Montag, 24. November 2014

Zeigefinger im Arsch (oder so)

Es war- soweit ich weiß- eine Premiere, daß ich einen Blogeintrag von mir noch einmal nachkorrigiert habe, um die Kernaussage herauszuschälen.
Altersmilde?
"Musste dich halt gleich unmißverständlich ausdrücken", so die Reaktion darauf, von mir gekontert mit 
 "dann kann ich mir gleich den erhobenen Zeigefinger in den Arsch stecken".
(nebenher fällt mir hierzu gerade eine legendäre Anekdote ein: in den 90ern, als ich in Speyer wohnte, stiegen wir in einer lauen Nacht ins dortige Freibad ein. Ein Kumpel von mir, gleichzeitig eine berüchtigte lokale Berühmtheit damals bereits fortgerückten Alters, wettete um zehn Mark, er würde nackt einen Kopfsprung vom Dreimeterbrett machen, sich dabei den Daumen in den Arsch stecken und "Winds Of Change" pfeifen. Ein paar Minuten später war er um zehn Mark reicher).
Zum Oberlehrer mag ich dann doch nicht taugen.
Aber auf was ich hinauswollte: mittlerweile habe ich für die letzten Blogeinträge doch Kritik kassiert, und zwar nicht einmal negative, sondern eher in Form der Feststellung, daß mir Wut und Biß der Anfangszeit abhanden gekommen seien... was insofern interessant ist, als daß ich am 07. 08. 13 hier
noch das Gefühl hatte, es mit dem Beißen völlig zu übertreiben und allmählich zu einer bloßen Parodie meiner selbst zu mutieren.
Das war vielleicht auch der Tatsache geschuldet, daß ich zu jener Zeit kaum noch bloggte und wenn, dann um angestauten Ärger loszuwerden. 
Aber nachdem ich mich gerade durch die "Alten Meister" von Thomas Bernhard gequält habe (zumindest in der Hoffnung auf eine stimmige Pointe am Ende, wie bei "Auslöschung"... die aber ausblieb) und nach mittlerweile vier Büchern von ihm von der ewigen Wiederkehr des Immerselben kolossal genervt bin, denke ich, daß es eine gute Entscheidung war, etwas kürzerzutreten und zumindet phasenweise eine andere inhaltliche Ausrichtung anzustreben.
Daß dieser Blog mittlerweile erstaunlich erfolgreich ist, was Zugriffszahlen belegen, von denen ich früher nur geträumt habe, beweist, daß dieser Gedanke zumindest nicht völlig verkehrt war.
Aber das allein ist es nicht. Fakt ist, daß sich mein Leben in den letzten paar Monaten gewaltig entschleunigt hat. 
Ich denke, das ist auf eine Kombination aus drei Faktoren zurückzuführen: auf meine überstandene Krankheit, natürlich. Nicht nur, daß ich die angenehmeren Seiten des Lebens wieder mehr zu würdigen weiß; ich möchte jetzt nicht allzusehr ins Detail gehen, denn das wäre zu privat, ein Beispiel soll genügen. Früher war ich eine sehr impulsive Person mit einer Neigung zum Jähzorn, die sich über Kleinigkeiten in einem teils nicht nachvollziehbaren Maß aufregen konnte. Das ist scheinbar gedrosselt, manche Situationen, die mir noch vor fünf Jahren eine Ladung Schaum vor dem Mund beschert hätten, bringen mich heute kaum noch aus der Ruhe. Dafür messe ich ihnen einfach nicht mehr genug Bedeutung bei, da ich andere Prioritäten habe.
Und das nicht aus Gründen innerer Umkehr und Einsicht, sondern weil es mit der Entfernung eines tennisballgroßen Tumors, der Teile meines Kleinhirns zusammengedrückt hatte, gleichsam verschwunden ist und ich einfach kein Bedürfnis mehr nach ständigen Tobsuchtsanfällen habe. Das klingt gruslig, fast wie eine Lobotomie in "Einer flog über das Kuckucksnest", aber es ist ein Fakt. Genauso wie der, daß mein Leben dadurch nicht zwingend unangenehmer geworden ist und ich nicht das Gefühl habe, mich in wesentlichen Charakterzügen wirklich komplett verändert zu haben.
Der zweite Faktor ist mein Alter, das ich allmählich tatsächlich spüre, was sich in einem gesteigerten Bedürfnis nach Ruhe zeigt und dem Gefühl, nichts zu verpassen, wenn ich nicht mehr der Adabei vom Dienst bin und zu jedem nichtigen Anlaß Party machen muß. Und daraus ergibt sich der dritte Faktor, daß ich selten in meinem Leben soviele Bücher gelesen habe wie in den letzten drei Jahren, was wohl auch unabsichtlich auf meinen Schreibstil abfärbt. Zumal ich mittlerweile auch versuche, Dinge und Menschen, die mich wirklich auf die Palme bringen, mit Zitaten und anderen Texten zu belegen beziehungsweise vorzuführen, um mich dadurch weniger angreifbar zu machen. So ist das nunmal.


"Früher war mehr Punkrock." Und noch früher hatte ich keine Haare am Sack.

*edit*
Dement werde ich scheinbar auch bereits. Einen guten Teil des heutigen Wortes zum Sonntag habe ich bereits hier  vorgebetet. Vergessen Sie's. Das ist ein neuer Eintrag. NEU. 

Sonntag, 23. November 2014

Anti- Anti- Castor (Remix)

Da ich aus aktuellem Anlaß noch einmal meinen Blogeintrag von 2011 betreffs meiner Ablehnung der Ablehnung von Castortransporten in die fröhliche Runde geworfen habe und er erwartungsgemäß auf geringe Begeisterung stieß, serviere ich hier nochmal einen Nachschlag in der Hoffnung, Mißverständliches eventuell zu erhellen.

Das hier war der ursprüngliche Post, und zwar lange, bevor nun in Karlsruhe auf dem Gelände der ehemaligen Wiederaufarbeitungsanlage bei 1692 dort gelagerten Fässern mit Atommüll Rostschäden festgestellt wurden.
Der Gesamtbestand der dort gelagerten Fässer beträgt gut 65. 000, und es ist nicht auszuschließen, daß im Verlauf weiterer Kontrollen noch mehr Schäden auftauchen.
Dazu die "Stuttgarter Zeitung":

Rostschäden an mehreren Hundert Atommüllfässern im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe verschärfen das Problem der fehlenden Endlagerung. Eine Gefahr für Mensch und Umwelt gebe es nicht, da die 1692 betroffenen Fässer umgepackt oder in größere Schutzfässer gestellt worden seien, erklärte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Die Kontrollen seien allerdings sehr aufwendig, sagte Untersteller und forderte: „Der Bund muss daher dafür sorgen, dass das längst überfällige Endlager Schacht Konrad möglichst zeitnah fertiggestellt wird.“
In Bezug auf beschädigte Fässer seien Hinweise auf Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter jedoch irreführend, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Strahlenschutz. „Tatsächlich ist bisher kein einziger Abfallbehälter in Karlsruhe so vorbereitet, dass er in Konrad eingelagert werden könnte.“

Soweit waren wir also schonmal. Es stellt sich hierbei für mich nicht die Frage, OB laufend weiterer Atommüll produziert wird, was ja offensichtlich ist, da der fällige Ausstieg (den ich, ich sage es nochmal, absolut befürworte) nach wie vor weiterhin verschleppt wird.
Es geht für mich um den Fakt, daß dieser ganze Atommüll existiert, irgendwo in der Walachei herumsteht, mit Sicherheit von Jahr zu Jahr nicht ungefährlicher wird und deswegen endlich einmal so verräumt werden sollte, daß er vorerst keinen noch größeren Schaden anrichten kann.
Und sei es irgendeine Wiederaufarbeitungsanlage; es ist mir lieber, er reist in eigens dafür angefertigten Behältnissen in der Weltgeschichte herum, anstatt irgendwo vor sich hinzuverrotten. 

Um mal die Argumentation der "Gegenseite" (sorry, in dem Fall sind wir halt nicht einer Meinung) aufzugreifen:


"Das viel schlimmerer Problem ist, dass immernoch NEUER Atommüll produziert wird - obwohl man ja um die Folgeprobleme Bescheid weiß. Und dagegen zu arbeiten ist sehr schwierig. Atomkraft hat eine riesige Lobby. Politisch wird sich da in absehbarer Zeit nichts nennenswert ändern, solange wirtschaftiche Argumente immer als wichtigste Argumente angesehen werden.. Und wenn zehn Hansel mit Bannern vor abgelegenen Endlagern oder AKWs herumstehen, nutzt das auch nichts. Mehr Aufmerksamkeit bekommt man da schon durchs Anketten an Bahnschienen."

Das Problem ist, daß der Müll mit oder ohne Protest anfällt, solange hier noch weitere AKW's in Betrieb sind; und daß das "Aufmerksamkeit erregen" nicht immer etwas Positives zur Folge haben muß.
Erstens sind die gigantischen Mehrkosten, die bei jedem Transport entstehen, und die nach Meinung der Anti- Atombewegung die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten beeinflussen sollen, dem Normalbürger, der sich über die gängigen Medien informiert, absolut nicht mehr vermittelbar und erreichen somit- auch mithilfe jener Medien- genau das Gegenteil davon, was sie eigentlich erreichen sollen, nämlich zunehmenden Unmut gegenüber den Protestierenden anstatt dem korrupten Pack, dem wir diese Misere zu verdanken haben; zweitens fehlen eben jene Gelder genau in dem Bereich, wo sie eigentlich gebraucht werden könnten (die Kosten für die Umwandlung von Schacht Konrad in ein Endlager belaufen sich auf 2,9 Milliarden, wogegen 30 Millionen Mehrkosten eines Transports zwar Portokasse sein mögen, sich aber pro Transport allmählich gemütlich summieren; ob die Regierung die eingesparten Gelder für einen sinnvollen Zweck verwenden würde, sei mal dahingestellt, um einen berechtigten Einwurf vorwegzunehmen ) und drittens glaube ich an nichts mehr als an regionalen Egoismus, und zwar auf allen Seiten.
Genausowenig, wie es die meisten Einwohner hier juckte, wenn "unsere" Fässer irgendwohin nach Meuselwitz oder Stade verschickt würden, würde es dort mit Sicherheit niemanden interessieren, wenn sie hierbleiben. Vor allem, da wir als Einwohner von BaWü sowieso das Privileg haben, nach Meinung des Rests der Republik ein stinkreiches und erzkonservatives Bundesland zu sein, das die Scheiße, die es sich eingebrockt hat, ruhig selbst ausbaden kann. Nach einigen lustigen Diskussionen, die ich in Berlin führen durfte, stelle ich diese Behauptung einfach mal unbewiesen in den Raum.
Ich für meinen Teil versuche, nicht so zu denken; und gäbe es hier in der Nähe ein wirklich überzeugend sicheres Endlager, könnte man von mir aus mit Kußhand alles mögliche da hineinverfrachten, wenn es dafür aus dem Weg und die Diskussion damit beendet wäre. 
Den das ist der entscheidende Punkt: der Müll, der bisher da war, ist immer noch da. Und wird auch nach dem sofortigen Ende der Atomkraft noch da sein, sogar wenn dies via Deus ex machina morgen stattfinden sollte.

Ich bin weder für zehn Hansels mit Bannern noch für Menschenketten vor AKWs, aber der Meinung, daß es sinnvollere Wege des Anti- Atomkraft- Protests geben muß.
Breitangelegte öffentliche Aufklärung, Fakten, in welchem Maß Politiker an der Gefährdung von Umwelt und Mensch finanziell profitiert haben und damit dafür sorgen, daß diese Idioten entweder nicht mehr gewählt werden oder ihren Posten verlieren (und sei es nur auf kommunaler Ebene) sowie konzertierte Aktionen vor Partei- und Konzernzentralen nach Art der Occupy- Proteste, um Berichte zu provozieren, die mehr die Inhalte in den Vordergrund rücken und bei denen die Medien nicht nur darauf aus sind, möglichst sensationelle Bilder von Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und Demonstranten zu erhaschen.
Mit Sicherheit gibt es in dem Bereich schon genug engagierte Leute, und denen gebührt mein voller Respekt.

Aber gegen die üblichen Anti- Castor- Proteste bin ich nach wie vor, da ich nach meiner Lesart keinen Sinn darin erkenne. Und daran wird sich nichts ändern

Donnerstag, 20. November 2014

Gusticus 666

"Sorry, das wird heute nichts mehr. Ich hab gerade gekotzt."
So sprach die hübsche Blondine Anfang 20, die vor ca. acht Jahren kalkweiß zombig aus der Toilette des "Carambolage", damals mein favorisierter Club in Karlsruhe, wankte. Das wäre eine bizarre Randnotiz gewesen, die man im Vorbeigehen aufschnappt und vier bis vierzig Stunden im Gehirn spazierenträgt, bevor sie sich in den Orkus verabschiedet.
Doch leider sagte sie es zu mir, nachdem sie vorher nach einer guten Stunde Nahkampftanz und Augenkontakt gemeint hatte, sie ginge jetzt nach Hause und würde mich gerne mitnehmen, müsse aber vorher kurz noch aufs Klo. So warf diese Frau mit zwei Sätzen innerhalb von 15 Minuten meinen Plan für den weiteren Abend zweimal komplett über den Haufen, und ich kehrte zu meinem eigentlichen Vorhaben zurück, das etwas mit körperlicher Bewegung und gleichzeitigem Konsum alkoholischer Getränke zu tun hatte. Auf letzteres hätte ich bei der zwischenzeitlich optionalen Abendgestaltung wahrscheinlich verzichtet.
Die Frau sah ich leider nie wieder.
Nun gut, heute sage ich mir: besser vorher gekotzt als direkt danach. In dem Fall hätten mich wahrscheinlich vage Selbstzweifel beschlichen.
Wie ich nun darauf komme?
Ich war zu einem 28stündigen Kurztrip in Berlin, um mit meinem geschätzten Kollegen Dirk Bernemann eine Lesung im bereits mehrfach erwähnten Gun Club abzuhalten.
Und da ich weiß, daß Thomas Lühr, der Inhaber desselben, hier regelmäßig mitliest, darf ich doch erwähnen, daß mir kaum etwas soviel Spaß macht wie eine Lesung in seinem Etablissement... auch wenn der Publikumszuspruch mit 12 zahlenden und ca. 4-5 nicht zahlenden Gästen auch nicht weniger bescheiden war wie in vielen anderen Läden, die ich bereits beehren durfte.
Aber nach der eher frustrierenden Südwesttour mit Christoph Parkinson und Gary Flanell, über die ich aus gutem Grund hier nichts verlauten ließ, weil man Abende mit drei Gästen beziehungsweise Lesungen in dafür denkbar ungeeigneten Locations genauso vergessen sollte wie grunzpeinliche Presseberichte irgendwelcher Hobbylokalreporter. (Kostprobe gefällig?
"Ihre Geschichten sind nicht nur autobiographisch, nicht nur aus dem Leben gegriffen, sie sind etwas fiktiv, ein bissl ficktiv, verwichst und durchonaniert, absurd und, wie Gary Flanell dem Speyer-Report erklärte: „...der Wahnsinn des alltäglichen Lebens“) 

Das klingt wie der Konzertbericht über die Halstuchhundepunkband "Omakotze".
Wenn bereits der Sinn für Selbstironie versagt und man Ereignisse gerne personifizieren würde, um ihnen mit einem armdicken Buchenast die Scheiße herauszuprügeln, sollte man sie vielleicht wirklich lieber abheften und in einer unzugänglichen Hirnwindung bunkern.
Dagegen war der Abend in Berlin trotz der geringen Besucherzahl eine sehr erfreuliche und in sich stimmige Veranstaltung, musikalisch umrahmt von Daniel Morgenroth (um niemanden zu vergessen).
Die hierzulande längst überfällige Reisemöglichkeit "Fernbus" macht solche Kurztrips finanziell tatsächlich möglich, denn für insgesamt 52 Euro Reisekosten kann man ruhig mal eine Nacht in Berlin verbringen, wenn man dazu noch- wie am Dienstag- zumindest 20 Euro der Kosten  (mein Anteil am Eintritt) wieder reinholt. Ein gewöhnlicher Kneipenabend in Karlsruhe ist erfahrungsgemäß auch nicht viel günstiger.
Doch bei aller Milde und Leidensfähigkeit angesichts der erschwinglichen Fahrtkosten: für den schnarchenden Alten in der Sitzreihe nebenan auf der Hinfahrt sowie den saufenden Alten auf der Rückfahrt ebenda, der sich bis Würzburg mit Büchsenbier und kleinen Jägermeisterflaschen zuschüttete und in unregelmäßigen Abständen - warum auch immer- ein krächzendes "Heidewitzka, Herr Kapitän" von sich gab, wünschte ich mir trotzdem den Zustieg eines hauptberuflichen Enthaupters der ISIS.
Gewürdigt werden muß natürlich außerdem das Unternehmen SERWAYS (manchmal im Verbund mit einem anderen Verbrecherverein mit dem schönen Namen GUSTICUS) auf Rastplätzen, dessen Kombination aus miesem Fraß und astronomischen Preisen wohl nur noch von den Bordrestaurants der ICE übertroffen wird. Leider ist der alleinige Verzehr von Brezeln und Erdnüssen während acht Stunden Fahrt doch etwas unbefriedigend, so daß man sich auf der halbstündigen Pause wider besseren Wissens doch eine warme Mahlzeit bestellt... zum Beispiel eine Currywurst in einer Soßenschale voll schauderhaft nach "Lecken am Fensterkitt" schmeckender Krätztunke mit einer Handvoll Pommes für geschmeidige 6 Euro 99. Was haben wir gelacht.
Apropos "Kotzen": da krieg ich ja zur Abrundung wieder die Kurve zum Beginn dieses Eintrags.
Denn ich kam auf diese mißglückte One- Night- Stand- Geschichte nur, weil ich beim Kollegen Bernemann wirklich und wahrhaft die erstaunliche Feststellung machte, daß es weibliche Schriftstellergroupies gibt, die darauf aus sind, sich nach Lesungen von einem Autoren durchbürsten zu lassen.
Bisher ging diese Tatsache völlig an mir vorbei, aber da ich sowieso seit einiger Zeit wieder ungebunden bin, macht mir das Hoffnung. Vielleicht saßen auch bei mir schon welche im Publikum und trauten sich nicht, mich anzusprechen? Oder ich habe sie ignoriert, weil ich liiert war?
Nun denn: also, meine Damen, nächstes Mal keine Scheu.

Und bitte nicht kotzen.

Freitag, 14. November 2014

Tearjerker- ein Outing

Normalerweise bin ich ja nicht sonderlich empfänglich für die emotionalen Komponenten des Trash- und Hausfrauenfernsehens.
Eine Sendung hat mich jedoch völlig auf dem falschen Fuß erwischt und tut es jedesmal, wenn ich beim zufälligen Herumschalten auf der Fernbedienung darauf stoße, wieder (das "Herumschalten" ist keine Ausrede; ich habe kein Programmheft, da ich kaum noch fernsehe, und wenn ich Gelüste darauf habe, zappe ich ziellos so lange durch, bis ich bei irgendwas hängen bleibe, zumeist bei irgendwelchen Dokumentationen über Kriege, Knäste, Altnazis oder allen dreien gleichzeitig).
Es handelt sich wirklich und wahrhaftig um "Bitte melde dich!", die Familienzusammenführungssendung mit Julia Leischik.
Ständig habe ich bei dieser nach ca. 10 Minuten ungefähr anderthalb Klöße im Hals, ohne etwas dagegen tun zu können, denn es ist wirklich komplett zum Herz- und Steinerweichen.
Vielleicht merke ich daran, daß ich älter werde und bereits einige dramatische Lebenssituationen zu bewältigen hatte, die nicht spurlos an mir vorübergingen.
Natürlich ist das zugegebenermaßen Fernsehen, das auf die Quote schielt und dramaturgisch geschickt inszeniert wird; dennoch sind die gezeigten Emotionen mit einem Minimum an Empathie dermaßen nachvollziehbar, daß man das Ganze nur mit einem gerüttelten Maß an Misanthropie respetive Zynismus übersteht, ohne "etwas im Auge zu haben", ganz zufällig. Und die ersteren beiden Eigenschaften sind mir seit 2011 zumindest teilweise abhanden gekommen.
Sie glauben mir nicht? Dann schauen Sie sich diese Folge an, die mir letztens schwer zu schaffen machte. Ich bin mal gespannt, wie lange sie standhaft bleiben.
Tun Sie es zumindest mir zuliebe, ich will mich nicht allein ergeben müssen:

Julia Leischik: Folge mit Hammouda und Anita

Das Gespenst

Man hatte es beziehungsweise sie fast schon vergessen. Oder verdrängt.
Doch nun, zu den Feiern des 25jährigen Mauerfalljubiläums, wurde es/sie wieder herausgekramt und durch die Medien gescheucht.
Es handelt sich um die Floskel von der "Mauer in den Köpfen". Wurde diese in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR beziehungsweise derem Jubiläum ständig beschworen, hochgezogen und wieder abgerissen, vor allem von salbungsvollen Gestalten wie Johannes Rau selig ( "Wir dürfen und wir werden uns mit der Mauer in den Köpfen und den Abschottungen in den Herzen in Deutschland niemals abfinden") oder Christian Wulff unselig ("ein Ideal der Begegnung ohne Mauern in den Köpfen"), gab es sie manchmal auch als pure Imagination (Sachsen Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU): "Die immer zitierte Mauer in den Köpfen ist meinem Eindruck nach zu einem großen Teil herbeigeredet"...was der gnomige Schwafler übrigens auch in seiner Zeit als sächsischer Ministerpräsident über Neonazis im Osten behauptete, denn die gäbe es ebenfalls nicht, nur "einfache Ganoven", aber egal) oder gar aus dem geschichtlichen Zusammenhang gerissen in der schwulen Variante ("...will der CSD Düsseldorf dazu beitragen, „Mauern mit den Köpfen niederzureißen“, wie die Veranstalter auf ihrer Homepage schreiben.").
"Die Mauer ist gründlich verschwunden, die Mauer in den Köpfen ist eher eine Behauptung derer, die niemals die Vereinigung gewollt haben, als Realität", so Ex- Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld in einem Interview mit biedenkopfscher Überzeugung... und wenn sie schon nicht da ist, mußte man sich zumindest ihre theoretische Existenz vorstellen, um diese ranzige Phrase benutzen zu können, immer und immer wieder, wie "Sinn machen", "Spaßfußball" oder das "Umschaltspiel".
Scheinbar sind Floskeln eine Art Dschinn: kaum läßt sie irgendjemand einmal aus der Flasche, bereisen sie fliegenderweise die Lande, um ständig ihren Kopf aus Fernsehen, Radio oder Presseerzeugnissen zu stecken, ihrem Verbreiter wohl das Gefühl gebend, ein solides Bonmot vom Stapel gelassen zu haben.
Doch plötzlich war Ruhe. Trotz allem Hineinlauschen in die Medienlandschaft: keine Mauer in den Köpfen mehr.
Doch am 9. November stellte ich fest, daß dies nur die Ruhe vor der großen Offensive war: sage und schreibe fünf Mal wurde dieser Ausdruck von fünf verschiedenen Personen des öffentlichen Lebens auf Berichten über die Feierlichkeiten aus Berlin gebraucht. Wer das war, weiß ich nicht mehr und will es auch gar nicht wissen, denn vor lauter Schreck schaltete ich mein Gehirn weitgehend ab.

Eine Mauer im Kopf gegen die "Mauer in den Köpfen", sozusagen.

Samstag, 8. November 2014

Liebe Pflegekräfte, alles wird gut!

Denn wir haben tatkräftige Unterstützung, und somit kann uns nichts mehr passieren. Das Volk wird endlich aufgerüttelt! Aber seht selbst:



Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht folgendes:
Danke, daß wir nicht streiken, weil wir keine Möglichkeit dazu haben. Danke, daß man dafür mit uns machen kann, was man will. Danke, daß sich auch kein Schwein für uns interessiert, außer es ist direkt oder indirekt davon betroffen. Danke, daß wir keine Lobby haben. Danke, daß es jedesmal, wenn jemand den Pflegenotstand anprangert, heißt: "das geht nicht gegen das Pflegepersonal", obwohl es genau daraufhin rausläuft. Danke für die ganzen Unterstellungen (Demente werden sediert, weil man keine Lust hat, sich um sie zu kümmern; Leute werden per PEG ernährt, weil das bequemer ist, als Essen zu reichen... etc.). Danke, daß jeder ausgemachte Depp, auch wenn er absolut keine Ahnung von der Materie hat, unwidersprochen in den Medien seinen Quatsch zu dem Thema von sich geben darf und das Ganze möglichst reißerisch breitgetreten wird. Und deswegen: danke, danke und nochmals danke für dieses ganze scheinheilige Scheißgelaber. So, das mußte mal raus.