"Sorry, das wird heute nichts mehr. Ich hab gerade gekotzt."
So sprach die hübsche Blondine Anfang 20, die vor ca. acht Jahren kalkweiß zombig aus der Toilette des "Carambolage", damals mein favorisierter Club in Karlsruhe, wankte. Das wäre eine bizarre Randnotiz gewesen, die man im Vorbeigehen aufschnappt und vier bis vierzig Stunden im Gehirn spazierenträgt, bevor sie sich in den Orkus verabschiedet.
Doch leider sagte sie es zu mir, nachdem sie vorher nach einer guten Stunde Nahkampftanz und Augenkontakt gemeint hatte, sie ginge jetzt nach Hause und würde mich gerne mitnehmen, müsse aber vorher kurz noch aufs Klo. So warf diese Frau mit zwei Sätzen innerhalb von 15 Minuten meinen Plan für den weiteren Abend zweimal komplett über den Haufen, und ich kehrte zu meinem eigentlichen Vorhaben zurück, das etwas mit körperlicher Bewegung und gleichzeitigem Konsum alkoholischer Getränke zu tun hatte. Auf letzteres hätte ich bei der zwischenzeitlich optionalen Abendgestaltung wahrscheinlich verzichtet.
Die Frau sah ich leider nie wieder.
Nun gut, heute sage ich mir: besser vorher gekotzt als direkt danach. In dem Fall hätten mich wahrscheinlich vage Selbstzweifel beschlichen.
Wie ich nun darauf komme?
Ich war zu einem 28stündigen Kurztrip in Berlin, um mit meinem geschätzten Kollegen Dirk Bernemann eine Lesung im bereits mehrfach erwähnten Gun Club abzuhalten.
Und da ich weiß, daß Thomas Lühr, der Inhaber desselben, hier regelmäßig mitliest, darf ich doch erwähnen, daß mir kaum etwas soviel Spaß macht wie eine Lesung in seinem Etablissement... auch wenn der Publikumszuspruch mit 12 zahlenden und ca. 4-5 nicht zahlenden Gästen auch nicht weniger bescheiden war wie in vielen anderen Läden, die ich bereits beehren durfte.
Aber nach der eher frustrierenden Südwesttour mit Christoph Parkinson und Gary Flanell, über die ich aus gutem Grund hier nichts verlauten ließ, weil man Abende mit drei Gästen beziehungsweise Lesungen in dafür denkbar ungeeigneten Locations genauso vergessen sollte wie grunzpeinliche Presseberichte irgendwelcher Hobbylokalreporter. (Kostprobe gefällig?
"Ihre
Geschichten sind nicht nur autobiographisch, nicht nur aus dem Leben gegriffen,
sie sind etwas fiktiv, ein bissl ficktiv, verwichst und durchonaniert, absurd
und, wie Gary Flanell dem Speyer-Report erklärte: „...der Wahnsinn des
alltäglichen Lebens“)
Das klingt wie der Konzertbericht über die Halstuchhundepunkband "Omakotze".
Wenn bereits der Sinn für Selbstironie versagt und man Ereignisse gerne personifizieren würde, um ihnen mit einem armdicken Buchenast die Scheiße herauszuprügeln, sollte man sie vielleicht wirklich lieber abheften und in einer unzugänglichen Hirnwindung bunkern.
Dagegen war der Abend in Berlin trotz der geringen Besucherzahl eine sehr erfreuliche und in sich stimmige Veranstaltung, musikalisch umrahmt von Daniel Morgenroth (um niemanden zu vergessen).
Die hierzulande längst überfällige Reisemöglichkeit "Fernbus" macht solche Kurztrips finanziell tatsächlich möglich, denn für insgesamt 52 Euro Reisekosten kann man ruhig mal eine Nacht in Berlin verbringen, wenn man dazu noch- wie am Dienstag- zumindest 20 Euro der Kosten (mein Anteil am Eintritt) wieder reinholt. Ein gewöhnlicher Kneipenabend in Karlsruhe ist erfahrungsgemäß auch nicht viel günstiger.
Doch bei aller Milde und Leidensfähigkeit angesichts der erschwinglichen Fahrtkosten: für den schnarchenden Alten in der Sitzreihe nebenan auf der Hinfahrt sowie den saufenden Alten auf der Rückfahrt ebenda, der sich bis Würzburg mit Büchsenbier und kleinen Jägermeisterflaschen zuschüttete und in unregelmäßigen Abständen - warum auch immer- ein krächzendes "Heidewitzka, Herr Kapitän" von sich gab, wünschte ich mir trotzdem den Zustieg eines hauptberuflichen Enthaupters der ISIS.
Gewürdigt werden muß natürlich außerdem das Unternehmen SERWAYS (manchmal im Verbund mit einem anderen Verbrecherverein mit dem schönen Namen GUSTICUS) auf Rastplätzen, dessen Kombination aus miesem Fraß und astronomischen Preisen wohl nur noch von den Bordrestaurants der ICE übertroffen wird. Leider ist der alleinige Verzehr von Brezeln und Erdnüssen während acht Stunden Fahrt doch etwas unbefriedigend, so daß man sich auf der halbstündigen Pause wider besseren Wissens doch eine warme Mahlzeit bestellt... zum Beispiel eine Currywurst in einer Soßenschale voll schauderhaft nach "Lecken am Fensterkitt" schmeckender Krätztunke mit einer Handvoll Pommes für geschmeidige 6 Euro 99. Was haben wir gelacht.
Apropos "Kotzen": da krieg ich ja zur Abrundung wieder die Kurve zum Beginn dieses Eintrags.
Denn ich kam auf diese mißglückte One- Night- Stand- Geschichte nur, weil ich beim Kollegen Bernemann wirklich und wahrhaft die erstaunliche Feststellung machte, daß es weibliche Schriftstellergroupies gibt, die darauf aus sind, sich nach Lesungen von einem Autoren durchbürsten zu lassen.
Bisher ging diese Tatsache völlig an mir vorbei, aber da ich sowieso seit einiger Zeit wieder ungebunden bin, macht mir das Hoffnung. Vielleicht saßen auch bei mir schon welche im Publikum und trauten sich nicht, mich anzusprechen? Oder ich habe sie ignoriert, weil ich liiert war?
Nun denn: also, meine Damen, nächstes Mal keine Scheu.
Und bitte nicht kotzen.
Donnerstag, 20. November 2014
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