Mittwoch, 11. März 2015

Miles runs the Fahrstuhl down

Ich bin nun schon bereits seit Jahren ein großer Verehrer von Miles Davis.
Nach der Lektüre seiner Autobiographie ist es umso verwunderlicher, daß eines der größten musikalischen Genies, die meiner bescheidenen Meinung nach jemals lebten, und der immer mit Stilbewußtsein und einem an schiere Arroganz grenzenden (beziehungsweise diese Grenze oft genug überschreitenden) Selbstbewußtsein auftrat, gleichzeitig ein selbstzerstörerischer, so schäbiger wie räudiger Bock war, der die Jahre von 1975 bis 1980 damit verbrachte, in seinem verwahrlosten Haus dahinzuvegetieren, sich Speedball (ein Heroin- Kokaingemisch) in die Beinvenen zu spritzen, weil die am Arm komplett vernarbt waren, und Pornophotos von eigens dafür einbestellten Prostituierten zu schießen.
Damit kann man sicherlich schon mal den ein oder anderen Abend verbringen.
Jedoch schaffte er bis zu seinem Tod 1991 mit 65 Jahren noch einmal ein Comeback und hinterließ der Welt in den 80ern noch einige Alben... und mich ratlos.
Man hört Geniestreiche wie " 'Round About Midnight" (1956), "Milestones" (1958) oder entfesselten Wahnsinn wie "Dark Magus" (1977)... ganz zu schweigen von "Bitches Brew" (1970), das mir- obwohl eher untypisch- die Tür zum Jazz überhaupt geöffnet hat. Und und und.

Danach seine Alben aus den 80ern... und größer könnte die Diskrepanz zwischen seinem Ruf, seinem Verdienst und seiner späteren Fahrstuhlmusik nicht sein.
Natürlich haben auch "The Man With The Horn" und "We Want Miles" ihre Momente... und "Tutu" mit seinem asthmatischen Synthiebackground klingt zumindest seltsam.
Aber die Häufung an Grütze ist schon fatal... "You're Under Arrest" ist wirklich glumpfigste C&A- Muzak, der Titeltrack von "Man With The Horn" wäre selbst von Bert Kaempfert nur schwer zu ertragen, und ich höre gerade  zum Ausklang des späten Abends "We Want Miles" und mußte vor lauter Verzweiflung beim ersten Stück in einem sozialen Netzwerk und nun auch hier folgendes loswerden:

Ich frage mich gerade, warum Miles nach seinem großen Heroinabsturz Ende der 70er nochmal ein Comeback starten mußte. Quäle mich gerade durch Platten mit käsigen Synthies und 80er- Jazzrockgitarrengegniedel aus dem siebten Höllenkreis. Stünde da nicht Miles Davis drauf, würde man denken, das sind vollbärtige Pullunderträger in alten Konzertmitschnitten, die nachts um 23 Uhr 30 auf dem SWF für drei Studienräte und einen Toten laufen.

Und man fragt sich: gab es keine gütige Seele, die ihn daran hindern wollte, zum Ende seiner Tage hin einen Teil seines Rufs zu ruinieren? War das späte Rache für's Arschsein in jungen und halbalten Jahren?
Auf jeden Fall ertappt man sich bei dem Gedanken, daß er- hätte man ihn 1980 aus seinem Haus herausgetragen statt herausgeführt- niemals eine wirklich grausam schlechte Platte aufgenommen hätte, was er danach aber leider tat.

Und der Gedanke ist schon sehr ambivalent.

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