Kommen wir nun endlich zu den Ereignissen in Heidelberg am letzten Wochenende.
Ich sollte dafür einen Text schreiben, der vorgelesen fünf Minuten dauern sollte, also machte ich mich ans Werk.
Ein Auftrag... was eben in meiner Arbeitshaltung einen gewissen Pragmatismus nach sich zog. Demzufolge entstand zum vorgegebenen Thema "Letzte Worte" ein Text, von dem ich dachte, er entspräche weitgehend den Anforderungen... gemäß der Vorgabe hatte ich auf Explizites in jeglicher Form verzichtet, und mich auf stilistische Feinheiten und die Pointe verlassen. Das Ergebnis war einigermaßen dröge... und somit wahrscheinlich durchaus SWR2- kompatibel. Immerhin hatten wir es hier mit Kultur zu tun.
Lieber hätte ich einen meiner früheren Slamtexte mitgenommen, die zum Teil auch bereits bühnenerprobt waren... aber erstens erschienen sie mir als zu gewagt, zweitens sind sie mir zu lieb, um meine Rechte daran dem SWR abzutreten (was mich im Fall der "Letzten Worte" nicht sonderlich juckt).
Also: Start am Berliner Hauptbahnhof im ICE Richtung Mannheim. Darin wieder eine unheimliche Begegnung der dritten Art, saßen schräg hinter mir doch tatsächlich zwei angejahrte Dorfschabracken aus- kaum zu glauben, aber wahr- Leimersheim, das sich ungefähr Pi mal Daumen 20 Kilometer von meinem Heimatdorf wegbefindet und tauschten die komplette Strecke lang Tratsch aus.
Was sie schon immer über Läämersche wissen wollten, aber nie zu fragen wagten: hier erfuhr ich es. De Willi, de Eiischeen, de Karl- Heinz. Unn die Dochder, wu bei de BARMER schafft, awwer ehr Kinner nit erzieht.
Wie kann man geschlagene fünfeinhalb Stunden solchen Stumpfsinn von sich geben, ohne daß einem das Gehirn schmilzt? Es war phänomenal.
Endlich in Heidelberg angekommen, nahm ich mir ein Taxi zum Hotel, das der SWR für uns vorbereitet hatte, und wurde dort von meinen Eltern empfangen, mit denen ich ein Treffen vereinbart hatte.
Man merkt, daß man selbst alt wird, wenn sich der eigene Vater zum ersten Mal seit 25Jahren wieder einen Vollbart wachsen läßt und dieser nicht mehr dunkelbraun ist, sondern zwischen graumeliert und schlohweiß changiert, und einem somit mal wieder vor Augen geführt wird, daß der alte Herr nicht nur auf dem Papier schon länger ein Rentner ist, sondern mittlerweile auch beginnt, wie einer auszusehen.
Nach dem Einchecken ins Hotel ging es zur Vorbesprechung... es sollte ja ein Radioslam werden, mit zwei Sendungen à fünf Teilnehmern.
So saßen also alle zehn Teilnehmer samt Organisationspersonal in einem Kellerraum des Deutsch- Amerikanischen Instituts und erfuhren, was man halbwegs von ihnen erwartete, und das noch in (subjektiv empfunden) ziemlich krampfiger Atmosphäre.
Irgendwie spürte ich da bereits im Hinterhuf: das wird nix.
Kurz darauf aßen wir in einem Restaurant zu Abend und gingen noch einmal ins Hotel zurück, denn die Aufzeichnungen der beiden Sendungen sollten um 20 Uhr 30 (soweit ich mich noch richtig erinnere) beginnen.
Da es bereits 17 Uhr 15 war, dachte ich daran, noch einen Freund anzurufen, um zu fragen, wie der FCK gegen Schalke gespielt hatte.
"5:0" kam es tonlos aus dem Hörer.
"Scheiße, 5:0 für Schalke?" schrie ich darauf entsetzt ins Handy (da ja durchaus drin war, gegen Schalke völlig badenzugehen).
"Nein, für uns"... kam es immer noch tonlos zurück. "Ich glaube, ich träume das grad".
Nun, somit war mein Abend gerettet... ähnlich wie (Pathosmodus ein)Siegfried nach dem Bad im Drachenblut fühlte ich mich gewappnet gegen alle Widrigkeiten, die da kommen mochten, ein ehern blitzendes Schild beim Marsch durch das aufbrandende Pfeifkonzert eines mißgünstigen Publikums (Pathosmodus aus)...äh ja.
Wir hatten 5:0 gewonnen, den Abend konnte mir nichts mehr verderben. Nicht mal ein Scheißeregen.
Nun denn, der FCK hatte gewonnen, und ich schickte mich an, 5:0 zu verlieren, und zwar mit einer gewissen Vehemenz.
Fünf Freiwillige aus dem Publikum durften die folgenden Darbietungen bewerten, ähnlich wie beim Eiskunstlauf mit einer Punkteskala von 1-10.
Ich gelangte in drn zweiten Durchgang... die erste Runde gewann verdientermaßen der Schriftsteller Martin von Arndt, dessen Geschichte mir zwar zuerst etwas zu surreal erschien, obwohl sie stilistisch brilliant war, der aber mit seiner Zugabe, die der Gewinner quasi als Belohnung zum Besten geben durfte, endgültig bei mir punkten konnte.
Laut seiner Aussage war es der Beginn einer Novelle, an der er wohl schon länger herumbastelt... und nach dem Vortrag kann man nur hoffen, daß er sie bald abschließt und veröffentlicht. Für mich der überzeugendste Text des Abends.
Da bemerkte ich schon, daß ich einen schweren Stand haben würde. Hätte ich gewußt, was möglich gewesen wäre, hätte ich einen anderen Text angefertigt... so durfte ich in der zweiten Sendung mit einer Geschichte, die in erster Linie aus der Hoffnung auf eine zündende Pointe bestand (aber für einen Slam recht trocken war), unter anderem gegen den amtierenden Champion antreten.
Und ich bemerkte rasch, daß ich die Todesgruppe erwischt hatte: waren die ersten fünf Jurymitglieder aus dem gut hundertköpfigen Publikum noch recht knauserig bei der Punktvergabe gewesen(nicht einmal Martin von Arndt schaffte die 40- Punkte- Hürde), hätte ich in meiner Gruppe nach den ersten zwei Beiträgen schon heimgehen können.
43 und 46 Punkte standen im Raum, als ich mit meiner Geschichte die Bühne betrat und hoffte, zumindest die 30 Punkte zu toppen.
Der Moderator interviewte mich kurz, dann stand ich im Scheinwerferlicht und mußte den Zugang zu einem Text finden, der mich sogar als Verfasser kaum die Bohne interessierte, um ihn adäquat vorzutragen.
Ich glaube, das schaffte ich... aber das Publikum, zumindest den Teil, der für die Bewertung zuständig war, überzeugte ich trotzdem nicht.
Am Ende stand ich mit 27 Punkten weit abgeschlagen auf dem letzten Rang und ärgerte mich darüber, nicht einfach meinen üblichen Schwachsinn verfaßt zu haben.
Der wäre zumindest noch lustig gewesen.
Es gab nur zwei Troste (Trosts? Trösts?): daß der Gewinner (dessen Namen ich vergessen habe, hust) hochverdient gewonnen hatte und sogar den amtierenden Champion knapp schlug... und das ein ca. 18jähriges Mädchen, das hinter mir im Publikum saß, mich antippte und meinte, von ihr und ihrer Clique hätte ich 9 Punkte erhalten, wären sie Jury gewesen.
Nun denn... da mich Heidelberg aus diversen Gründen nicht großartig zum Fortgehen reizt und ich zudem hundemüde war, begab ich mich ins Hotel und schlief vor dem Fernseher ein.
So endete ein ereignisreicher Tag dermaßen glumpfig- verhärmt, wie es ihm angemessen erschien.
Wer sich meine Niederlage trotzdem anhören will, und sei es nur, weil ihm mein Versagen ein inneres Brezelfest ist (Gruß an den Kommentator von den anonymen Knetköpfen):
im Februar auf SWR2 Radioslam, näheres ist bestimmt dem Internet zu entnehmen.
Ich höre mir ja selbst nicht mal Radio Bronkowitz an, also habe ich da mit Sicherheit dreimal was Besseres zu tun.
Aber, liebe Leser: für Rückmeldungen jeder Art wäre ich Ihnen recht dankbar.
Donnerstag, 2. Dezember 2010
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