich will ein verhaßter Klassiker sein!
Manche Schreiberkollegen könnten sich das als Lebensmotto in Stein gemeißelt als dringlichen Hinweis an die Welt um den Hals hängen, wenn das Ding nicht so verdammt schwer wäre.
Linus Volkmann zum Beispiel. Ja, der schon wieder.
Auf der Homepage des "Musikexpress" darf er sich nun seit geraumer Zeit in einer Rubrik gleichen Namens ("Verhasste Klassiker") austoben, in dem sogenannte "große Alben" in der Geschichte der Populärkultur mal ordentlich zerpflückt werden. Dagegen ist ja grundsätzlich erstmal nichts einzuwenden, denn da gibt es andere, denen das auch durchaus mal Vergnügen bereitet. Dreimal dürfen Sie raten, wem.
Lächerlich wird es nur, wenn es abgeschmackt und kalkuliert aufgezogen wird und das Ganze zu allem Überfluß soviel Staub aufwirbelt, daß er sich gleich einem Leichentuch über sämtliche schreiberischen Defizite legt.
Abgesehen von der Tatsache, daß hier ein seit "Don't Believe The Hype" von Sky Nonhoff schon fast vergammelter Hut als der neue heiße Scheiß verkauft wird, ist die Auswahl vermeintlicher Klassiker, die durch die Aufnahme in diese Rubrik überhaupt erst in diesen Rang erhoben werden, so vorhersehbar wie Gähn.
Die Beatles? Wow, ganz was Neues. Red Hot Chili Peppers? Pearl Jam? Die Strokes? Oasis?
Also lauter Alben der Kategorie "beziehen in diversen Foren und Rezensionen schon genug Prügel, aber haben trotzdem noch so viele Fans, daß sich mit Sicherheit einige Leute darüber aufregen werden".
Oder mit anderen Worten: Leute, die Linus Volkmann cool findet (genau: das "t" ist Absicht), mögen besagte Bands sowieso nicht, und die, die sich über seine Kritiken aufregen, sind Fanboys und -girls, auf deren Empörung man offensichtlich spekuliert, um den ganzen mediokren Sulch ordentlich in den sozialen Netzwerken zu pushen, auf die man aber als Zielgruppe für sonstige Buchveröffentlichungen nicht angewiesen ist.
Und wenn er sich dann mal an etwas wagt, was seine potentiellen Käuferschichten erschrecken könnte (Tocotronic, beispielsweise), wird das sofort relativiert:
Abgefeiert haben wir die Platte und die Band erstens dahinter ja schon oft genug. Und zweitens hat Linus hier eh eine heimliche Liebeserklärung in den Zeilen versteckt.
Wie heißt es so schön? "Beim Aussteigen zur Sicherheit die rechte Hand am Haltegriff".
Wenn es nach mir geht, darf man ja so ziemlich alles verreißen, wenn man es gut begründet oder zumindest unterhaltsam formuliert.
Leider geht in dem ganzen Empörungsgehechel bezüglich des Abwatschens scheintot genudelter Alben der eigentliche Grund zur Empörung unter:
nämlich der, daß hier jemand offensichtlich morgens auf dem Weg zur Arbeit in der S - Bahn im Stil eines mäßig begabten Neuntklässlers irgendwelche Kolumnen herunterschludert, zu deren Wirkung auf mich ich mal - wenn auch äußerst ungern - Heinrich Böll zitieren muß:
Das Überraschende war die niederschmetternde Eintönigkeit, trotz aller “witzigen” Hopser, die mich dann doch an die Brausewürfel meiner Kindheit erinnerten: das schäumt auf, fällt rasch zusammen – und schmeckt – wenn man nach kurzer Täuschung des Gaumen ehrlich befragt, abscheulich.
Und damit auch noch Geld verdient. Das sei ihm neidlos gegönnt, denn bevor ich für Erfolg derartige stilistische Salzwüsten durchwandern muß, bleibe ich lieber bei meinem Brotjob.
Beispiel gefällig?
Abgesehen von der schlampigen Recherche, die es ihm nicht einmal ermöglicht, Textzitate fehlerfrei wiederzugeben (siehe die Kolumne über Fünf Sterne Deluxe) fallen vor allem solch argumentative Pretiosen auf:
Über Kyuss:
Aus diversen historischen Missverständnissen (Y2K-Bug, Bilderberger, Flat Earth etc.) gilt das unhörbare Gegniedel und Geklampfe bis heute noch als total genial. Zumindest solange bis man es sich mal wieder anhört. Danach denkt man anders über diesen „Klassiker“.
Oder die Red Hot Chili Peppers:
Der „Hit“ „Under The Bridge“ beweist dabei zudem: Dieser Sound taugt auch bei kitschigen Balladen überhaupt nichts.
Kurz zusammengefaßt: manche Leute finden diese Musik gut, aber das ist sie nicht. Yo, Hermeneutics!
Immerhin: sein 2019er Jahresrückblick ist in aller kumpelhaften Koketterie überschrieben mit
Linus Volkmann reicht seinen Kritikern die Hand (und die Pistole)
Die Einladung ist also angekommen. Oder um eine andere seiner Überschriften zu bemühen:
Die Gorillaz sind nichts als eine gefällige Inszenierung – und anstrengend eitel
Und an dem Satz stimmt jetzt mal fast alles. Bis auf die Gorillaz.
Linus Volkmann zum Beispiel. Ja, der schon wieder.
Auf der Homepage des "Musikexpress" darf er sich nun seit geraumer Zeit in einer Rubrik gleichen Namens ("Verhasste Klassiker") austoben, in dem sogenannte "große Alben" in der Geschichte der Populärkultur mal ordentlich zerpflückt werden. Dagegen ist ja grundsätzlich erstmal nichts einzuwenden, denn da gibt es andere, denen das auch durchaus mal Vergnügen bereitet. Dreimal dürfen Sie raten, wem.
Lächerlich wird es nur, wenn es abgeschmackt und kalkuliert aufgezogen wird und das Ganze zu allem Überfluß soviel Staub aufwirbelt, daß er sich gleich einem Leichentuch über sämtliche schreiberischen Defizite legt.
Abgesehen von der Tatsache, daß hier ein seit "Don't Believe The Hype" von Sky Nonhoff schon fast vergammelter Hut als der neue heiße Scheiß verkauft wird, ist die Auswahl vermeintlicher Klassiker, die durch die Aufnahme in diese Rubrik überhaupt erst in diesen Rang erhoben werden, so vorhersehbar wie Gähn.
Die Beatles? Wow, ganz was Neues. Red Hot Chili Peppers? Pearl Jam? Die Strokes? Oasis?
Also lauter Alben der Kategorie "beziehen in diversen Foren und Rezensionen schon genug Prügel, aber haben trotzdem noch so viele Fans, daß sich mit Sicherheit einige Leute darüber aufregen werden".
Oder mit anderen Worten: Leute, die Linus Volkmann cool findet (genau: das "t" ist Absicht), mögen besagte Bands sowieso nicht, und die, die sich über seine Kritiken aufregen, sind Fanboys und -girls, auf deren Empörung man offensichtlich spekuliert, um den ganzen mediokren Sulch ordentlich in den sozialen Netzwerken zu pushen, auf die man aber als Zielgruppe für sonstige Buchveröffentlichungen nicht angewiesen ist.
Und wenn er sich dann mal an etwas wagt, was seine potentiellen Käuferschichten erschrecken könnte (Tocotronic, beispielsweise), wird das sofort relativiert:
Abgefeiert haben wir die Platte und die Band erstens dahinter ja schon oft genug. Und zweitens hat Linus hier eh eine heimliche Liebeserklärung in den Zeilen versteckt.
Wie heißt es so schön? "Beim Aussteigen zur Sicherheit die rechte Hand am Haltegriff".
Wenn es nach mir geht, darf man ja so ziemlich alles verreißen, wenn man es gut begründet oder zumindest unterhaltsam formuliert.
Leider geht in dem ganzen Empörungsgehechel bezüglich des Abwatschens scheintot genudelter Alben der eigentliche Grund zur Empörung unter:
nämlich der, daß hier jemand offensichtlich morgens auf dem Weg zur Arbeit in der S - Bahn im Stil eines mäßig begabten Neuntklässlers irgendwelche Kolumnen herunterschludert, zu deren Wirkung auf mich ich mal - wenn auch äußerst ungern - Heinrich Böll zitieren muß:
Das Überraschende war die niederschmetternde Eintönigkeit, trotz aller “witzigen” Hopser, die mich dann doch an die Brausewürfel meiner Kindheit erinnerten: das schäumt auf, fällt rasch zusammen – und schmeckt – wenn man nach kurzer Täuschung des Gaumen ehrlich befragt, abscheulich.
Und damit auch noch Geld verdient. Das sei ihm neidlos gegönnt, denn bevor ich für Erfolg derartige stilistische Salzwüsten durchwandern muß, bleibe ich lieber bei meinem Brotjob.
Beispiel gefällig?
Abgesehen von der schlampigen Recherche, die es ihm nicht einmal ermöglicht, Textzitate fehlerfrei wiederzugeben (siehe die Kolumne über Fünf Sterne Deluxe) fallen vor allem solch argumentative Pretiosen auf:
Über Kyuss:
Aus diversen historischen Missverständnissen (Y2K-Bug, Bilderberger, Flat Earth etc.) gilt das unhörbare Gegniedel und Geklampfe bis heute noch als total genial. Zumindest solange bis man es sich mal wieder anhört. Danach denkt man anders über diesen „Klassiker“.
Oder die Red Hot Chili Peppers:
Der „Hit“ „Under The Bridge“ beweist dabei zudem: Dieser Sound taugt auch bei kitschigen Balladen überhaupt nichts.
Kurz zusammengefaßt: manche Leute finden diese Musik gut, aber das ist sie nicht. Yo, Hermeneutics!
Immerhin: sein 2019er Jahresrückblick ist in aller kumpelhaften Koketterie überschrieben mit
Linus Volkmann reicht seinen Kritikern die Hand (und die Pistole)
Die Einladung ist also angekommen. Oder um eine andere seiner Überschriften zu bemühen:
Die Gorillaz sind nichts als eine gefällige Inszenierung – und anstrengend eitel
Und an dem Satz stimmt jetzt mal fast alles. Bis auf die Gorillaz.
Freitag, 10. Januar 2020
Kafkaeskes
Zum Film "Der Prozeß (1962)" von Orson Welles fand ich unter anderem folgende Rezension:
„Von Beginn an war klar, daß die Verfilmung von Kafkas Buch ein gewagtes, wenn nicht sogar unmögliches Unterfangen war. […] In der Zeitschrift cinema 63 stand: ‚Kafka hat durch diese Umwandlung nichts gewonnen, und seine Leser sind zu Recht enttäuscht. Das Kino ist jedoch um einen großen Film reicher geworden. Wer will sich also beklagen?‘“
Ich. Prätentiöser Kunstkack, der den Ton von Kafkas Roman zu keiner Zeit auch nur annähernd einfängt. Da bin ich als Leser nicht nur "enttäuscht", sondern ernstahft verärgert über die Hybris, offensichtlich zu meinen, man könne an dem Buch durch derartigen Schwachsinn irgendwas "verbessern".
Orson Welles gelangen zweifelsohne beeindruckende Bilder, doch die gehirnlähmend redundanten Dialoge sorgten dafür, daß ich diese nicht würdigen konnte, da ich nach einer Stunde bereits grauenhaft gelangweilt war und mich apathisch durch die zweite hindurchschleppte.
Dazu ein stellenweise hölzern agierender Anthony Perkins, den ich eigentlich mag, der hier aber komplett fehlbesetzt war.
Cineasten, werden das hier für ein Meisterwerk halten, aber da ich mit Sicherheit kein Cineast bin, betrachte ich mich als außen vor.
Zu deren Neigung, Leuten wie mir komplette Ahnungslosigkeit oder gar Dummheit vorzuwerfen, wenn sie es wagen, Godards "Le Mépris" für verschwurbelten Kopfquark zu halten, sei folgendes angemerkt:
natürlich muß auch ich manchmal bei kunstrelevanten Aussagen schlucken; letztens hatte ich eine Diskussion mit einer Bekannten, die Jazz generell als "sinnloses Gedudel" betrachtet, was ich wiederum als "ignorant" bezeichnete.
Das schätze ich immer noch an Frau Turini: obwohl sie Jazz nicht mag und bisweilen furchtbar findet (was man durchaus darf), respektiert sie ihn doch als ernstzunehmende Kunstform, zu der sie aber keinen Zugang findet.
Denn: Pauschalurteile über eine gesamte Musikgattung samt Unterabteilungen gehen gar nicht, und eine Band oder einen Sänger abzuwatschen ist immer noch eine komplett andere Liga als beispielsweise die gesamte Rockmusik als Radau untalentierter Halbaffen abzutun .
Niemand würde Menschen, die beispielsweise klassische Musik generell als "Gedudel" betrachten, ernstnehmen, darum bin ich auch hier ausnahmsweise kompromißlos, allerdings ohne persönlich zu werden.
Will aber auch heißen: ganz gefeit bin ich wohl nicht gegen Verhaltensweisen wie denen von - immer ein beliebtes Beispiel - beleidigten Dylan - Fans. Doch man kann auch gegensteuern und an sich arbeiten, um auf Kritik an gemochten Künstlern (und sei sie noch so harsch und gallig) nicht gleich mit Herablassung oder persönlichen Angriffen zu reagieren.
Wie ich schon schrieb, komme ich ja auch nicht umhin, Dylans Gesamtwerk einige brauchbare Songs zuzusprechen; umgekehrt ist der Vorwurf der Ahnungslosigkeit bei solch einem Katalog zumindest nachvollziehbarer als in dem Fall, wenn man einen (!) 90 - Minuten - Film gestelzt, aufgeblasen und sterbenslangweilig findet.
Trotzdem: ich kenne wenig Musik von Dylan, die ich wirklich ertrage (ich kann mich vielleicht dahingehend outen, daß ich die Traveling Wilburys mochte, aber die sind nun wahrlich nicht repräsentativ). Deshalb weigere ich mich auch, mich durch das Gesamtwerk zu quälen, was aber als Forderung immer mal wieder an mich herangetragen wird, um überhaupt mitreden zu können. Aber dafür ist mir meine verbleibende Lebenszeit zu schade. Mea culpa.
Was mich in solchen Fällen generell abschreckt ist diese Erhebung zu Säulenheiligen, an denen sich jegliche Kritik verbietet.
In meiner Welt gibt es diese nicht; unkritische Huldigung einzelner Künstler (sei es Dylan oder Goethe) samt ihrem Gesamtwerk ist mir zuwider, und man sollte an allem rütteln und es hinterfragen, denn nur ein kritischer Geist ist auch ein wacher.
Wer völlig vorbehaltlos einen Literaten, Filmemacher oder Musiker verehrt, ist nicht ernstzunehmen, da um keinen Deut besser als religiöse Fanatiker.
Blinde Verehrung bleibt blinde Verehrung, auch wenn sie sich noch so progressiv dünkt.
Aber ich schweife ab. Während Orson Welles' glumpfigem Machwerk taten das meine Gedanken ebenfalls, so daß mir dieses ganze Juristereigelaber in Endlosschleife doch eine Erkenntnis bescherte:
warum kam eigentlich bisher kaum jemand auf die Idee, den "Prozeß" von Kafka als Metapher für das Leben zu betrachten?
Man ist irgendwo hineingeraten, ohne daß man den Grund dafür weiß, und erfährt ihn auch nicht, wenn man sich auf die Suche danach begibt; man kommt ständig in Situationen, die aus scheinbarer Ruhe und Entspannung plötzlich ins Gegenteil bis zur Ausweglosigkeit umschlagen können und weiß, daß man definitiv irgendwann von einer übergeordneten Instanz, die man nicht zu Gesicht bekommt, gerichtet wird.
Und zu einem unbekannten Zeitpunkt wird man sterben, ohne jemals zu wissen, warum. Die meisten werden sich für unschuldig in dem Sinne halten, ein "gutes" Leben - was immer das auch sein mag - geführt, und andere werden wiederum ihr Ende als logische Konsequenz davon akzeptieren, Raubbau an sich betrieben zu haben. Oder von einer irdischen Instanz verurteilt worden zu sein, die auch nur Handlanger von etwas Übergeordnetem (eine religiöse Dimension einmal ausschließend) sein kann.
Doch ein Urteil anzunehmen heißt noch lange nicht, es zu verstehen.
Darüber würde ich gerne einmal diskutieren. Notfalls wissen Sie, wo Sie mich finden.
„Von Beginn an war klar, daß die Verfilmung von Kafkas Buch ein gewagtes, wenn nicht sogar unmögliches Unterfangen war. […] In der Zeitschrift cinema 63 stand: ‚Kafka hat durch diese Umwandlung nichts gewonnen, und seine Leser sind zu Recht enttäuscht. Das Kino ist jedoch um einen großen Film reicher geworden. Wer will sich also beklagen?‘“
Ich. Prätentiöser Kunstkack, der den Ton von Kafkas Roman zu keiner Zeit auch nur annähernd einfängt. Da bin ich als Leser nicht nur "enttäuscht", sondern ernstahft verärgert über die Hybris, offensichtlich zu meinen, man könne an dem Buch durch derartigen Schwachsinn irgendwas "verbessern".
Orson Welles gelangen zweifelsohne beeindruckende Bilder, doch die gehirnlähmend redundanten Dialoge sorgten dafür, daß ich diese nicht würdigen konnte, da ich nach einer Stunde bereits grauenhaft gelangweilt war und mich apathisch durch die zweite hindurchschleppte.
Dazu ein stellenweise hölzern agierender Anthony Perkins, den ich eigentlich mag, der hier aber komplett fehlbesetzt war.
Cineasten, werden das hier für ein Meisterwerk halten, aber da ich mit Sicherheit kein Cineast bin, betrachte ich mich als außen vor.
Zu deren Neigung, Leuten wie mir komplette Ahnungslosigkeit oder gar Dummheit vorzuwerfen, wenn sie es wagen, Godards "Le Mépris" für verschwurbelten Kopfquark zu halten, sei folgendes angemerkt:
natürlich muß auch ich manchmal bei kunstrelevanten Aussagen schlucken; letztens hatte ich eine Diskussion mit einer Bekannten, die Jazz generell als "sinnloses Gedudel" betrachtet, was ich wiederum als "ignorant" bezeichnete.
Das schätze ich immer noch an Frau Turini: obwohl sie Jazz nicht mag und bisweilen furchtbar findet (was man durchaus darf), respektiert sie ihn doch als ernstzunehmende Kunstform, zu der sie aber keinen Zugang findet.
Denn: Pauschalurteile über eine gesamte Musikgattung samt Unterabteilungen gehen gar nicht, und eine Band oder einen Sänger abzuwatschen ist immer noch eine komplett andere Liga als beispielsweise die gesamte Rockmusik als Radau untalentierter Halbaffen abzutun .
Niemand würde Menschen, die beispielsweise klassische Musik generell als "Gedudel" betrachten, ernstnehmen, darum bin ich auch hier ausnahmsweise kompromißlos, allerdings ohne persönlich zu werden.
Will aber auch heißen: ganz gefeit bin ich wohl nicht gegen Verhaltensweisen wie denen von - immer ein beliebtes Beispiel - beleidigten Dylan - Fans. Doch man kann auch gegensteuern und an sich arbeiten, um auf Kritik an gemochten Künstlern (und sei sie noch so harsch und gallig) nicht gleich mit Herablassung oder persönlichen Angriffen zu reagieren.
Wie ich schon schrieb, komme ich ja auch nicht umhin, Dylans Gesamtwerk einige brauchbare Songs zuzusprechen; umgekehrt ist der Vorwurf der Ahnungslosigkeit bei solch einem Katalog zumindest nachvollziehbarer als in dem Fall, wenn man einen (!) 90 - Minuten - Film gestelzt, aufgeblasen und sterbenslangweilig findet.
Trotzdem: ich kenne wenig Musik von Dylan, die ich wirklich ertrage (ich kann mich vielleicht dahingehend outen, daß ich die Traveling Wilburys mochte, aber die sind nun wahrlich nicht repräsentativ). Deshalb weigere ich mich auch, mich durch das Gesamtwerk zu quälen, was aber als Forderung immer mal wieder an mich herangetragen wird, um überhaupt mitreden zu können. Aber dafür ist mir meine verbleibende Lebenszeit zu schade. Mea culpa.
Was mich in solchen Fällen generell abschreckt ist diese Erhebung zu Säulenheiligen, an denen sich jegliche Kritik verbietet.
In meiner Welt gibt es diese nicht; unkritische Huldigung einzelner Künstler (sei es Dylan oder Goethe) samt ihrem Gesamtwerk ist mir zuwider, und man sollte an allem rütteln und es hinterfragen, denn nur ein kritischer Geist ist auch ein wacher.
Wer völlig vorbehaltlos einen Literaten, Filmemacher oder Musiker verehrt, ist nicht ernstzunehmen, da um keinen Deut besser als religiöse Fanatiker.
Blinde Verehrung bleibt blinde Verehrung, auch wenn sie sich noch so progressiv dünkt.
Aber ich schweife ab. Während Orson Welles' glumpfigem Machwerk taten das meine Gedanken ebenfalls, so daß mir dieses ganze Juristereigelaber in Endlosschleife doch eine Erkenntnis bescherte:
warum kam eigentlich bisher kaum jemand auf die Idee, den "Prozeß" von Kafka als Metapher für das Leben zu betrachten?
Man ist irgendwo hineingeraten, ohne daß man den Grund dafür weiß, und erfährt ihn auch nicht, wenn man sich auf die Suche danach begibt; man kommt ständig in Situationen, die aus scheinbarer Ruhe und Entspannung plötzlich ins Gegenteil bis zur Ausweglosigkeit umschlagen können und weiß, daß man definitiv irgendwann von einer übergeordneten Instanz, die man nicht zu Gesicht bekommt, gerichtet wird.
Und zu einem unbekannten Zeitpunkt wird man sterben, ohne jemals zu wissen, warum. Die meisten werden sich für unschuldig in dem Sinne halten, ein "gutes" Leben - was immer das auch sein mag - geführt, und andere werden wiederum ihr Ende als logische Konsequenz davon akzeptieren, Raubbau an sich betrieben zu haben. Oder von einer irdischen Instanz verurteilt worden zu sein, die auch nur Handlanger von etwas Übergeordnetem (eine religiöse Dimension einmal ausschließend) sein kann.
Doch ein Urteil anzunehmen heißt noch lange nicht, es zu verstehen.
Darüber würde ich gerne einmal diskutieren. Notfalls wissen Sie, wo Sie mich finden.
Loose Lips oder: Dates aus der Hölle
Die KOHI - Veranstaltung "Loose Lips" ist mir mittlerweile zur liebgewonnenen Gewohnheit geworden.
Man stellt sich in zumeist überschaubarer Runde auf eine Bühne und erzählt fünf Minuten lang eine Geschichte auf deutsch oder englisch, weil - da dieses Format ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum kommt - auch viele "native speakers" anwesend sind.
Es gibt - außer dem zeitlichen Rahmen - nur noch die Bedingungen, daß die Geschichte frei vorgetragen und selbsterlebt sein muß.
Natürlich stellt sich immer die Frage, was man dabei bereit ist, von sich selbst preiszugeben; das gemütliche Setting und preiswerte alkoholische Getränke verleiten den ein oder anderen auch gerne dazu, sich in Selbstreflexion zu üben oder einfach mal sein Herz auszuschütten.
Das muß man nicht unbedingt gutfinden oder verstehen; aber aus eigener Erfahrung weiß ich, daß es etwas erstaunlich Befreiendes haben kann, Dinge, die man seit Jahren mit sich herumschleppt, vor einer kleinen Gruppe zumeist wildfremder Menschen, die das nicht sonderbar findet, einfach mal auszusprechen.
Eine durchaus karthatische Wirkung hatte es, als ich - einem dunklen inneren Drang nachgebend - das schwierige Verhältnis zu meinem Vater in meiner Kindheit und Jugend samt unserer Aussöhnung 15 Jahre vor seinem Tod anriß; es tauchte aus dem Nichts auf und wollte an dem Abend einfach heraus.
Aber nicht alles hat den Beigeschmack von Gruppentherapie, sondern soll einfach unterhalten; gestern war das Thema "Good intentions gone bad", zu dem ich zwei Anekdoten beisteuerte.
Die erste drehte sich um meine hier schon beschriebene grauenhafte Lesung im "Vereinsheim" in München - Schwabing (nach der ich bis heute nicht mehr in München auftreten wollte) und die zweite kündete von einem grandios vermasselten Date, über das ich heute - altersmilde mir selbst gegenüber - lachen kann.
Ich kann mit dem Umstand, mit Sicherheit für Frauen kein Geschenk der Natur zu sein, mittlerweile ganz gut leben; hat mich dieser Umstand doch nicht daran gehindert, in dieser Hinsicht in den letzten 22 Jahren recht erfolgreich unterwegs gewesen zu sein.
Aber halt: 22 Jahre?
Nun, ich war ein extremer Spätzünder.
Da ich einen Großteil meiner Kindheit und Teenagerzeit als Mobbingopfer verbrachte und danach noch geraume Zeit benötigte, um an sowas wie Selbstsicherheit und -vertrauen überhaupt nur zu denken, hatte ich meine erste richtige Freundin tatsächlich erst mit 24. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich in der Hinsicht bereits resigniert und mich auf ein lebenslanges zölibatäres Dasein eingerichtet.
Zum Glück rauschte dieser Kelch dann an meiner bereits ausgestreckten Hand in einem plötzlichen Energieschub doch noch mit Vollgas vorbei.
Ein Womanizer war und bin ich trotzdem bis heute nicht; als ich dann mit 26 wieder selbstgewählt Single war, richtete ich mich darauf ein, daß das auch längere Zeit so bleiben würde (es wurden dann anderthalb Jahre) und begab mich damals noch in Speyer auf eine Party.
Erstaunt mußte ich dort feststellen, daß die hübscheste Frau des Abends, eine zierliche Garagenrock - Hörerin mit kurzen, rotgetönten Haaren, meine Gesellschaft suchte, sich freiwillig mit mir unterhielt und vorschlug, daß wir uns mal treffen könnten, um zusammen was trinken zu gehen.
Natürlich sagte ich zu; drei Tage hatte ich die Zeit, mir zu überlegen, wie ich bei diesem Date auftreten wollte und gute Freunde um Rat zu fragen.
Ein guter Rat an Freunde: frage nie vor einem Date gute Freunde um Rat.
Man sollte einfach sich selbst und natürlich sein, denn ansonsten stanzt man sich Schablonen aus, in die man sich preßt und in denen man in dieser verrenkten Haltung verkrampft.
So auch hier: "geh auf sie ein! Frag sie, was sie macht und denkt! Erzähl nicht nur von dir selbst" wurde mir geraten, was in den grandios glumpfigen Einstiegssatz
"Und was denkst du so? Was bewegt dich?"
mündete. Eigentlich hätte da bereits in Monty - Python - Manier ein Ritter erscheinen müssen, um mir ein gerupftes Huhn über die Rübe zu hauen.
Demzufolge holperte das Gespräch auch von einem Eselkarren über einen Gebirgspfad gezogen dahin; irgendwann erzählte ich dann, daß ich beabsichtige, nach Karlsruhe zu ziehen.
"Ich habe einen guten Freund in Karlsruhe, der hat auch einen tollen und verantwortungsvollen Job."
"Aha."
Im Inneren ging ich kurz diverse Möglichkeiten durch. Intensivpfleger? Sozialarbeiter?
"Ja, der arbeitet im Zoo als Tierpfleger."
Worauf ich lauthals herausprustete.
"Was ist daran so lustig?"
"Och, nichts. Ich finde, ein Mann sollte eine verantwortungsvolle Aufgabe im Leben haben. Und sei es, den Streichelzoo auszumisten."
Und von diesem Gipfel der Grunzdummheit aus habe ich sie danach nie mehr wiedergesehen.
Man stellt sich in zumeist überschaubarer Runde auf eine Bühne und erzählt fünf Minuten lang eine Geschichte auf deutsch oder englisch, weil - da dieses Format ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum kommt - auch viele "native speakers" anwesend sind.
Es gibt - außer dem zeitlichen Rahmen - nur noch die Bedingungen, daß die Geschichte frei vorgetragen und selbsterlebt sein muß.
Natürlich stellt sich immer die Frage, was man dabei bereit ist, von sich selbst preiszugeben; das gemütliche Setting und preiswerte alkoholische Getränke verleiten den ein oder anderen auch gerne dazu, sich in Selbstreflexion zu üben oder einfach mal sein Herz auszuschütten.
Das muß man nicht unbedingt gutfinden oder verstehen; aber aus eigener Erfahrung weiß ich, daß es etwas erstaunlich Befreiendes haben kann, Dinge, die man seit Jahren mit sich herumschleppt, vor einer kleinen Gruppe zumeist wildfremder Menschen, die das nicht sonderbar findet, einfach mal auszusprechen.
Eine durchaus karthatische Wirkung hatte es, als ich - einem dunklen inneren Drang nachgebend - das schwierige Verhältnis zu meinem Vater in meiner Kindheit und Jugend samt unserer Aussöhnung 15 Jahre vor seinem Tod anriß; es tauchte aus dem Nichts auf und wollte an dem Abend einfach heraus.
Aber nicht alles hat den Beigeschmack von Gruppentherapie, sondern soll einfach unterhalten; gestern war das Thema "Good intentions gone bad", zu dem ich zwei Anekdoten beisteuerte.
Die erste drehte sich um meine hier schon beschriebene grauenhafte Lesung im "Vereinsheim" in München - Schwabing (nach der ich bis heute nicht mehr in München auftreten wollte) und die zweite kündete von einem grandios vermasselten Date, über das ich heute - altersmilde mir selbst gegenüber - lachen kann.
Ich kann mit dem Umstand, mit Sicherheit für Frauen kein Geschenk der Natur zu sein, mittlerweile ganz gut leben; hat mich dieser Umstand doch nicht daran gehindert, in dieser Hinsicht in den letzten 22 Jahren recht erfolgreich unterwegs gewesen zu sein.
Aber halt: 22 Jahre?
Nun, ich war ein extremer Spätzünder.
Da ich einen Großteil meiner Kindheit und Teenagerzeit als Mobbingopfer verbrachte und danach noch geraume Zeit benötigte, um an sowas wie Selbstsicherheit und -vertrauen überhaupt nur zu denken, hatte ich meine erste richtige Freundin tatsächlich erst mit 24. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich in der Hinsicht bereits resigniert und mich auf ein lebenslanges zölibatäres Dasein eingerichtet.
Zum Glück rauschte dieser Kelch dann an meiner bereits ausgestreckten Hand in einem plötzlichen Energieschub doch noch mit Vollgas vorbei.
Ein Womanizer war und bin ich trotzdem bis heute nicht; als ich dann mit 26 wieder selbstgewählt Single war, richtete ich mich darauf ein, daß das auch längere Zeit so bleiben würde (es wurden dann anderthalb Jahre) und begab mich damals noch in Speyer auf eine Party.
Erstaunt mußte ich dort feststellen, daß die hübscheste Frau des Abends, eine zierliche Garagenrock - Hörerin mit kurzen, rotgetönten Haaren, meine Gesellschaft suchte, sich freiwillig mit mir unterhielt und vorschlug, daß wir uns mal treffen könnten, um zusammen was trinken zu gehen.
Natürlich sagte ich zu; drei Tage hatte ich die Zeit, mir zu überlegen, wie ich bei diesem Date auftreten wollte und gute Freunde um Rat zu fragen.
Ein guter Rat an Freunde: frage nie vor einem Date gute Freunde um Rat.
Man sollte einfach sich selbst und natürlich sein, denn ansonsten stanzt man sich Schablonen aus, in die man sich preßt und in denen man in dieser verrenkten Haltung verkrampft.
So auch hier: "geh auf sie ein! Frag sie, was sie macht und denkt! Erzähl nicht nur von dir selbst" wurde mir geraten, was in den grandios glumpfigen Einstiegssatz
"Und was denkst du so? Was bewegt dich?"
mündete. Eigentlich hätte da bereits in Monty - Python - Manier ein Ritter erscheinen müssen, um mir ein gerupftes Huhn über die Rübe zu hauen.
Demzufolge holperte das Gespräch auch von einem Eselkarren über einen Gebirgspfad gezogen dahin; irgendwann erzählte ich dann, daß ich beabsichtige, nach Karlsruhe zu ziehen.
"Ich habe einen guten Freund in Karlsruhe, der hat auch einen tollen und verantwortungsvollen Job."
"Aha."
Im Inneren ging ich kurz diverse Möglichkeiten durch. Intensivpfleger? Sozialarbeiter?
"Ja, der arbeitet im Zoo als Tierpfleger."
Worauf ich lauthals herausprustete.
"Was ist daran so lustig?"
"Och, nichts. Ich finde, ein Mann sollte eine verantwortungsvolle Aufgabe im Leben haben. Und sei es, den Streichelzoo auszumisten."
Und von diesem Gipfel der Grunzdummheit aus habe ich sie danach nie mehr wiedergesehen.
Dienstag, 7. Januar 2020
Wird es besser?
Sollten Sie es noch nicht bemerkt haben (vielleicht sind Sie gerade aus einem mehrmonatigen Koma erwacht und verspürten gleich danach eine unbezähmbare Lust, diesen Blog zu lesen):
wir schreiben eines neues Jahr, 2020 heißt es.
Und es fängt gar nicht mal so schlecht an.
Etliche schlaflose Nächte betreffs des Auszugs meines letzten Untermieters zum 01. 01. hatte ich hinter mir. Doch nun hat sich dieses Thema überraschend schnell erledigt, in einer Art Deus ex machina.
Nachdem ich schon auf Facebook inseriert hatte und mich mit einer erstaunlichen Anzahl mehr oder weniger obskurer Interessenten konfrontiert sah, von denen ich bei einem Großteil von ihnen nicht auch nur den Hauch eines Bedarfs danach verspürte, mit ihnen die gleiche Raumluft zu atmen, kreuzte ein Kumpel meinen Weg, den ich schon ein Jahr nicht mehr gesehen hatte.
Dieser residiert momentan im Rhein - Main - Gebiet und suchte bis auf weiteres eine Unterkunft für die Wochenenden, an denen er seine hier bei der Mutter lebenden Kinder besucht.
Das kam natürlich wie bestellt, und innerhalb von geschätzt drei Minuten war die Entscheidung gefallen.
Will heißen: ich habe die Wohnung den größten Teil des Monats trotzdem für mich allein, allerdings bei so deutlicher finanzieller Entlastung, daß ich sie weiterhin halten kann, ohne in ernsthafte Schräglage zu geraten.
Und da besagter Kumpel schon einmal längere Zeit bei (damals noch) uns gewohnt hat, weiß ich auch, worauf ich mich da einlasse. Will heißen: wenn er da ist, wird er mich nicht weiter stören. Damit fängt das neue Jahr fast so gut an, wie es (mit der unwirksamen Jobkündigung) aufgehört hat.
Sollte die Seuchenzeit tatsächlich ein Ende haben? Ganz traue ich dem Frieden nach gerade mal sieben Tagen 2020 ja noch nicht, das könnte auch eine Finte sein.
Harren wir mal gespannt der Dinge, die da kommen.
Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen, geschätzte Leser, ebenfalls ein gutes neues Jahr.
Schauen wir mal, wo es uns gemeinsam hinführen wird.
wir schreiben eines neues Jahr, 2020 heißt es.
Und es fängt gar nicht mal so schlecht an.
Etliche schlaflose Nächte betreffs des Auszugs meines letzten Untermieters zum 01. 01. hatte ich hinter mir. Doch nun hat sich dieses Thema überraschend schnell erledigt, in einer Art Deus ex machina.
Nachdem ich schon auf Facebook inseriert hatte und mich mit einer erstaunlichen Anzahl mehr oder weniger obskurer Interessenten konfrontiert sah, von denen ich bei einem Großteil von ihnen nicht auch nur den Hauch eines Bedarfs danach verspürte, mit ihnen die gleiche Raumluft zu atmen, kreuzte ein Kumpel meinen Weg, den ich schon ein Jahr nicht mehr gesehen hatte.
Dieser residiert momentan im Rhein - Main - Gebiet und suchte bis auf weiteres eine Unterkunft für die Wochenenden, an denen er seine hier bei der Mutter lebenden Kinder besucht.
Das kam natürlich wie bestellt, und innerhalb von geschätzt drei Minuten war die Entscheidung gefallen.
Will heißen: ich habe die Wohnung den größten Teil des Monats trotzdem für mich allein, allerdings bei so deutlicher finanzieller Entlastung, daß ich sie weiterhin halten kann, ohne in ernsthafte Schräglage zu geraten.
Und da besagter Kumpel schon einmal längere Zeit bei (damals noch) uns gewohnt hat, weiß ich auch, worauf ich mich da einlasse. Will heißen: wenn er da ist, wird er mich nicht weiter stören. Damit fängt das neue Jahr fast so gut an, wie es (mit der unwirksamen Jobkündigung) aufgehört hat.
Sollte die Seuchenzeit tatsächlich ein Ende haben? Ganz traue ich dem Frieden nach gerade mal sieben Tagen 2020 ja noch nicht, das könnte auch eine Finte sein.
Harren wir mal gespannt der Dinge, die da kommen.
Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen, geschätzte Leser, ebenfalls ein gutes neues Jahr.
Schauen wir mal, wo es uns gemeinsam hinführen wird.
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