Montag, 23. Juli 2012

Baden mit baden

Was haben wir nicht alles überlebt: Geiselnahmen und Baustellenterror waren bzw. bleiben die aktuellsten Prüfungen, die unserer Stadt aufgebürdet wurden.
Tröstlich, daß dies zumindest nicht dazu führte, daß alle Einwohner hier ihre sieben Murmeln im Pfandhaus abgegeben haben, betrachtet man nun den neuesten Streich des seit jeher nur schwerlich zurechnungsfähig zu nennenden Stadtmarketings.
"Viel vor. Viel dahinter.", dieser Slogan, der auch noch neben handelsüblichem Merchandise die sogenannten XXL- Straßenschilder ziert, die für läppische 185 000 Euro aufgestellt wurden und denen- neben der, uns weithin sichtbar in all unserer Möchtegernmetropolenhybris lächerlich zu machen- unter anderem folgende Aufgabe zufiel:

Am 03. August 2009 ist auf den XXL-Schildern im Schwarz­wald­kreuz der Südtangente erstmalig eine Veränderung vorge­nom­men worden: Der Empfang der ersten E-Mail Deutsch­lands an der Universität Karlsruhe vor 25 Jahren (am 03.08.1984) war ein Anlass, die Stadt Karlsruhe als "Inter­net­haupt­stadt Deutsch­lands" und als IT-Region deutlich zu positio­nie­ren. In Zukunft werden auch weitere Ereignisse aus der IT-Region an dieser Stelle sichtbar gemacht (Zitat Stadtmarketing),

diese Schilder wurden nun offiziell als überflüssig benannt und sollen verschwinden. Und der Slogan gleich mit.
Doch bevor man angesichts dieser Rückkehr der Vernunft ins Jubeln geriet, war es auch schon ganz schnell vorbei mit der Hoffnung auf Einsicht. Denn der ganze veritable Scheiß sollte natürlich nur noch größerem Irr-, Wahn- und Blödsinn weichen:

"Karlsruhe - baden in ideen." soll der neue Slogan der Stadt sein. Das hat der Aufsichts­rat der Stadt­­­mar­ke­ting Karlsruhe GmbH am Mittwoch, 4. Juli, beraten. Die bestehende Kampagne "Karlsruhe - viel vor. viel dahinter" soll damit nach zehn Jahren abgelöst werden. Der neue Slogan "Karlsruhe - baden in ideen." soll ab dem 01. Januar 2013 zusammen mit einer umfang­rei­chen Kommu­­ni­­ka­ti­­ons­­kam­pa­gne eingeführt werden. Ziel ist eine Neupo­­si­tio­­nie­rung Karlsruhes bis zum 300-jährigen Stadt­ju­bi­läum 2015.

Man muß es erst einmal sacken lassen, denn ansonsten glaubt einem solch einen Fall von galoppierendem Unfug mal wieder kein Schwein.
Genausowenig das vollends geistesabwesende Geschwafel von Margret Mergen, Erste Bürger­meis­te­rin der Stadt Karlsruhe.

"Der Slogan 'Karlsruhe - baden in ideen.' ist sehr vielschich­tig und passt damit bestens zu Karlsruhe. Das Besondere an dem Leitsatz ist, dass nur Karlsruhe ihn so überzeu­gend vertreten kann. Damit hebt es sich deutlich von anderen Städten ab."

Es ist wahrhaftig kaum zu fassen, auch daß der Slogan das Ergebnis von acht Monaten Arbeit ist und für 50 000 Euro relativ günstig zu haben war.

Denn Arbeit stak fürwahr dahinter, und wollten Sie jemals wissen, mit welch gequirlter Scheiße manche Menschen Geld verdienen und was Sie damals bei der Berufswahl verkehrt gemacht haben, dann lesen Sie einfach das da:

Die Entwickler von "Karlsruhe - baden in ideen." sind die Marken­­be­ra­ter klein­und­pläcking. Grundlage für die neue Wortmarke war ihre umfang­rei­che Marken­ana­­lyse, die Karlsruhes Stärken in einer gelassenen, offenen und badischen Mentalität sieht. Das große techno­lo­­gi­­sche Know-how in der Stadt bildet dazu einen starken Gegenpol. Nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen standen bei der Marken­ana­­lyse im Fokus. Laut klein­und­pläcking sei das Wissen über die Chancen und Risiken entschei­­dend für die Wahrneh­­mung Karlsruhes und damit für Entwick­­lung eines passenden Images.

Tja, so weit wären wir also. Und was machen die Karlsruher, dieses undankbare Pack, mit dem Ergebnis soviel geistiger Anstrengung?
Lehnen den Quatsch rundweg ab und sorgen nun wohl dafür, daß er endlich in dem Orkus landet, in den seine Ersteller samt ihrer Auftraggeber schon lange gehören.
Lange hat es gebraucht, bis die Schmerzgrenze erreicht war, aber schön zu wissen, daß man doch in einer Stadt lebt, deren Einwohner sich nicht völlig für dumm verkaufen lassen.
Und wißt ihr was, Karlsruher? Dafür hab ich euch lieb.

Ganz, ganz doll.

1 Kommentar:

  1. Na ja, bezahlen müssen wir den verdammten Dreck ja trotzdem. Ich finde Deinen Text gut, weil Du es schaffst, diesem Rotz noch mit feiner Ironie beizukommen. Ich muss da schon tief schlucken, um nicht wild brüllend in Richtung Marktplatz zu rennen.

    Aber dass Du die Karlsruher lieb hast, ehrt Dich ja auch ganz doll ...

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