Was ich vergaß: das MASH schloß irgendwann Ende der 90er/Anfang der 00er seine Pforten.
Wann genau, weiß ich nicht, denn ich hatte den Laden mittlerweile komplett aus dem Blick verloren.
Gerüchten zufolge wurde das Kellergewölbe danach komplett mit Beton ausgegossen, und da könnte durchaus was dran sein, denn heutzutage befindet sich über dem Treppenabgang der Biergarten des "Englischen Gartens" (wenn ich mich letztens nicht getäuscht habe), ohne daß man auch nur die Spur eines ehemaligen Kellerclubs erahnen könnte.
Allerdings gibt es im Colosseum in Landau wohl gelegentlich MASH - Revival - Parties.
Nur habe ich beim besten Willen nicht das Gefühl, da jemals hingehen zu müssen.
Freitag, 22. Februar 2019
MASH it up - Remix 2019 Track 6: We Formed A Band
Ich habe diverse Kommentare auf Facebook (ja, ich weiß ...) zu dieser Textreihe erhalten, auch von Leuten, die ihre eigenen MASH - Erinnerungen loswerden wollten.
Natürlich sind meine Erlebnisberichte subjektiv; sie objektiv halten zu wollen, würde das Ganze erstaunlich inhaltsleer machen, und die Reihe wäre damit auch bereits beendet.
Meine Leserschaft kann ich nur dazu ermutigen, die Kommentarfunktion hier im Blog zu nutzen; nicht nur, um ihn weiter zu pushen (was natürlich ein angenehmer Nebeneffekt ist), sondern auch, um das Gesamtbild etwas ausgewogener zu gestalten. Auf Facebook geht die Fülle an Kommentaren leider mit der Zeit verloren, abgesehen davon, daß sie außer mir und wenigen anderen Leuten wahrscheinlich niemand liest (während sie hier zumindest ein Bestandteil der Beiträge wären und neue Perspektiven hinzufügen würden), und das ist eigentlich schade drum.
Zurück zum MASH:
das überaus heterogene Publikum habe ich bereits angesprochen.
Natürlich war die Atmospäre dort trotz allem weitgehend friedlich; ab und zu zog es ein paar ausgemachte Dorfassos in den Laden, die dann tatsächlich meinten, sich gegenseitig auf die Zwölf hauen zu müssen (ich erinnere mich einmal an eine Schlägerei zwischen zwei Vertretern der typischen Cola - Asbach - Nackenspoiler - Fraktion, bei der einer der beiden eine unfaßbar lausige Thai - Box - Performance ablieferte).
Einmal erinnere ich mich auch an ein wirklich widerliches Stück Scheiße, das einer damaligen guten Freundin von mir (die später in meiner Band Schlagzeug spielte) im Gedränge vor der Theke an den Hintern faßte und - als sie sich dann umdrehte - grinsend zu seinem Kumpel meinte: "Siehscht? Ich häb der doch gsaacht, dasses merkt", worauf die Betatschte einen Sturzbach an Beleidigungen auf den Grapscher niedergehen ließ.
Erstaunlicherweise hatte das für den Täter keinerlei Konsequenzen zurfolge, und ich ärgere mich gerade rückblickend noch darüber, damals nicht die Eier in der Hose gehabt zu haben, ihr beizustehen und bei den Verantwortlichen auf den Rauswurf der beiden Drecksäcke zu drängen. Irgendwie spielte immer eine Mischung aus der Angst, von niemandem ernstgenommen zu werden und der, das nach Verlassen des Ladens irgendein Arschloch oben warten würde mit. Meistens war man mit ernsthaften Problemen allein auf sich gestellt, vor allem, wenn man kaum jemanden kannte und nicht im Cliquenverbund unterwegs war.
Doch allgemein war die Idiotenquote eher überschaubar, und man arrangierte sich miteinander oder ignorierte sich gegenseitig.
Einmal liefen sogar irgendwelche französischen Faschos ein, die nach einer Mischung aus Dark Wave und EBM - Typen aussahen, blieben aber gleichfalls unbehelligt. Als ich dann mal kurz oben an der frischen Luft war, lungerten zwei oder drei von ihnen ebenfalls dort herum, und einer rotzte mir in einem sauber abgezirkelten Bogen direkt vor die Füße.
Da mir das nicht geheuer war, rief ich meine Mutter an, sie solle mich abholen (ja, ich weiß ... aber ich war damals ein Würstchen von zarten 19 mit der Tendenz, sich selbst furchtbar wichtig zu nehmen). Eine halbe Stunde später stieg ich dann in das Auto meiner Eltern, und mein Vater, der auf dem Beifahrersitz saß, hatte einen Baseballschläger auf dem Schoß liegen. Für solche Aktionen werde ich meinen seligen alten Herrn immer lieben.
Ansonsten gab es zwar durchaus Betroffene von Rauswürfen, doch das waren eher Absturzopfer.
Ein enfernter Bekannter von mir meinte einmal, sich (wohl unter Einfluß bewußtseinserweiternder Substanzen) oberkörperfrei auf der Tanzfläche in Bierlachen suhlen zu müssen und wurde daraufhin mit auf den Rücken gedrehten Armen schreiend von zweien der libanesischen Rausschmeißer aus dem Laden getragen, aber das ist schon einer der spektakulärsten Zwischenfälle, an die ich mich gerade erinnere.
Wenn wir gerade dabei sind: einen der Rausschmeißer fand ich immer sehr speziell.
Ein gnomiger arabisch aussehender Blob mit einem offenbar selbstgemachten Tattoo im JVA - Stil (Grabhügel, Kreuz, Strahlen, scheinbar mit Stecknadel und Kugelschreibermine erstellt), ständig eine Kippe im Mundwinkel, der auch Gläser einsammelte. Dabei trug er zumeist ein Feinrippunterhemd, das ungefähr in Bauchnabelhöhe aufhörte. Definitiv ein Kandidat für den Style Award.
Meistens gab es nur kleinere Nickeligkeiten zwischen den einzelnen Gruppen (Punks, Normalos, Hippies, EWH - Studenten etc.): ich erinnere mich an einen dicken, älteren Typen, der relativ normal gekleidet war und sich immer in unserem Areal auf der Empore aufhielt. Da keiner von uns eine Armbanduhr besaß, fragten wir ihn halt immer nach der Uhrzeit, worauf er mich einmal anschnauzte, "ich und meine Kumpels" (gemeint waren wohl allgemein Punks) sollten uns halt endlich mal eine Uhr kaufen. Heute verstehe ich natürlich, daß ihm das auf den Sack ging, aber damals fanden wir das sehr uncool, und er landete sofort auf unserer "Most hated" - Liste ... und seit er dann kurz nach dieser Aktion auf der Tanzfläche zu "Humble Stance" von Saga mal richtig aus sich herausging und sich absunderlich verrenkte, habe ich auch ein ernsthaftes Problem mit diesem Song, weil dann sofort ein unerwünschtes Kopfkino startet.
Aber noch eine Gruppe war auffällig.
Natürlich war der Laden auch DER Treffpunkt für alle, die enweder Künstler waren oder sich zumindest dafür hielten.
Wir hatten ja zu der Zeit in Landau und Umgebung eine sehr große Band - Inzucht im Bereich Metal, Hardcore und sonstigem "Alternative".
Ständig entstanden neue Projekte mit den gefühlt immer gleichen fünfzehn Mitgliedern.
Neben meiner eigenen anderweitig schon erwähnten Katastrophenkombo gab es noch HOMEMADE ABORTION, MELTDOWN, SCUD, BLEW, STÜCKWERK, FAKTOR 8, ein kurzlebiges Spaßprojekt namens BOSNIEN - HERZEGOWINA, CHASTMENT, CRUDE SLOPE, noch zwei oder drei Bands, deren Namen mir grad ums Verrecken nicht mehr einfallen und unzählige in Planung begriffene Kollaborationen und Projekte, die den Proberaum (und manchmal auch die Köpfe ihrer Planer) nie verließen.
Häufig wurden im MASH Festivals (die meistens in irgendwelchen Gemeindezentren, Grillhütten oder Jugendzentren stattfanden) geplant oder endgültig spruchfest gemacht, und rückblickend war das einer der Aspekte, die mir heute am besten gefallen.
Wir kamen aus Dörfern; wir saßen in einer kulturellen Einöde fest und waren dazu gezwungen, Eigeninitiative zu ergreifen, wenn wir nicht lebendig eingesargt sein wollten.
Es war eine unglaublich bewegte Zeit; jeder wollte irgendwie kreativ sein. In manchen Fällen (wie dem meinen) ging das erstaunlich schief, in anderen entstanden wirklich halbwegs erfolgreiche Kombinationen, die auch in anderer Form bis heute nachwirken (die späteren TREND oder GELD ET NELT beispielsweise).
Ich habe - auch, wenn ich nie richtig dazugehörte und einige der Beteiligten erst viel später besser kennenlernte - wirklich vorrangig gute Erinnerungen an diese wenigen Jahre. Ich denke, wir haben durch die Bündelung unseres Potentials das Beste daraus gemacht, was zu dieser Zeit herauszuholen war, und uns damit auch abseits der großen Städte eine Jugend beschert, mit der man rückblickend zufrieden sein kann ohne das Gefühl, etwas verpaßt zu haben, was man ansonsten hauptsächlich in Berlin oder Hamburg erleben konnte.
Zum Abschluß muß natürlich noch eine Trackliste her, zu was wir damals mit Vorliebe irgendwelche Körperteile geschüttelt haben. Manches ist natürlich völlig unspektakulär (und heute auch nicht mehr nachvollziehbar), aber damals waren das:
Nirvana: "Smells Like Teen Spirit"
Red Hot Chili Peppers: "Give It Away", "The Power Of Equality", "Suck My Kiss" (von "Blood Sugar Sex Magik") oder "Nevermind" (von "Freaky Styley")
Metallica: "Enter Sandman"
Pearl Jam: "Alive" oder "Even Flow"
Faith No More: "We Care A Lot", "Epic" oder "Midlife Crisis"
House Of Pain: "Jump Around"
Biohazard: "Punishment"
Zudem noch irgendein Crossover - Kack, an den sich heute kaum noch jemand erinnert. Blue Manner Haze, Urban Dance Squad (zumindest für die hab ich noch Restsympathie), Freaky Fukin' Weirdoz (eine der schlimmsten Bands ever).
Einige "normale" Rocksongs:
David Bowie: "Space Oddity"
Led Zeppelin: "Immigrant Song"
Black Sabbath: "Paranoid"
... und natürlich einige Pophits, die man damals offiziell natürlich scheiße fand, aber insgeheim doch mochte. Stellvertretend für alle hier
Tasmin Archer: "Sleeping Satellite"
Ich muß mal wieder feststellen, daß ohne das MASH viele von uns nicht das wären, was sie heute sind, denn dafür würde uns ein gerüttelt Maß an Lebenserfahrung in einem wichtigen Alter fehlen.
Es würde mich natürlich auch freuen, wenn einige meiner Leser vielleicht zum selben Endergebnis gelangen.
(ENDE)
Natürlich sind meine Erlebnisberichte subjektiv; sie objektiv halten zu wollen, würde das Ganze erstaunlich inhaltsleer machen, und die Reihe wäre damit auch bereits beendet.
Meine Leserschaft kann ich nur dazu ermutigen, die Kommentarfunktion hier im Blog zu nutzen; nicht nur, um ihn weiter zu pushen (was natürlich ein angenehmer Nebeneffekt ist), sondern auch, um das Gesamtbild etwas ausgewogener zu gestalten. Auf Facebook geht die Fülle an Kommentaren leider mit der Zeit verloren, abgesehen davon, daß sie außer mir und wenigen anderen Leuten wahrscheinlich niemand liest (während sie hier zumindest ein Bestandteil der Beiträge wären und neue Perspektiven hinzufügen würden), und das ist eigentlich schade drum.
Zurück zum MASH:
das überaus heterogene Publikum habe ich bereits angesprochen.
Natürlich war die Atmospäre dort trotz allem weitgehend friedlich; ab und zu zog es ein paar ausgemachte Dorfassos in den Laden, die dann tatsächlich meinten, sich gegenseitig auf die Zwölf hauen zu müssen (ich erinnere mich einmal an eine Schlägerei zwischen zwei Vertretern der typischen Cola - Asbach - Nackenspoiler - Fraktion, bei der einer der beiden eine unfaßbar lausige Thai - Box - Performance ablieferte).
Einmal erinnere ich mich auch an ein wirklich widerliches Stück Scheiße, das einer damaligen guten Freundin von mir (die später in meiner Band Schlagzeug spielte) im Gedränge vor der Theke an den Hintern faßte und - als sie sich dann umdrehte - grinsend zu seinem Kumpel meinte: "Siehscht? Ich häb der doch gsaacht, dasses merkt", worauf die Betatschte einen Sturzbach an Beleidigungen auf den Grapscher niedergehen ließ.
Erstaunlicherweise hatte das für den Täter keinerlei Konsequenzen zurfolge, und ich ärgere mich gerade rückblickend noch darüber, damals nicht die Eier in der Hose gehabt zu haben, ihr beizustehen und bei den Verantwortlichen auf den Rauswurf der beiden Drecksäcke zu drängen. Irgendwie spielte immer eine Mischung aus der Angst, von niemandem ernstgenommen zu werden und der, das nach Verlassen des Ladens irgendein Arschloch oben warten würde mit. Meistens war man mit ernsthaften Problemen allein auf sich gestellt, vor allem, wenn man kaum jemanden kannte und nicht im Cliquenverbund unterwegs war.
Doch allgemein war die Idiotenquote eher überschaubar, und man arrangierte sich miteinander oder ignorierte sich gegenseitig.
Einmal liefen sogar irgendwelche französischen Faschos ein, die nach einer Mischung aus Dark Wave und EBM - Typen aussahen, blieben aber gleichfalls unbehelligt. Als ich dann mal kurz oben an der frischen Luft war, lungerten zwei oder drei von ihnen ebenfalls dort herum, und einer rotzte mir in einem sauber abgezirkelten Bogen direkt vor die Füße.
Da mir das nicht geheuer war, rief ich meine Mutter an, sie solle mich abholen (ja, ich weiß ... aber ich war damals ein Würstchen von zarten 19 mit der Tendenz, sich selbst furchtbar wichtig zu nehmen). Eine halbe Stunde später stieg ich dann in das Auto meiner Eltern, und mein Vater, der auf dem Beifahrersitz saß, hatte einen Baseballschläger auf dem Schoß liegen. Für solche Aktionen werde ich meinen seligen alten Herrn immer lieben.
Ansonsten gab es zwar durchaus Betroffene von Rauswürfen, doch das waren eher Absturzopfer.
Ein enfernter Bekannter von mir meinte einmal, sich (wohl unter Einfluß bewußtseinserweiternder Substanzen) oberkörperfrei auf der Tanzfläche in Bierlachen suhlen zu müssen und wurde daraufhin mit auf den Rücken gedrehten Armen schreiend von zweien der libanesischen Rausschmeißer aus dem Laden getragen, aber das ist schon einer der spektakulärsten Zwischenfälle, an die ich mich gerade erinnere.
Wenn wir gerade dabei sind: einen der Rausschmeißer fand ich immer sehr speziell.
Ein gnomiger arabisch aussehender Blob mit einem offenbar selbstgemachten Tattoo im JVA - Stil (Grabhügel, Kreuz, Strahlen, scheinbar mit Stecknadel und Kugelschreibermine erstellt), ständig eine Kippe im Mundwinkel, der auch Gläser einsammelte. Dabei trug er zumeist ein Feinrippunterhemd, das ungefähr in Bauchnabelhöhe aufhörte. Definitiv ein Kandidat für den Style Award.
Meistens gab es nur kleinere Nickeligkeiten zwischen den einzelnen Gruppen (Punks, Normalos, Hippies, EWH - Studenten etc.): ich erinnere mich an einen dicken, älteren Typen, der relativ normal gekleidet war und sich immer in unserem Areal auf der Empore aufhielt. Da keiner von uns eine Armbanduhr besaß, fragten wir ihn halt immer nach der Uhrzeit, worauf er mich einmal anschnauzte, "ich und meine Kumpels" (gemeint waren wohl allgemein Punks) sollten uns halt endlich mal eine Uhr kaufen. Heute verstehe ich natürlich, daß ihm das auf den Sack ging, aber damals fanden wir das sehr uncool, und er landete sofort auf unserer "Most hated" - Liste ... und seit er dann kurz nach dieser Aktion auf der Tanzfläche zu "Humble Stance" von Saga mal richtig aus sich herausging und sich absunderlich verrenkte, habe ich auch ein ernsthaftes Problem mit diesem Song, weil dann sofort ein unerwünschtes Kopfkino startet.
Aber noch eine Gruppe war auffällig.
Natürlich war der Laden auch DER Treffpunkt für alle, die enweder Künstler waren oder sich zumindest dafür hielten.
Wir hatten ja zu der Zeit in Landau und Umgebung eine sehr große Band - Inzucht im Bereich Metal, Hardcore und sonstigem "Alternative".
Ständig entstanden neue Projekte mit den gefühlt immer gleichen fünfzehn Mitgliedern.
Neben meiner eigenen anderweitig schon erwähnten Katastrophenkombo gab es noch HOMEMADE ABORTION, MELTDOWN, SCUD, BLEW, STÜCKWERK, FAKTOR 8, ein kurzlebiges Spaßprojekt namens BOSNIEN - HERZEGOWINA, CHASTMENT, CRUDE SLOPE, noch zwei oder drei Bands, deren Namen mir grad ums Verrecken nicht mehr einfallen und unzählige in Planung begriffene Kollaborationen und Projekte, die den Proberaum (und manchmal auch die Köpfe ihrer Planer) nie verließen.
Häufig wurden im MASH Festivals (die meistens in irgendwelchen Gemeindezentren, Grillhütten oder Jugendzentren stattfanden) geplant oder endgültig spruchfest gemacht, und rückblickend war das einer der Aspekte, die mir heute am besten gefallen.
Wir kamen aus Dörfern; wir saßen in einer kulturellen Einöde fest und waren dazu gezwungen, Eigeninitiative zu ergreifen, wenn wir nicht lebendig eingesargt sein wollten.
Es war eine unglaublich bewegte Zeit; jeder wollte irgendwie kreativ sein. In manchen Fällen (wie dem meinen) ging das erstaunlich schief, in anderen entstanden wirklich halbwegs erfolgreiche Kombinationen, die auch in anderer Form bis heute nachwirken (die späteren TREND oder GELD ET NELT beispielsweise).
Ich habe - auch, wenn ich nie richtig dazugehörte und einige der Beteiligten erst viel später besser kennenlernte - wirklich vorrangig gute Erinnerungen an diese wenigen Jahre. Ich denke, wir haben durch die Bündelung unseres Potentials das Beste daraus gemacht, was zu dieser Zeit herauszuholen war, und uns damit auch abseits der großen Städte eine Jugend beschert, mit der man rückblickend zufrieden sein kann ohne das Gefühl, etwas verpaßt zu haben, was man ansonsten hauptsächlich in Berlin oder Hamburg erleben konnte.
Zum Abschluß muß natürlich noch eine Trackliste her, zu was wir damals mit Vorliebe irgendwelche Körperteile geschüttelt haben. Manches ist natürlich völlig unspektakulär (und heute auch nicht mehr nachvollziehbar), aber damals waren das:
Nirvana: "Smells Like Teen Spirit"
Red Hot Chili Peppers: "Give It Away", "The Power Of Equality", "Suck My Kiss" (von "Blood Sugar Sex Magik") oder "Nevermind" (von "Freaky Styley")
Metallica: "Enter Sandman"
Pearl Jam: "Alive" oder "Even Flow"
Faith No More: "We Care A Lot", "Epic" oder "Midlife Crisis"
House Of Pain: "Jump Around"
Biohazard: "Punishment"
Zudem noch irgendein Crossover - Kack, an den sich heute kaum noch jemand erinnert. Blue Manner Haze, Urban Dance Squad (zumindest für die hab ich noch Restsympathie), Freaky Fukin' Weirdoz (eine der schlimmsten Bands ever).
Einige "normale" Rocksongs:
David Bowie: "Space Oddity"
Led Zeppelin: "Immigrant Song"
Black Sabbath: "Paranoid"
... und natürlich einige Pophits, die man damals offiziell natürlich scheiße fand, aber insgeheim doch mochte. Stellvertretend für alle hier
Tasmin Archer: "Sleeping Satellite"
Ich muß mal wieder feststellen, daß ohne das MASH viele von uns nicht das wären, was sie heute sind, denn dafür würde uns ein gerüttelt Maß an Lebenserfahrung in einem wichtigen Alter fehlen.
Es würde mich natürlich auch freuen, wenn einige meiner Leser vielleicht zum selben Endergebnis gelangen.
(ENDE)
Sonntag, 17. Februar 2019
MASH it up - Remix 2019 Track 5: Friends Will Be Friends
Mutterseelenallein in einem Club zu stehen, ist mir heute zumeist egal, aber zu einer Zeit, in der man seinen Platz im Leben noch lange nicht gefunden hat und auf eine - neudeutsch - peer group angewiesen ist, kann das eine recht deprimierende Erfahrung sein.
Man kann natürlich - was eine häufige Motivation für Clubbesuche ist - Kontakte zu potentiellen Sexualpartnern knüpfen (die in meinem Fall weiblich sein sollten), aber daß ich ein Womanizer sei, ist ein Attribut, das hundert willkürlich ausgewählten Menschen aus meinem Bekanntenkreis wohl als letztes einfallen würde, befragte man sie nach meinen herausragendsten Eigenschaften.
Darum sollte ich eigentlich auch jeden Abend ein Kerzlein anzünden, um Gott, Ctulhu, dem Kosmischen Supergnu (oder wer auch immer dafür verantwortlich ist) zu danken, daß ich in der Hinsicht über die Jahre verhältnismäßig wenig Mangel zu leiden hatte.
Jedenfalls war ich zu Beginn meiner MASH - Zeit froh darüber, zumindest mal ein bekanntes Gesicht zu erblicken: ein Typ aus meiner früheren Realschul - Parallelklasse trieb sich dort regelmäßig herum, der einen ähnlichen Musikgeschmack wie ich zu haben schien.
Er war damals ein relativer Außenseiter gewesen und ich hatte nie mit ihm zu tun gehabt, aber an meinem ersten Abend kam ich mit ihm ins Gespräch, und als wir es uns auf die ersten Lieder getraut hatten, voreinander rumzuhüpfen (in meinem Fall hieß das erst einmal, daß ich mich mit einer Hand auf der Empore an der Box festhielt und autistisch in Schwarzspechtmanier dermaßen die Rübe bangte, daß mein Verlassen des MASH nach Sperrstunde aufgrund körperlicher Verspannung fast etwas quasimodoeskes hatte), freundeten wir uns an.
Leider hatte er eine recht nervtötende Art, die kaum jemand ertrug; und ständig als siamesische Zwillingsfreakshow wahrgenommen zu werden, erleichterte das Kennenlernen anderer Stammgäste nicht wirklich.
Trotzdem blieben wir etwas mehr über drei Jahre befreundet, bis mich eine unangenehme Geschichte (die nichts mit mir direkt zu tun hatte) dazu zwang, abrupt den Kontakt zu ihm abzubrechen und ihn auch nie wieder herzustellen. Näher werde ich darauf nicht eingehen.
Jedenfalls ließen wir uns zumeist im Doppelpack ein - bis mehrmals wöchentlich durch den Laden treiben, vollgestopft mit Menschen aus allen möglichen Kulturen und Subkulturen.
Da gab es beispielsweise die Gruppe der Jugendwerkpunks, die aus einer Fördereinrichtung etwas außerhalb der Stadt stammten. Einige von denen waren ganz umgänglich, manche waren ziemlich üble Schnorrer, und zumeist blieben sie unter sich.
Manchmal brachten sie auch Leute von anderswo mit. Ich erinnere mich an einen lederjackentragenden Typen mit einem mindestens 15 cm hohen blauen Iro, der mal auf mich zugetorkelt kam, als ich gerade die Toiletten verließ. Er hatte den Daumen auf den Mund gepreßt und die Backen aufgeblasen wie Dizzy Gillespie, als er an mir vorbei zur Tür hineinstürzte, und ich habe ihn danach nie wiedergesehen. Sollte er nicht von Außerirdischen entführt worden sein, hoffe ich, einer von seinen Kumpels hat ihn wieder rausbefördert, sonst liegt er wahrscheinlich heute noch dort.
Die Leute aus dem Jugendwerk gründeten nicht nur eine eigene Antifagruppe namens "Rote Front Landau", sondern auch eine Deutschpunkband namens "Dirty Minds", die textliche Pretiosen wie die folgende vortrug:
"Ich hab eine Freundin, die ist Franzose (sic!)/ und sie ist so verklemmt/ die Franzose im Polohemd"
Eben jener Sänger lief auch mit einer Bomberjacke mit aufgesprühtem eingekreistem A auf dem Rücken herum, unter das er mit Lackstift ARNARCHIE geschrieben hatte.
Ich muß wohl nicht extra erwähnen, daß die ganze Clique nicht als sonderlich helle galt; umso erfreulicher fand ich es, als mir besagter Troubadour fast zehn Jahre später noch einmal begegnete, als ich auf einer Abiturfeier der Einrichtung des Zweiten Bildungswegs war, die ich auch durchlaufen hatte.
Nicht nur hatte er sich laut eigener Aussage zum begeisterten Jazz - und Funkhörer gemausert, sondern stand tatsächlich auch selbst ein Jahr vor dem Abschluß. Ich fände es mal spannend zu erfahren, was aus dem geworden ist.
Mit einem andern Typen aus dem Jugendwerk gab es mal einen sehr häßlichen Zwischenfall.
Ich ging einmal mit besagtem Freund (nennen wir ihn künftig X) die Treppe hoch, um frische Luft zu schnappen, als sich ein Jeansjackenträger mit zurückgegelten Haaren und metallbeschlagenen Cowboystiefeln, der offenbar ein äußerst aggressiver Psychopath und auf dem Weg nach unten war, an uns vorbeidrängte und X heftig in die Rippen stieß.
Jenem blieb die Luft weg, und keuchend und wimmernd hielt er auf der Stufe, auf der er sich gerade befand, inne. Schneller, als ich in irgendeiner Form reagieren konnte, baute sich dieses Arschloch vor X auf und fragte ihn eindringlich, ob er ein Problem hätte, was mein Freund natürlich nicht adäquat beantworten konnte, worauf ihn der Schläger mit einem wuchtigen Tritt ins Gesicht die Treppe hinunterschickte und dann seelenruhig von dannen zog.
Was dann passierte? Nichts.
X, der zudem Brillenträger war, lag mit blutüberströmtem Gesicht zu Füßen des Typen an der Einlaßkontrolle; nachdem ich mich vergewissert hatte, daß er weder etwas gebrochen, noch ein Brillenglas ins Auge bekommen und nach wie vor alle Zähne im Mund hatte, rannte ich schockiert die Treppe wieder hoch und wußte nicht, was ich tun sollte, denn als Punk die Bullen zu rufen, schied natürlich völlig aus.
Die zwei oder drei Jugendwerkpunks, die oben herumlungerten und die Szenerie mitverfolgt hatten, nahmen das Ganze noch dazu erstaunlich sportlich.
Das sei halt mal der Harry, und wenn der aggro sei, ticke er halt gerne mal aus. Man solle sich dann besser nicht mit ihm anlegen, denn dann zöge er ein Messer, er habe immer eins dabei.
Ich ging zu der Zeit wegen zweier großer Risikofaktoren (Trampen und Faschos) zwar auch nie unbewaffnet aus dem Haus, hatte aber keinerlei Ambitionen, mir mit solch einem Wahnsinnigen noch eine Messerstecherei zu liefern, während unten mein damals bester Kumpel lag und vor sich hinblutete wie ein Schwein.
Und so blieb alles ganz entspannt, und keiner machte sich unnötig Streß. Und ich begrub auf dem Heimweg meine idealisierte Vorstellung von Solidarität der Anhänger einer Subkultur untereinander.
Ich war noch sehr jung damals und hatte gerade eine erste wichtige Lektion gelernt.
(weiter in Teil 6)
Man kann natürlich - was eine häufige Motivation für Clubbesuche ist - Kontakte zu potentiellen Sexualpartnern knüpfen (die in meinem Fall weiblich sein sollten), aber daß ich ein Womanizer sei, ist ein Attribut, das hundert willkürlich ausgewählten Menschen aus meinem Bekanntenkreis wohl als letztes einfallen würde, befragte man sie nach meinen herausragendsten Eigenschaften.
Darum sollte ich eigentlich auch jeden Abend ein Kerzlein anzünden, um Gott, Ctulhu, dem Kosmischen Supergnu (oder wer auch immer dafür verantwortlich ist) zu danken, daß ich in der Hinsicht über die Jahre verhältnismäßig wenig Mangel zu leiden hatte.
Jedenfalls war ich zu Beginn meiner MASH - Zeit froh darüber, zumindest mal ein bekanntes Gesicht zu erblicken: ein Typ aus meiner früheren Realschul - Parallelklasse trieb sich dort regelmäßig herum, der einen ähnlichen Musikgeschmack wie ich zu haben schien.
Er war damals ein relativer Außenseiter gewesen und ich hatte nie mit ihm zu tun gehabt, aber an meinem ersten Abend kam ich mit ihm ins Gespräch, und als wir es uns auf die ersten Lieder getraut hatten, voreinander rumzuhüpfen (in meinem Fall hieß das erst einmal, daß ich mich mit einer Hand auf der Empore an der Box festhielt und autistisch in Schwarzspechtmanier dermaßen die Rübe bangte, daß mein Verlassen des MASH nach Sperrstunde aufgrund körperlicher Verspannung fast etwas quasimodoeskes hatte), freundeten wir uns an.
Leider hatte er eine recht nervtötende Art, die kaum jemand ertrug; und ständig als siamesische Zwillingsfreakshow wahrgenommen zu werden, erleichterte das Kennenlernen anderer Stammgäste nicht wirklich.
Trotzdem blieben wir etwas mehr über drei Jahre befreundet, bis mich eine unangenehme Geschichte (die nichts mit mir direkt zu tun hatte) dazu zwang, abrupt den Kontakt zu ihm abzubrechen und ihn auch nie wieder herzustellen. Näher werde ich darauf nicht eingehen.
Jedenfalls ließen wir uns zumeist im Doppelpack ein - bis mehrmals wöchentlich durch den Laden treiben, vollgestopft mit Menschen aus allen möglichen Kulturen und Subkulturen.
Da gab es beispielsweise die Gruppe der Jugendwerkpunks, die aus einer Fördereinrichtung etwas außerhalb der Stadt stammten. Einige von denen waren ganz umgänglich, manche waren ziemlich üble Schnorrer, und zumeist blieben sie unter sich.
Manchmal brachten sie auch Leute von anderswo mit. Ich erinnere mich an einen lederjackentragenden Typen mit einem mindestens 15 cm hohen blauen Iro, der mal auf mich zugetorkelt kam, als ich gerade die Toiletten verließ. Er hatte den Daumen auf den Mund gepreßt und die Backen aufgeblasen wie Dizzy Gillespie, als er an mir vorbei zur Tür hineinstürzte, und ich habe ihn danach nie wiedergesehen. Sollte er nicht von Außerirdischen entführt worden sein, hoffe ich, einer von seinen Kumpels hat ihn wieder rausbefördert, sonst liegt er wahrscheinlich heute noch dort.
Die Leute aus dem Jugendwerk gründeten nicht nur eine eigene Antifagruppe namens "Rote Front Landau", sondern auch eine Deutschpunkband namens "Dirty Minds", die textliche Pretiosen wie die folgende vortrug:
"Ich hab eine Freundin, die ist Franzose (sic!)/ und sie ist so verklemmt/ die Franzose im Polohemd"
Eben jener Sänger lief auch mit einer Bomberjacke mit aufgesprühtem eingekreistem A auf dem Rücken herum, unter das er mit Lackstift ARNARCHIE geschrieben hatte.
Ich muß wohl nicht extra erwähnen, daß die ganze Clique nicht als sonderlich helle galt; umso erfreulicher fand ich es, als mir besagter Troubadour fast zehn Jahre später noch einmal begegnete, als ich auf einer Abiturfeier der Einrichtung des Zweiten Bildungswegs war, die ich auch durchlaufen hatte.
Nicht nur hatte er sich laut eigener Aussage zum begeisterten Jazz - und Funkhörer gemausert, sondern stand tatsächlich auch selbst ein Jahr vor dem Abschluß. Ich fände es mal spannend zu erfahren, was aus dem geworden ist.
Mit einem andern Typen aus dem Jugendwerk gab es mal einen sehr häßlichen Zwischenfall.
Ich ging einmal mit besagtem Freund (nennen wir ihn künftig X) die Treppe hoch, um frische Luft zu schnappen, als sich ein Jeansjackenträger mit zurückgegelten Haaren und metallbeschlagenen Cowboystiefeln, der offenbar ein äußerst aggressiver Psychopath und auf dem Weg nach unten war, an uns vorbeidrängte und X heftig in die Rippen stieß.
Jenem blieb die Luft weg, und keuchend und wimmernd hielt er auf der Stufe, auf der er sich gerade befand, inne. Schneller, als ich in irgendeiner Form reagieren konnte, baute sich dieses Arschloch vor X auf und fragte ihn eindringlich, ob er ein Problem hätte, was mein Freund natürlich nicht adäquat beantworten konnte, worauf ihn der Schläger mit einem wuchtigen Tritt ins Gesicht die Treppe hinunterschickte und dann seelenruhig von dannen zog.
Was dann passierte? Nichts.
X, der zudem Brillenträger war, lag mit blutüberströmtem Gesicht zu Füßen des Typen an der Einlaßkontrolle; nachdem ich mich vergewissert hatte, daß er weder etwas gebrochen, noch ein Brillenglas ins Auge bekommen und nach wie vor alle Zähne im Mund hatte, rannte ich schockiert die Treppe wieder hoch und wußte nicht, was ich tun sollte, denn als Punk die Bullen zu rufen, schied natürlich völlig aus.
Die zwei oder drei Jugendwerkpunks, die oben herumlungerten und die Szenerie mitverfolgt hatten, nahmen das Ganze noch dazu erstaunlich sportlich.
Das sei halt mal der Harry, und wenn der aggro sei, ticke er halt gerne mal aus. Man solle sich dann besser nicht mit ihm anlegen, denn dann zöge er ein Messer, er habe immer eins dabei.
Ich ging zu der Zeit wegen zweier großer Risikofaktoren (Trampen und Faschos) zwar auch nie unbewaffnet aus dem Haus, hatte aber keinerlei Ambitionen, mir mit solch einem Wahnsinnigen noch eine Messerstecherei zu liefern, während unten mein damals bester Kumpel lag und vor sich hinblutete wie ein Schwein.
Und so blieb alles ganz entspannt, und keiner machte sich unnötig Streß. Und ich begrub auf dem Heimweg meine idealisierte Vorstellung von Solidarität der Anhänger einer Subkultur untereinander.
Ich war noch sehr jung damals und hatte gerade eine erste wichtige Lektion gelernt.
(weiter in Teil 6)
Freitag, 15. Februar 2019
MASH it up - Remix 2019 Track 4: People Are People
Dann konnte ich endlich mit einem eigenen Auto nach Landau tuckern, und das Wort "tuckern" ist wahrlich nicht untertrieben, betrachtet man sich die Mühlen, die ich anfangs fuhr.
Mein erstes Auto war ein grasgrüner Ford Fiesta Baujahr 1979, den ich recht zügig auf einem Ausflug nach Karlsruhe zu Schrott fuhr.
Ihm folgte ein ockerfarbener VW Derby mit Stufenheck, Baujahr 77. Der hatte mich nur 250 DM gekostet, ich fuhr ihn aber trotzdem noch ein Jahr lang, obwohl es reinregnete und sich überall Wasser angesammelt hatte, so daß es im Fahrgastraum dezent nach Schimmel und kaltem Zigarettenrauch roch, da ich während des Fahrens immer rauchte wie ein Schlot.Würrrg.
Am MASH angelangt, mußte ich im Auto erst einmal meine Schuhe wechseln, da ich mit meinen Docs die Fahrzeugpedale nicht richtig bedienen konnte (und im Club Turnschuhe tragen, ging damals natürlich gar nicht).
Da ich damals notorisch blank war und immer mit einem fast leeren Tank durch die Gegend gondelte, bestand mein Budget für den Abend manchmal nur aus 10 oder 15 DM, wobei man eine eventuell notwendige Tankfüllung noch einkalkulieren mußte.
Das wäre mir auch fast einmal zum Verhängnis geworden. In Landau gab es zu jener Zeit eine als "Texas" bekannte Wellblechhüttensiedlung, die von Sinti bewohnt wurde und einige obskure Gestalten hervorbrachte, und eine von ihnen, ein stadtbekannter Schläger - hier mit F. abgekürzt - hing regelmäßig im MASH ab.
Meist war er bis zu einem gefährlichen Grad besoffen und deswegen extrem reizbar, und ich erlebte einmal einen Krankenwageneinsatz mit, nachdem er oben an der Treppe einen ebenso großmäuligen Punk zusammengefaltet hatte, der es für eine gute Idee hielt, ihn zu provozieren.
Ich wollte solchem Ärger aus dem Weg gehen, darum grüßte ich ihn jedesmal freundlich mit einem Nicken und hatte dafür meine Ruhe. Dachte ich.
Irgendwann betrat ich den Laden mit 13 oder 14 DM und wußte, daß ich auf dem Rückweg tanken mußte ... also leistete ich mir ein Bier und wollte meinen Geldbeutel mit dem restlichen Zehner gerade wegpacken, als plötzlich F. neben mir stand und mich fragte, ob ich ihm nicht bis nächste Woche zehn Mark leihen könne, er sei pleite und wolle noch ein Bier trinken.
Ich erklärte ihm lang und breit meine Situation, daß ich ja noch nach Hause kommen und morgen arbeiten müsse, auch wenn er glaubte, das würde auf jeden Fall ohne zu tanken klappen.
Irgendwann schien es ihm einzuleuchten, und er sagte, er würde jemand anderen fragen. Soweit so gut.
Plötzlich stand F. wieder neben mir und meinte, er hätte niemanden gefunden.
Auf meine neuerliche Verneinung hin sagte er einfach:
"Isch mach dir än Vorschlag. Entweder du gebscht mir die zehn Mark, oder ich wart oben auf dich."
Somit war das Thema erledigt, und die Heimfahrt auf Notreserve wurde recht spannend.
Allgemein war die Klientel im MASH extrem heterogen, was am großen Einzugsgebiet und mangelnden Alternativen lag. Es gab zwar noch eine andere Disco namens Pharao in der Nähe, doch die galt als Popperladen, und alles, was irgendwie "alternativ" oder halbwegs abgefuckt war, wurde die Treppe in den Keller hinabgespült.
An der Theke saß häufig eine - sorry - unglaubliche alte Schlampe namens Hildi, die jeden jungen Kerl mit "Schatz" ansprach und versuchte, Drinks oder Schwänze zu erschnorren. Sie war irgendwas zwischen 55 und 70, immer in Leopardenoutfits gewandet, hatte schwarzgefärbte Haare, trug eine ebenfalls schwarze 70er - Jahre - Sonnenbrille mit Plastikgestell und gemahnte in ihrer ganzen solariumsgerösteten Faltigkeit an einen parfümierten Leguan.
Ich fand sie erstaunlich widerwärtig. Eine mir bekannte Person, die vor nichts zurückschreckt, hinderte das allerdings nicht daran, sich auf eine Wette mit seinem besten Freund hin von ihr abschleppen zu lassen und sie in ihrer Wohnung durchzubürsten, wobei er, als er am nächsten Tag realisierte, auf was er sich da im Vollsuff eingelassen hatte, erst einmal weinend, verwirrt und seiner Selbstachtung beraubt durch das morgendliche Landau irrte.
Immerhin gewann er einen Kasten Bier; da kann man kleinere Nachteile schonmal in Kauf nehmen.
Wenn wir gerade bei wahrhaft obskuren Gestalten sind (und davon gab es einige): ein weiterer Typ der mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist, war Speedy.
Ein bärtiger Mann Mitte 30, der immer eine weiße Schiebermütze und billige Polohemden trug. Niemand kannte ihn; den Namen "Speedy" bekam er verpaßt, weil er seine Hemden gerne mittels Edding mit Botschaften verzierte, neben - natürlich - SPEEDY war das die Frage "Und wer liebt mich?"
Sein Markenzeichen war es, bei irgendwelchen Songs auf der Tanzfläche ständig im Kreis herumzurennen und nur kurz innezuhalten, um entweder aus Leibeskräften zu schreien oder mit der flachen Hand irgendwo dagegenzuschlagen, entweder an die Wand oder an die Box, die von der Decke hing.
Ab und zu interagierte er auf merkwürdige Weise mit einem älteren Typ mit schulterlangen lockigen Haaren, der zwar aussah wie ein Büroangestellter, aber jedesmal dermaßen sturzbesoffen war, daß er einfach ziellos über die Tanzfläche torkelte und das offenbar auch für eine adäquate Art und Weise hielt, sich zur Musik zu bewegen.
Apropos "Edding": häufig saß im MASH auch ein Typ mit einem Mickymauspullover, auf den er "Locust Abortion Technician" geschrieben hatte, den Titel der ersten Butthole - Surfers - LP.
Ich fand ihn äußerst seltsam, doch mein damals bester Kumpel (auf den ich noch zu sprechen kommen werde) unterhielt sich gerne mit ihm und war der Meinung, er sei ziemlich cool. Zumindest schien man ihm einen gewissen schrägen Humor nicht absprechen zu können.
Jahre später begegnete er mir auf einer Bahnfahrt nach Speyer, und da mir langweilig war, kam ich mit ihm ins Gespräch. Da merkte ich, daß mein erster Eindruck mich nur insofern getäuscht hatte, daß der Typ nicht einfach nur seltsam, sondern komplett wahnsinnig war. Nachdem ich zehn Minuten sturzbachartig zusammenhanglose Logorrhöe über mich hatte ergehen lassen, verabschiedete er sich von mir mit einem lauten "SIEG HEIL ELVIS PRESLEY", und ich bedauere es nicht, ihm seitdem nie wieder begegnet zu sein.
Doch natürlich waren das extreme Sonderfälle. In der Regel war die Klientel im MASH an der gesellschaftlichen Norm gemessen zwar schon sehr schräg, aber größtenteils durchaus zurechnungsfähig.
(weiter in Teil 5)
Mein erstes Auto war ein grasgrüner Ford Fiesta Baujahr 1979, den ich recht zügig auf einem Ausflug nach Karlsruhe zu Schrott fuhr.
Ihm folgte ein ockerfarbener VW Derby mit Stufenheck, Baujahr 77. Der hatte mich nur 250 DM gekostet, ich fuhr ihn aber trotzdem noch ein Jahr lang, obwohl es reinregnete und sich überall Wasser angesammelt hatte, so daß es im Fahrgastraum dezent nach Schimmel und kaltem Zigarettenrauch roch, da ich während des Fahrens immer rauchte wie ein Schlot.Würrrg.
Am MASH angelangt, mußte ich im Auto erst einmal meine Schuhe wechseln, da ich mit meinen Docs die Fahrzeugpedale nicht richtig bedienen konnte (und im Club Turnschuhe tragen, ging damals natürlich gar nicht).
Da ich damals notorisch blank war und immer mit einem fast leeren Tank durch die Gegend gondelte, bestand mein Budget für den Abend manchmal nur aus 10 oder 15 DM, wobei man eine eventuell notwendige Tankfüllung noch einkalkulieren mußte.
Das wäre mir auch fast einmal zum Verhängnis geworden. In Landau gab es zu jener Zeit eine als "Texas" bekannte Wellblechhüttensiedlung, die von Sinti bewohnt wurde und einige obskure Gestalten hervorbrachte, und eine von ihnen, ein stadtbekannter Schläger - hier mit F. abgekürzt - hing regelmäßig im MASH ab.
Meist war er bis zu einem gefährlichen Grad besoffen und deswegen extrem reizbar, und ich erlebte einmal einen Krankenwageneinsatz mit, nachdem er oben an der Treppe einen ebenso großmäuligen Punk zusammengefaltet hatte, der es für eine gute Idee hielt, ihn zu provozieren.
Ich wollte solchem Ärger aus dem Weg gehen, darum grüßte ich ihn jedesmal freundlich mit einem Nicken und hatte dafür meine Ruhe. Dachte ich.
Irgendwann betrat ich den Laden mit 13 oder 14 DM und wußte, daß ich auf dem Rückweg tanken mußte ... also leistete ich mir ein Bier und wollte meinen Geldbeutel mit dem restlichen Zehner gerade wegpacken, als plötzlich F. neben mir stand und mich fragte, ob ich ihm nicht bis nächste Woche zehn Mark leihen könne, er sei pleite und wolle noch ein Bier trinken.
Ich erklärte ihm lang und breit meine Situation, daß ich ja noch nach Hause kommen und morgen arbeiten müsse, auch wenn er glaubte, das würde auf jeden Fall ohne zu tanken klappen.
Irgendwann schien es ihm einzuleuchten, und er sagte, er würde jemand anderen fragen. Soweit so gut.
Plötzlich stand F. wieder neben mir und meinte, er hätte niemanden gefunden.
Auf meine neuerliche Verneinung hin sagte er einfach:
"Isch mach dir än Vorschlag. Entweder du gebscht mir die zehn Mark, oder ich wart oben auf dich."
Somit war das Thema erledigt, und die Heimfahrt auf Notreserve wurde recht spannend.
Allgemein war die Klientel im MASH extrem heterogen, was am großen Einzugsgebiet und mangelnden Alternativen lag. Es gab zwar noch eine andere Disco namens Pharao in der Nähe, doch die galt als Popperladen, und alles, was irgendwie "alternativ" oder halbwegs abgefuckt war, wurde die Treppe in den Keller hinabgespült.
An der Theke saß häufig eine - sorry - unglaubliche alte Schlampe namens Hildi, die jeden jungen Kerl mit "Schatz" ansprach und versuchte, Drinks oder Schwänze zu erschnorren. Sie war irgendwas zwischen 55 und 70, immer in Leopardenoutfits gewandet, hatte schwarzgefärbte Haare, trug eine ebenfalls schwarze 70er - Jahre - Sonnenbrille mit Plastikgestell und gemahnte in ihrer ganzen solariumsgerösteten Faltigkeit an einen parfümierten Leguan.
Ich fand sie erstaunlich widerwärtig. Eine mir bekannte Person, die vor nichts zurückschreckt, hinderte das allerdings nicht daran, sich auf eine Wette mit seinem besten Freund hin von ihr abschleppen zu lassen und sie in ihrer Wohnung durchzubürsten, wobei er, als er am nächsten Tag realisierte, auf was er sich da im Vollsuff eingelassen hatte, erst einmal weinend, verwirrt und seiner Selbstachtung beraubt durch das morgendliche Landau irrte.
Immerhin gewann er einen Kasten Bier; da kann man kleinere Nachteile schonmal in Kauf nehmen.
Wenn wir gerade bei wahrhaft obskuren Gestalten sind (und davon gab es einige): ein weiterer Typ der mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist, war Speedy.
Ein bärtiger Mann Mitte 30, der immer eine weiße Schiebermütze und billige Polohemden trug. Niemand kannte ihn; den Namen "Speedy" bekam er verpaßt, weil er seine Hemden gerne mittels Edding mit Botschaften verzierte, neben - natürlich - SPEEDY war das die Frage "Und wer liebt mich?"
Sein Markenzeichen war es, bei irgendwelchen Songs auf der Tanzfläche ständig im Kreis herumzurennen und nur kurz innezuhalten, um entweder aus Leibeskräften zu schreien oder mit der flachen Hand irgendwo dagegenzuschlagen, entweder an die Wand oder an die Box, die von der Decke hing.
Ab und zu interagierte er auf merkwürdige Weise mit einem älteren Typ mit schulterlangen lockigen Haaren, der zwar aussah wie ein Büroangestellter, aber jedesmal dermaßen sturzbesoffen war, daß er einfach ziellos über die Tanzfläche torkelte und das offenbar auch für eine adäquate Art und Weise hielt, sich zur Musik zu bewegen.
Apropos "Edding": häufig saß im MASH auch ein Typ mit einem Mickymauspullover, auf den er "Locust Abortion Technician" geschrieben hatte, den Titel der ersten Butthole - Surfers - LP.
Ich fand ihn äußerst seltsam, doch mein damals bester Kumpel (auf den ich noch zu sprechen kommen werde) unterhielt sich gerne mit ihm und war der Meinung, er sei ziemlich cool. Zumindest schien man ihm einen gewissen schrägen Humor nicht absprechen zu können.
Jahre später begegnete er mir auf einer Bahnfahrt nach Speyer, und da mir langweilig war, kam ich mit ihm ins Gespräch. Da merkte ich, daß mein erster Eindruck mich nur insofern getäuscht hatte, daß der Typ nicht einfach nur seltsam, sondern komplett wahnsinnig war. Nachdem ich zehn Minuten sturzbachartig zusammenhanglose Logorrhöe über mich hatte ergehen lassen, verabschiedete er sich von mir mit einem lauten "SIEG HEIL ELVIS PRESLEY", und ich bedauere es nicht, ihm seitdem nie wieder begegnet zu sein.
Doch natürlich waren das extreme Sonderfälle. In der Regel war die Klientel im MASH an der gesellschaftlichen Norm gemessen zwar schon sehr schräg, aber größtenteils durchaus zurechnungsfähig.
(weiter in Teil 5)
MASH it up - Remix 2019 Track 3: On The Road Again
Bis es allerdings soweit war, mußte ich zuerst mal ein organisatorisches Problem von gewaltigen Ausmaßen lösen: wie kam ich sonntags um diese Zeit überhaupt nach Landau?
Ich hatte keinen Führerschein, Freunde mit Auto, die mich begleitet hätten, waren keine in Sicht, und meine Mutter konnte ich auch nur sehr selten dazu überreden, mich frühabends einfach
13 Kilometer durch die Gegend zu karren.
Also gab es zwei Alternativen: bei halbwegs erträglicher Witterung fuhr ich mit dem Fahrrad, was mich im Lauf der Zeit nicht nur zwei davon kostete, die mir geklaut wurden, sondern den Heimweg je nach Alkoholkonsum auch manchmal zu einem Wagnis machte.
Ich erinnere mich noch recht gut an einen Abend, an dem ich mit meinem (auch heute noch) guten Freund Thorsten unterwegs war.
Kurz zuvor hatte ich zum ersten Mal erfolgreich zarte Bande zu einer jungen Dame bei mir aus dem Ort geknüpft, was aber drei Tage später bereits wieder irreparabel vorbei war, und dementsprechend war meine Stimmung. Also fuhren wir auf unseren Rädern ins MASH (auf der Strecke über Knittelsheim, das sehr spezielle Ottersheim, aber dazu später, und Offenbach/Queich), wo ich mein gekränktes Gemüt dadurch betäubte, daß ich mir in kürzester Zeit das Stammhirn mit Bier flutete und in einer Klokabine kotzend über der Schüssel hing.
Zum Glück war ich damals dermaßen weggetreten, daß ich mir gar nicht richtig gewahr wurde, in was für einen Höllenschlund ich mich da gerade entleerte, und dem kleinen Rest von mir, der noch etwas realisierte, war es komplett egal. Thorsten, der mich verzweifelt suchte, fand mich jedenfalls nur deshalb, weil meine bestiefelten Füße unter der Tür der Klokabine herausragten und geleitete mich dann in Blindenhundmanier aus dem Laden hinaus zu unseren Fahrrädern, auf denen wir den Heimweg antraten.
Auf diesem brachte ich das einzigartige Kunststück fertig, zweimal während des Fahrens auf dem Sattel einzuschlafen, weil ich komplett komatös war, was mich in der Folge vom Weg abbrachte und dann in einer abrupten Flugeinlage vom Rad auf den jeweils angrenzenden Acker katapultierte.
Erstaunlicherweise überstand ich das, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen, die alte Binsenweisheit bestätigend, daß Kleinkindern und Besoffenen nie etwas passiert.
War das Wetter scheiße, mußte ich auf Möglichkeit zwei zurückgreifen, dann trampte ich. Dummerweise fand ich kaum jemanden, der in Bellheim anhielt und gleich nach Landau durchfuhr, so daß ich meistens einen Zwischenstop in besagtem Ottersheim einlegte, damals das unbestrittene Epizentrum dorfdeppiger Dumpfnüssigkeit.
Kam man aus meiner Richtung ins Dorf, fuhr man automatisch auf eine Bushaltestelle zu, bevor die Straße dann eine scharfe Linkskurve Richtung Landau beschrieb. An besagter Haltestelle hatten auch einige juvenile Frikasseehirne eine Art Treffpunkt eingerichtet, an dem zumeist schnauzbärtige Mopedfahrer mit Nackenspoilern und FALCON - Bomberjacken Marlboro rauchten und Böhse Onkelz hörten.
Als Punk wurde man da nicht gerade freundlich beäugt, wenn man zehn Meter entfernt trampte, und da die Anhängerschaft der deutschen Fußballnationalelf damals durchaus noch nicht so weltoffen und buntgemischt war wie heute, mußte ich einmal sogar die Beine in die Hand nehmen, als nach einem Spiel der EM 92 plötzlich irgendwelche Typen mit Deutschlandfahnen hinter mir her waren. Ich weiß zwar nicht, ob mir großartig was passiert wäre außer Pöbeleien und ein paar Ohrfeigen, aber ich hatte keine Lust, das herauszufinden.
Doch auch, wenn man glücklich jemanden gefunden hatte, der einen (manchmal nach anderthalb Stunden Wartezeit) das letzte Stück nach Landau mitnahm, konnte man noch einige bizarre und manchmal auch beunruhigende Erfahrungen machen.
Eimal nahm mich ein arroganter Schwarzer mit Dreads und Lederjacke mit, der mir erzählte, sein Name sei Marcus, er wäre Musiker und hätte mit dem damals populären One - Hit - Wonder Carl Keaton gespielt, was mich - ohne annähernd jemanden zu kennen, der auch nur halbwegs prominent war - irgendwie beeindruckte.
So weit, so gut. Jedoch fing der gute Mann kurz darauf an, zu maulen, er würde jetzt extra wegen mir einen Umweg fahren und hätte kaum noch Benzin. Und so ging es weiter, er wurde immer arschiger und pampiger, bis er mir, der ich die Situation irgendwann als latent bedrohlich empfand, ein paar Mark Spritgeld aus den Rippen gepreßt hatte. Wohlgemerkt: ein Studiomusiker einem jungen Auszubildenden, dem man schon von Weitem ansah, daß er weder Kohle noch sonstwas auf der Pfanne hatte.
Ein anderes Mal stand ich da und hörte bereits aus einiger Entfernung ein lautes BUMM BUMM BUMM auf die Haltestelle zukommen. Kurz darauf bog ein aufgemotzer Golf GTI um die Kurve, der einen stilisierten Adler mit ausgebreiteten Schwingen auf der Motorhaube kleben hatte und aus dem Blümchen und sonstiger Eurotrash wummerte, und zwar nicht nur laut, sondern FUCKIN' laut. Er hielt mit quietschenden Bremsen, ein schnauzbärtiger Typ im Tanktop stieg aus und fragte "wu willschn hi"?
"Landaach."
"Steisch ei, ich schmeiß grad noch den Scheiß do hinnenei", worauf er ein paar leere Kartons auf den Rücksitz feuerte. Als ich dann auf dem Beifahrersitz Platz nahm, sah ich auf dem Rücksitz ein höchstens fünfjähriges Kind, das noch dazu direkt vor der mächtigen Box saß, während der Fahrt ständig "Babba" rief und versuchte, seinem Erzeuger etwas zu sagen, was dieser andauernd mit einem schlechtgelaunten "jajaah" abtat. Was für eine glückliche Kindheit.
Ein weiteres mal hielt ein dicker Mercedes mit einem poppermäßigen Typ am Steuer, der mich dann fragte, ob es mich stören würde, wenn er Musik anmachte. Ich sagte "nein" und erwartete U2 oder ähnliches.
Stattdessen bekam ich überraschend atonalen Krach um die Ohren gehauen, der sich als Steel Pole Bath Tub herausstellte, die ich inzwischen selbst sehr schätze, und der Typ am Steuer war Rene, der mit dem Geschäftsauto seines Vaters unterwegs war und zwei oder drei Jahre später einer meiner besten Kumpels werden sollte. Das war unsere erste Begegnung.
Schön war diese Zeit natürlich nicht. Es war auf eine gewisse Weise entwürdigend, dermaßen von anderen abhängig zu sein. Ebenso war die Ungewissheit, wie man wieder heimkäme (ohne mitten in der Nacht Mutter aus dem Bett zu klingeln und auf dem Heimweg ihre - verständlicherweise - schlechte Laune zu ertragen) genauso nervtötend wie damals noch wildfremde Leute im MASH anzuquatschen, ob sie mich mit dem Auto ein Stück in ihre Richtung mitnehmen könnten.
Doch das hatte sich bald erledigt, denn im Februar 93 schaffte ich endlich die Führerscheinprüfung.
(weiter in Teil 4)
Sonntag, 10. Februar 2019
MASH it up - Remix 2019 Track 2: The Eagle Has Landed
Der Grund, warum ich mich sonntags dort einfand, war anfangs "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, war der Beginn meiner Punksozialisation dieser eigentlich unglamouröse. Ich kann nicht behaupten, durch irgendwelche Insidertips zu Musik härterer Gangart gekommen zu sein, abgesehen von Slayer, als deren Fan ich mich auch erst outete, als sowieso schon alles egal und mein Image als Liebhaber gepflegter Mainstreammusik schon genauso hinüber war wie das als wohlerzogener junger Mann. Wobei das "wohlerzogen" auch nur auf Spekulationen meines Umfelds zurückging, die im krassen Gegensatz zu meiner eigenen Erfahrung standen, aber das ist eine komplett andere Geschichte.
Aber Minor Threat und die Dead Kennedys folgten erst im Anschluß an dieses:
mein Ekel und meine Wut über die ausländerfeindlichen Pogrome in Rostock und Hoyerswerda trafen zusammen mit dem Kennen - und Schätzenlernen meines ersten richtigen Linksautonomen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahrs und der Ausstrahlung des Nirvana - Videos auf MTV.
Nach drei oder vier Durchgängen gefiel mir der Song, und ich wollte nur noch eines: an Orten und auf Konzerten sein, an und auf denen man zu Musik dermaßen hemmungslos aus sich herausgehen konnte, wie ich es ebenda gesehen hatte. Und Leute um mich herum zu haben, die mein neu erwachendes politisches Bewußtsein mit mir teilten, denn in meinem bisherigen Freundeskreis erntete ich damit im harmlosesten Fall Verwunderung oder Desinteresse.
Also begann ich, ins MASH zu gehen, passierte nach der Einlaßkontrolle anfangs noch reichlich unsicher über den flachgenoppten schwarzen und roten Kunststoffbodenbelag tappend zuerst eine Sitzgruppe aus Holzquadern und ging an die vordere Theke, um mir - huch - ein BIER zu bestellen.
Ich war nun also kein harmloser Heranwachsender mit Polohemdkragen unter dem Sweatshirt mehr, sondern ein richtiger Teenager, der in obskuren Discos Alkohol trank. Ein großer Schritt für Stefan Gaffory, gar keiner für die Menschheit, aber egal.
Weiter ging es durch den schlauchförmigen Mittelgang, der genauso eingerichtet war: unterschiedlich hoch aufgestellte Sitzgelegenheiten unter konkaven Wänden, alles zusammen einen zutiefst abgeranzten Flair versprühend wie ein Stinktier sein Sekret aus der Afterdrüse.
Rechter Hand kamen dann zuerst die Toiletten, und eines will Ihnen gesagt sein: ich weiß ja nicht, wo überall Sie jemals Ihr Geschäft verrichtet haben, aber etwas Grauenerregenderes hat wohl kaum je ein Menschenaug' erblickt, zumindest nicht in mitteleuropäischen Gefilden. Zumindest kam es mir damals so vor.
Die Toiletten waren geschätzt von 1968 und seitdem wahrscheinlich weder renoviert noch geputzt worden. Der Uringestank dort war so beißend, daß Kleingeld in der Hosentasche sofort zu rosten begann, wenn man den Raum betrat, und es gab vor dem Betreten des MASH keine furchterregendere Vorstellung, als in dem Laden plötzlich unaufschiebbar scheißen zu müssen.
Links von diesem Kabinett des Schreckens befand sich der Raum mit der Tanzfläche: in der Mitte ein hell ausgeleuchtetes Areal von der Größe eines Studentenwohnheimzimmers mit Metallbeschlägen auf dem Boden, links und rechts davon Sitzreihen und am Kopfende eine Art mit Schwarzlicht bestrahlter Empore, in der die mannshohen Boxen standen und außerdem genug Platz war, um konspirativ tanzend den Blicken entzogen zu sein, wollte man sich nicht unten im Flutlicht vor jedermanns Augen zum Kasper machen.
Apropos "zum Kasper machen": auch meine äußerliche Mimikry begann zu der Zeit schleichend. Rückblickend ist es unfaßbar, welche Outfits man mit 19 oder 20 cool, gewagt oder verwegen fand.
Obligatorisch: offenes Holzfällerhemd über Bandshirts, dazu abgeschnittene schwarze Bundeswehrhosen und Neunlochdocs mit roten Schnürsenkeln. Wenn man ganz verrückt drauf war, T - Shirt ÜBER dem Holzfällerhemd. Mit Kuli selbstbekritzelte Jeans, mit kunstvoll erstellten Bandlogos und grunzpeinlichen Politparolen verziert.
Mein erstes richtig "cooles" Bandshirt war ein inoffizielles mit dem Logo der Red Hot Chili Peppers, weil ich damals die gerade neuentdeckte und - gekaufte "Blood Sugar Sex Magik" bis zum Erbrechen rauf - und runternudelte, etwas, was mir heute ähnlich fremd ist wie meine damaligen Outfits.
Das T - Shirt mußte natürlich allzeit einsatzbereit sein: nach dem Tragen mußte es am nächsten Tag auslüften, da nach jedem MASH - Besuch alle Klamotten nach totem Maulwurf rochen.
Mußte es in die Wäsche, wurde mit heranschleichender Panik gehofft und gebangt, daß Muttern es bis zum Sonntag gewaschen haben würde und es dazu auch noch trocken sei.
Und um es vorwegzunehmen: "Smells Like Teen Spirit" war anfangs der einsame Höhepunkt des Abends, und ich weiß, daß ich nicht der Einzige war, der vom Durchdrehvorsatz geleitet war.
Denn oftmals artete der Pogo der Meute, die schlagartig die Tanzfläche stürmte (und manchmal sogar von Besuchern, die von den oberen Sitzreihen in die Menge hechteten) zu einem wüsten Tumult aus, bei dem man nach Songende mehr oder weniger zerschunden zu gleichen Teilen glücklich, auf eine seltsame Art und Weise befriedigt sowie stolz war, ihn mittenmang dabei ohne größere Schäden überstanden zu haben.
Andere hatten manchmal weniger Glück: einmal verließ ich die Tanzfläche mit einem Fetzen der Unterlippe meines damals besten Kumpels, der am Ärmel meines T - Shirts klebte.
(weiter in Teil 3)
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, war der Beginn meiner Punksozialisation dieser eigentlich unglamouröse. Ich kann nicht behaupten, durch irgendwelche Insidertips zu Musik härterer Gangart gekommen zu sein, abgesehen von Slayer, als deren Fan ich mich auch erst outete, als sowieso schon alles egal und mein Image als Liebhaber gepflegter Mainstreammusik schon genauso hinüber war wie das als wohlerzogener junger Mann. Wobei das "wohlerzogen" auch nur auf Spekulationen meines Umfelds zurückging, die im krassen Gegensatz zu meiner eigenen Erfahrung standen, aber das ist eine komplett andere Geschichte.
Aber Minor Threat und die Dead Kennedys folgten erst im Anschluß an dieses:
mein Ekel und meine Wut über die ausländerfeindlichen Pogrome in Rostock und Hoyerswerda trafen zusammen mit dem Kennen - und Schätzenlernen meines ersten richtigen Linksautonomen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahrs und der Ausstrahlung des Nirvana - Videos auf MTV.
Nach drei oder vier Durchgängen gefiel mir der Song, und ich wollte nur noch eines: an Orten und auf Konzerten sein, an und auf denen man zu Musik dermaßen hemmungslos aus sich herausgehen konnte, wie ich es ebenda gesehen hatte. Und Leute um mich herum zu haben, die mein neu erwachendes politisches Bewußtsein mit mir teilten, denn in meinem bisherigen Freundeskreis erntete ich damit im harmlosesten Fall Verwunderung oder Desinteresse.
Also begann ich, ins MASH zu gehen, passierte nach der Einlaßkontrolle anfangs noch reichlich unsicher über den flachgenoppten schwarzen und roten Kunststoffbodenbelag tappend zuerst eine Sitzgruppe aus Holzquadern und ging an die vordere Theke, um mir - huch - ein BIER zu bestellen.
Ich war nun also kein harmloser Heranwachsender mit Polohemdkragen unter dem Sweatshirt mehr, sondern ein richtiger Teenager, der in obskuren Discos Alkohol trank. Ein großer Schritt für Stefan Gaffory, gar keiner für die Menschheit, aber egal.
Weiter ging es durch den schlauchförmigen Mittelgang, der genauso eingerichtet war: unterschiedlich hoch aufgestellte Sitzgelegenheiten unter konkaven Wänden, alles zusammen einen zutiefst abgeranzten Flair versprühend wie ein Stinktier sein Sekret aus der Afterdrüse.
Rechter Hand kamen dann zuerst die Toiletten, und eines will Ihnen gesagt sein: ich weiß ja nicht, wo überall Sie jemals Ihr Geschäft verrichtet haben, aber etwas Grauenerregenderes hat wohl kaum je ein Menschenaug' erblickt, zumindest nicht in mitteleuropäischen Gefilden. Zumindest kam es mir damals so vor.
Die Toiletten waren geschätzt von 1968 und seitdem wahrscheinlich weder renoviert noch geputzt worden. Der Uringestank dort war so beißend, daß Kleingeld in der Hosentasche sofort zu rosten begann, wenn man den Raum betrat, und es gab vor dem Betreten des MASH keine furchterregendere Vorstellung, als in dem Laden plötzlich unaufschiebbar scheißen zu müssen.
Links von diesem Kabinett des Schreckens befand sich der Raum mit der Tanzfläche: in der Mitte ein hell ausgeleuchtetes Areal von der Größe eines Studentenwohnheimzimmers mit Metallbeschlägen auf dem Boden, links und rechts davon Sitzreihen und am Kopfende eine Art mit Schwarzlicht bestrahlter Empore, in der die mannshohen Boxen standen und außerdem genug Platz war, um konspirativ tanzend den Blicken entzogen zu sein, wollte man sich nicht unten im Flutlicht vor jedermanns Augen zum Kasper machen.
Apropos "zum Kasper machen": auch meine äußerliche Mimikry begann zu der Zeit schleichend. Rückblickend ist es unfaßbar, welche Outfits man mit 19 oder 20 cool, gewagt oder verwegen fand.
Obligatorisch: offenes Holzfällerhemd über Bandshirts, dazu abgeschnittene schwarze Bundeswehrhosen und Neunlochdocs mit roten Schnürsenkeln. Wenn man ganz verrückt drauf war, T - Shirt ÜBER dem Holzfällerhemd. Mit Kuli selbstbekritzelte Jeans, mit kunstvoll erstellten Bandlogos und grunzpeinlichen Politparolen verziert.
Mein erstes richtig "cooles" Bandshirt war ein inoffizielles mit dem Logo der Red Hot Chili Peppers, weil ich damals die gerade neuentdeckte und - gekaufte "Blood Sugar Sex Magik" bis zum Erbrechen rauf - und runternudelte, etwas, was mir heute ähnlich fremd ist wie meine damaligen Outfits.
Das T - Shirt mußte natürlich allzeit einsatzbereit sein: nach dem Tragen mußte es am nächsten Tag auslüften, da nach jedem MASH - Besuch alle Klamotten nach totem Maulwurf rochen.
Mußte es in die Wäsche, wurde mit heranschleichender Panik gehofft und gebangt, daß Muttern es bis zum Sonntag gewaschen haben würde und es dazu auch noch trocken sei.
Und um es vorwegzunehmen: "Smells Like Teen Spirit" war anfangs der einsame Höhepunkt des Abends, und ich weiß, daß ich nicht der Einzige war, der vom Durchdrehvorsatz geleitet war.
Denn oftmals artete der Pogo der Meute, die schlagartig die Tanzfläche stürmte (und manchmal sogar von Besuchern, die von den oberen Sitzreihen in die Menge hechteten) zu einem wüsten Tumult aus, bei dem man nach Songende mehr oder weniger zerschunden zu gleichen Teilen glücklich, auf eine seltsame Art und Weise befriedigt sowie stolz war, ihn mittenmang dabei ohne größere Schäden überstanden zu haben.
Andere hatten manchmal weniger Glück: einmal verließ ich die Tanzfläche mit einem Fetzen der Unterlippe meines damals besten Kumpels, der am Ärmel meines T - Shirts klebte.
(weiter in Teil 3)
Freitag, 8. Februar 2019
MASH it up - Remix 2019 Track 1: Intro
Man greift blind in einen erinnerungsgefüllten Grabbelsack und zieht das Jahr 1992 heraus, exemplarisch für eine Lebensphase stehend.
Allein die Erwähnung dieser magischen Zahl erzeugt eine Kette von Erinnerungen, deren einzelne Glieder irgendwann lose werden und auseinanderfallen, bis die Einzelteile keiner festen Reihenfolge mehr zuzuordnen sind.
Doch was da irgendwann herumliegt wie ein Haufen loser Büroklammern wird von einem absoluten Mittelpunkt magnetisch fixiert, einem spaceodysseyschen schwarzen Monolithen, der aber zu seinem Vorbild einen entscheidenden Unterschied aufweist: auf ihm prangt in weiß der geschwungene Schriftzug MASH.
Nur soll das elegant nach End - 60er - Retro aussehende und auf einem stilisierten Frauentorso prangende Logo nicht über den eigentlichen Charakter dieses Kellermusikclubs hinwegtäuschen, denn er war ein wahrhaft begriffsdefinitionstaugliches Dreckloch.Und wir haben ihn dafür geliebt.
Für viele Leute aus Landau und den Dörfern der Umgebung war er jahrelang der Mittelpunkt ihres Lebens, die Flucht vor ranzigen Dorfkneipen mit blaumanngewandeten Skatspielern samt Rumpelrassismus aus der oberen Volldeppenliga, Dorffaschingsfeiern in Mehrzweckhallen und Weinfesten, auf denen man sich förmlich besinnungslos saufen mußte, um die Musik und die Leute dort auch nur ansatzweise zu ertragen. Was wiederum den unangenehmen Nachteil hatte, daß man in intoxikiertem Zustand als Dorfnichtasso von genauso besoffenen, aber deutlich trinkfesteren Dorfsehrwohlassos gerne mal eine auf's Maul haben konnte, ohne explizit danach verlangt zu haben.
Wie das Programm der einzelnen Wochentage gestaffelt war, weiß ich nicht mehr genau (sachdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen). Soweit ich mich erinnere, war mittwochs der "Halbe - Preise - Tag", eine wunderbare Gelegenheit, sich sinnlos zuzulöten (vor allem, wenn man - wie ich - Auszubildender mit begrenzten finanziellen Mitteln war), samt reichlich gesichtsloser Mainstreammusik.
Den Donnerstag mied ich als - damalige Eigendefinition - "Punk" natürlich wie die Pest, denn das war der Hippietag voll mit absunderlichen Barfußläufern und Hush - Puppy - Trägern, Frauen mit lila Seidenhalstüchern und bedruckten Hosen sowie nickelbebrillten Sozialpädagogen mit verfilztem Webpelz anstatt einer Frisur, die zu schwurbelig zugedröhnter Scheißmusik Ausdruckstanz betrieben.
Über vereinzelte Musikstücke würde ich heutzutage sogar diskutieren, denn einigen davon muß ich mittlerweile durchaus Qualitäten zugestehen, doch bei der zugehörigen Klientel weigere ich mich nach wie vor.
An den Freitag und den Samstag habe ich kaum Erinnerungen, doch der Sonntag war im allgemeinen MEIN Tag. Es lief sehr vieles, was sich im Allgemeinen unter "Alternative" zusammenfassen ließ sowie vereinzelte Metalstücke, und ich traf eine Menge Leute, die nur an diesem Tag dort waren.
Ich fieberte die ganze Woche lang auf diesen Abend hin und versuchte sogar meine jeweilige Chefin zu überreden, mir montags frei oder zumindest Spätschicht zu geben.
Wenn dies einmal nicht klappte, konnte mich das an den Rand spätpubertärer Verzweiflung bringen, genau wie ein Sonntag mit schlechter Stimmung, wenig Besuchern oder magerer Ausbeute von Songs aus meinem Geschmacksspekrum mir die komplette folgende Woche versauen konnte, bis der nächste Sonntag begonnen hatte.
Dann stieg man wieder voller Vorfreude die Kellertreppe hinab in die Duftmischung aus feuchten Wänden, kaltem Rauch, nassem Hund und Moder und bezahlte bei dem Mann am Einlaß seine drei Mark, um einen pastellfarbenen Verzehrbon in Empfang zu nehmen.
Von diesem Moment an hatte das Leben endlich wieder einen Sinn. (weiter in Teil 2)
Allein die Erwähnung dieser magischen Zahl erzeugt eine Kette von Erinnerungen, deren einzelne Glieder irgendwann lose werden und auseinanderfallen, bis die Einzelteile keiner festen Reihenfolge mehr zuzuordnen sind.
Doch was da irgendwann herumliegt wie ein Haufen loser Büroklammern wird von einem absoluten Mittelpunkt magnetisch fixiert, einem spaceodysseyschen schwarzen Monolithen, der aber zu seinem Vorbild einen entscheidenden Unterschied aufweist: auf ihm prangt in weiß der geschwungene Schriftzug MASH.
Nur soll das elegant nach End - 60er - Retro aussehende und auf einem stilisierten Frauentorso prangende Logo nicht über den eigentlichen Charakter dieses Kellermusikclubs hinwegtäuschen, denn er war ein wahrhaft begriffsdefinitionstaugliches Dreckloch.Und wir haben ihn dafür geliebt.
Für viele Leute aus Landau und den Dörfern der Umgebung war er jahrelang der Mittelpunkt ihres Lebens, die Flucht vor ranzigen Dorfkneipen mit blaumanngewandeten Skatspielern samt Rumpelrassismus aus der oberen Volldeppenliga, Dorffaschingsfeiern in Mehrzweckhallen und Weinfesten, auf denen man sich förmlich besinnungslos saufen mußte, um die Musik und die Leute dort auch nur ansatzweise zu ertragen. Was wiederum den unangenehmen Nachteil hatte, daß man in intoxikiertem Zustand als Dorfnichtasso von genauso besoffenen, aber deutlich trinkfesteren Dorfsehrwohlassos gerne mal eine auf's Maul haben konnte, ohne explizit danach verlangt zu haben.
Wie das Programm der einzelnen Wochentage gestaffelt war, weiß ich nicht mehr genau (sachdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen). Soweit ich mich erinnere, war mittwochs der "Halbe - Preise - Tag", eine wunderbare Gelegenheit, sich sinnlos zuzulöten (vor allem, wenn man - wie ich - Auszubildender mit begrenzten finanziellen Mitteln war), samt reichlich gesichtsloser Mainstreammusik.
Den Donnerstag mied ich als - damalige Eigendefinition - "Punk" natürlich wie die Pest, denn das war der Hippietag voll mit absunderlichen Barfußläufern und Hush - Puppy - Trägern, Frauen mit lila Seidenhalstüchern und bedruckten Hosen sowie nickelbebrillten Sozialpädagogen mit verfilztem Webpelz anstatt einer Frisur, die zu schwurbelig zugedröhnter Scheißmusik Ausdruckstanz betrieben.
Über vereinzelte Musikstücke würde ich heutzutage sogar diskutieren, denn einigen davon muß ich mittlerweile durchaus Qualitäten zugestehen, doch bei der zugehörigen Klientel weigere ich mich nach wie vor.
An den Freitag und den Samstag habe ich kaum Erinnerungen, doch der Sonntag war im allgemeinen MEIN Tag. Es lief sehr vieles, was sich im Allgemeinen unter "Alternative" zusammenfassen ließ sowie vereinzelte Metalstücke, und ich traf eine Menge Leute, die nur an diesem Tag dort waren.
Ich fieberte die ganze Woche lang auf diesen Abend hin und versuchte sogar meine jeweilige Chefin zu überreden, mir montags frei oder zumindest Spätschicht zu geben.
Wenn dies einmal nicht klappte, konnte mich das an den Rand spätpubertärer Verzweiflung bringen, genau wie ein Sonntag mit schlechter Stimmung, wenig Besuchern oder magerer Ausbeute von Songs aus meinem Geschmacksspekrum mir die komplette folgende Woche versauen konnte, bis der nächste Sonntag begonnen hatte.
Dann stieg man wieder voller Vorfreude die Kellertreppe hinab in die Duftmischung aus feuchten Wänden, kaltem Rauch, nassem Hund und Moder und bezahlte bei dem Mann am Einlaß seine drei Mark, um einen pastellfarbenen Verzehrbon in Empfang zu nehmen.
Von diesem Moment an hatte das Leben endlich wieder einen Sinn. (weiter in Teil 2)
Freitag, 1. Februar 2019
Zwischenspiel mit Ofenkäse
Heute Abend auf dem Heimweg von der Arbeit in der S5.
Irgendwann steigt ein älterer Mann mit geschätzt 2,8 Promille Standgas zu, der in unregelmäßigen Abständen in bester Westernhagenmanier "It's my life" durch den Mittelgang röhrt, was wohl mit gutem Willen als Gesangsversuch durchgehen würde.
"It's my life", sonst nichts. Dann zwölf Sekunden Pause, und "it's my life".
Erstaunlich ist nur, daß die übrigen Mitfahrer zwar versuchen, das Gepöhle und Genöhle zu ignorieren und dabei möglichst unbeteiligt auszusehen, aber dieses vorgebliche Unbeteiligtsein völlig verkrampft wirkt und eine dermaßen unerträglich gespannte Atmosphäre erzeugt, daß man das Gefühl hat, ein herzhaftes "halt's Maul, du Vollpfosten" würde diese ohne weitere Konsequenzen lösen.
Aber es bleibt aus, auch von mir, bin ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, unbeteiligt auszusehen.
Ja, mein Heimweg von der Arbeit: noch bin ich ja bis Ende Februar Altenpfleger, bevor ich meine Arbeitskraft den Mächten des Wahnsinns zur Verfügung stelle, und als solcher wurde ich dieser Tage Zeuge, wie nekrotisches Gewebe auf einer Beinganggrän entfernt wurde.
Ich wurde schon öfter Zeuge, wie nekrotisches Gewebe von irgendwas entfernt wurde und kann Ihnen glaubhaft versichern, daß das zu den Dingen im Leben gehört, die man wirklich nicht gesehen haben muß. Ich bin mir sicher, daß man auch hernach auf dem Sterbebett liegen und sein Leben Revue passieren lassen kann, ohne daß unter den Sachen, die man tragischerweise verpaßt hat, zwischen Sexorgien und einer Rockstarkarriere die Entfernung nekrotischen Gewebes von einem Decubitus am Steiß auftauchen wird.
Nichtsdestotrotz liegt aber darin das Geheimnis für meinen abgrundtiefen Ekel vor Ofenkäse, ohne diesen jemals probiert zu haben.
Denn das hat dieser Beruf aus mir gemacht: als ich Fernsehwerbung für besagtes Produkt sah, in der eine knusprige Kruste abgehoben wurde und darunter gelber Madder Fäden zog, dachte ich nicht etwa an Eßbares, sondern meine erste Assoziation war oben genannte, und ich wollte in dem Moment nur noch einen Eimer, um mich schwallartig hinein zu übergeben. Und so geht es mir bis heute, wenn ich auch nur an Ofenkäse denke, und das passiert häufiger, als mir lieb ist, denn Frau Turini ist verrückt nach dem Zeug.
Als nicht in der Pflege Tätiger erscheint Ihnen dieses Verhalten vielleicht rätselhaft, aber Leute mit demselben Beruf dürften wissen, was ich meine und im schlimmsten Fall bei der Erwähnung von Ofenkäse nun auch von diesen Bildern heimgesucht werden, und ich bin schuld daran.
Sie brauchen mir nicht zu danken, sowas tu ich doch gerne.
Irgendwann steigt ein älterer Mann mit geschätzt 2,8 Promille Standgas zu, der in unregelmäßigen Abständen in bester Westernhagenmanier "It's my life" durch den Mittelgang röhrt, was wohl mit gutem Willen als Gesangsversuch durchgehen würde.
"It's my life", sonst nichts. Dann zwölf Sekunden Pause, und "it's my life".
Erstaunlich ist nur, daß die übrigen Mitfahrer zwar versuchen, das Gepöhle und Genöhle zu ignorieren und dabei möglichst unbeteiligt auszusehen, aber dieses vorgebliche Unbeteiligtsein völlig verkrampft wirkt und eine dermaßen unerträglich gespannte Atmosphäre erzeugt, daß man das Gefühl hat, ein herzhaftes "halt's Maul, du Vollpfosten" würde diese ohne weitere Konsequenzen lösen.
Aber es bleibt aus, auch von mir, bin ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, unbeteiligt auszusehen.
Ja, mein Heimweg von der Arbeit: noch bin ich ja bis Ende Februar Altenpfleger, bevor ich meine Arbeitskraft den Mächten des Wahnsinns zur Verfügung stelle, und als solcher wurde ich dieser Tage Zeuge, wie nekrotisches Gewebe auf einer Beinganggrän entfernt wurde.
Ich wurde schon öfter Zeuge, wie nekrotisches Gewebe von irgendwas entfernt wurde und kann Ihnen glaubhaft versichern, daß das zu den Dingen im Leben gehört, die man wirklich nicht gesehen haben muß. Ich bin mir sicher, daß man auch hernach auf dem Sterbebett liegen und sein Leben Revue passieren lassen kann, ohne daß unter den Sachen, die man tragischerweise verpaßt hat, zwischen Sexorgien und einer Rockstarkarriere die Entfernung nekrotischen Gewebes von einem Decubitus am Steiß auftauchen wird.
Nichtsdestotrotz liegt aber darin das Geheimnis für meinen abgrundtiefen Ekel vor Ofenkäse, ohne diesen jemals probiert zu haben.
Denn das hat dieser Beruf aus mir gemacht: als ich Fernsehwerbung für besagtes Produkt sah, in der eine knusprige Kruste abgehoben wurde und darunter gelber Madder Fäden zog, dachte ich nicht etwa an Eßbares, sondern meine erste Assoziation war oben genannte, und ich wollte in dem Moment nur noch einen Eimer, um mich schwallartig hinein zu übergeben. Und so geht es mir bis heute, wenn ich auch nur an Ofenkäse denke, und das passiert häufiger, als mir lieb ist, denn Frau Turini ist verrückt nach dem Zeug.
Als nicht in der Pflege Tätiger erscheint Ihnen dieses Verhalten vielleicht rätselhaft, aber Leute mit demselben Beruf dürften wissen, was ich meine und im schlimmsten Fall bei der Erwähnung von Ofenkäse nun auch von diesen Bildern heimgesucht werden, und ich bin schuld daran.
Sie brauchen mir nicht zu danken, sowas tu ich doch gerne.
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