War ein Beitrag in meiner Pflegegruppe auf Facebook, aber ich denke, er sollte nicht darauf beschränkt bleiben.
ES GEHT UM DICH!
Was mir in der ganzen Diskussion um den
Pflegenotstand auffällt: es wird immer davon gesprochen, daß dieser
Notstand in erster Linie zu Lasten der Bewohner (Neusprech: "Kunden")
geht, aber nie davon, daß er auch für uns selbst eine schwere Belastung
bedeutet.
Sind wir bereits dermaßen konditioniert, daß wir es
verlernt haben, unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu äußern? Wir
sind fast keine Menschen mehr, wir sind nahezu altruistische Wesen, die
gefälligst keine normale menschliche
Regung mehr zeigen dürfen. Es wird ständig erwartet, daß wir nett und
freundlich sind, niemals schlechte Laune haben, und immer zuvorkommend
sind... selbst wenn wir von Bewohnern grundlos beschimpft, geschlagen
oder mit Gegenständen (im schlimmsten Fall Fäkalien, alles schon erlebt)
beworfen werden.
Unsere Privatprobleme sind nicht existent; in
jeder anderen Berufsgruppe werden sie thematisiert, bei uns wird es als
Zeichen der Professionalität gewertet, wenn wir sie uns nicht anmerken
lassen.
Das soll KEIN Plädoyer dafür sein, unsere Launen an
Bewohnern auszulassen, bitte nicht falsch verstehen. Aber ein Hinweis
darauf, daß wir normale Menschen sind wie jede andere Berufsgruppe auch,
ist durchaus angebracht.
JA, ich bin manchmal schwer genervt. JA,
ich habe manchmal schlechte Laune und muß mich dann noch mit absichtlich
verletzenden Äußerungen nichtdementer Bewohner herumschlagen, ohne
ausfällig zu werden, da sie ja schließlich Geld bezahlen, was sie in den
Augen der Öffentlichkeit berechtigt, die größten Kotzbrocken zu sein.
JA, es regt mich auf, wenn Leute aus unserem Berufsstand öffentlich
äußern, daß sie es ja irgendwie toll fänden, wenn sich Bewohner uns
gegenüber daneben benehmen, denn "wenn ich im Heim wäre, würde ich das
genauso machen, höhöhö" und dafür auch noch beklatscht werden, anstatt
man sie zwingt, mal ein komplettes Wochenende in Unterbesetzung
Teildienst zu machen und sich dann mit einem eingestuhlten Bewohner
herumzuplagen, der während der Pflege schreit und schlägt.
Pflege
ist mein Beruf, nicht meine Berufung. Ich verdiene damit meinen
Lebensunterhalt, obwohl man fast schon das Gefühl vermittelt bekommt,
deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Aber ich bin nicht
Mutter Teresa, und auch, wenn ich versuche, meinen Beruf bestmöglich zu
machen, habe ich doch kein Bedürfnis danach, mich aufzuopfern, auch wenn
das manche Leute außerhalb unseres Tätigkeitsbereichs scheinbar
voraussetzen.
JA, es geht um die Bewohner. Ich möchte, daß sie zufrieden sind und optimal versorgt werden.
Aber es geht auch um DICH und MICH.
Unsere Nerven, unsere Rücken, unsere Gelenke, unser Privatleben.
Es ist eigentlich schon bizarr, Leute daran erinnern zu müssen.
Montag, 28. September 2015
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