Ich liebe Rapmusik schon, seit ich im zarten Alter von 10 Jahren "Formel Eins" mit der jetzt folgerichtig bei einer MDR- Schlagersendung gelandeten Moderationsmarionette Peter Illmann gesehen habe.
Damals kam "The Message" von Grandmaster Flash and the Furious Five, dankenswerterweise mit deutschen Untertiteln, und ich war bereits völlig fasziniert vom Text und der Rhythmik des Ganzen.
Anfang der 80er kam die erste große Rap- und Breakdancewelle angebrandet... im ZDF konnte man sogar mit Eisi Gulp, der vorher das Volk ebenda zu Aerobic und Skigymnastik animiert hatte, lernen, wie ein Roboter zu tanzen oder auf dem Wohnzimmerboden absonderliche Verrenkungen zu vollführen.
Meine erste Rapscheibe bekam ich mit 13, und zwar die "Licensed To Ill" von den Beastie Boys... und "nur" drei Jahre später folgte "Loc-ed After Dark" von Tone- Loc.
In beiden Fällen verstand ich von den Texten noch kaum ein Wort... aber es war etwas da, was mich bewegte.
Anfang der 90er war dann "Fear Of A Black Planet" von Public Enemy für mich der Grund, mir eine massive Sammlung zuzulegen.
Da die frühen 90er außerdem mit dem Beginn meiner Punk- und Metalzeit (nein, weder Eierkneifgesang noch Spandexhosen... ich stieg gleich bei Thrash, Death und Grindcore ein) zusammenfielen, führte ich musikalisch eine recht erstaunliche Existenz, da ich es tatsächlich irgendwie schaffte, solch unterschiedliche Ausdrucks- und Lebensformen in meiner Person zu bündeln, ohne einer Identitätskrise ausgesetzt zu sein.
Als damals das ganze Gesocks, das vornehmlich in den Erzählungen irgendwelcher Szeneveteranen und Alt- 68er vorkam, aber bis dato kaum in Erscheinung trat, plötzlich wieder aus dem Abflußschacht kroch und uns in Hoyerswerda und Rostock- Lichtenhagen daran erinnerte, daß es wieder da sei, kam es vergleichsweise kurze Zeit zu einem erstaunlichen Schulterschluß diverser alternativer Jugendkulturen... in der "Katakombe" gab es zum Beispiel damals einen "Punk- und HipHop"- Abend, der in der heutigen Zeit in dieser Form undenkbar wäre und bei dem die Dead Kennedys, Prong, Ice Cube und The Pharcyde friedlich koexistierten.
Die HipHop- Szene, die sich vornehmlich um Leute wie Advanced Chemistry und Anarchist Academy herum neu aufbaute (Breakergangs in Großstädten hatte es früher schon gegeben), war damals größtenteils noch explizit links und hatte mit Faschos auch nicht weniger Ärger als die üblichen Verdächtigen.
Das erleichterte das Ganze natürlich noch.
Ende der 90er ging das mit HipHop und mir dann unerwartet zuende.
Damals hatte ich sogar eine Band mit deutschen und türkischen Texten namens "Die Schwadron", die wir aus einer spontanen Laune heraus an der Schule gegründet hatten, wo wir dem Zweiten Bildungsweg folgten, und mit der wir es immerhin auf acht Auftritte brachten.
Die damit verbundene Pflicht, eine Brücke zwischen zwei Szenen zu schlagen, die sich mittlerweile unwiederbringlich auseinanderdividiert hatten, brachte letztendlich die erwartete Zerreißprobe. Zumal auch ich einen grundlegenden Wandel in Haltung und Ansichten durchgemacht hatte; der Gaffory 1992 und der heutige könnten sich wahrscheinlich nicht ausstehen, würden sie sich irgendwo begegnen.
Als ich dann letztendlich bei einem Gig in Ludwigshafen im Jahr 2000 auf der Bühne stand und mich fragte, was ich da überhaupt mache, weil ich mich weder mit der Szene noch mit dem Publikum identifizieren konnte und auch keine Lust hatte, für eine immer größere Anzahl von Totalhonks den Berufsjugendlichen zu mimen, quittierte ich den Dienst.
Zudem klang ich mit meiner lustigen Nasescheidewandverkrümmung selten richtig elegant; eher wie Papa Maulwurf im Quasselwahn.
In dieser Zeit ging es schon musikalisch mit dem ganzen Genre bergab: immer gleich klingende Plastikbeats aus dem Musicmaker und die Verwässerung auch guter Bands durch die Hinzunahme von R'n B- Elementen, was sich allmählich wie eine Pest zur Verseifung und Verschleimung jedes dritten Tracks auswuchs. Wenn ich mir beispielsweise alte Platten von Mobb Deep und deren aktuelleren Output anhöre, kommen mir die Tränen.
Dazu eine immer größere Debilisierung von Künstlern und Publikum, und damit meine ich nicht die Aggro- Berlin- Szene; dem damals durchaus noch als erträglich empfundenen Jan Eißfeldt von den Beginnern ist es zu verdanken, ein krass derbes Deppensprech in Interviews etabliert zu haben, was mich gar nicht geflasht hat und nur mit wachsversiegelten Ohren zu ertragen war.
Letzteres war auch bei dem musikalischen Klippmüll notwendig, der aus vornehmlich schwarzen BMW's bei jedem Ampelstopp pumpte, während ein parfümierter Halblude dazu den Takt auf dem Lenkrad mitklopfte.
Und das war's dann. Ein Genre verwandelte sich vollständig in Scheiße, und diese wiederum machte mich dermaßen aggressiv, daß ich das alles weitestmöglich aus meinem Leben heraushalten wollte. Jahrelang wollte ich keine Rap-Platten mehr hören.
Zumal ich stellenweise auch ernsthafte Probleme mit manchen Texten hatte: einiges war dermaßen unverhohlen dumm, rassistisch und schob als bequeme Lösung den Weißen jegliche Schuld an allen Verfehlungen der Afro- Amerikaner zu, daß mir im Vergleich zu früher öfter mal das Messer im Sack aufging, da ich irgendwann über den Gutmenschenansatz hinaus war, das Ganze in Hinsicht auf kulturelle Unterschiede erklären oder rechtfertigen zu wollen. "Guilty Of Being White" von Minor Threat bringt es da immer noch sehr treffend auf den Punkt, denn auch als Mitteleuropäer muß man zwangsweise nicht jeden Schwachsinn abnicken.
Doch über diverse Umwege kam die Musik zu mir zurück, vor allem über die Abstract- Schiene des "Brother from Outer Space" Sensational, Spectre und dem ganzen sonstigen Chunk O' Bliss- Kram... endlich mal wieder interessanter und innovativer HipHop, der mich hinhören ließ. Und dann nach und nach die Rehabilitation meiner ganzen alten Platten, die ich glücklicherweise aufgehoben hatte, und die nun von ihrer Funktion als Staubfänger befreit wurden.
Mittlerweile kaufe ich mir sogar ab und zu wieder irgendwelche Alben, wenn auch vorzugsweise aus den 80ern und 90ern.
Ich schreibe dies alles, weil ich in den letzten Tagen genug Lust und Zeit hatte, mal wieder ein paar HipHop- Scheiben aufzulegen (das ist und bleibt immer noch ein vergleichsweise seltenes Vergnügen, aber zumindest ist es wieder eines) und Erinnerungen zu wälzen. Und zwischendrin Jello Biafra zu hören, PJ Harvey, die Dirtys oder Steel Pole Bath Tub.
Das ist wahrscheinlich der einzige Vorteil daran, immer älter zu werden: szenebedingte Limitierungen sind einem mittlerweile völlig egal, weil man besseres zu tun hat, als sich über so einen Quatsch den Kopf zu zerbrechen.
Musik hören, zum Beispiel.
Donnerstag, 28. Januar 2010
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