Freitag, 22. Februar 2019

MASH it up - Remix 2019 Track 6: We Formed A Band

Ich habe diverse Kommentare auf Facebook (ja, ich weiß ...) zu dieser Textreihe erhalten, auch von Leuten, die ihre eigenen MASH - Erinnerungen loswerden wollten.
Natürlich sind meine Erlebnisberichte subjektiv; sie objektiv halten zu wollen, würde das Ganze erstaunlich inhaltsleer machen, und die Reihe wäre damit auch bereits beendet.
Meine Leserschaft kann ich nur dazu ermutigen, die Kommentarfunktion hier im Blog zu nutzen; nicht nur, um ihn weiter zu pushen (was natürlich ein angenehmer Nebeneffekt ist), sondern auch, um das Gesamtbild etwas ausgewogener zu gestalten. Auf Facebook geht die Fülle an Kommentaren leider mit der Zeit verloren, abgesehen davon, daß sie außer mir und wenigen anderen Leuten wahrscheinlich niemand liest (während sie hier zumindest ein Bestandteil der Beiträge wären und neue Perspektiven hinzufügen würden), und das ist eigentlich schade drum.

Zurück zum MASH:
das überaus heterogene Publikum habe ich bereits angesprochen.
Natürlich war die Atmospäre dort trotz allem weitgehend friedlich; ab und zu zog es ein paar ausgemachte Dorfassos in den Laden, die dann tatsächlich meinten, sich gegenseitig auf die Zwölf hauen zu müssen (ich erinnere mich einmal an eine Schlägerei zwischen zwei Vertretern der typischen Cola - Asbach - Nackenspoiler - Fraktion, bei der einer der beiden eine unfaßbar lausige Thai - Box - Performance ablieferte).
Einmal erinnere ich mich auch an ein wirklich widerliches Stück Scheiße, das einer damaligen guten Freundin von mir (die später in meiner Band Schlagzeug spielte) im Gedränge vor der Theke an den Hintern faßte und - als sie sich dann umdrehte - grinsend zu seinem Kumpel meinte: "Siehscht? Ich häb der doch gsaacht, dasses merkt", worauf die Betatschte einen Sturzbach an Beleidigungen auf den Grapscher niedergehen ließ.
Erstaunlicherweise hatte das für den Täter keinerlei Konsequenzen zurfolge, und ich ärgere mich gerade rückblickend noch darüber, damals nicht die Eier in der Hose gehabt zu haben, ihr beizustehen und bei den Verantwortlichen auf den Rauswurf der beiden Drecksäcke zu drängen. Irgendwie spielte immer eine Mischung aus der Angst, von niemandem ernstgenommen zu werden und der, das nach Verlassen des Ladens irgendein Arschloch oben warten würde mit. Meistens war man mit ernsthaften Problemen allein auf sich gestellt, vor allem, wenn man kaum jemanden kannte und nicht im Cliquenverbund unterwegs war.
Doch allgemein war die Idiotenquote eher überschaubar, und man arrangierte sich miteinander oder ignorierte sich gegenseitig.
Einmal liefen sogar irgendwelche französischen Faschos ein, die nach einer Mischung aus Dark Wave und EBM - Typen aussahen, blieben aber gleichfalls unbehelligt. Als ich dann mal kurz oben an der frischen Luft war, lungerten zwei oder drei von ihnen ebenfalls dort herum, und einer rotzte mir in einem sauber abgezirkelten Bogen direkt vor die Füße.
Da mir das nicht geheuer war, rief ich meine Mutter an, sie solle mich abholen (ja, ich weiß ... aber ich war damals ein Würstchen von zarten 19 mit der Tendenz, sich selbst furchtbar wichtig zu nehmen). Eine halbe Stunde später stieg ich dann in das Auto meiner Eltern, und mein Vater, der auf dem Beifahrersitz saß, hatte einen Baseballschläger auf dem Schoß liegen. Für solche Aktionen werde ich meinen seligen alten Herrn immer lieben.
Ansonsten gab es zwar durchaus Betroffene von Rauswürfen, doch das waren eher Absturzopfer.
Ein enfernter Bekannter von mir meinte einmal, sich (wohl unter Einfluß bewußtseinserweiternder Substanzen) oberkörperfrei auf der Tanzfläche in Bierlachen suhlen zu müssen und wurde daraufhin mit auf den Rücken gedrehten Armen schreiend von zweien der libanesischen Rausschmeißer aus dem Laden getragen, aber das ist schon einer der spektakulärsten Zwischenfälle, an die ich mich gerade erinnere.
Wenn wir gerade dabei sind: einen der Rausschmeißer fand ich immer sehr speziell.
Ein gnomiger arabisch aussehender Blob mit einem offenbar selbstgemachten Tattoo im JVA - Stil (Grabhügel, Kreuz, Strahlen, scheinbar mit Stecknadel und Kugelschreibermine erstellt), ständig eine Kippe im Mundwinkel, der auch Gläser einsammelte. Dabei trug er zumeist ein Feinrippunterhemd, das ungefähr in Bauchnabelhöhe aufhörte. Definitiv ein Kandidat für den Style Award.
Meistens gab es nur kleinere Nickeligkeiten zwischen den einzelnen Gruppen (Punks, Normalos, Hippies, EWH - Studenten etc.): ich erinnere mich an einen dicken, älteren Typen, der relativ normal gekleidet war und sich immer in unserem Areal auf der Empore aufhielt. Da keiner von uns eine Armbanduhr besaß, fragten wir ihn halt immer nach der Uhrzeit, worauf er mich einmal anschnauzte, "ich und meine Kumpels" (gemeint waren wohl allgemein Punks) sollten uns halt endlich mal eine Uhr kaufen. Heute verstehe ich natürlich, daß ihm das auf den Sack ging, aber damals fanden wir das sehr uncool, und er landete sofort auf unserer "Most hated" - Liste ... und seit er dann kurz nach dieser Aktion auf der Tanzfläche zu "Humble Stance" von Saga mal richtig aus sich herausging und sich absunderlich verrenkte, habe ich auch ein ernsthaftes Problem mit diesem Song, weil dann sofort ein unerwünschtes Kopfkino startet.
Aber noch eine Gruppe war auffällig.
Natürlich war der Laden auch DER Treffpunkt für alle, die enweder Künstler waren oder sich zumindest dafür hielten.
Wir hatten ja zu der Zeit in Landau und Umgebung eine sehr große Band - Inzucht im Bereich Metal, Hardcore und sonstigem "Alternative".
Ständig entstanden neue Projekte mit den gefühlt immer gleichen fünfzehn Mitgliedern.
Neben meiner eigenen anderweitig schon erwähnten Katastrophenkombo gab es noch HOMEMADE ABORTION, MELTDOWN, SCUD, BLEW, STÜCKWERK, FAKTOR 8, ein kurzlebiges Spaßprojekt namens BOSNIEN - HERZEGOWINA, CHASTMENT, CRUDE SLOPE, noch zwei oder drei Bands, deren Namen mir grad ums Verrecken nicht mehr einfallen und unzählige in Planung begriffene Kollaborationen und Projekte, die den Proberaum (und manchmal auch die Köpfe ihrer Planer) nie verließen.
Häufig wurden im MASH Festivals (die meistens in irgendwelchen Gemeindezentren, Grillhütten oder Jugendzentren stattfanden) geplant oder endgültig spruchfest gemacht, und rückblickend war das einer der Aspekte, die mir heute am besten gefallen.
Wir kamen aus Dörfern; wir saßen in einer kulturellen Einöde fest und waren dazu gezwungen, Eigeninitiative zu ergreifen, wenn wir nicht lebendig eingesargt sein wollten.
Es war eine unglaublich bewegte Zeit; jeder wollte irgendwie kreativ sein. In manchen Fällen (wie dem meinen) ging das erstaunlich schief, in anderen entstanden wirklich halbwegs erfolgreiche Kombinationen, die auch in anderer Form bis heute nachwirken (die späteren TREND oder GELD ET NELT beispielsweise).
Ich habe - auch, wenn ich nie richtig dazugehörte und einige der Beteiligten erst viel später besser kennenlernte - wirklich vorrangig gute Erinnerungen an diese wenigen Jahre. Ich denke, wir haben durch die Bündelung unseres Potentials das Beste daraus gemacht, was zu dieser Zeit herauszuholen war, und uns damit auch abseits der großen Städte eine Jugend beschert, mit der man rückblickend zufrieden sein kann ohne das Gefühl, etwas verpaßt zu haben, was man ansonsten hauptsächlich in Berlin oder Hamburg erleben konnte.


Zum Abschluß muß natürlich noch eine Trackliste her, zu was wir damals mit Vorliebe irgendwelche Körperteile geschüttelt haben. Manches ist natürlich völlig unspektakulär (und heute auch nicht mehr nachvollziehbar), aber damals waren das:

Nirvana: "Smells Like Teen Spirit"
Red Hot Chili Peppers: "Give It Away", "The Power Of Equality", "Suck My Kiss" (von "Blood Sugar Sex Magik") oder "Nevermind" (von "Freaky Styley")
Metallica: "Enter Sandman"
Pearl Jam: "Alive" oder "Even Flow"
Faith No More: "We Care A Lot", "Epic" oder "Midlife Crisis"
House Of Pain: "Jump Around"
Biohazard: "Punishment"

Zudem noch irgendein Crossover - Kack, an den sich heute kaum noch jemand erinnert. Blue Manner Haze, Urban Dance Squad (zumindest für die hab ich noch Restsympathie), Freaky Fukin' Weirdoz (eine der schlimmsten Bands ever).

Einige "normale" Rocksongs:

David Bowie: "Space Oddity"
Led Zeppelin: "Immigrant Song"
Black Sabbath: "Paranoid"

... und natürlich einige Pophits, die man damals offiziell natürlich scheiße fand, aber insgeheim doch mochte. Stellvertretend für alle hier

Tasmin Archer: "Sleeping Satellite"

Ich muß mal wieder feststellen, daß ohne das MASH viele von uns nicht das wären, was sie heute sind, denn dafür würde uns ein gerüttelt Maß an Lebenserfahrung in einem wichtigen Alter fehlen.
Es würde mich natürlich auch freuen, wenn einige meiner Leser vielleicht zum selben Endergebnis gelangen.

(ENDE)


1 Kommentar:

  1. Der mit den Gläsern war bei uns der Ali. Toll geschrieben die Serie, einiges kommt mir ziemlich bekannt vor. Eine Zeit lang gab es zum Eintritt ein Los, damit konnte man Freigetränke gewinnen. Ein damaliger Kumpel konnte die toll manipulieren und wir hatten jedes Mal den Jackpot. Ne Flasche Asbach und einiges an Cola dazu. Schää war's da unten.

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