Momentan läuft eine Reihe, die "Raise your horns" benannt ist: unter den Hashtags
schaut man möglichst seriös - verkniffen in die Kamera und präsentiert deutlich sichtbar an prominenter Stelle die in Metalkreisen als "Pommesgabel" bekannte sowie treffend benannte Fingergeste, um damit der Sängerin Jill Janus der mir völlig unbekannten Band "Huntress" zu gedenken, die sich gerade das Leben genommen hat.
Das ist natürlich eine Steilvorlage für einen Polemiker, und es wäre mir ein leichtes, das ganze Phänomen albern zu finden und sarkasmustriefend zu zersägen, wenn ... ja, wenn diese ganze Sache nicht so todernst wäre.
Wenn nicht immer noch landauf und landab bei Nichtbetroffenen ein allenfalls mildes Problembewußtsein vorhanden wäre, das sich vor allem meldet, wenn sich mal wieder ein Prominenter selbst über den Jordan geschippert hat.
Sogar dann ist oft die alles vorherrschende Frage: "Der hatte doch alles! Warum tut er dann sowas?"
Spekulationen drehen sich dann zumeist um irgendeinen "feigen Ausweg", oder - sollte der Verblichene die Unverfrorenheit besessen haben, trotz seiner Krankheitsgeschichte eine Familie zu gründen - von "mangelndem Verantwortungsbewußtsein gegenüber seinen (bzw. ihren) Kindern".
Soweit, so gut, so rumpeldumm, so ahnungslos.
Nein, ich schrieb es vor langer Zeit schonmal: zu jammerlappigem Sulchgegreine irgendwelcher akustikklampfender Langweiler melancholisch aus dem Fenster auf winterkahle Bäume zu glotzen und sich einzureden, man fühle sich gerade "depri", hat damit herzlich wenig zu tun, ist fast schon eine Beleidigung für wirklich Betroffene.
Denn tut es im ersteren Fall tatsächlich oft genug die Aufforderung, sich mal zusammenzureißen, anstatt im selbstgesuchten Tal der Krokodilstränen herumzuwaten, sind solche guten Ratschläge ein lausiger Witz, werden sie in die Hölle hinabgerufen, in der sich ernsthaft Erkrankte während eines akuten Schubes befinden.
Die Vorstellung, an einem herrlich warmen Tag mit strahlendem Sonnenschein entweder ohne erkennbaren Grund oder beiläufig durch irgendeinen Schlüsselreiz emotional wie durch einen Strudel in finsterste Abgründe hinabgerissen zu werden, mag für Nichtdepressive nicht nachvollziehbar sein.
Genausowenig wie die Vorstellung, das konservierte Gefühl vom schlimmsten Tag ihres bisherigen Lebens wochen - oder monatelang in einer Zeitschleife ständig neu erleben zu müssen, ohne daß irgendwann ein Ende in Sicht wäre.
Oder völlig hilflos diesem Phänomen gegenüberzustehen, wenn ein Mensch, der einem wichtig ist, an dieser Krankheit leidet, und aller Zuspruch und sonstige Zuwendung seine Qualen kaum lindern können.
Ich könnte hier noch ewig weiterschreiben (und glauben Sie mir, ich weiß, von was ich schreibe), aber ich lasse es vorerst dabei bewenden.
In der vagen Hoffnung, daß vielleicht der ein oder andere ahnungslose Leser sich genötigt sieht, mehr über das Thema in Erfahrung zu bringen, hebe ich dann also auch mal meine Hörner.
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