"Der Typ ist so wahnsinnig wie Klaus Kinski, wenn du mich frägst" meinte mein Freund Simon aus Speyer, als David Eugene Edwards die Bühne im Tollhaus betreten hatte, angetan mit einem häßlichen Filzhut mit Federn.
Ich hatte lange gezögert, mich für einen Konzertbesuch zu entscheiden, obwohl ich großer Fan von Sixteen Horsepower bin. Wovenhand kann ich nur partiell viel abgewinnen; zudem eilt Auftritten von Edwards der Ruf voraus, ein Tummelplatz von allerlei Christenvolk zu sein, das vor der Bühne andächtig lauscht. Zusammen mit der üblichen "Stock im Arsch"- Tollhaus- Klientel aus GRÜNEN- wählenden Studienräten und vollbärtigen mittelalten Kulturlangweilern verhieß das wenig Spaß.
Doch die Befürchtung erwies sich als unbegründet. Nach der Entrichtung von 26 Euro (was heutzutage irrsinnigerweise für einen Konzertbesuch fast ein humaner Preis ist) erblickte ich das buntgemischteste Publikum, das man sich vorstellen kann.
Männer in Anzügen samt Frauen in halbwegs eleganter Abendkleidung, bärtige Metaller mit BEHEMOTH- T- Shirts, christlich aussehende junge Männer samt Kinnvotze und Flip- Flops und einzelne Komplettnormalbürger und Schnauzbartträger. Man hätte beliebige Straßenbahnpassagiere direkt aus der S5 durchs Tollhaus schleusen können und es hätte nicht anders ausgesehen; sogar das ein oder andere bekannte Gesicht erblickte ich, unter anderem überraschenderweise einen gesetzten GG- Allin- Fan aus meinem weiteren Dunstkreis, der auf den wunderschönen Spitznamen "Evil" hört (und den ich seit Jahr und Tag nur unter diesem kenne... ich glaube, ich habe nie erlebt, daß jemand seinen Echtnamen ausspricht).
Der Grund für die Zusammensetzung des Publikums war wahrscheinlich nicht nur, daß Edwards seit Jahr und Tag großartige Musik macht, die eben viele Leute anspricht und einen oft den manchmal alttestamentarischen Wahnsinn vergessen läßt, den er textlich verbreitet, sondern auch seine trotz allem erstaunliche Weltoffenheit, durch die er auch auf Punk- und Metalfestivals spielt bzw. spielen kann, ohne von der Bühne gebuht zu werden.
Auch vermeidet er Predigten in seinen Ansagen; an diesem Montag gab es sowieso fast keine, sondern die Band spurtete souverän durch kein übermäßig langes Set, das diesmal erstaunlich rockorientiert war.
Von welcher Platte die Stücke stammten, ließ sich nicht eruieren; die erste WH- Rockplatte "Ten Stones" fand ich damals nach dem ersten Hördurchgang scheiße, und die neue, "Refractory Obdurate" erwarb ich erst an diesem Abend.
Bis auf die Zugabe gab es nichts Singer- Songwritermäßiges zu hören, sondern eine routinierte Show, in der die Tatsache, daß sie von Edwards stehend (und nicht wie sonst auf einem Hocker sitzend) bestritten wurde, schon als spektakuläre Feststellung verbucht wurde. Was negativer klingt, als es war; langweilig war es zu keiner Sekunde, nur der Sound hätte etwas druckvoller sein dürfen.
Mehr kann ich dazu nicht schreiben; verbuchen wir es unter "gutes, wenn auch nicht herausragendes Konzert an einem rückblickend ansonsten schönen Abend" und bleiben bei der Feststellung, daß ich vor dem Besuch eines WH- Auftrittes das nächste Mal nicht zögern werde.
Samstag, 20. September 2014
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Was mich Tag und Nacht beschäftigt: In Zeiten der Ganzkörperrasur, ist dann glattrasiert die neue Gesichtsfotze?
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