Sonntag, 27. Januar 2019

Zurück ins MASH

Die Beastie Boys sind schuld.
Ich durchpflüge gerade ihre in Eigenregie erstellte, ziegelsteingroße und -schwere, schlicht "Beastie Boys Buch" betitelte Bandbiographie mit einer Mischung aus Begeisterung, Nostalgie und Melancholie.
Diese Band begleitet mich nun schon seit meinem 13. Lebensjahr, und 1987 bekam ich von meiner Mutter auch endlich die "Licensed To Ill" - LP geschenkt, die ich mir lange gewünscht hatte.
Ich verstand zwar kaum ein Wort von den Texten, aber die Musik, die Art des Vortrags und die Attitüde (die einen 30 Jahre später nicht nur mit Fremd -, sondern die Band bereits Anfang der 90er mit Eigenscham erfüllte und bis heute erfüllt) gefielen mir.
Die Platte wurde mein erstes Rapalbum, obwohl ich seit dem gelegentlichen Auftauchen von Grandmaster Flash and the Furious Five in FORMEL EINS nach dem deutsch untertitelten Clip von "The Message" ebenda schon mit zehn Jahren entdeckt hatte, daß ich Rap eigentlich ziemlich großartig finde.
Wer weiß, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wäre ich in einer Großstadt aufgewachsen, in der es gute Plattenläden und Breakdance - Crews gab; auf dem Dorf stand man mit dieser Vorliebe in den frühen 80ern allein auf weiter Flur.
Gleichaltrige hörten entweder Pop oder die Metalplatten ihrer großen Brüder, und ältere Jugendliche waren zumeist in der KJG und mochten Supertramp oder Grobschnitt.
Einig schienen sich nur alle darüber zu sein, daß Rap keine Musik ist.

"Hör mer doch uff mit dem bekloppte Rap
das ist doch alles nur Nepp
is doch billisch un lasch",

wie es die zum Glück unvergleichlichen Rodgau Monotones in ihrem damaligen Hit "Die Hesse komme!" schon formulieren und somit alle späteren Grabenkämpfe mit musikalischen Ignoranten und Scheuklappenträgern um Jahre vorwegnehmen.
Nebenbei bemerkt: die Gruppe gibt es immer noch, und nach wie vor knödeln sie in ihrer lauwarm aufgewärmten Rentnergrütze irgendwas von "früher nannte man sowas Musik", wie ich vor vier oder fünf Jahren mal inmitten eines mit sterilem Bläsergeschmier aufgepepptem Comeback - Gute - Laune - Kehrichts ihrerseits vernehmen durfte, woraufhin ich sofort das Radio ausschaltete. Schuster bleib in deinem Schubfach.
Aber egal, eigentlich wollte ich gar nichts über Rap im allgemeinen schreiben.

Haken wir also beim Begriff "Melancholie" noch einmal genauer nach.
Ich höre natürlich - nun mal wieder angefixt - momentan andauernd die Beastie Boys, vorzugsweise "Check Your Head" (1992) und "Ill Communication" (1994). Über letzteres darf ich mich aufgrund des 25jährigen Jubiläums seines Erscheinens auch demnächst im OX auslassen, aber das nur nebenbei.
Überrascht war ich von den sturzbachartig über mich hereinbrechenden Erinnerungen, die von der Beschäftigung mit beiden Alben bei mir ausgelöst wurden. Das mag daran liegen, daß ich bei ihrem Erscheinen gerade noch 18 bzw. 20 Jahre alt war, also in der schwierigen Phase zwischen "Teenager" und "Erwachsener". Man ist beides noch nicht so richtig; zwar volljährig, aber - wie ich heute weiß - noch meilenweit davon entfernt, seinen Platz im Leben gefunden zu haben.
Erstaunlicherweise verknüpfen sich diese Erinnerungen in den meisten Fällen mit dem MASH, einem schon lange nicht mehr existenten, ranzigen Kellerclub in Landau/Pfalz, sowie den Menschen, denen man dort begegnete.
Dort ist auch die Schnittmenge zwischen den Beastie Boys und (nicht nur) mir: auch sie waren bereits früh in Läden abseits des Mainstreamgeschmacks unterwegs und wurden von der dortigen Klientel und der Musik ebenda geprägt, was sie wiederum in ihren Erinnerungen detailliert schildern. Nur hatten sie eben das Glück, in einer pulsierenden Metropole aufzuwachsen und nicht in Bellheim. Oder Offenbach/Queich, Rohrbach, Impflingen, Herxheim, Hördt oder Kandel, um nur zufällig ausgewählte Beispiele zu nennen.
Diese ganzen Käffer (ja, Käffer ... dazu stehe ich auch, mögen sich da noch so viele Lokalpatrioten beschweren) waren Einzugsgebiet des MASH, einem Laden, der uns trotz aller Haßliebe, die wir ihm entgegenbrachten, genauso geprägt hat wie angesagte Clubs in Metropolen die Jugendlichen dort.
Dieser Laden stak dermaßen voller Geschichten und Anekdoten, daß es ein Wunder ist, daß ihm bisher noch niemand in literarischer Form ein Denkmal gesetzt hat, fiel mir gestern beim spätabendlichen Bier in meiner Stammkneipe ein. Ich saß da und machte gedanklich eine Rolle rückwärts, einzelne Abende tauchten wieder auf, vergessen geglaubte Gesichter und Anekdoten, zu der Zeit angesagte Songs ... und da dachte ich: warum erledigst du das nicht?

It's a dirty job but someone's gotta do it,

wie es bei den zu jener Zeit omnipräsenten Faith No More treffend heißt.

Die Frage ist nur: braucht das jemand? Will das irgendwer lesen? Mal wieder autobiographische Anmerkungen von jemandem, den kaum jemand kennt über einen Laden, der kaum noch jemanden interessiert?
Jedenfalls werde ich einen Versuch dazu hier in den Blog stellen, vielleicht in mehreren Teilen. Dann werde ich sehen, wie die Resonanz ist und ob es sich lohnt, dieses Projekt weiterzuverfolgen.

Und, bevor sich jemand umsonst Sorgen macht: in prekären Fällen werde ich Namen unkenntlich machen.







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