Freitag, 15. Februar 2019

MASH it up - Remix 2019 Track 4: People Are People

Dann konnte ich endlich mit einem eigenen Auto nach Landau tuckern, und das Wort "tuckern" ist wahrlich nicht untertrieben, betrachtet man sich die Mühlen, die ich anfangs fuhr.
Mein erstes Auto war ein grasgrüner Ford Fiesta Baujahr 1979, den ich recht zügig auf einem Ausflug nach Karlsruhe zu Schrott fuhr.
Ihm folgte ein ockerfarbener VW Derby mit Stufenheck, Baujahr 77. Der hatte mich nur 250 DM gekostet, ich fuhr ihn aber trotzdem noch ein Jahr lang, obwohl es reinregnete und sich überall Wasser angesammelt hatte, so daß es im Fahrgastraum dezent nach Schimmel und kaltem Zigarettenrauch roch, da ich während des Fahrens immer rauchte wie ein Schlot.Würrrg.
Am MASH angelangt, mußte ich im Auto erst einmal meine Schuhe wechseln, da ich mit meinen Docs die Fahrzeugpedale nicht richtig bedienen konnte (und im Club Turnschuhe tragen, ging damals natürlich gar nicht).
Da ich damals notorisch blank war und immer mit einem fast leeren Tank durch die Gegend gondelte, bestand mein Budget für den Abend manchmal nur aus 10 oder 15 DM, wobei man eine eventuell notwendige Tankfüllung noch einkalkulieren mußte.
Das wäre mir auch fast einmal zum Verhängnis geworden. In Landau gab es zu jener Zeit eine als "Texas" bekannte Wellblechhüttensiedlung, die von Sinti bewohnt wurde und einige obskure Gestalten hervorbrachte, und eine von ihnen, ein stadtbekannter Schläger - hier mit F. abgekürzt - hing regelmäßig im MASH ab.
Meist war er bis zu einem gefährlichen Grad besoffen und deswegen extrem reizbar, und ich erlebte einmal einen Krankenwageneinsatz mit, nachdem er oben an der Treppe einen ebenso großmäuligen Punk zusammengefaltet hatte, der es für eine gute Idee hielt, ihn zu provozieren.
Ich wollte solchem Ärger aus dem Weg gehen, darum grüßte ich ihn jedesmal freundlich mit einem Nicken und hatte dafür meine Ruhe. Dachte ich.
Irgendwann betrat ich den Laden mit 13 oder 14 DM und wußte, daß ich auf dem Rückweg tanken mußte ... also leistete ich mir ein Bier und wollte meinen Geldbeutel mit dem restlichen Zehner gerade wegpacken, als plötzlich F. neben mir stand und mich fragte, ob ich ihm nicht bis nächste Woche zehn Mark leihen könne, er sei pleite und wolle noch ein Bier trinken.
Ich erklärte ihm lang und breit meine Situation, daß ich ja noch nach Hause kommen und morgen arbeiten müsse, auch wenn er glaubte, das würde auf jeden Fall ohne zu tanken klappen.
Irgendwann schien es ihm einzuleuchten, und er sagte, er würde jemand anderen fragen. Soweit so gut.
Plötzlich stand F. wieder neben mir und meinte, er hätte niemanden gefunden.
Auf meine neuerliche Verneinung hin sagte er einfach:
"Isch mach dir än Vorschlag. Entweder du gebscht mir die zehn Mark, oder ich wart oben auf dich."
Somit war das Thema erledigt, und die Heimfahrt auf Notreserve wurde recht spannend.
Allgemein war die Klientel im MASH extrem heterogen, was am großen Einzugsgebiet und mangelnden Alternativen lag. Es gab zwar noch eine andere Disco namens Pharao in der Nähe, doch die galt als Popperladen, und alles, was irgendwie "alternativ" oder halbwegs abgefuckt war, wurde die Treppe in den Keller hinabgespült.
An der Theke saß häufig eine - sorry - unglaubliche alte Schlampe namens Hildi, die jeden jungen Kerl mit "Schatz" ansprach und versuchte, Drinks oder Schwänze zu erschnorren. Sie war irgendwas zwischen 55 und 70, immer in Leopardenoutfits gewandet, hatte schwarzgefärbte Haare, trug eine ebenfalls schwarze 70er - Jahre - Sonnenbrille mit Plastikgestell und gemahnte in ihrer ganzen solariumsgerösteten Faltigkeit an einen parfümierten Leguan.
Ich fand sie erstaunlich widerwärtig. Eine mir bekannte Person, die vor nichts zurückschreckt, hinderte das allerdings nicht daran, sich auf eine Wette mit seinem besten Freund hin von ihr abschleppen zu lassen und sie in ihrer Wohnung durchzubürsten, wobei er, als er am nächsten Tag realisierte, auf was er sich da im Vollsuff eingelassen hatte, erst einmal weinend, verwirrt und seiner Selbstachtung beraubt durch das morgendliche Landau irrte.
Immerhin gewann er einen Kasten Bier; da kann man kleinere Nachteile schonmal in Kauf nehmen.
Wenn wir gerade bei wahrhaft obskuren Gestalten sind (und davon gab es einige): ein weiterer Typ der mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist, war Speedy.
Ein bärtiger Mann Mitte 30, der immer eine weiße Schiebermütze und billige Polohemden trug. Niemand kannte ihn; den Namen "Speedy" bekam er verpaßt, weil er seine Hemden gerne mittels Edding mit Botschaften verzierte, neben - natürlich - SPEEDY war das die Frage "Und wer liebt mich?"
Sein Markenzeichen war es, bei irgendwelchen Songs auf der Tanzfläche ständig im Kreis herumzurennen und nur kurz innezuhalten, um entweder aus Leibeskräften zu schreien oder mit der flachen Hand irgendwo dagegenzuschlagen, entweder an die Wand oder an die Box, die von der Decke hing.
Ab und zu interagierte er auf merkwürdige Weise mit einem älteren Typ mit schulterlangen lockigen Haaren, der zwar aussah wie ein Büroangestellter, aber jedesmal dermaßen sturzbesoffen war, daß er einfach ziellos über die Tanzfläche torkelte und das offenbar auch für eine adäquate Art und Weise hielt, sich zur Musik zu bewegen.
Apropos "Edding": häufig saß im MASH auch ein Typ mit einem Mickymauspullover, auf den er "Locust Abortion Technician" geschrieben hatte, den Titel der ersten Butthole - Surfers - LP.
Ich fand ihn äußerst seltsam, doch mein damals bester Kumpel (auf den ich noch zu sprechen kommen werde) unterhielt sich gerne mit ihm und war der Meinung, er sei ziemlich cool. Zumindest schien man ihm einen gewissen schrägen Humor nicht absprechen zu können.
Jahre später begegnete er mir auf einer Bahnfahrt nach Speyer, und da mir langweilig war, kam ich mit ihm ins Gespräch. Da merkte ich, daß mein erster Eindruck mich nur insofern getäuscht hatte, daß der Typ nicht einfach nur seltsam, sondern komplett wahnsinnig war. Nachdem ich zehn Minuten sturzbachartig zusammenhanglose Logorrhöe über mich hatte ergehen lassen, verabschiedete er sich von mir mit einem lauten "SIEG HEIL ELVIS PRESLEY", und ich bedauere es nicht, ihm seitdem nie wieder begegnet zu sein.
Doch natürlich waren das extreme Sonderfälle. In der Regel war die Klientel im MASH an der gesellschaftlichen Norm gemessen zwar schon sehr schräg, aber größtenteils durchaus zurechnungsfähig.

(weiter in Teil 5)

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