Freitag, 28. Februar 2020

Der Dichterfürst

Nach all den schwer besinnlich - nachdenklichen Beiträgen der letzten Wochen überfiel mich heute der unbezähmbare Drang, mal wieder dem Schwachsinn zu frönen, um es einmal in meiner neuerworbenen Studienratsdiktion auszudrücken.
Besoffen zu schreiben ist eine Kunst für sich.
Zu den Zeiten von "Kreisklassenhölle" hatte ich es (nicht nur) hierin zu einiger Meisterschaft gebracht, denn immerhin brachte ich einen kompletten Roman zustande, den ein paar Menschen sogar lesbar fanden.
Aks ich begann, mich zumindest halbwegs ernstzunehmend schreiberisch auszudrücken, war ich knapp volljährig; früheste Versuche datieren aus einer Zeit um meinen 15. Geburtstag herum, die ich aber beim besten Willen noch nicht einmal mehr selbst lesen kann, ohne vor Scham in Treibsand versinken zu wollen.
Sicherlich: einige von Ihnen fänden jene Versuche mit Sicherheit phantasievoll, denn diese war schon immer blühend; nach der Lektüre von drei John - Irving - Büchern zu dieser Zeit (von denen mich "Garp und wie er die Welt sah" und "Laßt die Bären los!" am meisten beeindruckten), begann ich, längere Texte zu verfassen und sie mit abstrusen Gestalten zu bevölkern.
Mit einer Geschichte gewann ich sogar 1989 einen Schreibwettbewerb der Landauer Stadtbücherei. So weit, so gut. Trotzdem:
Protagonisten mit Namen wie "Pinguin Jones", "Nexa Blank" oder einäugige ältere schwarze Herren, die "Stein Bein" heißen (nachdem sie ihren Namen haben eindeutschen lassen; vorher hießen sie nämlich ... oh Jessas, ich will das eigentlich nicht schreiben, aber fürchte, nun muß ich es tun.
Also gut, Achtung: "Stone Bone") haben zurecht nie im Komplettzustand das Licht der Welt erblickt, und geht es nach mir, werden sie bis ans Ende meines Lebens in meiner geistigen Sacksuppe herumschwimmen.
Jedenfalls fiel mir heute Morgen nach dem Aufstehen ein, daß ich mit 19 Jahren (am 12.03.1993, um genau zu sein) einmal ein gar waaaaaghalsiges Experiment startete: in meiner damaligen Stammkneipe, dem "Terminal" in Landau, zog ich mir ordentlich die Vorhänge mit Persicos zu; 12 Stück davon goß ich mir auf die Lampe.
Heute bekomme ich bereits Sodbrennen, wenn ich an dem klebrigen Zeug nur rieche, aber damals hatte ich bei "richtigem" Schnaps noch ziemliche Hemmungen und wich auf Likör aus.
Nichtsdestotrotz war Teil 1 meines Vorsatzes damit erledigt; Teil 2 bestand darin - nachdem mich Freunde wieder an der Wohnung meiner Eltern in Bellheim (still hate it, always will) abgesetzt hatten, mich an meinen Schreibtisch zu setzen und auf ein Blatt Papier zu kritzeln, was mir gerade einfiel.
Ich machte mich also heute auf die Suche nach dem Ergebnis und fand es unter Bergen von mir beschriebenen Papiers (Entwürfe für Geschichten; sinistre Gedichte aus meiner Punkzeit; CONTRACT - Songtexte in grausamem Englisch; HipHop - Texte in für diesen Zweck fast zu gutem Deutsch; in Kneipen mit Ideen vollgekritzelten Bierdeckeln etc).
Und diese Pretiose möchte ich Ihnen, geehrte Leser, nicht vorenthalten. Folgendes natürlich [sic!]:

EURE HEILIGKEIT

Gibt es den Mann mit dem "Masterplan"
Ist meine nackte Angst nicht in Wirklichkeit
eine nackte Frau?
Sex ist für die Rübe
Rübe ist im Garten
und schläft in Ruh'
(versucht "so wie du" hinzuzufügen; des Reimes wegen, versteht sich)
Denn ich bin besoffen!!!
Besoffen wie ein Loch
10 km in die Erdkruste gebort um Gesteinsproben herauszuholen
während ich Too Short höre
(Motherfuck Motherfuckers)
Nein Nein Nein höre die nackte Wahrheit
Nackt wie Kurt Schwitters
Der mir in meinen Träumen erscheint um mir seltsame Reime vorzusingen
Kurt! Altes Hirschferkel, hast doch sicher auch gekifft
Wie kann man sonst ewig nur scheiße schreiben
wie Mike Krüger in "die Supernasen"
Oh hängt sie auf!
Thomas und Mike baumeln verrottend im Wind
während Thomas G. sich mit verfaulender Hand
Gummibärchen einschaufelt
ein letzter Gruß aus dem Colorado -Land
wo die Goldbären mit den Lakritzschnecken
wild fickende Orgien feiern
ohne zu wissen, daß der Tod auf sie wartet
in Gottschalks jauchigem Sperma
der in meinem Garten onaniert
während ich mich darauf übergebe
Mein Erbrochenes sieht aus wie ein Schuh

Wär ich da nur drangeblieben. Was hätte nicht noch alles aus mir werden können.

Samstag, 22. Februar 2020

#SayTheirNames

Ferhat Unvar
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Said Nessar El Hashemi
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Kaloyan Velkov
Fatih Saraçoğlu
Vili Viorel Păun

Riposa in pace.

Geistig verwirrte Einzeltäter

Was ich hier schon einmal angerissen habe: ich arbeite ja seit geraumer Zeit im psychiatrischen Bereich.
Menschen, die beispielsweise an paranoider Schizophrenie leiden, entwickeln komplexe, in sich geschlossene Wahngebilde, die häufig einen Auslöser brauchen oder sich auf dem Grundstein persönlicher Überzeugungen und Erfahrungen entwickeln.
Die Umwelt wird dann gefiltert und es werden nur noch Sachen wahrgenommen, die das persönliche  Erleben bestätigen oder unterstützen. Was nicht hineinpaßt, wird umgedeutet und Gegenargumente werden ausgeblendet.
Betroffene entwickeln dann beispielsweise einen religiösen Wahn, vermuten überall schädliche Stoffe, die ihren Körper vergiften oder haben ein generelles Mißtrauen gegen bestimmte Berufs- oder Bevölkerungsgruppen, denen sie aufgrund vermeintlicher fehlinterpretierter Beweise unlautere Motive unterstellen.
Aber diese Menschen haben eines gemeinsam: ihr Weltbild ist auf dieser Basis festgefügt. Jede Störung hat ihren Grund und wird aus einschlägigen Quellen so lange unterfüttert, bis sie auf monströse Größe anschwillt.
Der Kranke wacht nicht einfach morgens auf und hat plötzlich die Idee, in einer Shishabar ausländisch aussehende Menschen zu massakrieren, weil er das gerade für eine gute Idee hält. Und zwei Tage später vielleicht Fußballfans, Schornsteinfeger oder Pinguine.
Ein psychisch Kranker, der Taten wie die in Hanau begeht, war vorher schon rassistisch. Und auch, wenn einiges sehr wirr in seiner Argumentation ums Eck kam (was ja auch ein Hauptmerkmal einer psychischen Krankheit ist), war dieser Rassismus doch die ursprüngliche Antriebskraft seines Handelns. Und wurde untermauert durch Verschwörungstheorien und ein gesellschaftliches Gesamtklima, das wir klar zu benennenden Auslösern zu verdanken haben.

Die Dreistigkeit, mit der sich die AfD nun als das eigentliche Opfer von Hanau darstellt, da sie sich als geistiger Brandstifter diffamiert sieht, wo doch angeblich nur ein Irrer plötzlich Amok gelaufen ist, ist für denkende Menschen nur schwer zu ertragen.
AfD und Pegida: das ist euer Werk. Ihr hattet zusammen mit anderen rechten Verschwörungstheoretikern den Finger mit am Abzug. Genau IHR.

Geht in euch und freßt es endlich einmal, anstatt die Welt mit euren Krokodilstränen zu verpesten.

Dienstag, 18. Februar 2020

In zähen Zeiten leben wir

Es ist mal wieder einer dieser Lebensabschnitte, welche die jegliche Abwesenheit von irgendwelchen auch nur milde interessanten Neuigkeiten beinhalten.
Man watet durch Tage zäh wie Haferbrei (nein, lieber Schlick, der ist weniger widerlich), bewältigt leidlich seinen Alltag, der momentan die Gestalt lähmender Routine angenommen hat, und wartet auf eine Initialzündung, egal aus welcher Richtung.
Nach all der Berg - und - Talfahrt der letzten Monate könnte das ja eigentlich erholsam sein; vor sich hinexistieren, routiniert dem Tagwerk nachgehen, an der "Papageienschaukel" weiterarbeiten, bloggenderweise auf das übliche unappetitliche Geschmeiß aus AfD und FDP eindreschen, was man andernorts schon so ausgiebig getan hat, daß man des Wiederkäuens allmählich müde ist, und selbstzufrieden in sich hineinmümmeln.
Immerhin hat man zugegebenermaßen einen sicheren Job und ein Dach über dem Kopf, und sollte nicht seiner Umwelt mit Jammern auf hohem Niveau auf den Spitzfrack gehen.
Erholsam ist hierbei trotzdem erstaunlich wenig.
Der Versuch, menschliche Kontakte zu pflegen, stellt sich gerade als schwierig heraus; virtuell läßt sich das durchaus bewerkstelligen, im realen Leben ziehe ich mich zugegebenermaßen momentan ziemlich zurück, ohne - im Gegensatz zu meiner Adoleszenz - die große Einsamkeit des Schreibers als Pose vor mir herzutragen.
Man sitzt, schreibt, denkt, liest und stellt sich dabei in der Stammkneipe das ein oder andere Bier zwischen die Augen ... ohne damit etwas anderes zu bezwecken, als da zu sein, wo man sich gerade befindet. Da war man früher durchaus ambitionierter.
Und wenn wir gerade dabei sind: mit der Nochfrau hat man sich beiderseits darauf geeinigt, auch schriftlichen Kontakt vorerst bleibenzulassen, da jeglicher Versuch in diese Richtung in ein Niemandsland aus guten Vorsätzen führte, die dann auf halber Strecke versteinerten und seitdem dumm in der Gegend herumstehen.
Zumindest eines hat sich geändert, wenn ich nun schon unfreiwillig mein vor fünf Jahren abgelegtes Leben wiederaufgenommen habe. Man hat kein Image mehr nötig; sondern ist durch seine Lebenserfahrung dermaßen in Form gepreßt, daß der Versuch, sich anders zu geben, als man mittlerweile ist, zu grotesken Verrenkungen führen würde. Die "Jugend forscht" - Zeiten sind unwiederbringlich vorbei, und die Midlife Crisis hat man zum Glück weiträumig umfahren.

Also noch ein Argument mehr für die Notwendigkeit, sich von der eigenen Basis aus neu zu sortieren, anstatt in Lethargie zu verfallen. Zu letzterem verleitet diese Routine nämlich.


Mittwoch, 5. Februar 2020

Die Einschläge kommen näher

Ich habe ja einen soliden Bestand an Bandshirts und neige zudem dazu, Kleidung in verschiedenen Varianten solange aufzutragen, bis sie auseinanderfällt.
Bei Shirts heißt das konkret: werden sie unansehnlich, nutze ich sie als Unterhemd unter Kapuzenpullis oder zur Arbeit. Beginnt der Kragen dann angenagt auszusehen, sind sie als Schlafanzug in Gebrauch, bis Löcher darin auftauchen oder Nähte aufgehen.
Danach werden sie entsorgt und vorher noch photographiert, um diese Bilder dann als Epitaph auf Facebook zu veröffentlichen.
Davon abgesehen, daß dem Ganzen etwas Wahnhaftes eignet, bin ich immer wieder erstaunt, wie lange manche T - Shirts halten; der Durchschnitt überlebt ca. 12 Jahre bis zum endgültigen Verschleiß.
Doch was jetzt über den Jordan geht, stammt noch aus Zeiten, in denen ich nur eine übersichtliche Anzahl im Schrank hatte, so daß ich sie relativ häufig trug; mittlerweile ist das dementsprechende Fach in meinem Kleiderschrank so gestopft voll, daß einige wohl 30 Jahre überdauern werden.
Und somit vermutlich mich gleich mit.
Es ist fast schon trivial, wie sich Gedanken an die eigene Endlichkeit in Hinblick auf solche Alltagsgegenstände manifestieren.
Nicht die Sinnfragen der großen Denker der letzten Jahrhunderte geben den Anstoß zu einer vorläufigen Lebensbilanz, genausowenig wie der Umstand, daß man selbst fast einmal ein Grasbeißer (Martin von Arndt) war; nein, es tut dies der Blick in den Kleiderschrank samt der Gewißheit, daß man wahrscheinlich tot sein wird, bevor das letzte der momentanen Bandshirts zerlumpt auf Facebook auftaucht. Oder das letzte Exemplar des erdplattenverschiebungsmäßig in die Höhe wachsenden Stapels ungelesener Bücher in seinem Schlafzimmer zugeklappt wird. Bevor man jede Platte aus der trotz allen Aussortierens wild wuchernden Sammlung mindestens zehnmal gehört hat.
Man beginnt allmählich, Neuanschaffungen mit dem Blick auf eine imaginäre Uhr zu tätigen.
Das hält einen natürlich nicht davon ab, sie zu tätigen, aber es echot immer die Frage durch den Hinterkopf, was man damit bezweckt, könnte doch morgen schon der grimme Schnitter zum Nachmittagskaffee klingeln und als Grund für sein Erscheinen die geteerte Lunge oder die auf Walnußgröße schrumpfende Leber angeben.
Abgesehen von anderen Unwägbarkeiten wie etwa der, von den sich eifrig weiterdrehenden Rotorblättern eines gerade vor einem auf die Straße gestürzten Hubschraubers filetiert zu werden, während man - ein ungelesenes Buch im Rucksack - auf dem Weg in den Plattenladen seines Vertrauens war.

Um sich ein weiteres Bandshirt zu holen.

Samstag, 1. Februar 2020

Nachtwache

"Eigentlich müßte dir als Nachtmensch die Nachtwache doch liegen?"
Selten habe ich in meinen Berufsjahren einen Satz häufiger gehört, was ihn aber nicht zutreffender macht.
Ja, ich bin ein Nachtmensch; zumeist werde ich gegen 21 Uhr abends richtig lebendig und bleibe das oft bis zu einer Zeit, zu der andere Leute schon wieder aufstehen.
Glücklicherweise komme ich dazu meistens mit fünf bis sechs Stunden Schlaf aus. Ich kann um drei Uhr ins Bett gehen und morgens problemlos um acht oder neun schon wieder auf der Matte stehen, sogar wenn ich mir am Abend vorher diverse Erfrischungsgetränke in den Kopf gestellt habe.
Das ist auch der Hauptgrund, warum ich Nachtschichten so abgrundtief hasse: man hätte zwölfzich bessere Dinge zu tun und ist quasi eingesperrt.
Lebt man noch dazu allein, ist man mal kurzerhand eine Woche lang von allen nichtvirtuellen und nichtberuflichen Sozialkontakten abgeschnitten. Und je nachdem, wo man arbeitet, wundert man sich darüber, daß man sich trotz des Vorhandenseins von fünfzig Leuten um einen herum absolut mutterseelenallein fühlen kann, was oft dazu führt, daß man - auf sich selbst zurückgeworfen - ins Grübeln gerät und häufig frei von äußeren Einflüssen über Dinge nachdenkt, die nicht gerade dazu angetan sind, die Laune zu heben.
Natürlich ist das gelegentliche zu verkraften, aber ein Dasein als Dauernachtwache, wie ich es schon mal führte, halte ich absolut nicht mehr für erstrebenswert; ca. 18 Tage im Monat komplett am Leben vorbeizuexistieren, macht kein noch so wohlgestalteter Gehaltszettel wieder wett.
Noch dazu: was nutzt einem ein nettes Gehalt, wenn man keine Gelegenheit dazu hat, es auszugeben?
Ich erinnere mich: damals vor 12 oder 13 Jahren gab es eine bettlägerige Bewohnerin, die ein ziemlicher Koloß war und deren Tochter sich bemüßigt fühlte, mir durch den Spätdienst eine Nachricht überbringen zu lassen.
Die Nachtwache solle doch bitte darauf achten, daß das Zimmerfenster geschlossen sei; es sei ein Sturm angekündigt, und sie habe angst, daß ihre Mutter vom Sog aus dem Bett gezogen und zum Fenster hinausgerissen werden könnte. Ernsthaft.
Apropos "ernsthaft" und kurzer Themenwechsel: ich habe ja schon einige schlagartig enterotisierende Dinge erlebt. Aber wenn man sich anschickt, mit einer potentiell interessanten Frau eventuell eine Chatkonversation zu starten, ist es ratsam, vorher ihr Profil zu lesen.
Bezeichnet sie sich nämlich darin als "nordische Kriegerin" und gibt als musikalische Vorliebe "Nordic Viking Music" an, ist sehr schnell eine kaum zu toppende Dimension des Grauens erreicht.

Nein, Freya, reite du ruhig mal weiter.