Mittwoch, 18. Dezember 2019

Hohl wie ein Bambus

Vorhin habe ich "Katharsis II - Die Papageienschaukel" nach über Jahre ausgedehnter Arbeit daran in einem ziemlich kamikazeartigen Parforceritt nun beendet und setzte den Schlußpunkt.
Einerseits bin ich dankbar, daß ich das Schreiben habe: es war mir in den letzten Wochen sehr viel Kompensation.
Ich weiß nicht, wie ich ansonsten in letzter Zeit ziellos vor mich hinverblödet wäre, oder zu welchen fragwürdigen Methoden ich gegriffen hätte, um manchen sinnentleerten Tag beschleunigter abzuheften.
Andererseits sollte man nicht unbedingt denken, dem letzten Abspeichern der Datei sei ein großer Jubelschrei gefolgt.
Es ist eher ein Gefühl, wie es dem Feierabend eines sehr langen Arbeitstages nahekommt. Oder dem Ende eines Marathonlaufs.
Eine Stumpfheit, ein Ausgelaugtsein, eine Art geistiger Erschöpfung, nur begleitet von einer vagen Erleichterung, daß es nun endlich vorbei ist. Ich fühle mich - wie es Jaroslav Zak in seinem Jugendbuch "Pennäler contra Pauker" von 1969 so schön ausdrückt - "hohl wie ein Bambus"
(Sollten Sie dies übrigens mal auf einem Flohmarkt entdecken [ich habe es aus dem Bestand meiner Mutter], greifen sie ruhig zu; der Humor ist zwar etwas antiquiert, aber einige Passagen finde ich immer noch überaus komisch).
Freude und Stolz? Sind mit Sicherheit im Anmarsch, aber lassen noch auf sich warten, da sie sich noch außer Sichtweite befinden und ich höchstens grad meine Ruhe haben will.
Umfangreich ist es zwar nicht (ich tippe mal auf 120 Buchseiten, DIN - A - 4 Seiten sind es 48), aber dafür extrem anstrengend, für den Leser genauso wie für den Autor.
Ich habe diesmal auch das Gefühl, ein richtig schwerverdauliches und anspruchsvolles Stück Literatur abgeliefert zu haben. Wie weit mein eigener Anspruch und die Wirklichkeit auseinanderklaffen, erwarte ich diesmal mit großer innerer Anspannung.
Es enthält vermutlich Dinge, die einige Leser als verstörend wahrnehmen werden, ohne daß sie - wie in "Kreisklassenhölle" - ironisch gebrochen werden. Dazu kommt ein diesmal extrem widerwärtiger Protagonist, für den man wohl noch einen Rest an Verständnis aufbringt, aber keinerlei Sympathie, auch wenn die Figur gegen Ende hin dekonstruiert wird.
Was auch schon ein Widerspruch in sich ist, weil dem Buch eine durchaus positive Idee zugrundeliegt. Im Endeffekt zeigt es, was aus Menschen werden kann, die aus oberflächlichen Gründen ausgegrenzt werden.
Dummerweise muß sie diese Erfahrung aber nicht automatisch sympathisch machen, denn ein gewisser Prozentsatz von ihnen wird halt gelegentlich zu Soziopathen.

Ich hoffe, ich habe Sie zumindest neugierig gemacht, bis zu seinem Erscheinen werden aber noch ein paar Wochen ins Land gehen.
Aber achten Sie mal gelegentlich auf's Programm des KOHI am Werderplatz in der Karlsruher Südstadt, mit denen habe ich nämlich schon die Buchvorstellung vereinbart.


Montag, 16. Dezember 2019

Vom Schreiben und versöhnlichen Abschlüssen

So etwas Irres wie die zweite Jahreshälfte 2019 habe ich in meinen inzwischen doch recht stattlichen Lebensjahren noch nie erlebt.
Ein extremstes Wechselbad der Gefühle in rasantem Tempo und genauso rasanter Taktung. Manchmal kommt es mir vor, als hätte jemand mein Leben durch einen Teilchenbeschleuniger gejagt.
In meinem letzten Beitrag schrieb ich noch etwas von einem anstehenden Jobwechsel. Das hat sich nach einem klärenden Gespräch samt Rücknahme der beiderseits vereinbarten Kündigung nun dankenswerterweise wieder erledigt.
Mein Job mag manchmal anstrengend, nervtötend und nicht ungefährlich sein, ist aber trotzdem genau das, was ich jahrelang zwecks Broterwerb gesucht habe, um endlich einmal aus dem Hamsterrad Altenpflege herauszukommen.
Es gibt bei der Betreuung jüngerer Menschen mit psychischen Problemen andere Zielsetzungen, als sie nur bis an ihr Lebensende möglichst menschenwürdig zu verwahren, was auch einen Großteil der beruflichen Motivation ausmacht. Man entwickelt einen anderen Bezug und freut sich über Fortschritte, weil man auch weiß, daß diese etwas bewirken können.
Beispielsweise, daß die Betroffenen zumindest mal phasenweise wieder in der Lage sein werden, ein annähernd normales Leben zu führen, anstatt jahrelang als Austherapierte auf einer geschlossenen Station vor sich hinzuverrotten.
Ich freue mich darum gerade sehr darüber, daß mein Arbeitgeber und ich uns doch noch einmal zusammengerauft haben.
Alles in allem zumindest EIN versöhnlicher Abschluß dieses unfaßbar glumpfigen Jahres.

Der zweite könnte demnächst ins Haus stehen. Die "Papageienschaukel" neigt sich nach Jahren im Eisfach endlich einmal ihrem lugubren Ende zu.
Meine Nochgattin, mit der ich erfreulicherweise inzwischen auch von meiner Seite aus gelegentlich wieder ein normales Gespräch führen kann, vertritt ja die These, daß Schreiben ein erlernbares Handwerk sei. Im Großen und Ganzen verneine ich das ja generell, obwohl beide Seiten eigentlich recht haben.
Jemand, der zumindest Ansätze von Begabung zeigt, ist mit der richtigen Anleitung sicherlich in der Lage, irgendwann einmal nach einem verinnerlichten Schema eine Geschichte zu verfassen.
Hat er noch dazu gute Ideen, die er bislang einfach nur nicht adäquat in eine geeignete Form gießen konnte, kann dabei auch durchaus etwas herauskommen, was sich mit Gewinn lesen läßt.
Nur bin ich nach wie vor der Meinung, daß jemand, der wirklich schreiben kann, dieser Anleitung nicht bedarf. Das klingt extrem eingebildet, aber ich glaube nicht, daß aus jemandem, der nach geraumer Zeit gelernt hat, nach Schema Z halbwegs lesbare Fantasyschinken herunterzuklopfen, auch mit noch so viel Anleitung irgendwann David Foster Wallace wird.
Ich kann jetzt nur von mir sprechen, bin mir aber sicher, daß Kollegen, die ich schätze, das ähnlich sehen: zum Schreiben brauche ich sehr oft einen Zustand fast schon manischer Besessenheit.
Natürlich gibt es Tage, an denen man - wie ich oft hier im Blog - eine lockere Fingerübung raushaut, um nicht aus der Übung zu kommen.
Aber für ambitionierte Projekte brauchte ich schon immer einen Zustand neuronaler Raserei, der manchmal etwas selbstzerstörerisches hat.
Zu den Zeiten von "Kreisklassenhölle" erreichte ich den oft unter Zuhilfenahme von Mitteln, die nicht unbedingt von der "Apotheken Umschau" empfohlen werden; das ist kein großes Geheimnis.
Heutzutage putsche ich mich mit lauter Musik auf (je konsensuntauglicher, desto besser: in den letzten Tagen stand vor allem Unsane in Dauerrotation auf der Playliste, aber auch Sick Of It All, Sheer Terror und Slayer werden gerne genommen) und stürze mich kopfüber in, ähm, meinen eigenen Kopf.
Und es funktioniert erstaunlich gut: letzte Woche schaffte ich es, an einem Tag in achteinhalb Stunden ein komplettes Kapitel herunterzudreschen, davon sieben Stunden am Stück.
Nichts essend, nur gelegentlich Kaffee in mich hineinschüttend oder rauchend auf dem Balkon stehend.
Mein Leben mag immer noch an Krücken gehen; wenn ich als Kompensation dafür meine alte Besessenheit wiedergefunden habe, bin ich dieses Jahr doch nicht ganz vergebens hüfthoch durch die Scheiße gewatet.

Und damit beende ich diesen Beitrag. Ich hab noch was zu schreiben.

Dienstag, 10. Dezember 2019

Das Prokrastinieren ist die Waffe der Hilflosen

Was man halt so tut den lieben langen Tag.
Läßt man nämlich das Jahr Revue passieren, kann man es nur zu seinem zweiten Platz beglückwünschen. Nämlich den im Ranking der beschissensten Jahre meines Lebens.
2002 verteidigt den Spitzenplatz nach wie vor unangefochten, aber 2019 hat sich verdammt viel Mühe gegeben. Das zumindest muß man neidlos anerkennen.
Frau K. ist mittlerweile wieder spurlos in dem Nichts verschwunden, aus dem sie kam. Daß sie nicht nur bloße Einbildung war, sehe ich an der Stehlampe, die sie mir geschenkt hat und die nun neben meinem neuen Bett dafür sorgt, daß ich nach Einbruch der Dunkelheit noch in diesem liegend lesen kann.
Das Bett verdanke ich übrigens dem benachbarten schwulen Ehepaar in der Wohnung unter mir, zwei ausnehmend großartigen Herren. Wäre ich jemals homophob gewesen, könnte ich diese Einstellung spätestens jetzt nicht mehr beibehalten; stattdessen behalte ich mir die Fassungslosigkeit darüber bei, daß es kranke Individuen gibt, die solche Menschen aus keinem anderen Grund hassen, als daß sie sich ineinander verlieben.
Was ich in diesem Bett lese?
Ich habe mal wieder leichtverdaulicherweise einen Roman von Stephen King namens "Der Outsider" gelesen; King ist nämlich ein gutes Mittel, um nach längerer Buchabstinenz mal wieder in den, achtung: Flow zu kommen.
Allerdings war das Mittel in dem Fall nicht so gut wie erhofft.
Es handelt sich leider um ein recht mediokres Werk, obwohl ich die 750 Seiten in vier Tagen niedergemäht habe.
Ein gaaanz langsamer Spannungsaufbau, der einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen läßt ... und dann ein erstaunlich kurzer und unspektakulärer Showdown. Die reinste ejaculatio praecox.
Dazu: Logiklöcher, so groß wie das Buch dick (Beispiel ohne zu Spoilern [ich hole mal aus]: der Outsider kommt als Geistwesen ins Haus von Detective Anderson, um dessen Frau zu sagen, sie solle ihrem Mann ausrichten, er solle aufhören, nach ihm zu suchen. Detective Anderson liegt derweil im Bett und schläft. Warum sagt er es ihm dann nicht gleich selbst?) und nervtötende Redundanz. "Zuckermelone mit Maden", irgendwer? Ich sollte mal zählen, wie oft die auftaucht, aber dazu müßte ich den Schinken nochmal lesen, und dazu habe ich keinen Bock.
Gefühlt sind es 28 mal, vielleicht mögen andere Leser zählen und mir das Ergebnis mitteilen.
Wenn wir gerade bei 28 sind: soviel Tage habe ich ungefähr bis Ende Januar noch frei, was altem Urlaub geschuldet ist ... und zum 01. März steht mal wieder ein Jobwechsel an.
Nachdem ich fest davon überzeugt war, einen tollen neuen Job inmitten eines noch besseren Teams gefunden zu haben, hatte sich das auch recht schnell wieder erledigt, woran ich auch zugegebenermaßen nicht ganz unschuldig bin.
Oder, wie Kollege Dirk Bernemann so treffend getitelt hat: Wie schön alles begann und wie traurig alles endet.
Womit ich wieder die Kurve zum Beginn dieses Eintrags kriege. Und schreibend prokrastiniere, da mir momentan budgetbedingt nicht viel mehr Möglichkeiten offenstehen, als schreibend zu prokrastinieren.

Ach, 2019. Es war anfangs nett, dich kennenzulernen. Aber jetzt fall endlich tot um.

Freitag, 29. November 2019

Mal etwas über Sex.

Können sich Leute meines Alters noch daran erinnern, daß im für pubertierende Jungs interessanten Teil der Versandhauskataloge früher ein (und es war wirklich zumeist nur ein einziger) nicht näher definierter "Massagestab" angeboten wurde?
Davon abgesehen, daß es sich dabei um ein reichlich unästhetisches Teil in Leukoplastfarben mit einem roten Drehknopf am unteren Ende handelte, sah man auf dem zugehörigen Photo eine freundlich lächelnde halbjunge Dame, die sich das Teil an die Wange drückte. Natürlich bekleidet.
Seltsame Assoziationen entspannen sich da im vorbartwüchsigen Schädel: natürlich hatte man einen leisen Verdacht, für was diese Dinger tatsächlich hergestellt wurden, aber das schrieb man seiner überspannten versauten Phantasie zu.
Da Erwachsene diese nicht zu haben schienen, mußte das also tatsächlich ein Massagestab sein, um die verspannte Nackenmuskulatur zu lockern.
Das erörtete ich letztens mit einer ein paar Jahre jüngeren Arbeitskollegin, als während der Arbeit zur Abendessenszeit eine "Amorelie" - Werbung im Fernsehen lief.
Der Grat ist mittlerweile ja recht schmal, auf dem derartiges balanciert: einerseits ist es ja recht schön, daß Dinge wie Sexspielzeug und Selbstbefriedigung aus der komplexverursachenden Schmuddelecke herausdürfen (zumal die Amoreliewerbungen recht ästhetisch gestaltet sind), andererseits ist die konstante Übersexualisierung in Wort und Bild bei Kindern und Jugendlichen gerade ein enormes Problem, das teilweise extrem verstörende Folgeerscheinungen zeigt.
Diese treten lustigerweise hauptsächlich im Umfeld solcher Phänomene zutage, und zwar bei Leuten meiner Generation.
Ich kenne einige Lehrer, die mir schwer Faßbares erzählten; pubertäres Wettwichsen ist dagegen wirklich erstaunlich harmlos und zählt wohl zu den Erfahrungen, die nicht wenige Männer irgendwann einmal gemacht haben.
Aber 13jährige Mädels, die Jungs aus ihrer Klasse auf dem Schulhof oral befriedigen und dabei von Umstehenden mit dem Handy gefilmt werden, sind der berühmte Schritt über die rote Linie.
Kinder und Jugendliche werden momentan in einer Welt groß, in der sie Sex in erster Linie als Hochleistungssport wahrnehmen anstatt - wie es üblicherweise sein sollte - als etwas, das Menschen miteinander tun, die sich lieben.
Was der Heranwachsende dann daraus macht und welchen Weg sein Sexualleben später geht, sollte irgendwann auf letzterer Basis seine eigene Entscheidung sein (solange er niemandem damit schadet).

Aber ich frage mich ehrlich gesagt mit Schaudern, was aus 13jährigen Gangbangern in punkto Sexualentwicklung geworden sein wird, wenn sie mal 33 sind.
Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das wissen will.
Um das zu unterbinden, ist es nun einmal notwendig, in Sachen "sexueller Offenheit" ein Stück zurückzugehen, ohne gleich als verklemmt zu gelten.
Es muß ja nicht gleich wieder zurück zum "Massagestab" sein.

Samstag, 2. November 2019

Quittung für's Nettsein

Heute: ein unvermutet schöner Tag.
Obwohl ich arbeiten mußte, fühlte ich mich relativ gutgelaunt. Da ich in Karlsruhe - Durlach noch geraume Zeit auf meinen Bus warten mußte, der mich üblicherweise zur Arbeitsstelle karrt, beschloß ich ganz umweltschweinisch, mir einen Kaffee zum Mitnehmen zu erstehen, um ihn dann an der Haltestelle im Verbund mit einer Zigarette zu konsumieren, dabei die letzten lauen Sonnenstunden dieses Jahr genießend.
Soweit, so gut. Im Überschwang begab ich mich nicht nur in die Filiale einer recht mediokren Bäckereikette, sondern hielt auch mit der recht hausmütterlichen unbekannten Bedienung dort einen freundlichen Plausch, weil es sich gerade so ergab.
Wir verabschiedeten uns freundlich, ich schlenderte zur Haltestelle, nahm einen großen Schluck meines Kaffees, dann irritiert noch einen und entsorgte ihn anschließend im nächsten Gully.
Ich schwöre: eine auch nur annähernd so grauenhafte Plörre in Kaffeeverkleidung hat selten in meinem Leben meinen Körper betreten.
Eigene Erfahrungswerte kann ich zwar nicht vorweisen, aber so stelle ich mir den Geschmack im Mund vor, wenn man nach einem intensiven Verbandspokalspiel im Hochsommer dem Libero einer Kreisklassenfußballmannschaft in einer einer muffigen, nach  nassen Socken  riechenden Behelfsumkleide aus braun furnierten Preßspanwänden die schweißnasse Sacknaht sauberleckt.

Trotzdem war ich nach dieser Erfahrung froh, daß mich die Dame offenbar sympathisch fand. Ich weiß nämlich nicht, was sie mir ansonsten angetan hätte.

Samstag, 12. Oktober 2019

Was ist privat?

Eine interessante Frage beschäftigt mich gerade, denn ich sah mich mit folgendem Vorwurf konfrontiert:

ich würde in einer Art mit meinem Privat-, Berufs- und Liebesleben im Forum oder auf FB im allgemeinen sehr öffentlich umgehen.
Dabei würde ich auch sehr intime Infos preisgeben, auch ungefragt, und sei auf Reaktion aus.

Ich finde es gerade spannend, wie sehr die öffentliche Wahrnehmung mit dem eigenen Bild von sich selbst konkurriert.
Wenn man sich - wie hier ersichtlich - dazu entscheidet, mit einer breiteren Öffentlichkeit zu kommunizieren, und zwar über Dinge, die einem gerade durch die Rübe rauschen, versucht man durch die häppchenweise Abgabe von Privatem eine Beziehung zwischen sich und dem unbekannten Leser herzustellen.
Ich war eigentlich immer der Meinung - auch im Vergleich zu anderen Personen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis - dies wohldosiert zu tun. Davon ausgehend, weder hier, noch im Forum oder gar auf Facebook nicht mehr Privates zu posten, als ich es auch einer Zufallsbekanntschaft nach kurzer Zeit bereitwillig erzählen würde.
Meine Trennung von Frau Turini ist halt nunmal kein Staatsgeheimnis, um das ich großes Bohei machen sollte, ansonsten müßte ich hier bei der Schilderung von Alltagssituationen um den heißen Brei herumschreiben.
WIE diese Trennung im Detail abgelaufen ist und was die Gründe dafür angeht, ist dagegen etwas, das - mit Verlaub - nur uns beide und uns nahestehende Personen etwas angeht, und ansonsten niemanden.
Ebenfalls sollte es kein Geheimnis sein, daß mir das Schicksal in seinem unergründlichen Ratschluß eine gar wundervolle Frau vor die Füße geschubst hat, mit der ich gemeinsam plane, die nächste Etappe Leben zu gestalten, egal wie lange diese nun dauern mag.
Daß diese Frau (im folgenden Frau K. genannt, auf eigenen Wunsch, da sie ungern im Mittelpunkt steht) mich künftig häufiger begleiten wird, ist jedem ersichtlich, der mich bisher auch nur vage wahrgenommen hat. Soll ich ihr also demnächst einen Jutebeutel über den Kopf ziehen, wenn wir zusammen ausgehen?
Trotzdem geht es niemanden außer uns beiden etwas an, WIE diese Beziehung zustande kam und wie wir im Detail unsere Zeit miteinander verbringen.
Darin liegt in meinen Augen der Unterschied zwischen mir und kompletten Seelenstrippern.

Stellt sich trotzdem nach wie vor die Frage: habe ich mittlerweile mit der Veröffentlichung von Privatem jedes Maß und Ziel verloren? Sind Dritte da überempfindlich, weil sie von sich ausgehend jede öffentliche private Äußerung bereits als unangemessene Distanzminderung ansehen?
Oder ist sowieso alles egal, weil das jeder individuell für sich entscheiden und dann mit den Konsequenzen leben muß?

Über konstruktive Kritik und fundierte Argumente bezüglich dieses Punktes würde ich mich freuen.


Montag, 30. September 2019

Sperrzone

Ich plädiere hiermit für die Einrichtung einer Sperrzone, die durch ausgesuchte Spezialkräfte überwacht wird.
Ob diese die Erlaubnis erhalten sollen, notfalls von der Schußwaffe Gebrauch machen, wird noch genauer zu prüfen sein. Ziel: Abwehr von Möchtegernbayern.
Jetzt mal im Ernst: ich bin strikt dafür, alles, was auch nur entfernt mit dem Oktoberfest zu tun hat, in München zu belassen, wo es auch hingehört. Leider teilen diese Meinung viele Gastronomen in der Region nicht, so daß in jeder noch so mediokren Beiz sogenannte "Oktoberfestpartys" als aktuellste Geißel der Menschheit aus dem Boden sprießen, mit sehr unappetitlichen Folgen.
Jedes Jahr um diese Zeit ist beispielsweise Karlsruhe durchseucht mit in blau - oder rotweiß karierte Hemden gewandeten Seppelhosendeppen.
Und als wäre dieser Umstand noch nicht peinigend genug, müssen sie sich natürlich auch verhalten wie auf dem Oktoberfest, selbst wenn sie an einem Gleis des Hauptbahnhofs auf ihre Straßenbahn warten:
nach ca. drei Augustinerhefeweizen deutlich angezählt möglichst röhrend laut redend, dazu begleitet von einer bierzeltkompatiblen Holzhackergestik, um nicht nur die eigene Virilität, sondern auch die unerschütterliche Überzeugung zur Schau zu stellen, die pure Partytauglichkeit zu verkörpern, die andere jederzeit mitreißen kann.

Leider nicht in den Abgrund.


Mittwoch, 18. September 2019

Die Mächte des Wahnsinns

Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden in einer Wohnung leben, aus der sich ihr jeweiliger bisheriger Lebenspartner vor geraumer Zeit selbst entsorgt hat.
Dazu hat er einen Teil des Mobiliars mitgenommen, was Sie ihm nicht zum Vorwurf machen; immerhin war es entweder sein Eigentum, oder Sie haben sich in einem der seltenen Momente, in denen die Vernunft gleichsam über beide gebot, gütlich darüber geeinigt.
Was ist also die erste größere Anschaffung, wenn Bett, Küchentisch, Waschmaschine, Fernseher und Staubsauger abhanden gekommen sind?
Genau: Schallplatten.
Da mein Untermieter einen Großteil seiner Plattensammlung veräußern wollte, machte ich den Fehler, selbige auf etwas Brauchbares zu durchstöbern. Und da wir musikalisch in vielen Bereichen leider ziemlich kongruent sind, fand ich viel. Zu viel. Sachen, die ich nur auf CD hatte oder bereits jahrelang suchte.
Da er mir noch einen Freundschaftspreis anbot, für den ich an seiner Stelle einem Anzubietenden bedeutet hätte, er möge meinen haarigen Hintern küssen und meinte, die Platten müßten schnellstmöglich weg, und wenn ich sie nicht nähme, gäbe es noch ausreichend Interessenten, konnte ich nicht anders. Ich habe mich gewehrt, aber es war stärker.
Und so wechselten an diesem sonnigen Nachmittag 47 LPs und 6 EPs innerhalb meiner Wohnung den Besitzer, zu einem Preis, den ich an dieser Stelle für mich behalte.
Wer sich in dem Bereich ein wenig auskennt, wird das vielleicht nachvollziehen können, wenn ich ein paar Namen in den Raum werfe:
mehrere Alben von den Melvins, Didjits, Laughing Hyenas, NoMeansNo, Mule, Killdozer, Cows, Chrome Cranks, Guzzard etc. pp.
Ich hätte vermutlich wochenlang bitterlich wehgeklagt, wären die mir entgangen.
Davon abgesehen: Waschmaschinen gibt es das ganze Jahr über, aber so eine Gelegenheit ist einmalig. Man muß Prioritäten setzen.

Und sich umgehend in psychiatrische Behandlung begeben.

Montag, 16. September 2019

Abpfiff

Ich hab es endlich geschafft.
Freiwillig habe ich noch keine Minute von der Saison in allen drei relevanten deutschen Fußball - Ligen gesehen.
Zum ersten Mal seit meiner Kindheit habe ich mir kein kicker - Sonderheft zum Bundesligastart gekauft, lese keine Sportzeitschriften mehr und bin komplett raus.
Es besteht kein Funken Interesse mehr an Bundesligafußball. Und vermisse ich gerade etwas?

NEIN.

In den letzten Jahren hat meine Begeisterung schon spürbar nachgelassen, flammte aber immer wieder kurzzeitig auf, wenn es tatsächlich um wichtige Entscheidungen ging.
Nibelungentreue?
Der FCK, den ich als Kind geliebt habe, ist eh schon seit zwanzig Jahren dahingesiecht und nun mit der Installierung irgendeines luxemburgischen Immobilienwindhundes endgültig verreckt. R.I.P.
Einen Neustart in der Regionalliga Südwest hätte ich generell bevorzugt, was aber mein Fandasein wahrscheinlich auch nicht mehr reanimiert hätte, so befremdlich finde ich diesen ganzen fußballgewordenen Eventzirkus mittlerweile.
Der SC Bastia bleibt mir noch; von den politischen Gründen abgesehen, spielt er als Viertligist in diesem ganzen Hypewahnsinn sowieso keine Rolle, und sollte er jemals wieder in die erste französische Liga aufsteigen, gibt er auch niemandem einen Anlaß, ausgerechnet in einen korsischen Verein mit 2000 Zuschauern, den ganz Fußballfrankreich haßt, Millionen hineinzuinvestieren.
Deswegen kann ich da zumindest ab und zu Fan sein, ohne mich wortbrüchig zu fühlen.
Ansonsten:
geisteskranke Transfersummen, aufgepimpte Arschvereine wie Wolfsburg oder Hoffenheim, andere kickende Großkonzerne mit gesichtslosen Angestellten, denen eine eigene Persönlichkeit zumeist genauso abgeht wie eine eigene Meinung, wenn sie Vorformuliertes in Mikrophone seiern.
Komplettskandale wie RB Leipzig, die ja jetzt - unterstützt von medialen Jubelpersern wie Alfred Draxler und allerlei Leuten, die Regeln und Verordnungen immer so zurechtbiegen, daß dieses Heuschreckenkonstrukt durchpaßt - gute Chancen haben, die nächsten paar Jahre deutscher Meister zu werden.
Ich schätze, bald in der RB - Bundesliga, da dieser Dreckskonzern momentan überall Geld hineinpumpt, wo es was zu holen gibt, abgesehen von allen möglichen Sportarten nun wohl auch in Musik. Eine Krake, der mittlerweile auf dem sinkenden Kahn allzuviele Leute allzu bereitwillig die Schotten öffnen, um "international wettbewerbsfähig" zu bleiben. Fickt euch alle.
Lange konnte ich mich nicht überwinden und habe mich an Kindheits - und Jugenderinnerungen festgeklammert in der Hoffnung, sie in der neoliberalen Fußballwelt wiederzufinden.
Jetzt weiß ich: das wird nix mehr. Und fühle mich eigenartig erleichtert, weil ich einige unnötige Sorgen losgeworden bin, siehe ältere Blogbeiträge.
Verscherbelt den kompletten Dreck an Mateschitz, es wird mich nicht mehr jucken.

Und das ist gut so.

Donnerstag, 12. September 2019

Momentaufnahme

Einen fröhlichen guten Morgen, werte Leserschaft!

Wenn man sich vage ausdrückt, erntet man manchmal Unverständnis, in das sich ein gerüttelt Maß an Besorgnis mischt. Deshalb:
der Grund für den gestrigen lugubren Eintrag ist meine kürzlich erfolgte Entzweiung mit Frau Turini.
Das lasse ich hier jetzt mal ohne weitere Erläuterungen stehen, um weiteren Spekulationen um eventuelle Todesfälle oder ernsthafte psychische Grunderkrankungen vorzubeugen, ohne allzusehr persönlich zu werden.

Ich habe mich dafür entschieden, mich zur Kompensation in Arbeit zu stürzen.
Allerdings umfaßt dies momentan nicht meinen durchaus interessanten und anspruchsvollen Brotjob (der mir zudem ein geradezu vorbildliches Team beschert hat, dessen Unterstützung in der letzten Zeit ich gar nicht genug würdigen kann), da ich gerade Urlaub habe.
Geplant war zwar nicht unbedingt, den in einer viel zu großen verwaisten Wohnung zu verbringen, aber nun muß ich dieser Tatsache ins häßliche Gesicht sehen.
Glücklicherweise konnte ich einen äußerst genehmen Menschen, den ich schon lange kenne und der sich gerade ebenfalls in einer Trennungssituation befindet, dafür gewinnen (bzw. er gewann mich für die Idee), vorübergehend als Untermieter einzuziehen, bis sich sein Privatchaos ausreichend geordnet hat.
Derweil mache ich mich ernsthaft daran, meinen neuen Roman "Die Papageienschaukel" nach jahrelangem Herumdümpeln nun endlich fertigzuschreiben.
Vorgestern beendete ich die Rohfassung, gestern machte ich mich an die Ausarbeitung des letzten Drittels.
Fünf Stunden saß ich und tippte wie besessen, begeistert vom Wiederfinden meines manischen Arbeitsethos ... nur um dann festzustellen, daß der Rechner im Open - Office - Modus den Text gar nicht abspeicherte und somit alle neu erstellten Teile komplett im Orkus verschwanden, worauf als dürftiger Ersatz ein großes Heulen und Zähneklappern die Leerräume der Wohnung erfüllte.

2019: ein wahrhaft grandioses Jahr. Ich liebe es.

Mittwoch, 11. September 2019

Ground Zero

Man erwacht in einer fremden Wohnung, die gerne die eigene wäre, aber ihren Status eingebüßt hat.
Denn was man viel zu lange als viel zu selbstverständlich schon kaum noch bewußt wahrgenommen hat, ist spurlos daraus verschwunden, allenfalls noch einen wabernden Nachhall hinterlassend, der für kurze Momente zu einem schrillen Crescendo wird.
Man sieht die Welt mit anderem Blick. Es wäre gern der altbekannte Blick, jedoch durchziehen ihn Schlieren, als wäre er mit einem Schmierfilm belegt, der verhindert, daß Sachen ihr ursprüngliches Aussehen zurückgewinnen.
Man entdeckt Menschen. Es gibt Freunde, die sich wie Freunde benehmen, was einen fast schon beschämt, wenn man an vergangene Momente der Vernachlässigung zurückdenkt.
Es gibt Leute, die man nicht als Freunde bezeichnen würde, die sich aber wie solche benehmen, was einen die einem bisher bekannte Welt neu sortieren läßt.
Und man trennt die Spreu vom Weizen.

Wie es jetzt halt so ist, das Leben. Das Aufstehen. Das Weitermachen.

Allein.

Dienstag, 6. August 2019

Jubiläum II: ich habe fertig

Werte Leserschaft!
Eigentlich hatte ich vor, angesichts des nun bereits verstrichenen zehnjährigen Jubiläums meines Blogs einige gepflegte Sottisen vom Stapel zu lassen.
Leider ist das Leben weder ein Wunschkonzert noch ein Ponyhof, und schon gar nicht eine Floskel ihrer Wahl, die Sie hier gerne einsetzen dürfen.
Ich werde Sie hier keineswegs mit meinen derzeitigen privaten Problemen behelligen, aber gehen Sie davon aus, daß welche vorhanden sind, deren Breittreten in der Öffentlichkeit ich aus Rücksicht auf Beteiligte tunlichst vermeiden werde.

Bis sich meine private Situation wieder beruhigt hat, wird das hier mein vorerst letzter Eintrag sein.

Sie könnten ausnahmsweise mal so nett sein und mir die Daumen drücken, daß dies nicht allzulange dauern wird.
Bis dahin: vorerst einmal ein "Auf Wiedersehen" mit angedeuteter Verbeugung.

Dienstag, 25. Juni 2019

Jubiläum 1: der 500. Beitrag

"Republishing ist bei den Großen fester Bestandteil der Contentstrategie. Im folgenden Artikel erfährst du, warum es auch kleine Blogger in ihre Strategie einbinden sollten."

Danke, XING. Ich bin so ein kleiner Blogger, nunmehr schon seit fast zehn Jahren (ausstehendes Jubiläum Nummer 2), und der Grund dafür, daß ich im Konzert der Großen nicht mal die Triangel spielen darf, dürfte meinen geschätzten Lesern auch recht schnell einleuchten.
Mag es meine nach wie vor nanga - parbat - hohe, unüberwindliche Abneigung gegen solch neoliberales Hipstersprech sein oder auch mein grundsätzlicher Widerwille, mit meinem Blog unter Zuhilfenahme aller erdenklichen Mittel Geld verdienen zu wollen und mich dabei soweit zu verflüssigen, daß mich von irgendwelchen Influenceramöben lediglich nur eine Membran trennt (die vermutlich aus der Feststellung besteht, daß ich - wenn ich es schon nicht schaffe, meine Intelligenz unter einem Überhang aus völliger Oberflächlichkeit zu verstecken - für einen Influencer definitiv zu scheiße aussehe).
Momentan ist der Stand, daß ich - um einiges häufiger noch als vor ein oder zwei Jahren, als der Blog nahezu komatös daniederlag - sehr gerne wieder in die Tasten greife, wenn auch unregelmäßig.
Genauso verhalten sich auch die Zugriffszahlen: hatte ich anfangs täglich 12 - 20 Zugriffe, formieren sich bei neuen Beiträgen mittlerweile Zugriffstsunamis, die binnen weniger Stunden ins Dreistellige schwappen ... nur, um dann so schnell wieder zu verschwinden, wie sie gekommen sind.
Danach dümpelt der Blog auf Notstromaggregat dahin, bis ich mal wieder Laune habe, irgendwas unters lesende Volk zu streuen.
Ich habe mich daran gewöhnt, und mittlerweile macht mir das wieder ziemlichen Spaß.
Nach wie vor hätte ich große Lust dazu, mit einigen meiner Leser direkt zu kommunizieren, und zwar hier und nicht auf Facebook.
Aber sämtliche Appelle, bitte vermehrt die Kommentarfunktion im Blog zu nutzen, verröhrten bislang unerwidert im Orkus.

Kleinlich möchte ich dennoch nicht sein: liebe unbekannte Leser und vor allem Stammleser, sie sind der Grund dafür, warum dieser Beitrag die stolze Nummer 500 tragen darf.
Dafür zu diesem besonderen Anlaß einen herzlichen Dank für die Motivation, trotz gelegentlicher Lustlosigkeit immer und immer weiterzumachen.

Montag, 27. Mai 2019

Zuschlagen! Immer nur zuschlagen!

Manche Leute aus meinem Freundeskreis können mit Martin von Arndts Debüt "Ego Shooter" herzlich wenig anfangen.
Ich habe es - nachdem ich den schmalen Band bei seiner Lesung kürzlich im KOHI endlich erstanden habe - angelesen und fand es stilistisch dermaßen interessant, daß ich die Negativkritik nicht nur nicht nachvollziehen kann, sondern es noch dazu einpackte und zwecks Kurzweil auf eine Zugfahrt mitnahm. Denn meine geschätzte Gattin und ich wollten am Samstag zum 76. Geburtstag meines Schwiegervaters nach Oppenheim aufbrechen.
Wer einmal Gast im Hause Turini war, weiß auch, daß dieser Anlaß noch lange nicht so trostfern sein konnte, wie er sich anhören mag, wird man doch regelmäßig bis knapp unter den Deckel mit italienischen Speisen, deutschem Bier, Grappa und Espresso aufgefüllt. Insofern freute ich mich auf eine ungestörte Lektüre im ICE - Ruhebereich samt anschließender hemmungsloser Völlerei inklusive Umfallen irgendwann nachts um zwei.
Zumindest aus dem ersten Teil wurde bis zum Umstieg in Mannheim nix.
Samstag. Junggesellenabschiedstag.
Eine ausgesucht ekle Runde stand direkt neben dem Ruheabteil und gab aufdringlich laut grunzdummes Liedgut mit ordentlich Schmiß zum besten, das einen mal wieder an dem Entschluß mancher Frauen verzweifeln ließ, die keinerlei Hemmungen haben, solch einen Abschaum zu ehelichen.
Neben allerlei KSC - Klassikern straight outta Wildpark wurde auch als Gipfel der Heiterkeit der komplette "Donaustrand" mit allen gefühlt 18 Strophen ausgepackt, begleitet von hahaha und höhöhö. Und nachdem man sich noch gegenseitig versichert hat, wie sehr man Pfälzer und Schwaben haßt, kam man noch überein, daß Mannheimer doch ganz cool wären, denn die sind nix von beidem, sondern Kurpfälzer.
Kurpfälzer taugen auch nichts mehr, mußte ich doch feststellen, als wir mitsamt der kompletten Bagage den Zug verließen, nachdem ich diesen Teil der Fahrt mit dem inneren Abspulen von psychologisch äußerst bedenklichen Gewalt - und Tötungsphantasien verbracht hatte.
Es hätte doch freundlicherweise wenigstens ein Rudel Waldhof - Hools bereitstehen können, um dieses Gelumpe gleich auf dem Bahnsteig windelweich zu prügeln.

Aber wenn man die Barackler mal bräuchte, sind sie nicht da.

Freitag, 17. Mai 2019

Mal wieder Wiglaf Droste

Was gingen Sie mir in den letzten Jahren nicht auf den Sack.
Je mehr ich mich mit Ihrem Oeuvre beschäftigte, desto mehr fand ich Inhalte, denen ich nicht mehr länger folgen wollte; und da das so war, begann ich in meinem Blog gegen Sie zu sticheln.
Nicht, daß ich gedacht hätte, jemals etwas mit Ihnen zu tun zu haben: so bekannt bin ich nun doch nicht, daß ich davon ausgegangen wäre, daß wir uns jemals medial irgendwelche auf die jeweilige Gegenseite gemünzte Polemiken um die Ohren hauen würden.
Erwartungsgemäß haben Sie meine Existenz offenbar nicht zur Kenntnis genommen, was ich bedauerlich finde; und nicht nur das, Sie haben auch noch die Unverfrorenheit besessen, nun einfach ohne großes Gewese zu sterben und mir somit zeitlebens die Chance zu nehmen, mich solange an Ihnen abzuarbeiten, bis Sie verdammt nochmal darauf reagieren.
Ich behalte mir vor, das gerade mal doppelt unfair zu finden.
Daß Sie - einen nicht unerheblichen Teil Ihrer Energie darauf verschwendend, sich über Dialektsprecher lustig zu machen - nun ausgerechnet in Oberfranken wohnend diesen Planeten verlassen haben, ist fast schon ein abschließender Stinkefinger in meine Richtung.
Oder wäre es gewesen, hätten wir jemals die Gelegenheit gehabt, in irgendeiner Form die Füller bzw. Tastaturen zu kreuzen.
Es hätte mit Sicherheit vor Ihnen geschätzt 17 500 andere erwischen können, um die es nicht annähernd so schade gewesen wäre; denn daß ich über manche Polemik genauso herzhaft gelacht habe wie ich mich über andere ärgerte, bleibt unbestritten.
Es ist vielleicht ein Riesenkompliment, wenn man als erklärter Gegner dem Gesamtwerk seines Kombattanten trotzdem Respekt zollt und dessen Dahinscheiden aufrichtig bedauert, auch wenn der Herausgeforderte mindestens sieben Ligen zu weit oben gespielt hat.
Das sei hiermit auf diesem Weg geschehen, auch wenn es Sie jetzt bestimmt nicht mehr interessiert als zu Lebzeiten.

Ruhen Sie in Frieden. Mit einer knappen Verbeugung, Ihr alter Gegner unbekannterweise

Stefan Gaffory

Mittwoch, 8. Mai 2019

Das Ende der Euphemismen - Grundsätzliches zum 8. Mai

Der 8. Mai 1945 war der Tag der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands.
In den letzten Jahren hat sich medial die Sprachregelung eingebürgert, Deutschland sei von den Alliierten und Russen nicht erobert, sondern von der Naziherrschaft befreit worden.
Natürlich war der 8. Mai ein Tag der Befreiung: für Juden, andere Verfolgte des Naziregimes und KZ - Häftlinge.
Für die von den Deutschen besetzten Länder in Europa, die nun sichergehen konnten, daß endlich Ruhe herrscht und es nirgendwo mehr Kampfhandlungen geben wird.
Für Partisanen und andere Widerstandskämpfer, die nun nicht mehr um ihr Leben fürchten mußten.
Und für die Deutschen? Die Städte waren zu Klump gebombt, das Land stand unter Fremdherrschaft; die Konsequenz des Sturms, den sie selbst entfesselt hatten.
Ich habe das Glück, nur ein Paar deutsche Großeltern gehabt zu haben, die zumindest niemals NSDAP - Mitglieder waren, sondern einfach gestrickt und apolitisch. Mein Großvater war zwar bei der Wehrmacht und kehrte kriegsversehrt zurück, war aber zeitlebens ein gebrochener Mann, der niemals damit klarkam, bei was er da mitgemacht hatte.
Inwieweit er das Regime stützte und inwiefern ihm das bewußt war, diese Antworten nahm er mit ins Grab. Aber hier soll es nicht um die Rechtfertigung oder gar Entschuldung meiner Großeltern gehen, die ich aufgrund fehlenden biographischen Wissens nicht guten Gewissens leisten könnte, auch wenn ich größtenteils bei ihnen aufwuchs und ein inniges Verhältnis zu meinem Großvater hatte.
Gehen wir stattdessen einfach einmal vom Großteil der Deutschen aus:
den Deutschen war das Naziregime nicht ohne ihr Zutun als Last aufgebürdet worden; sie hatten es nicht nur installiert und jede fragwürdige Entscheidung mitgetragen, sie haben es auch mit blindem Fanatismus bis zum bitteren Ende verteidigt. Sie haben nach dem Krieg alte Seilschaften am Leben erhalten, haben die Augen vor den Verbrechen verschlossen, wollten nichts gewußt haben.
Diejenigen, die das nicht getan hatten, waren längst tot oder im Exil. Manche, die sich nicht mit dem Regime identifizierten und nur mittaten, weil sie irgendwann keine Chance mehr sahen, dem Ganzen zu entkommen, waren die Minderheit, auch wenn das viele nach dem Krieg gerne anders gehabt hätten.
Sie haben ihre einmal kultivierte politische Einstellung behalten ohne sie zu hinterfragen, haben ehemalige Nazischergen wieder in Amt und Würden gehievt und Protestler dagegen sowie Nazijäger verfemt, verachtet und in ihrer Arbeit behindert.
Nein, Deutschland wurde nicht befreit, sondern zerstört und erobert, denn anders ging es nicht.
Und das allgemeine Wort von der "Befreiung Deutschlands von der Naziherrschaft"- so gut es auch gemeint ist, um den Alliierten ein Höchstmaß an Idealismus zuzusprechen, da sich "erobert" so falsch, fast schon nach Angriffskrieg anhört - ist in meinen Augen nur ein Euphemismus, der diese schlichte Wahrheit verschleiert.

Die Deutschen wurden nicht von der Naziherrschaft befreit. Sie wurde ihnen weggenommen.

Ich stalkte Jürgen Klopp (zumindest fast)

Laut "Wikipedia" muß es 1995 gewesen sein.
Mike Krüger hatte eine Spielshow, an deren Namen ich mich keinen Millimeter mehr erinnere und die rasch abgesetzt wurde; laut erwähnter Quelle hatte er eine kurzlebige Sendung namens "Verlieren Sie Millionen", also gehe ich davon aus, daß es die gewesen sein muß.
Ich weiß nicht, warum ich beim Zappen an bei der weithin unerträglichen Segelnase hängenblieb.
Auf jeden Fall wohnte ich damals noch ein paar Monate bei meinen Eltern und hatte im Dorf an dem Abend nichts besseres zu tun, als mir derartigen Scheißdreck zu Gemüte zu führen.
Einer der Kandidaten hieß Jürgen und gewann den Quatsch am Ende auch noch.
Ich fand Jürgen nicht unsympathisch, und im Lauf der Sendung stellte sich heraus, daß er Fußballer bei Mainz 05 war.
Also blätterte ich im "kicker - Sonderheft" und sieh an: da war er. Jürgen Klopp.
Irgendwie fühlte ich mich dazu veranlaßt, ihn fortan im Auge zu behalten. Als Mainz 05 plötzlich einen Interimscoach suchte, dachte ich mir, daß es spannend wäre, wenn "Jürgen" den Job übernehmen würde, und das tat er. Der Rest ist bekannt.
Gestern Abend saß ich in meiner Stammkneipe MILANO in der Karlsruher Südstadt und schaute mir - da gerade Strohwitwer - inmitten anderer anfangs neutraler Zuschauer das Champions - League - Halbfinale Liverpool - Barcelona an. Die Reds hatten das Hinspiel 0:3 verloren und waren eigentlich tot wie ein paar Socken, zumal gegen eine Weltklassemannschaft wie die Katalanen.
Spätestens beim 2:0 kippte die Stimmung in Richtung Liverpool, und nach dem Abpfiff beim Stand von 4:0 feierte die ganze Kneipe den FC Liverpool ab, als wäre es der KSC, und das Bier floß in Strömen.
Jedem war in dem Moment bewußt, live bei einem historischen Match vor dem TV gesessen zu haben: etwas, was man nur als Fußballfan nachvollziehen kann, samt dem sich danach einstellenden erhabenen Gefühl.
Ich hätte mir vor fast 25 Jahren beim besten Willen nicht vorstellen können, daß Mike - Krüger - Kandidat Jürgen mittlerweile in einem Teil Großbritanniens als lebender Halbgott verehrt wird und als internationaler Spitzentrainer gilt.
Aber manche Wendungen im Leben sind schon sehr unterhaltsam; auch die, daß ich mich eines langweiligen Abends wegen umso mehr für ihn freue, obwohl ich ihn weder persönlich kenne, noch Mainz 05 und Borussia Dortmund ausstehen kann und mir seine andauernde Werbepräsenz eigentlich auf den Sack gehen müßte.
Aber Stalker sind halt unberechenbar.

Sonntag, 5. Mai 2019

Vergewaltigung zum Mitgrölen

Wer kennt es nicht, das Lied vom "Donaustrand"?
Schon in meiner frühen Schulzeit zirkulierte das unter Rotten präpubertärer Jungs; warum das vor einiger Zeit aus dem allertiefsten Winkel meines Gehirns, in dem vor lauter Schimmel schon die Tapeten von den Wänden fallen, wieder grunzend und sabbernd in mein Stammhirn kroch, werde ich Ihnen noch erläutern.
Erstaunlicherweise gibt die Suchmaschine doch allerhand dazu preis: so wird das Stück tatsächlich unter den "alten, derberotischen Volksliedern" gelistet, und soll seinen Ursprung in der Soldateska sowie Studentenverbindungen haben, also zwei Männerbünde, die schon seit jeher einen beachtlichen Hang zu Subtilitäten aufwiesen. So grölte man denn mittel - bis schwerstalkoholisiert in geselliger Runde diesen erlesenen Text:

"Einst ging ich am Strande der Donau entlang
[bitte nach jeder Zeile ein "Oooh oh lalala" dazudenken]
ein schlafendes Mädel am Ufer ich fand

Sie hatte die Beine weit von sich gestreckt
ihr schneeweißer Busen war halb nur bedeckt

Ich machte mich über die Schlafende her
sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr"

Den gar lustigen Rest dieses Textes möchte ich Ihnen ersparen; sollten sie männlich und über 30 sein dürften Sie ihn eh kennen und bestimmt auch - wie ich - mit 12 oder 13 im Jugendfußballverein oder auf Klassenfahrt verschämt kichernd mit Klassenkameraden angestimmt haben.
Ich erwähnte es andernorts schon einmal: ich bin in einer Machokultur aufgewachsen, die größtenteils männerbündisch geprägt war (und es auch teilweise heute noch ist), und ich werde mich nicht soweit verbiegen, daß ich dies unter reumütigem Bekenntnisgefasel bedauern werde, denn vieles davon brachte einiges an Spaß in mein Leben.
Dennoch bedeutet Stillstand den Tod; manches sollten auch die rustikaleren unter meinen Geschlechtsgenossen (denen ich mich im Zweifelsfall eher verbunden fühle als irgendwelchen Sanft - und Flachquatschern) ernsthaft hinterfragen.
Zum Beispiel, ob wir es wirklich möchten, daß solch ein textlicher Abschaum, der nichts anderes ist als eine extrem ekelhafte Vergewaltigungsphantasie, weiterhin von Generation zu Generation weitergegeben wird. Und wir es somit gleichsam in kauf nehmen, daß immer wieder 12 - 15jährige diesen Dreck krähen, bis mal wieder einer dabei ist, der "provozierende" Kleidung als Aufforderung versteht, ungebeten und gegen jeden Widerstand seines weiblichen Gegenübers sein Rohr verlegen zu wollen.
Es mag ein altes Volkslied sein, aber das sind einige Soldatenlieder der Wehrmacht mit Sicherheit auch; trotzdem würde es niemandem, der noch alle Tassen im Schrank hat, einfallen, diese zu einer Ballermann - 6 - Version umzuarbeiten und ebenda auf der Bühne zu schmettern.
Das ficht aber einen Mikrocephalus wie Mickie Krause nicht an, der genau dies mit dem "Donaustrand" gemacht hat.
Genausowenig juckt das manchmal in Karlsruhe sichtbares Jungstudentenvolk. Da wird dann - das Hemd sauber in die gegürtete Hose gesteckt - in Deichmann - Schuhen nach dem geschätzten Genuß von drei Bier schwankend tapfer im Quartett dieses Lied angestimmt und dazu dreckig gegrinst, um der Umwelt zu signalisieren, was für ein wilder Molch man ist und wieviel Spaß man gerade hat. Vor allem, wenn man sein Lebtag unbedeckte schneeweiße Busen nur auf Red Tube beim Dauerwichsen vor dem Laptop zu Gesicht bekommt, außer eine Studienkollegin ist langweilig und verzweifelt genug, sich zu erbarmen. Dieser Männergesangsabend fand tatsächlich vor kurzemam Europaplatz statt, was mich zum Schreiben dieses Beitrags bewegte.
Beiden genannten Erscheinungsformen des Interpretendaseins ist eines gemein: als halbwegs denkender Mann (ja: MANN) wecken sie in einem nur den Wunsch, ihnen mit einem Stück Kantholz umgehend die Scheiße herauszuprügeln.
Es gibt tatsächlich Männer, die sich ihrer Männlichkeit bewußt sind, die aber mit solch gedankenfreien Troglodyten wirklich nicht auf einer Stufe stehen wollen.
Geschweige denn, sich irgendwie den Anschein geben möchten, daß sie derartiges noch "lustig" fänden.

R.I.P. "Donaustrand". Mögest du dort verrotten und dem Kollektivvergessen anheimfallen, wo hoffentlich noch mehr von deiner Machart vermodert.


Dienstag, 2. April 2019

Wie Joe Jackson meinen Tag rettete

Am geschichtsträchtigen 01. April machte ich mich also nach München auf, um das Konzert von Joe Jackson in der Muffathalle zu sehen.
Es war alles geregelt: ich hatte ein ICE - Sparticket, mit dem ich am 02. April um 20 Uhr 44 Uhr wieder nach Karlsruhe zurückreisen wollte, in der Hoffnung, vorher am Nachmittag in München noch Freunde zu treffen, sowie eine telephonische Hotelreservierung für die Nacht.
Das Erste, was diesen Tag zu einer nervtötenden Angelegenheit machte, war die unvermeidliche Konfrontation mit meiner eigenen Blödheit.
Stuttgart Hbf, Gleis 15.
Da sollte ich in den ICE überwechseln. Es wartete auch bereits ein Zug nach München, als ich plötzlich per Lautsprecheransage sowie von einem adipösen jungen Mann aufgefordert wurde, unverzüglich einzusteigen. Irritiert leistete ich dem Folge, nur um festzustellen, daß ich mich in einem IC befand.
"Kein Problem", meinte der adipöse junge Molch, "wir foahrn jo eh noch Min - chen. Da san's scho richtig."
Leider hatte mir der adipöse junge Vollidiot die nicht unerhebliche Information unterschlagen, daß der IC nicht in München am Hbf halten würde, so daß ich nach einem Zwischenstop im München - Ost plötzlich überraschenderweise in Richtung Rosenheim unterwegs war.
Sollte jemals jemand den unheilvollen Drang verspüren, in Rosenheim am Hauptbahnhof ohne Not auszusteigen: tun Sie's nicht. An diesem Ort ist kein Trost.
Insgeheim den Bediensteten verfluchend und mich in allerlei Rachephantasien suhlend, die samt und sonders etwas mit Heinrich Pommerenke und seiner Angewohnheit, Leute aus dem fahrenden Zug zu werfen zu tun hatten (nur daß die bedauernswerte Frau in der realen Begebenheit durch den weniger bedauernswerten adipösen jungen Blödmann ersetzt wurde), stieg ich also dort in die Bahn zurück.
Zum Glück war ich sehr früh unterwegs; statt um 15 Uhr betrat ich erst um 16 Uhr 30 das Hotel, in dem ich morgens telephonisch ein Zimmer für 65 Tacken reserviert hatte, was aber auch egal war. Denn ich erfuhr dort, daß ebenda angeblich niemand jemals meinen Namen gehört hatte. Auch der junge Mann, der meine Reservierung entgegen genommen hatte, existierte dort angeblich nicht.
Ich habe ja keine Ahnung, ob das Hotel Amba in der Arnulfstraße 50 Meter vom Hauptbahnhof weg in einem Paralleluniversum noch ein identisches Ebenbild hat, in dem junge Männer meine Reservierungen entgegennehmen, es muß jedoch der Fall sein, denn in dem vorhandenen hatte dies offenbar nicht stattgefunden.
Stattdessen wurde mir ein Ersatz für fluffige 80 Euro angeboten ("das ist ein großes Zimmer"), also genau das, was man für einen ca. zehnstündigen Aufenthalt braucht.
Kurz gesagt: ich hatte dann dermaßen keinen Bock mehr auf eine Minute München mehr als nötig, daß ich mir postwendend ein Rückreiseticket für die Nacht kaufte. Die 35 Euro zusätzliche Kosten nahm ich gerne in Kauf, anstatt den mindestens doppelten Betrag für eine Übernachtung zu berappen, auch wenn dadurch meine bereits gebuchte Rückfahrt hinfällig wurde.
Nach dem zweifelhaften Genuß einer Wurst der Marke "Pfefferbeißer" an einem Imbißstand (die ich heißhungrig herunterwürgte, obwohl sie wirklich aus Leder gefertigt war und ich wie ein Hund auf einem Kauknochen darauf herummalmen mußte ... aber der verarbeitete Leguan sollte sein Leben nicht umsonst gelassen haben) machte ich mich etwas frisch (will heißen: ich putzte mir in einer "Rail & Fresh" - Klokabine die Zähne, bevor ich vom Selbstekel heimgesucht wurde) und packte meinen Rucksack in ein Gepäckschließfach. Nun begann endlich der gute Teil des Tages.

Die Muffathalle,
ein sehr angenehmer und übersichtlicher Veranstaltungsort, war ausverkauft. Zu meiner Freude registrierte ich, daß sie nicht bestuhlt war.
Die Zuhörerschaft entsprach genau meiner Vorstellung: Bildungsbürgerpublikum meines Alters (oder darüber), das während des Konzerts größtenteils einen Bewegungsradius hatte, der auf einen Tortenboden gepaßt hätte. Denn allzu wild wollte man sich doch nicht gebärden.
Da ich wie angekündigt - obwohl gleichfalls geschniegelt und gebügelt - zumindest meinen neuen SHEER - TERROR - Kapuzenpulli angezogen hatte, erntete ich mehr als einen irritierten Blick, was mir aber egal war. Warum soll ich mich auf solchen Konzerten auf eine Mimikry einlassen, die für mich auch ansonsten nicht infrage kommt?

Galt Joe Jackson früher als arroganter Kotzbrocken, der bei Konzerten dem Hörensagen nach gerne mal komplette Stille während des Vortrags einforderte, schien er nun das umsetzen zu wollen, was ich in einem Interview mit ihm gelesen hatte: endlich den Kontakt zum Publikum zu suchen und mit ihm sein vierzigjähriges Bühnenjubiläum angemessen zu feiern.
Das tat er auch zwei Stunden und zwanzig Minuten lang, mit guter Beleuchtung und ebenso perfektem Sound. Auch wenn die Menge größtenteils statisch war, tat sie ihre Begeisterung in teilweise sehr lauten spontanen Ausbrüchen kund, und man merkte, wie sich der Interpret samt seiner Begleitband (die angeblich die vom "Look Sharp!" - Debüt war) anstecken ließ.
Joe Jackson gab sich extrem aufgeräumt, kommunizierte sehr viel mit den Zuschauern und ging sogar auf einzelne Zwischenrufer ein, Dazu kreierte er Momente purer Magie, die an Intensität dem Nick - Cave - Konzert in Frankfurt, das ich mit Frau Turini besucht hatte, in nichts nachstanden.
Neben einigen Songs vom neuen Album "Fool" streute er immer wieder Klassiker ein, so daß ich (bis auf "Chinatown" und "Happy Ending") alles zu hören bekam, was ich mir im Vorfeld gewünscht hatte: "One More Time", "Is She Really Going Out With Him", "Got The Time", "Another World",  "Real Men", "You Can't Get What You Want..." und vieles mehr, ich könnte noch einige Beiträge der Playlist posten, doch ich will mir die ellenlange Aufzählung sparen, denn er schüttelte eine erstaunliche Menge Songs aus dem Jackettärmel.
Dabei fokussierte er sich hauptsächlich auf ein Album pro Dekade, wobei die strenge Aufteilung im Lauf des Auftritts immer mehr aufweichte, so daß neben "Look Sharp!", "Night And Day", "Laughter And Lust" (zum Glück nur mit einem Song, dem käsigen "Stranger Than Fiction" ... erraten, ich mag die Platte nicht) und "Rain" auch Stücke von "Big World" und "Fast Forward" zur Geltung kamen.
Für die Zugabe hatte er sich ein besonderes Gimmick ausgedacht: ein KORG Baujahr 1979 Drumcomputer wurde auf die Bühne geschafft, um "Steppin' Out" exakt so zu spielen, wie es sich auf Platte anhört, auch wenn das laut Joe Jackson etwas Aufwand erforderte, da er das Stück im Alleingang aufgenommen hatte und somit jedem in der Band ein Instrumentalpart zugewiesen werden mußte.
Bei dem Stück war es dann auch aus mit meiner Selbstbeherrschung, da ich mit dem Lied soviele Kindheitserinnerungen verknüpfe, daß ich gerührt ein paar Tränchen verdrücken mußte. Zum Glück war es im Saal gerade dunkel.
Da Joe Jackson pünktlich um 20 Uhr angefangen hatte, verließ ich die Muffathalle um 22 Uhr 30. Ich war wildschweinmäßig verschwitzt, da die Temperatur inmitten solch einer Menschenmenge schleichend konstant auf Saunahöhe gestiegen war und erreichte problemlos meinen ICE, um 03 Uhr 33 glücklich und nachhaltig beeindruckt wieder zuhause einzulaufen.
Was kann man von einem Konzert besseres sagen, als dankbar dafür zu sein, daß man es miterleben durfte?

Freitag, 22. Februar 2019

MASH - Nachtrag

Was ich vergaß: das MASH schloß irgendwann Ende der 90er/Anfang der 00er seine Pforten.
Wann genau, weiß ich nicht, denn ich hatte den Laden mittlerweile komplett aus dem Blick verloren.
Gerüchten zufolge wurde das Kellergewölbe danach komplett mit Beton ausgegossen, und da könnte durchaus was dran sein, denn heutzutage befindet sich über dem Treppenabgang der Biergarten des "Englischen Gartens" (wenn ich mich letztens nicht getäuscht habe), ohne daß man auch nur die Spur eines ehemaligen Kellerclubs erahnen könnte.
Allerdings gibt es im Colosseum in Landau wohl gelegentlich MASH - Revival - Parties.
Nur habe ich beim besten Willen nicht das Gefühl, da jemals hingehen zu müssen.

MASH it up - Remix 2019 Track 6: We Formed A Band

Ich habe diverse Kommentare auf Facebook (ja, ich weiß ...) zu dieser Textreihe erhalten, auch von Leuten, die ihre eigenen MASH - Erinnerungen loswerden wollten.
Natürlich sind meine Erlebnisberichte subjektiv; sie objektiv halten zu wollen, würde das Ganze erstaunlich inhaltsleer machen, und die Reihe wäre damit auch bereits beendet.
Meine Leserschaft kann ich nur dazu ermutigen, die Kommentarfunktion hier im Blog zu nutzen; nicht nur, um ihn weiter zu pushen (was natürlich ein angenehmer Nebeneffekt ist), sondern auch, um das Gesamtbild etwas ausgewogener zu gestalten. Auf Facebook geht die Fülle an Kommentaren leider mit der Zeit verloren, abgesehen davon, daß sie außer mir und wenigen anderen Leuten wahrscheinlich niemand liest (während sie hier zumindest ein Bestandteil der Beiträge wären und neue Perspektiven hinzufügen würden), und das ist eigentlich schade drum.

Zurück zum MASH:
das überaus heterogene Publikum habe ich bereits angesprochen.
Natürlich war die Atmospäre dort trotz allem weitgehend friedlich; ab und zu zog es ein paar ausgemachte Dorfassos in den Laden, die dann tatsächlich meinten, sich gegenseitig auf die Zwölf hauen zu müssen (ich erinnere mich einmal an eine Schlägerei zwischen zwei Vertretern der typischen Cola - Asbach - Nackenspoiler - Fraktion, bei der einer der beiden eine unfaßbar lausige Thai - Box - Performance ablieferte).
Einmal erinnere ich mich auch an ein wirklich widerliches Stück Scheiße, das einer damaligen guten Freundin von mir (die später in meiner Band Schlagzeug spielte) im Gedränge vor der Theke an den Hintern faßte und - als sie sich dann umdrehte - grinsend zu seinem Kumpel meinte: "Siehscht? Ich häb der doch gsaacht, dasses merkt", worauf die Betatschte einen Sturzbach an Beleidigungen auf den Grapscher niedergehen ließ.
Erstaunlicherweise hatte das für den Täter keinerlei Konsequenzen zurfolge, und ich ärgere mich gerade rückblickend noch darüber, damals nicht die Eier in der Hose gehabt zu haben, ihr beizustehen und bei den Verantwortlichen auf den Rauswurf der beiden Drecksäcke zu drängen. Irgendwie spielte immer eine Mischung aus der Angst, von niemandem ernstgenommen zu werden und der, das nach Verlassen des Ladens irgendein Arschloch oben warten würde mit. Meistens war man mit ernsthaften Problemen allein auf sich gestellt, vor allem, wenn man kaum jemanden kannte und nicht im Cliquenverbund unterwegs war.
Doch allgemein war die Idiotenquote eher überschaubar, und man arrangierte sich miteinander oder ignorierte sich gegenseitig.
Einmal liefen sogar irgendwelche französischen Faschos ein, die nach einer Mischung aus Dark Wave und EBM - Typen aussahen, blieben aber gleichfalls unbehelligt. Als ich dann mal kurz oben an der frischen Luft war, lungerten zwei oder drei von ihnen ebenfalls dort herum, und einer rotzte mir in einem sauber abgezirkelten Bogen direkt vor die Füße.
Da mir das nicht geheuer war, rief ich meine Mutter an, sie solle mich abholen (ja, ich weiß ... aber ich war damals ein Würstchen von zarten 19 mit der Tendenz, sich selbst furchtbar wichtig zu nehmen). Eine halbe Stunde später stieg ich dann in das Auto meiner Eltern, und mein Vater, der auf dem Beifahrersitz saß, hatte einen Baseballschläger auf dem Schoß liegen. Für solche Aktionen werde ich meinen seligen alten Herrn immer lieben.
Ansonsten gab es zwar durchaus Betroffene von Rauswürfen, doch das waren eher Absturzopfer.
Ein enfernter Bekannter von mir meinte einmal, sich (wohl unter Einfluß bewußtseinserweiternder Substanzen) oberkörperfrei auf der Tanzfläche in Bierlachen suhlen zu müssen und wurde daraufhin mit auf den Rücken gedrehten Armen schreiend von zweien der libanesischen Rausschmeißer aus dem Laden getragen, aber das ist schon einer der spektakulärsten Zwischenfälle, an die ich mich gerade erinnere.
Wenn wir gerade dabei sind: einen der Rausschmeißer fand ich immer sehr speziell.
Ein gnomiger arabisch aussehender Blob mit einem offenbar selbstgemachten Tattoo im JVA - Stil (Grabhügel, Kreuz, Strahlen, scheinbar mit Stecknadel und Kugelschreibermine erstellt), ständig eine Kippe im Mundwinkel, der auch Gläser einsammelte. Dabei trug er zumeist ein Feinrippunterhemd, das ungefähr in Bauchnabelhöhe aufhörte. Definitiv ein Kandidat für den Style Award.
Meistens gab es nur kleinere Nickeligkeiten zwischen den einzelnen Gruppen (Punks, Normalos, Hippies, EWH - Studenten etc.): ich erinnere mich an einen dicken, älteren Typen, der relativ normal gekleidet war und sich immer in unserem Areal auf der Empore aufhielt. Da keiner von uns eine Armbanduhr besaß, fragten wir ihn halt immer nach der Uhrzeit, worauf er mich einmal anschnauzte, "ich und meine Kumpels" (gemeint waren wohl allgemein Punks) sollten uns halt endlich mal eine Uhr kaufen. Heute verstehe ich natürlich, daß ihm das auf den Sack ging, aber damals fanden wir das sehr uncool, und er landete sofort auf unserer "Most hated" - Liste ... und seit er dann kurz nach dieser Aktion auf der Tanzfläche zu "Humble Stance" von Saga mal richtig aus sich herausging und sich absunderlich verrenkte, habe ich auch ein ernsthaftes Problem mit diesem Song, weil dann sofort ein unerwünschtes Kopfkino startet.
Aber noch eine Gruppe war auffällig.
Natürlich war der Laden auch DER Treffpunkt für alle, die enweder Künstler waren oder sich zumindest dafür hielten.
Wir hatten ja zu der Zeit in Landau und Umgebung eine sehr große Band - Inzucht im Bereich Metal, Hardcore und sonstigem "Alternative".
Ständig entstanden neue Projekte mit den gefühlt immer gleichen fünfzehn Mitgliedern.
Neben meiner eigenen anderweitig schon erwähnten Katastrophenkombo gab es noch HOMEMADE ABORTION, MELTDOWN, SCUD, BLEW, STÜCKWERK, FAKTOR 8, ein kurzlebiges Spaßprojekt namens BOSNIEN - HERZEGOWINA, CHASTMENT, CRUDE SLOPE, noch zwei oder drei Bands, deren Namen mir grad ums Verrecken nicht mehr einfallen und unzählige in Planung begriffene Kollaborationen und Projekte, die den Proberaum (und manchmal auch die Köpfe ihrer Planer) nie verließen.
Häufig wurden im MASH Festivals (die meistens in irgendwelchen Gemeindezentren, Grillhütten oder Jugendzentren stattfanden) geplant oder endgültig spruchfest gemacht, und rückblickend war das einer der Aspekte, die mir heute am besten gefallen.
Wir kamen aus Dörfern; wir saßen in einer kulturellen Einöde fest und waren dazu gezwungen, Eigeninitiative zu ergreifen, wenn wir nicht lebendig eingesargt sein wollten.
Es war eine unglaublich bewegte Zeit; jeder wollte irgendwie kreativ sein. In manchen Fällen (wie dem meinen) ging das erstaunlich schief, in anderen entstanden wirklich halbwegs erfolgreiche Kombinationen, die auch in anderer Form bis heute nachwirken (die späteren TREND oder GELD ET NELT beispielsweise).
Ich habe - auch, wenn ich nie richtig dazugehörte und einige der Beteiligten erst viel später besser kennenlernte - wirklich vorrangig gute Erinnerungen an diese wenigen Jahre. Ich denke, wir haben durch die Bündelung unseres Potentials das Beste daraus gemacht, was zu dieser Zeit herauszuholen war, und uns damit auch abseits der großen Städte eine Jugend beschert, mit der man rückblickend zufrieden sein kann ohne das Gefühl, etwas verpaßt zu haben, was man ansonsten hauptsächlich in Berlin oder Hamburg erleben konnte.


Zum Abschluß muß natürlich noch eine Trackliste her, zu was wir damals mit Vorliebe irgendwelche Körperteile geschüttelt haben. Manches ist natürlich völlig unspektakulär (und heute auch nicht mehr nachvollziehbar), aber damals waren das:

Nirvana: "Smells Like Teen Spirit"
Red Hot Chili Peppers: "Give It Away", "The Power Of Equality", "Suck My Kiss" (von "Blood Sugar Sex Magik") oder "Nevermind" (von "Freaky Styley")
Metallica: "Enter Sandman"
Pearl Jam: "Alive" oder "Even Flow"
Faith No More: "We Care A Lot", "Epic" oder "Midlife Crisis"
House Of Pain: "Jump Around"
Biohazard: "Punishment"

Zudem noch irgendein Crossover - Kack, an den sich heute kaum noch jemand erinnert. Blue Manner Haze, Urban Dance Squad (zumindest für die hab ich noch Restsympathie), Freaky Fukin' Weirdoz (eine der schlimmsten Bands ever).

Einige "normale" Rocksongs:

David Bowie: "Space Oddity"
Led Zeppelin: "Immigrant Song"
Black Sabbath: "Paranoid"

... und natürlich einige Pophits, die man damals offiziell natürlich scheiße fand, aber insgeheim doch mochte. Stellvertretend für alle hier

Tasmin Archer: "Sleeping Satellite"

Ich muß mal wieder feststellen, daß ohne das MASH viele von uns nicht das wären, was sie heute sind, denn dafür würde uns ein gerüttelt Maß an Lebenserfahrung in einem wichtigen Alter fehlen.
Es würde mich natürlich auch freuen, wenn einige meiner Leser vielleicht zum selben Endergebnis gelangen.

(ENDE)


Sonntag, 17. Februar 2019

MASH it up - Remix 2019 Track 5: Friends Will Be Friends

Mutterseelenallein in einem Club zu stehen, ist mir heute zumeist egal, aber zu einer Zeit, in der man seinen Platz im Leben noch lange nicht gefunden hat und auf eine - neudeutsch - peer group angewiesen ist, kann das eine recht deprimierende Erfahrung sein.
Man kann natürlich - was eine häufige Motivation für Clubbesuche ist - Kontakte zu potentiellen Sexualpartnern knüpfen (die in meinem Fall weiblich sein sollten), aber daß ich ein Womanizer sei, ist ein Attribut, das hundert willkürlich ausgewählten Menschen aus meinem Bekanntenkreis wohl als letztes einfallen würde, befragte man sie nach meinen herausragendsten Eigenschaften.
Darum sollte ich eigentlich auch jeden Abend ein Kerzlein anzünden, um Gott, Ctulhu, dem Kosmischen Supergnu (oder wer auch immer dafür verantwortlich ist) zu danken, daß ich in der Hinsicht über die Jahre verhältnismäßig wenig Mangel zu leiden hatte.
Jedenfalls war ich zu Beginn meiner MASH - Zeit froh darüber, zumindest mal ein bekanntes Gesicht zu erblicken: ein Typ aus meiner früheren Realschul - Parallelklasse trieb sich dort regelmäßig herum, der einen ähnlichen Musikgeschmack wie ich zu haben schien.
Er war damals ein relativer Außenseiter gewesen und ich hatte nie mit ihm zu tun gehabt, aber an meinem ersten Abend kam ich mit ihm ins Gespräch, und als wir es uns auf die ersten Lieder getraut hatten, voreinander rumzuhüpfen (in meinem Fall hieß das erst einmal, daß ich mich mit einer Hand auf der Empore an der Box festhielt und autistisch in Schwarzspechtmanier dermaßen die Rübe bangte, daß mein Verlassen des MASH nach Sperrstunde aufgrund körperlicher Verspannung fast etwas quasimodoeskes hatte), freundeten wir uns an.
Leider hatte er eine recht nervtötende Art, die kaum jemand ertrug; und ständig als siamesische Zwillingsfreakshow wahrgenommen zu werden, erleichterte das Kennenlernen anderer Stammgäste nicht wirklich.
Trotzdem blieben wir etwas mehr über drei Jahre befreundet, bis mich eine unangenehme Geschichte (die nichts mit mir direkt zu tun hatte) dazu zwang, abrupt den Kontakt zu ihm abzubrechen und ihn auch nie wieder herzustellen. Näher werde ich darauf nicht eingehen.
Jedenfalls ließen wir uns zumeist im Doppelpack ein - bis mehrmals wöchentlich durch den Laden treiben, vollgestopft mit Menschen aus allen möglichen Kulturen und Subkulturen.
Da gab es beispielsweise die Gruppe der Jugendwerkpunks, die aus einer Fördereinrichtung etwas außerhalb der Stadt stammten. Einige von denen waren ganz umgänglich, manche waren ziemlich üble Schnorrer, und zumeist blieben sie unter sich.
Manchmal brachten sie auch Leute von anderswo mit. Ich erinnere mich an einen lederjackentragenden Typen mit einem mindestens 15 cm hohen blauen Iro, der mal auf mich zugetorkelt kam, als ich gerade die Toiletten verließ. Er hatte den Daumen auf den Mund gepreßt und die Backen aufgeblasen wie Dizzy Gillespie, als er an mir vorbei zur Tür hineinstürzte, und ich habe ihn danach nie wiedergesehen. Sollte er nicht von Außerirdischen entführt worden sein, hoffe ich, einer von seinen Kumpels hat ihn wieder rausbefördert, sonst liegt er wahrscheinlich heute noch dort.
Die Leute aus dem Jugendwerk gründeten nicht nur eine eigene Antifagruppe namens "Rote Front Landau", sondern auch eine Deutschpunkband namens "Dirty Minds", die textliche Pretiosen wie die folgende vortrug:
"Ich hab eine Freundin, die ist Franzose (sic!)/ und sie ist so verklemmt/ die Franzose im Polohemd"
Eben jener Sänger lief auch mit einer Bomberjacke mit aufgesprühtem eingekreistem A auf dem Rücken herum, unter das er mit Lackstift ARNARCHIE geschrieben hatte.
Ich muß wohl nicht extra erwähnen, daß die ganze Clique nicht als sonderlich helle galt; umso erfreulicher fand ich es, als mir besagter Troubadour fast zehn Jahre später noch einmal begegnete, als ich auf einer Abiturfeier der Einrichtung des Zweiten Bildungswegs war, die ich auch durchlaufen hatte.
Nicht nur hatte er sich laut eigener Aussage zum begeisterten Jazz - und Funkhörer gemausert, sondern stand tatsächlich auch selbst ein Jahr vor dem Abschluß. Ich fände es mal spannend zu erfahren, was aus dem geworden ist.
Mit einem andern Typen aus dem Jugendwerk gab es mal einen sehr häßlichen Zwischenfall.
Ich ging einmal mit besagtem Freund (nennen wir ihn künftig X) die Treppe hoch, um frische Luft zu schnappen, als sich ein Jeansjackenträger mit zurückgegelten Haaren und metallbeschlagenen Cowboystiefeln, der offenbar ein äußerst aggressiver Psychopath und auf dem Weg nach unten war, an uns vorbeidrängte und X heftig in die Rippen stieß.
Jenem blieb die Luft weg, und keuchend und wimmernd hielt er auf der Stufe, auf der er sich gerade befand, inne. Schneller, als ich in irgendeiner Form reagieren konnte, baute sich dieses Arschloch vor X auf und fragte ihn eindringlich, ob er ein Problem hätte, was mein Freund natürlich nicht adäquat beantworten konnte, worauf ihn der Schläger mit einem wuchtigen Tritt ins Gesicht die Treppe hinunterschickte und dann seelenruhig von dannen zog.
Was dann passierte? Nichts.
X, der zudem Brillenträger war, lag mit blutüberströmtem Gesicht zu Füßen des Typen an der Einlaßkontrolle; nachdem ich mich vergewissert hatte, daß er weder etwas gebrochen, noch ein Brillenglas ins Auge bekommen und nach wie vor alle Zähne im Mund hatte, rannte ich schockiert die Treppe wieder hoch und wußte nicht, was ich tun sollte, denn als Punk die Bullen zu rufen, schied natürlich völlig aus.
Die zwei oder drei Jugendwerkpunks, die oben herumlungerten und die Szenerie mitverfolgt hatten, nahmen das Ganze noch dazu erstaunlich sportlich.
Das sei halt mal der Harry, und wenn der aggro sei, ticke er halt gerne mal aus. Man solle sich dann besser nicht mit ihm anlegen, denn dann zöge er ein Messer, er habe immer eins dabei.
Ich ging zu der Zeit wegen zweier großer Risikofaktoren (Trampen und Faschos) zwar auch nie unbewaffnet aus dem Haus, hatte aber keinerlei Ambitionen, mir mit solch einem Wahnsinnigen noch eine Messerstecherei zu liefern, während unten mein damals bester Kumpel lag und vor sich hinblutete wie ein Schwein.
Und so blieb alles ganz entspannt, und keiner machte sich unnötig Streß. Und ich begrub auf dem Heimweg meine idealisierte Vorstellung von Solidarität der Anhänger einer Subkultur untereinander.
Ich war noch sehr jung damals und hatte gerade eine erste wichtige Lektion gelernt.

(weiter in Teil 6)

Freitag, 15. Februar 2019

MASH it up - Remix 2019 Track 4: People Are People

Dann konnte ich endlich mit einem eigenen Auto nach Landau tuckern, und das Wort "tuckern" ist wahrlich nicht untertrieben, betrachtet man sich die Mühlen, die ich anfangs fuhr.
Mein erstes Auto war ein grasgrüner Ford Fiesta Baujahr 1979, den ich recht zügig auf einem Ausflug nach Karlsruhe zu Schrott fuhr.
Ihm folgte ein ockerfarbener VW Derby mit Stufenheck, Baujahr 77. Der hatte mich nur 250 DM gekostet, ich fuhr ihn aber trotzdem noch ein Jahr lang, obwohl es reinregnete und sich überall Wasser angesammelt hatte, so daß es im Fahrgastraum dezent nach Schimmel und kaltem Zigarettenrauch roch, da ich während des Fahrens immer rauchte wie ein Schlot.Würrrg.
Am MASH angelangt, mußte ich im Auto erst einmal meine Schuhe wechseln, da ich mit meinen Docs die Fahrzeugpedale nicht richtig bedienen konnte (und im Club Turnschuhe tragen, ging damals natürlich gar nicht).
Da ich damals notorisch blank war und immer mit einem fast leeren Tank durch die Gegend gondelte, bestand mein Budget für den Abend manchmal nur aus 10 oder 15 DM, wobei man eine eventuell notwendige Tankfüllung noch einkalkulieren mußte.
Das wäre mir auch fast einmal zum Verhängnis geworden. In Landau gab es zu jener Zeit eine als "Texas" bekannte Wellblechhüttensiedlung, die von Sinti bewohnt wurde und einige obskure Gestalten hervorbrachte, und eine von ihnen, ein stadtbekannter Schläger - hier mit F. abgekürzt - hing regelmäßig im MASH ab.
Meist war er bis zu einem gefährlichen Grad besoffen und deswegen extrem reizbar, und ich erlebte einmal einen Krankenwageneinsatz mit, nachdem er oben an der Treppe einen ebenso großmäuligen Punk zusammengefaltet hatte, der es für eine gute Idee hielt, ihn zu provozieren.
Ich wollte solchem Ärger aus dem Weg gehen, darum grüßte ich ihn jedesmal freundlich mit einem Nicken und hatte dafür meine Ruhe. Dachte ich.
Irgendwann betrat ich den Laden mit 13 oder 14 DM und wußte, daß ich auf dem Rückweg tanken mußte ... also leistete ich mir ein Bier und wollte meinen Geldbeutel mit dem restlichen Zehner gerade wegpacken, als plötzlich F. neben mir stand und mich fragte, ob ich ihm nicht bis nächste Woche zehn Mark leihen könne, er sei pleite und wolle noch ein Bier trinken.
Ich erklärte ihm lang und breit meine Situation, daß ich ja noch nach Hause kommen und morgen arbeiten müsse, auch wenn er glaubte, das würde auf jeden Fall ohne zu tanken klappen.
Irgendwann schien es ihm einzuleuchten, und er sagte, er würde jemand anderen fragen. Soweit so gut.
Plötzlich stand F. wieder neben mir und meinte, er hätte niemanden gefunden.
Auf meine neuerliche Verneinung hin sagte er einfach:
"Isch mach dir än Vorschlag. Entweder du gebscht mir die zehn Mark, oder ich wart oben auf dich."
Somit war das Thema erledigt, und die Heimfahrt auf Notreserve wurde recht spannend.
Allgemein war die Klientel im MASH extrem heterogen, was am großen Einzugsgebiet und mangelnden Alternativen lag. Es gab zwar noch eine andere Disco namens Pharao in der Nähe, doch die galt als Popperladen, und alles, was irgendwie "alternativ" oder halbwegs abgefuckt war, wurde die Treppe in den Keller hinabgespült.
An der Theke saß häufig eine - sorry - unglaubliche alte Schlampe namens Hildi, die jeden jungen Kerl mit "Schatz" ansprach und versuchte, Drinks oder Schwänze zu erschnorren. Sie war irgendwas zwischen 55 und 70, immer in Leopardenoutfits gewandet, hatte schwarzgefärbte Haare, trug eine ebenfalls schwarze 70er - Jahre - Sonnenbrille mit Plastikgestell und gemahnte in ihrer ganzen solariumsgerösteten Faltigkeit an einen parfümierten Leguan.
Ich fand sie erstaunlich widerwärtig. Eine mir bekannte Person, die vor nichts zurückschreckt, hinderte das allerdings nicht daran, sich auf eine Wette mit seinem besten Freund hin von ihr abschleppen zu lassen und sie in ihrer Wohnung durchzubürsten, wobei er, als er am nächsten Tag realisierte, auf was er sich da im Vollsuff eingelassen hatte, erst einmal weinend, verwirrt und seiner Selbstachtung beraubt durch das morgendliche Landau irrte.
Immerhin gewann er einen Kasten Bier; da kann man kleinere Nachteile schonmal in Kauf nehmen.
Wenn wir gerade bei wahrhaft obskuren Gestalten sind (und davon gab es einige): ein weiterer Typ der mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist, war Speedy.
Ein bärtiger Mann Mitte 30, der immer eine weiße Schiebermütze und billige Polohemden trug. Niemand kannte ihn; den Namen "Speedy" bekam er verpaßt, weil er seine Hemden gerne mittels Edding mit Botschaften verzierte, neben - natürlich - SPEEDY war das die Frage "Und wer liebt mich?"
Sein Markenzeichen war es, bei irgendwelchen Songs auf der Tanzfläche ständig im Kreis herumzurennen und nur kurz innezuhalten, um entweder aus Leibeskräften zu schreien oder mit der flachen Hand irgendwo dagegenzuschlagen, entweder an die Wand oder an die Box, die von der Decke hing.
Ab und zu interagierte er auf merkwürdige Weise mit einem älteren Typ mit schulterlangen lockigen Haaren, der zwar aussah wie ein Büroangestellter, aber jedesmal dermaßen sturzbesoffen war, daß er einfach ziellos über die Tanzfläche torkelte und das offenbar auch für eine adäquate Art und Weise hielt, sich zur Musik zu bewegen.
Apropos "Edding": häufig saß im MASH auch ein Typ mit einem Mickymauspullover, auf den er "Locust Abortion Technician" geschrieben hatte, den Titel der ersten Butthole - Surfers - LP.
Ich fand ihn äußerst seltsam, doch mein damals bester Kumpel (auf den ich noch zu sprechen kommen werde) unterhielt sich gerne mit ihm und war der Meinung, er sei ziemlich cool. Zumindest schien man ihm einen gewissen schrägen Humor nicht absprechen zu können.
Jahre später begegnete er mir auf einer Bahnfahrt nach Speyer, und da mir langweilig war, kam ich mit ihm ins Gespräch. Da merkte ich, daß mein erster Eindruck mich nur insofern getäuscht hatte, daß der Typ nicht einfach nur seltsam, sondern komplett wahnsinnig war. Nachdem ich zehn Minuten sturzbachartig zusammenhanglose Logorrhöe über mich hatte ergehen lassen, verabschiedete er sich von mir mit einem lauten "SIEG HEIL ELVIS PRESLEY", und ich bedauere es nicht, ihm seitdem nie wieder begegnet zu sein.
Doch natürlich waren das extreme Sonderfälle. In der Regel war die Klientel im MASH an der gesellschaftlichen Norm gemessen zwar schon sehr schräg, aber größtenteils durchaus zurechnungsfähig.

(weiter in Teil 5)

MASH it up - Remix 2019 Track 3: On The Road Again


Bis es allerdings soweit war, mußte ich zuerst mal ein organisatorisches Problem von gewaltigen Ausmaßen lösen: wie kam ich sonntags um diese Zeit überhaupt nach Landau?
Ich hatte keinen Führerschein, Freunde mit Auto, die mich begleitet hätten, waren keine in Sicht, und meine Mutter konnte ich auch nur sehr selten dazu überreden, mich frühabends einfach
13 Kilometer durch die Gegend zu karren.
Also gab es zwei Alternativen: bei halbwegs erträglicher Witterung fuhr ich mit dem Fahrrad, was mich im Lauf der Zeit nicht nur zwei davon kostete, die mir geklaut wurden, sondern den Heimweg je nach Alkoholkonsum auch manchmal zu einem Wagnis machte.
Ich erinnere mich noch recht gut an einen Abend, an dem ich mit meinem (auch heute noch) guten Freund Thorsten unterwegs war.
Kurz zuvor hatte ich zum ersten Mal erfolgreich zarte Bande zu einer jungen Dame bei mir aus dem Ort geknüpft, was aber drei Tage später bereits wieder irreparabel vorbei war, und dementsprechend war meine Stimmung. Also fuhren wir auf unseren Rädern ins MASH (auf der Strecke über Knittelsheim, das sehr spezielle Ottersheim, aber dazu später,  und Offenbach/Queich), wo ich mein gekränktes Gemüt dadurch betäubte, daß ich mir in kürzester Zeit das Stammhirn mit Bier flutete und in einer Klokabine kotzend über der Schüssel hing.
Zum Glück war ich damals dermaßen weggetreten, daß ich mir gar nicht richtig gewahr wurde, in was für einen Höllenschlund ich mich da gerade entleerte, und dem kleinen Rest von mir, der noch etwas realisierte, war es komplett egal. Thorsten, der mich verzweifelt suchte, fand mich jedenfalls nur deshalb, weil meine bestiefelten Füße unter der Tür der Klokabine herausragten und geleitete mich dann in Blindenhundmanier aus dem Laden hinaus zu unseren Fahrrädern, auf denen wir den Heimweg antraten.
Auf diesem brachte ich das einzigartige Kunststück fertig, zweimal während des Fahrens auf dem Sattel einzuschlafen, weil ich komplett komatös war, was mich in der Folge vom Weg abbrachte und dann in einer abrupten Flugeinlage vom Rad auf den jeweils angrenzenden Acker katapultierte.
Erstaunlicherweise überstand ich das, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen, die alte Binsenweisheit bestätigend, daß Kleinkindern und Besoffenen nie etwas passiert.
War das Wetter scheiße, mußte ich auf Möglichkeit zwei zurückgreifen, dann trampte ich. Dummerweise fand ich kaum jemanden, der in Bellheim anhielt und gleich nach Landau durchfuhr, so daß ich meistens einen Zwischenstop in besagtem Ottersheim einlegte, damals das unbestrittene Epizentrum dorfdeppiger Dumpfnüssigkeit.
Kam man aus meiner Richtung ins Dorf, fuhr man automatisch auf eine Bushaltestelle zu, bevor die Straße dann eine scharfe Linkskurve Richtung Landau beschrieb. An besagter Haltestelle hatten auch einige juvenile Frikasseehirne eine Art Treffpunkt eingerichtet, an dem zumeist schnauzbärtige Mopedfahrer mit Nackenspoilern und FALCON - Bomberjacken Marlboro rauchten und Böhse Onkelz hörten.
Als Punk wurde man da nicht gerade freundlich beäugt, wenn man zehn Meter entfernt trampte, und da die Anhängerschaft der deutschen Fußballnationalelf damals durchaus noch nicht so weltoffen und buntgemischt war wie heute, mußte ich einmal sogar die Beine in die Hand nehmen, als nach einem Spiel der EM 92 plötzlich irgendwelche Typen mit Deutschlandfahnen hinter mir her waren. Ich weiß zwar nicht, ob mir großartig was passiert wäre außer Pöbeleien und ein paar Ohrfeigen, aber ich hatte keine Lust, das herauszufinden.
Doch auch, wenn man glücklich jemanden gefunden hatte, der einen (manchmal nach anderthalb Stunden Wartezeit) das letzte Stück nach Landau mitnahm, konnte man noch einige bizarre und manchmal auch beunruhigende Erfahrungen machen.
Eimal nahm mich ein arroganter Schwarzer mit Dreads und Lederjacke mit, der mir erzählte, sein Name sei Marcus, er wäre Musiker und hätte mit dem damals populären One - Hit - Wonder Carl Keaton gespielt, was mich - ohne annähernd jemanden zu kennen, der auch nur halbwegs prominent war - irgendwie beeindruckte.
So weit, so gut. Jedoch fing der gute Mann kurz darauf an, zu maulen, er würde jetzt extra wegen mir einen Umweg fahren und hätte kaum noch Benzin. Und so ging es weiter, er wurde immer arschiger und pampiger, bis er mir, der ich die Situation irgendwann als latent bedrohlich empfand, ein paar Mark Spritgeld aus den Rippen gepreßt hatte. Wohlgemerkt: ein Studiomusiker einem jungen Auszubildenden, dem man schon von Weitem ansah, daß er weder Kohle noch sonstwas auf der Pfanne hatte.
Ein anderes Mal stand ich da und hörte bereits aus einiger Entfernung ein lautes BUMM BUMM BUMM auf die Haltestelle zukommen. Kurz darauf bog ein aufgemotzer Golf GTI um die Kurve, der einen stilisierten Adler mit ausgebreiteten Schwingen auf der Motorhaube kleben hatte und aus dem Blümchen und sonstiger Eurotrash wummerte, und zwar nicht nur laut, sondern FUCKIN' laut. Er hielt mit quietschenden Bremsen, ein  schnauzbärtiger Typ im Tanktop stieg aus und fragte "wu willschn hi"?
"Landaach."
"Steisch ei, ich schmeiß grad noch den Scheiß do hinnenei", worauf er ein paar leere Kartons auf den Rücksitz feuerte. Als ich dann auf dem Beifahrersitz Platz nahm, sah ich auf dem Rücksitz ein höchstens fünfjähriges Kind, das noch dazu direkt vor der mächtigen Box saß, während der Fahrt ständig "Babba" rief und versuchte, seinem Erzeuger etwas zu sagen, was dieser andauernd mit einem schlechtgelaunten "jajaah" abtat. Was für eine glückliche Kindheit.
Ein weiteres mal hielt ein dicker Mercedes mit einem poppermäßigen Typ am Steuer, der mich dann fragte, ob es mich stören würde, wenn er Musik anmachte. Ich sagte "nein" und erwartete U2 oder ähnliches.
Stattdessen bekam ich überraschend atonalen Krach um die Ohren gehauen, der sich als Steel Pole Bath Tub herausstellte, die ich inzwischen selbst sehr schätze, und der Typ am Steuer war Rene, der mit dem Geschäftsauto seines Vaters unterwegs war und zwei oder drei Jahre später einer meiner besten Kumpels werden sollte. Das war unsere erste Begegnung.
Schön war diese Zeit natürlich nicht. Es war auf eine gewisse Weise entwürdigend, dermaßen von anderen abhängig zu sein. Ebenso war die Ungewissheit, wie man wieder heimkäme (ohne mitten in der Nacht Mutter aus dem Bett zu klingeln und auf dem Heimweg ihre - verständlicherweise - schlechte Laune zu ertragen) genauso nervtötend wie damals noch wildfremde Leute im MASH anzuquatschen, ob sie mich mit dem Auto ein Stück in ihre Richtung mitnehmen könnten.
Doch das hatte sich bald erledigt, denn im Februar 93 schaffte ich endlich die Führerscheinprüfung.

(weiter in Teil 4)

Sonntag, 10. Februar 2019

MASH it up - Remix 2019 Track 2: The Eagle Has Landed

Der Grund, warum ich mich sonntags dort einfand, war anfangs "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, war der Beginn meiner Punksozialisation dieser eigentlich unglamouröse. Ich kann nicht behaupten, durch irgendwelche Insidertips zu Musik härterer Gangart gekommen zu sein, abgesehen von Slayer, als deren Fan ich mich auch erst outete, als sowieso schon alles egal und mein Image als Liebhaber gepflegter Mainstreammusik schon genauso hinüber war wie das als wohlerzogener junger Mann. Wobei das "wohlerzogen" auch nur auf Spekulationen meines Umfelds zurückging, die im krassen Gegensatz zu meiner eigenen Erfahrung standen, aber das ist eine komplett andere Geschichte.
Aber Minor Threat und die Dead Kennedys folgten erst im Anschluß an dieses:
mein Ekel und meine Wut über die ausländerfeindlichen Pogrome in Rostock und Hoyerswerda trafen zusammen mit dem Kennen - und Schätzenlernen meines ersten richtigen Linksautonomen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahrs und der Ausstrahlung des Nirvana - Videos auf MTV.
Nach drei oder vier Durchgängen gefiel mir der Song, und ich wollte nur noch eines: an Orten und auf Konzerten sein, an und auf denen man zu Musik dermaßen hemmungslos aus sich herausgehen konnte, wie ich es ebenda gesehen hatte. Und Leute um mich herum zu haben, die mein neu erwachendes politisches Bewußtsein mit mir teilten, denn in meinem bisherigen Freundeskreis erntete ich damit im harmlosesten Fall Verwunderung oder Desinteresse.
Also begann ich, ins MASH zu gehen, passierte nach der Einlaßkontrolle anfangs noch reichlich unsicher über den flachgenoppten schwarzen und roten Kunststoffbodenbelag tappend zuerst eine Sitzgruppe aus Holzquadern und ging an die vordere Theke, um mir - huch - ein BIER zu bestellen.
Ich war nun also kein harmloser Heranwachsender mit Polohemdkragen unter dem Sweatshirt mehr, sondern ein richtiger Teenager, der in obskuren Discos Alkohol trank. Ein großer Schritt für Stefan Gaffory, gar keiner für die Menschheit, aber egal.
Weiter ging es durch den schlauchförmigen Mittelgang, der genauso eingerichtet war: unterschiedlich hoch aufgestellte Sitzgelegenheiten unter konkaven Wänden, alles zusammen einen zutiefst abgeranzten Flair versprühend wie ein Stinktier sein Sekret aus der Afterdrüse.
Rechter Hand kamen dann zuerst die Toiletten, und eines will Ihnen gesagt sein: ich weiß ja nicht, wo überall Sie jemals Ihr Geschäft verrichtet haben, aber etwas Grauenerregenderes hat wohl kaum je ein Menschenaug' erblickt, zumindest nicht in mitteleuropäischen Gefilden. Zumindest kam es mir damals so vor.
Die Toiletten waren geschätzt von 1968 und seitdem wahrscheinlich weder renoviert noch geputzt worden. Der Uringestank dort war so beißend, daß Kleingeld in der Hosentasche sofort zu rosten begann, wenn man den Raum betrat, und es gab vor dem Betreten des MASH keine furchterregendere Vorstellung, als in dem Laden plötzlich unaufschiebbar scheißen zu müssen.
Links von diesem Kabinett des Schreckens befand sich der Raum mit der Tanzfläche: in der Mitte ein hell ausgeleuchtetes Areal von der Größe eines Studentenwohnheimzimmers mit Metallbeschlägen auf dem Boden, links und rechts davon Sitzreihen und am Kopfende eine Art mit Schwarzlicht bestrahlter Empore, in der die mannshohen Boxen standen und außerdem genug Platz war, um konspirativ tanzend den Blicken entzogen zu sein, wollte man sich nicht unten im Flutlicht vor jedermanns Augen zum Kasper machen.
Apropos "zum Kasper machen": auch meine äußerliche Mimikry begann zu der Zeit schleichend. Rückblickend ist es unfaßbar, welche Outfits man mit 19 oder 20 cool, gewagt oder verwegen fand.
Obligatorisch: offenes Holzfällerhemd über Bandshirts, dazu abgeschnittene schwarze Bundeswehrhosen und Neunlochdocs mit roten Schnürsenkeln. Wenn man ganz verrückt drauf war, T - Shirt ÜBER dem Holzfällerhemd. Mit Kuli selbstbekritzelte Jeans, mit kunstvoll erstellten Bandlogos und grunzpeinlichen Politparolen verziert.
Mein erstes richtig "cooles" Bandshirt war ein inoffizielles mit dem Logo der Red Hot Chili Peppers, weil ich damals die gerade neuentdeckte und - gekaufte "Blood Sugar Sex Magik" bis zum Erbrechen rauf - und runternudelte, etwas, was mir heute ähnlich fremd ist wie meine damaligen Outfits.
Das T - Shirt mußte natürlich allzeit einsatzbereit sein: nach dem Tragen mußte es am nächsten Tag auslüften, da nach jedem MASH - Besuch alle Klamotten nach totem Maulwurf rochen.
Mußte es in die Wäsche, wurde mit heranschleichender Panik gehofft und gebangt, daß Muttern es bis zum Sonntag gewaschen haben würde und es dazu auch noch trocken sei.
Und um es vorwegzunehmen: "Smells Like Teen Spirit" war anfangs der einsame Höhepunkt des Abends, und ich weiß, daß ich nicht der Einzige war, der vom Durchdrehvorsatz geleitet war.
Denn oftmals artete der Pogo der Meute, die schlagartig die Tanzfläche stürmte (und manchmal sogar von Besuchern, die von den oberen Sitzreihen in die Menge hechteten) zu einem wüsten Tumult aus, bei dem man nach Songende mehr oder weniger zerschunden zu gleichen Teilen glücklich, auf eine seltsame Art und Weise befriedigt sowie stolz war, ihn mittenmang dabei ohne größere Schäden überstanden zu haben.
Andere hatten manchmal weniger Glück: einmal verließ ich die Tanzfläche mit einem Fetzen der Unterlippe meines damals besten Kumpels, der am Ärmel meines T - Shirts klebte.

(weiter in Teil 3)

Freitag, 8. Februar 2019

MASH it up - Remix 2019 Track 1: Intro

Man greift blind in einen erinnerungsgefüllten Grabbelsack und zieht das Jahr 1992 heraus, exemplarisch für eine Lebensphase stehend.
Allein die Erwähnung dieser magischen Zahl erzeugt eine Kette von Erinnerungen, deren einzelne Glieder irgendwann lose werden und auseinanderfallen, bis die Einzelteile keiner festen Reihenfolge mehr zuzuordnen sind.
Doch was da irgendwann herumliegt wie ein Haufen loser Büroklammern wird von einem absoluten Mittelpunkt magnetisch fixiert, einem spaceodysseyschen schwarzen Monolithen, der aber zu seinem Vorbild einen entscheidenden Unterschied aufweist: auf ihm prangt in weiß der geschwungene Schriftzug MASH.
Nur soll das elegant nach End - 60er - Retro aussehende und auf einem stilisierten Frauentorso prangende Logo nicht über den eigentlichen Charakter dieses Kellermusikclubs hinwegtäuschen, denn er war ein wahrhaft begriffsdefinitionstaugliches Dreckloch.Und wir haben ihn dafür geliebt.
Für viele Leute aus Landau und den Dörfern der Umgebung war er jahrelang der Mittelpunkt ihres Lebens, die Flucht vor ranzigen Dorfkneipen mit blaumanngewandeten Skatspielern samt Rumpelrassismus aus der oberen Volldeppenliga, Dorffaschingsfeiern in Mehrzweckhallen und Weinfesten, auf denen man sich förmlich besinnungslos saufen mußte, um die Musik und die Leute dort auch nur ansatzweise zu ertragen. Was wiederum den unangenehmen Nachteil hatte, daß man in intoxikiertem Zustand als Dorfnichtasso von genauso besoffenen, aber deutlich trinkfesteren Dorfsehrwohlassos gerne mal eine auf's Maul haben konnte, ohne explizit danach verlangt zu haben.
Wie das Programm der einzelnen Wochentage gestaffelt war, weiß ich nicht mehr genau (sachdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen). Soweit ich mich erinnere, war mittwochs der "Halbe - Preise - Tag", eine wunderbare Gelegenheit, sich sinnlos zuzulöten (vor allem, wenn man - wie ich - Auszubildender mit begrenzten finanziellen Mitteln war), samt reichlich gesichtsloser Mainstreammusik.
Den Donnerstag mied ich als - damalige Eigendefinition - "Punk" natürlich wie die Pest, denn das war der Hippietag voll mit absunderlichen Barfußläufern und Hush - Puppy - Trägern, Frauen mit lila Seidenhalstüchern und bedruckten Hosen sowie nickelbebrillten Sozialpädagogen mit verfilztem Webpelz anstatt einer Frisur, die zu schwurbelig zugedröhnter Scheißmusik Ausdruckstanz betrieben.
Über vereinzelte Musikstücke würde ich heutzutage sogar diskutieren, denn einigen davon muß ich mittlerweile durchaus Qualitäten zugestehen, doch bei der zugehörigen Klientel weigere ich mich nach wie vor.
An den Freitag und den Samstag habe ich kaum Erinnerungen, doch der Sonntag war im allgemeinen MEIN Tag. Es lief sehr vieles, was sich im Allgemeinen unter "Alternative" zusammenfassen ließ sowie vereinzelte Metalstücke, und ich traf eine Menge Leute, die nur an diesem Tag dort waren.
Ich fieberte die ganze Woche lang auf diesen Abend hin und versuchte sogar meine jeweilige Chefin zu überreden, mir montags frei oder zumindest Spätschicht zu geben.
Wenn dies einmal nicht klappte, konnte mich das an den Rand spätpubertärer Verzweiflung bringen, genau wie ein Sonntag mit schlechter Stimmung, wenig Besuchern oder magerer Ausbeute von Songs aus meinem Geschmacksspekrum mir die komplette folgende Woche versauen konnte, bis der nächste Sonntag begonnen hatte.
Dann stieg man wieder voller Vorfreude die Kellertreppe hinab in die Duftmischung aus feuchten Wänden, kaltem Rauch, nassem Hund und Moder und bezahlte bei dem Mann am Einlaß seine drei Mark, um einen pastellfarbenen Verzehrbon in Empfang zu nehmen.

Von diesem Moment an hatte das Leben endlich wieder einen Sinn. (weiter in Teil 2)


Freitag, 1. Februar 2019

Zwischenspiel mit Ofenkäse

Heute Abend auf dem Heimweg von der Arbeit in der S5.
Irgendwann steigt ein älterer Mann mit geschätzt 2,8 Promille Standgas zu, der in unregelmäßigen Abständen in bester Westernhagenmanier "It's my life" durch den Mittelgang röhrt, was wohl mit gutem Willen als Gesangsversuch durchgehen würde.
"It's my life", sonst nichts. Dann zwölf Sekunden Pause, und "it's my life".
Erstaunlich ist nur, daß die übrigen Mitfahrer zwar versuchen, das Gepöhle und Genöhle zu ignorieren und dabei möglichst unbeteiligt auszusehen, aber dieses vorgebliche Unbeteiligtsein völlig verkrampft wirkt und eine dermaßen unerträglich gespannte Atmosphäre erzeugt, daß man das Gefühl hat, ein herzhaftes "halt's Maul, du Vollpfosten" würde diese ohne weitere Konsequenzen lösen.
Aber es bleibt aus, auch von mir, bin ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, unbeteiligt auszusehen.
Ja, mein Heimweg von der Arbeit: noch bin ich ja bis Ende Februar Altenpfleger, bevor ich meine Arbeitskraft den Mächten des Wahnsinns zur Verfügung stelle, und als solcher wurde ich dieser Tage Zeuge, wie nekrotisches Gewebe auf einer Beinganggrän entfernt wurde.
Ich wurde schon öfter Zeuge, wie nekrotisches Gewebe von irgendwas entfernt wurde und kann Ihnen glaubhaft versichern, daß das zu den Dingen im Leben gehört, die man wirklich nicht gesehen haben muß. Ich bin mir sicher, daß man auch hernach auf dem Sterbebett liegen und sein Leben Revue passieren lassen kann, ohne daß unter den Sachen, die man tragischerweise verpaßt hat, zwischen Sexorgien und einer Rockstarkarriere die Entfernung nekrotischen Gewebes von einem Decubitus am Steiß auftauchen wird.
Nichtsdestotrotz liegt aber darin das Geheimnis für meinen abgrundtiefen Ekel vor Ofenkäse, ohne diesen jemals probiert zu haben.
Denn das hat dieser Beruf aus mir gemacht: als ich Fernsehwerbung für besagtes Produkt sah, in der eine knusprige Kruste abgehoben wurde und darunter gelber Madder Fäden zog, dachte ich nicht etwa an Eßbares, sondern meine erste Assoziation war oben genannte, und ich wollte in dem Moment nur noch einen Eimer, um mich schwallartig hinein zu übergeben. Und so geht es mir bis heute, wenn ich auch nur an Ofenkäse denke, und das passiert häufiger, als mir lieb ist, denn Frau Turini ist verrückt nach dem Zeug.
Als nicht in der Pflege Tätiger erscheint Ihnen dieses Verhalten vielleicht rätselhaft, aber Leute mit demselben Beruf dürften wissen, was ich meine und im schlimmsten Fall bei der Erwähnung von Ofenkäse nun auch von diesen Bildern heimgesucht werden, und ich bin schuld daran.

Sie brauchen mir nicht zu danken, sowas tu ich doch gerne.

Sonntag, 27. Januar 2019

Zurück ins MASH

Die Beastie Boys sind schuld.
Ich durchpflüge gerade ihre in Eigenregie erstellte, ziegelsteingroße und -schwere, schlicht "Beastie Boys Buch" betitelte Bandbiographie mit einer Mischung aus Begeisterung, Nostalgie und Melancholie.
Diese Band begleitet mich nun schon seit meinem 13. Lebensjahr, und 1987 bekam ich von meiner Mutter auch endlich die "Licensed To Ill" - LP geschenkt, die ich mir lange gewünscht hatte.
Ich verstand zwar kaum ein Wort von den Texten, aber die Musik, die Art des Vortrags und die Attitüde (die einen 30 Jahre später nicht nur mit Fremd -, sondern die Band bereits Anfang der 90er mit Eigenscham erfüllte und bis heute erfüllt) gefielen mir.
Die Platte wurde mein erstes Rapalbum, obwohl ich seit dem gelegentlichen Auftauchen von Grandmaster Flash and the Furious Five in FORMEL EINS nach dem deutsch untertitelten Clip von "The Message" ebenda schon mit zehn Jahren entdeckt hatte, daß ich Rap eigentlich ziemlich großartig finde.
Wer weiß, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wäre ich in einer Großstadt aufgewachsen, in der es gute Plattenläden und Breakdance - Crews gab; auf dem Dorf stand man mit dieser Vorliebe in den frühen 80ern allein auf weiter Flur.
Gleichaltrige hörten entweder Pop oder die Metalplatten ihrer großen Brüder, und ältere Jugendliche waren zumeist in der KJG und mochten Supertramp oder Grobschnitt.
Einig schienen sich nur alle darüber zu sein, daß Rap keine Musik ist.

"Hör mer doch uff mit dem bekloppte Rap
das ist doch alles nur Nepp
is doch billisch un lasch",

wie es die zum Glück unvergleichlichen Rodgau Monotones in ihrem damaligen Hit "Die Hesse komme!" schon formulieren und somit alle späteren Grabenkämpfe mit musikalischen Ignoranten und Scheuklappenträgern um Jahre vorwegnehmen.
Nebenbei bemerkt: die Gruppe gibt es immer noch, und nach wie vor knödeln sie in ihrer lauwarm aufgewärmten Rentnergrütze irgendwas von "früher nannte man sowas Musik", wie ich vor vier oder fünf Jahren mal inmitten eines mit sterilem Bläsergeschmier aufgepepptem Comeback - Gute - Laune - Kehrichts ihrerseits vernehmen durfte, woraufhin ich sofort das Radio ausschaltete. Schuster bleib in deinem Schubfach.
Aber egal, eigentlich wollte ich gar nichts über Rap im allgemeinen schreiben.

Haken wir also beim Begriff "Melancholie" noch einmal genauer nach.
Ich höre natürlich - nun mal wieder angefixt - momentan andauernd die Beastie Boys, vorzugsweise "Check Your Head" (1992) und "Ill Communication" (1994). Über letzteres darf ich mich aufgrund des 25jährigen Jubiläums seines Erscheinens auch demnächst im OX auslassen, aber das nur nebenbei.
Überrascht war ich von den sturzbachartig über mich hereinbrechenden Erinnerungen, die von der Beschäftigung mit beiden Alben bei mir ausgelöst wurden. Das mag daran liegen, daß ich bei ihrem Erscheinen gerade noch 18 bzw. 20 Jahre alt war, also in der schwierigen Phase zwischen "Teenager" und "Erwachsener". Man ist beides noch nicht so richtig; zwar volljährig, aber - wie ich heute weiß - noch meilenweit davon entfernt, seinen Platz im Leben gefunden zu haben.
Erstaunlicherweise verknüpfen sich diese Erinnerungen in den meisten Fällen mit dem MASH, einem schon lange nicht mehr existenten, ranzigen Kellerclub in Landau/Pfalz, sowie den Menschen, denen man dort begegnete.
Dort ist auch die Schnittmenge zwischen den Beastie Boys und (nicht nur) mir: auch sie waren bereits früh in Läden abseits des Mainstreamgeschmacks unterwegs und wurden von der dortigen Klientel und der Musik ebenda geprägt, was sie wiederum in ihren Erinnerungen detailliert schildern. Nur hatten sie eben das Glück, in einer pulsierenden Metropole aufzuwachsen und nicht in Bellheim. Oder Offenbach/Queich, Rohrbach, Impflingen, Herxheim, Hördt oder Kandel, um nur zufällig ausgewählte Beispiele zu nennen.
Diese ganzen Käffer (ja, Käffer ... dazu stehe ich auch, mögen sich da noch so viele Lokalpatrioten beschweren) waren Einzugsgebiet des MASH, einem Laden, der uns trotz aller Haßliebe, die wir ihm entgegenbrachten, genauso geprägt hat wie angesagte Clubs in Metropolen die Jugendlichen dort.
Dieser Laden stak dermaßen voller Geschichten und Anekdoten, daß es ein Wunder ist, daß ihm bisher noch niemand in literarischer Form ein Denkmal gesetzt hat, fiel mir gestern beim spätabendlichen Bier in meiner Stammkneipe ein. Ich saß da und machte gedanklich eine Rolle rückwärts, einzelne Abende tauchten wieder auf, vergessen geglaubte Gesichter und Anekdoten, zu der Zeit angesagte Songs ... und da dachte ich: warum erledigst du das nicht?

It's a dirty job but someone's gotta do it,

wie es bei den zu jener Zeit omnipräsenten Faith No More treffend heißt.

Die Frage ist nur: braucht das jemand? Will das irgendwer lesen? Mal wieder autobiographische Anmerkungen von jemandem, den kaum jemand kennt über einen Laden, der kaum noch jemanden interessiert?
Jedenfalls werde ich einen Versuch dazu hier in den Blog stellen, vielleicht in mehreren Teilen. Dann werde ich sehen, wie die Resonanz ist und ob es sich lohnt, dieses Projekt weiterzuverfolgen.

Und, bevor sich jemand umsonst Sorgen macht: in prekären Fällen werde ich Namen unkenntlich machen.