Sonntag, 14. Januar 2018

Beatles - Bashing

"Linus Volkmann ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als ich begonnen habe, regelmäßig die formidable Indie-Musik-Zeitschrift "Intro" zu lesen.

Da war er für mich bald schlicht der größte Schreiberling weit und breit, seine Texte und Reviews hochklassig und unübertroffen. Nun kommt der Buchautor und freie Journalist nach Karlsruhe ins geschmackssichere Kohi, um zu lesen und "die Popkultur zu demolieren" – und alle (Nicht-)Eingeweihten werden bei dieser Lese-Show in Wort und Bild an seinen Lippen hängen, versprochen!"

Wer mich nur ein wenig kennt, sieht natürlich auf den ersten Blick: dieser Text, mit dem eine Lesung von Linus Volkmann im KOHI in den "KA - News" angekündigt wird, könnte natürlich glatt von mir selbst sein.
Ist er aber nicht; ansonsten würde ich bereits - anstatt diesen Text hier zu tippen - seit drei Stunden unter der Dusche stehen, um diese devote Hofschranzenhaltung von mir herunterzubrausen.
Von der unwesentlichen Tatsache abgesehen, daß es gerade im Bereich der Populärkultur mindestens fünf Schreiber gibt, die ich als ähnlich gut ansehen würde und ich mich auch nicht als dermaßen unzulänglich betrachte, daß ich vor jemandem auf dem Boden herumrutschen müßte, würde ich - wäre ich dermaßen messianisch angekündigt - vor Fremdscham wahrscheinlich unter Pseudonym samt einer Papiertüte mit Augenlöchern auf dem Kopf die Bühne betreten.
Aber lassen wir den namenlosen "KA - News" - Schreiber mal beiseite, er kann vermutlich nichts dafür.
Interessanter ist es, daß das Programm den gewagten Titel "Die Beatles sind Idioten. Radiohead auch" trägt.
Darin geht es laut Info um Attacken auf Phänomene der Popkultur, und ich ahne schon wieder Beatles - Bashing, das mittlerweile dermaßen originell ist, daß man fast schon ein größeres Wagnis eingeht, sich als Beatlesfan zu outen, anstatt sie scheiße zu finden. Laut Vorankündigung sind die Beatles aber nicht das einzige Opfer, auch die Sportfreunde Stiller bekommen wohl ihr Fett weg. Der traut sich was.

Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, daß ich Thom Yorkes hodenloses Jammerlappengewinsel schon immer unerträglich fand und ihm für seinen Gastauftritt auf PJ Harveys "This Mess We're In" am liebsten einen lebenden Zitteraal in den Hosenstall stecken würde? Nein?

Dann war es wohl mal Zeit. Ich brauch Geld.

Donnerstag, 4. Januar 2018

Neujahrsnerdtum

Ich erinnere mich: einst war ich mal kurzzeitig in einem Musikforum unterwegs, in dem ich mich nicht sonderlich wohlfühlte.
Das war - bevor hier mitlesende Ex - ME - Forenuser jetzt erstaunt die Luft anhalten: ausatmen, bitte - zu Zeiten meiner ersten zagen Gehversuche im Internet bei "Plattentests online".
Die Gründe aufzuzählen, die zu meinem Abschied dort führten, wäre 13 Jahre später reichlich kleinlich, aber etwas hat sich mir doch ins Gedächtnis gebrannt.
Und zwar hatte ein verwegener User einen Thread zu Miles Davis eröffnet, und ich, der ich gerade "Bitches Brew" für mich entdeckt hatte, erhoffte mir weiterführende Informationen.
Es befanden sich ungefähr vier Beiträge dort, von denen drei sehr verzichtbar waren, was verwertbare Inhalte anging, der vierte jedoch bestand aus den geradezu unsterblichen Worten:

miles man

Das war der einzige Beitrag dieses Users zu dem Thema. Ich stelle mir das äußerst spannend vor: man ist lesenderweise in einem Musikforum unterwegs, stößt auf einen interessanten Thread und glaubt, der Internetgemeinde hierzu tiefschürfende Einsichten hinterlassen zu müssen. Also tippt man

miles man

Schön, zu was Menschen auch noch nach erfolgter Lobotomie fähig sind.

Wie ich jetzt darauf komme? Ach so, es war Neujahr.

2018 man,

sozusagen.  Nachdem ich 2017 ( man ) dem Wahn anheimgefallen bin, einmal im Leben meine komplette Plattensammlung von oben links nach unten rechts durchhören zu wollen, bin ich mit dieser Dachschadenaktion noch eine zeitlang beschäftigt. Das führt zu manchmal bizarren Verhaltensweisen, die meine designierte Ehefrau nicht immer ganz augenzwinkernd "wahnsinnig" nennt.
Zwar höre ich auch ab und zu andere Alben, statt gezwungenermaßen in der Reihenfolge zu bleiben, denn soviel selbstauferlegter Zwang wäre dem ganzen Vergnügen doch abträglich, nach dem Motto "ich will jetzt zwar Miles man hören, tue es aber nicht, da ich in der Reihenfolge gerade bei Motörhead bin", aber wenn ich in der Reihenfolge bleibe, wird jedes gerade gehörte Album akribisch durchnumeriert. Diese Numerierung wird ab und zu zählenderweise kontrolliert, um ja nicht irgendwo falsch abzubiegen.
Eine Strichliste wird geführt mit dem Zweck, die Zahl aller farbigen Vinylplatten in meinem Besitz zu dokumentieren.
Da ich Platten oftmals kaufe und danach ungehört ins Regal stelle, wenn ich keine Lust habe, sie gleich aufzulegen, vergesse ich sie dort auch gerne einmal.
So kommt es, daß ich inzwischen ca. 20 Alben unter den bisher 114 geschafften zum ersten Mal komplett beziehungsweise überhaupt zum ersten Mal gehört habe. Ein 2014 auf einem Konzert erworbenes Album stand sogar noch originalverschweißt im Regal (und erwies sich beim Hören als ziemlich gut, nebenbei erwähnt).
Und ich sortiere aus. Tatsächlich. Drei Alben mußten bis jetzt die Sammlung verlassen.
Die beiden konzeptuell zusammenhängenden 2006er - Alben der australischen Punkband Hard - Ons "Most People Are A Waste Of Time" und "Most People Are Nicer Than Us" beispielsweise:
zweimal Gatefold, zweimal aufeinander abgestimmtes Artwork (die erste LP mit flockigem Pop - Punk und freundlichem Covermotiv, das auf der zweiten LP mit enthaltenem wüsten Metalgeprügel garstig zum Horrorbild entstellt wird), zweimal rotes Vinyl.
Auf jeden Fall wirkliche Glanzstücke meiner Sammlung, die ich deswegen auch so lange behalten habe. Sie hatten nur einen winzigen Schönheitsfehler:

die Musik war scheiße.