Der Berliner an sich ist ja offensichtlich der Stoiker schlechthin, und das scheint sich auch auf alle Zugezogenen zu übertragen.
War in Karlsruhe schon zwanzig Minuten nach der ersten Schneeflocke irgend ein Blockwart draußen, um den Gehsteig zu fegen und somit Paragraph scheiß die Wand an zu erfüllen, passiert hier... nichts.
Tritt sich fest, wa. Somit wird jeder Weg zur Frühschicht zum morgendlichen Hindernislauf, bei dem man kleinschrittig schlurfend wie ein Neunzigjähriger genug Zeit hat, um zu beobachten, wie einem die Straßenbahn vor der Nase wegfährt.
Erreicht man die Straßenbahn, kann einem durchaus folgendes passieren:
eine alte Frau steigt zu, die eine flache, pastellrosa Strickmütze trägt, aus deren Mitte eine wollene Öse ragt.
Nach kurzer Zeit setzt eine bizarre Assoziationskette ein, und man registriert, daß der Kopf der Frau von hinten betrachtet einer überdimensionalen weiblichen Brustwarze mit erregt steilaufragendem Nippel ähnelt.
Sollte das auf mangelnde sexuelle Auslastung meinerseits hinweisen?
Auf jeden Fall wäre das ein Objekt für tiefenpsychologische Diagnostik. Männer sind Schweine.
Apropos "Tiefenpsychologie": vor einigen Posts schrob ich (jaja, ich weiß... korrekt heißt es "schreibte")vom blitzartigen Auftauchen längst vergessener Kindheitstraumata wie dem des Einen mit den tannigen Hosen.
Gestern fiel mir sinnbefreit folgendes wieder ein: Mitte der 80er gab es in der ARD einen regelmäßigen Zehnminüter namens "Vorsicht! Kinder in der Kiste!".
Wahrscheinlich auf Veranlassung irgendwelcher Sozialpädagoginnen mit behaarten Beinen hin durften sich Kinder freiwillig in eine Box mit Vorhang pferchen lassen, um dort kurz kreativ zu sein...
für mich ein gefundenes Lästerfressen, war ich doch selbst die personifizierte Schuluncoolness und freute mich immer, Altersgenossen zu sehen, die sich noch idiotischer benahmen als ich.
So erzählten dann drei bedauerliche Prügelknaben, warum sie die besten Freunde der Welt waren (was dräute da im Hintergrund? Das Keksspiel?), Mädchen spielten mit ihrem Flohzirkus (damit ist kein Hund gemeint)und Jungen sagten unlustige Reime auf:
"Zehn Zigaretten/sprangen in die Betten/sprangen wieder raus/das Lied ist noch nicht aus" (meine Güte, ich kann das sogar noch).
Einer blieb mir ebenfalls nachhaltig im Gedächtnis:
der Vorhang öffnete sich und gab den Blick auf einen Jungen frei, der einen Strohhut und eine Steckenangel mit darangehängten, aus Stanniolpapier ausgeschnittenen Fischen trug.
Dazu hatte er sich einen Zwirbelschnurrbart unter die Nase gekrakelt und kündigte folgendes an:
"Ich singe euch jetzt ein spanisches ausländisches Fischerlied."
Und das ging so:
"Malu Malu Malu, Malu Malu Malu, Malu Malu Malu Malu Maaaa...."
Sollte der Junge noch unter den Lebenden weilen, weil ihn das grausame Schicksal eines Autounfalls, jahrelanger Heroinsucht oder einer Krankheit wie HIV, Leukämie oder was auch immer verschont hat, müßte er nun in meinem Alter sein.
Vielleicht ist er Versicherungsangestellter oder Bankkaufmann und hat selbst einen pubertierenden Sohn... der eines Tages auf der Suche nach Pornographischem (die Lieblingsbeschäftigung pubertierender Jungs. Ich will keine faulen Ausreden hören.)im Schreibtisch seines Vaters auf eine gut versteckte VHS- Cassette stößt.
Also freut er sich und schiebt offenen Hosenstalls das Ding in den Videorecorder, der noch ein fossiles Dasein fristet, und statt dickbrüstigem Gebläse erscheint auf dem Bildschirm sein Vater in jungen Jahren und singt "Malu Malu Malu".
Eine erschröckliche Vorstellung.
Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn pubertierende Jugendliche komasaufen.
Freitag, 24. Dezember 2010
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