Man greift blind in einen erinnerungsgefüllten Grabbelsack und zieht das Jahr 1992 heraus, exemplarisch für eine Lebensphase stehend.
Allein die Erwähnung dieser magischen Zahl erzeugt eine Kette von Erinnerungen, deren einzelne Glieder irgendwann lose werden und auseinanderfallen, bis die Einzelteile keiner festen Reihenfolge mehr zuzuordnen sind.
Doch was da irgendwann herumliegt wie ein Haufen loser Büroklammern wird von einem absoluten Mittelpunkt magnetisch fixiert, einem spaceodysseyschen schwarzen Monolithen, der aber zu seinem Vorbild einen entscheidenden Unterschied aufweist: auf ihm prangt in weiß der geschwungene Schriftzug MASH.
Nur soll das elegant nach End - 60er - Retro aussehende und auf einem stilisierten Frauentorso prangende Logo nicht über den eigentlichen Charakter dieses Kellermusikclubs hinwegtäuschen, denn er war ein wahrhaft begriffsdefinitionstaugliches Dreckloch.Und wir haben ihn dafür geliebt.
Für viele Leute aus Landau und den Dörfern der Umgebung war er jahrelang der Mittelpunkt ihres Lebens, die Flucht vor ranzigen Dorfkneipen mit blaumanngewandeten Skatspielern samt Rumpelrassismus aus der oberen Volldeppenliga, Dorffaschingsfeiern in Mehrzweckhallen und Weinfesten, auf denen man sich förmlich besinnungslos saufen mußte, um die Musik und die Leute dort auch nur ansatzweise zu ertragen. Was wiederum den unangenehmen Nachteil hatte, daß man in intoxikiertem Zustand als Dorfnichtasso von genauso besoffenen, aber deutlich trinkfesteren Dorfsehrwohlassos gerne mal eine auf's Maul haben konnte, ohne explizit danach verlangt zu haben.
Wie das Programm der einzelnen Wochentage gestaffelt war, weiß ich nicht mehr genau (sachdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen). Soweit ich mich erinnere, war mittwochs der "Halbe - Preise - Tag", eine wunderbare Gelegenheit, sich sinnlos zuzulöten (vor allem, wenn man - wie ich - Auszubildender mit begrenzten finanziellen Mitteln war), samt reichlich gesichtsloser Mainstreammusik.
Den Donnerstag mied ich als - damalige Eigendefinition - "Punk" natürlich wie die Pest, denn das war der Hippietag voll mit absunderlichen Barfußläufern und Hush - Puppy - Trägern, Frauen mit lila Seidenhalstüchern und bedruckten Hosen sowie nickelbebrillten Sozialpädagogen mit verfilztem Webpelz anstatt einer Frisur, die zu schwurbelig zugedröhnter Scheißmusik Ausdruckstanz betrieben.
Über vereinzelte Musikstücke würde ich heutzutage sogar diskutieren, denn einigen davon muß ich mittlerweile durchaus Qualitäten zugestehen, doch bei der zugehörigen Klientel weigere ich mich nach wie vor.
An den Freitag und den Samstag habe ich kaum Erinnerungen, doch der Sonntag war im allgemeinen MEIN Tag. Es lief sehr vieles, was sich im Allgemeinen unter "Alternative" zusammenfassen ließ sowie vereinzelte Metalstücke, und ich traf eine Menge Leute, die nur an diesem Tag dort waren.
Ich fieberte die ganze Woche lang auf diesen Abend hin und versuchte sogar meine jeweilige Chefin zu überreden, mir montags frei oder zumindest Spätschicht zu geben.
Wenn dies einmal nicht klappte, konnte mich das an den Rand spätpubertärer Verzweiflung bringen, genau wie ein Sonntag mit schlechter Stimmung, wenig Besuchern oder magerer Ausbeute von Songs aus meinem Geschmacksspekrum mir die komplette folgende Woche versauen konnte, bis der nächste Sonntag begonnen hatte.
Dann stieg man wieder voller Vorfreude die Kellertreppe hinab in die Duftmischung aus feuchten Wänden, kaltem Rauch, nassem Hund und Moder und bezahlte bei dem Mann am Einlaß seine drei Mark, um einen pastellfarbenen Verzehrbon in Empfang zu nehmen.
Von diesem Moment an hatte das Leben endlich wieder einen Sinn. (weiter in Teil 2)
Freitag, 8. Februar 2019
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