Samstag, 1. Februar 2020

Nachtwache

"Eigentlich müßte dir als Nachtmensch die Nachtwache doch liegen?"
Selten habe ich in meinen Berufsjahren einen Satz häufiger gehört, was ihn aber nicht zutreffender macht.
Ja, ich bin ein Nachtmensch; zumeist werde ich gegen 21 Uhr abends richtig lebendig und bleibe das oft bis zu einer Zeit, zu der andere Leute schon wieder aufstehen.
Glücklicherweise komme ich dazu meistens mit fünf bis sechs Stunden Schlaf aus. Ich kann um drei Uhr ins Bett gehen und morgens problemlos um acht oder neun schon wieder auf der Matte stehen, sogar wenn ich mir am Abend vorher diverse Erfrischungsgetränke in den Kopf gestellt habe.
Das ist auch der Hauptgrund, warum ich Nachtschichten so abgrundtief hasse: man hätte zwölfzich bessere Dinge zu tun und ist quasi eingesperrt.
Lebt man noch dazu allein, ist man mal kurzerhand eine Woche lang von allen nichtvirtuellen und nichtberuflichen Sozialkontakten abgeschnitten. Und je nachdem, wo man arbeitet, wundert man sich darüber, daß man sich trotz des Vorhandenseins von fünfzig Leuten um einen herum absolut mutterseelenallein fühlen kann, was oft dazu führt, daß man - auf sich selbst zurückgeworfen - ins Grübeln gerät und häufig frei von äußeren Einflüssen über Dinge nachdenkt, die nicht gerade dazu angetan sind, die Laune zu heben.
Natürlich ist das gelegentliche zu verkraften, aber ein Dasein als Dauernachtwache, wie ich es schon mal führte, halte ich absolut nicht mehr für erstrebenswert; ca. 18 Tage im Monat komplett am Leben vorbeizuexistieren, macht kein noch so wohlgestalteter Gehaltszettel wieder wett.
Noch dazu: was nutzt einem ein nettes Gehalt, wenn man keine Gelegenheit dazu hat, es auszugeben?
Ich erinnere mich: damals vor 12 oder 13 Jahren gab es eine bettlägerige Bewohnerin, die ein ziemlicher Koloß war und deren Tochter sich bemüßigt fühlte, mir durch den Spätdienst eine Nachricht überbringen zu lassen.
Die Nachtwache solle doch bitte darauf achten, daß das Zimmerfenster geschlossen sei; es sei ein Sturm angekündigt, und sie habe angst, daß ihre Mutter vom Sog aus dem Bett gezogen und zum Fenster hinausgerissen werden könnte. Ernsthaft.
Apropos "ernsthaft" und kurzer Themenwechsel: ich habe ja schon einige schlagartig enterotisierende Dinge erlebt. Aber wenn man sich anschickt, mit einer potentiell interessanten Frau eventuell eine Chatkonversation zu starten, ist es ratsam, vorher ihr Profil zu lesen.
Bezeichnet sie sich nämlich darin als "nordische Kriegerin" und gibt als musikalische Vorliebe "Nordic Viking Music" an, ist sehr schnell eine kaum zu toppende Dimension des Grauens erreicht.

Nein, Freya, reite du ruhig mal weiter.

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