Die KOHI - Veranstaltung "Loose Lips" ist mir mittlerweile zur liebgewonnenen Gewohnheit geworden.
Man stellt sich in zumeist überschaubarer Runde auf eine Bühne und erzählt fünf Minuten lang eine Geschichte auf deutsch oder englisch, weil - da dieses Format ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum kommt - auch viele "native speakers" anwesend sind.
Es gibt - außer dem zeitlichen Rahmen - nur noch die Bedingungen, daß die Geschichte frei vorgetragen und selbsterlebt sein muß.
Natürlich stellt sich immer die Frage, was man dabei bereit ist, von sich selbst preiszugeben; das gemütliche Setting und preiswerte alkoholische Getränke verleiten den ein oder anderen auch gerne dazu, sich in Selbstreflexion zu üben oder einfach mal sein Herz auszuschütten.
Das muß man nicht unbedingt gutfinden oder verstehen; aber aus eigener Erfahrung weiß ich, daß es etwas erstaunlich Befreiendes haben kann, Dinge, die man seit Jahren mit sich herumschleppt, vor einer kleinen Gruppe zumeist wildfremder Menschen, die das nicht sonderbar findet, einfach mal auszusprechen.
Eine durchaus karthatische Wirkung hatte es, als ich - einem dunklen inneren Drang nachgebend - das schwierige Verhältnis zu meinem Vater in meiner Kindheit und Jugend samt unserer Aussöhnung 15 Jahre vor seinem Tod anriß; es tauchte aus dem Nichts auf und wollte an dem Abend einfach heraus.
Aber nicht alles hat den Beigeschmack von Gruppentherapie, sondern soll einfach unterhalten; gestern war das Thema "Good intentions gone bad", zu dem ich zwei Anekdoten beisteuerte.
Die erste drehte sich um meine hier schon beschriebene grauenhafte Lesung im "Vereinsheim" in München - Schwabing (nach der ich bis heute nicht mehr in München auftreten wollte) und die zweite kündete von einem grandios vermasselten Date, über das ich heute - altersmilde mir selbst gegenüber - lachen kann.
Ich kann mit dem Umstand, mit Sicherheit für Frauen kein Geschenk der Natur zu sein, mittlerweile ganz gut leben; hat mich dieser Umstand doch nicht daran gehindert, in dieser Hinsicht in den letzten 22 Jahren recht erfolgreich unterwegs gewesen zu sein.
Aber halt: 22 Jahre?
Nun, ich war ein extremer Spätzünder.
Da ich einen Großteil meiner Kindheit und Teenagerzeit als Mobbingopfer verbrachte und danach noch geraume Zeit benötigte, um an sowas wie Selbstsicherheit und -vertrauen überhaupt nur zu denken, hatte ich meine erste richtige Freundin tatsächlich erst mit 24. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich in der Hinsicht bereits resigniert und mich auf ein lebenslanges zölibatäres Dasein eingerichtet.
Zum Glück rauschte dieser Kelch dann an meiner bereits ausgestreckten Hand in einem plötzlichen Energieschub doch noch mit Vollgas vorbei.
Ein Womanizer war und bin ich trotzdem bis heute nicht; als ich dann mit 26 wieder selbstgewählt Single war, richtete ich mich darauf ein, daß das auch längere Zeit so bleiben würde (es wurden dann anderthalb Jahre) und begab mich damals noch in Speyer auf eine Party.
Erstaunt mußte ich dort feststellen, daß die hübscheste Frau des Abends, eine zierliche Garagenrock - Hörerin mit kurzen, rotgetönten Haaren, meine Gesellschaft suchte, sich freiwillig mit mir unterhielt und vorschlug, daß wir uns mal treffen könnten, um zusammen was trinken zu gehen.
Natürlich sagte ich zu; drei Tage hatte ich die Zeit, mir zu überlegen, wie ich bei diesem Date auftreten wollte und gute Freunde um Rat zu fragen.
Ein guter Rat an Freunde: frage nie vor einem Date gute Freunde um Rat.
Man sollte einfach sich selbst und natürlich sein, denn ansonsten stanzt man sich Schablonen aus, in die man sich preßt und in denen man in dieser verrenkten Haltung verkrampft.
So auch hier: "geh auf sie ein! Frag sie, was sie macht und denkt! Erzähl nicht nur von dir selbst" wurde mir geraten, was in den grandios glumpfigen Einstiegssatz
"Und was denkst du so? Was bewegt dich?"
mündete. Eigentlich hätte da bereits in Monty - Python - Manier ein Ritter erscheinen müssen, um mir ein gerupftes Huhn über die Rübe zu hauen.
Demzufolge holperte das Gespräch auch von einem Eselkarren über einen Gebirgspfad gezogen dahin; irgendwann erzählte ich dann, daß ich beabsichtige, nach Karlsruhe zu ziehen.
"Ich habe einen guten Freund in Karlsruhe, der hat auch einen tollen und verantwortungsvollen Job."
"Aha."
Im Inneren ging ich kurz diverse Möglichkeiten durch. Intensivpfleger? Sozialarbeiter?
"Ja, der arbeitet im Zoo als Tierpfleger."
Worauf ich lauthals herausprustete.
"Was ist daran so lustig?"
"Och, nichts. Ich finde, ein Mann sollte eine verantwortungsvolle Aufgabe im Leben haben. Und sei es, den Streichelzoo auszumisten."
Und von diesem Gipfel der Grunzdummheit aus habe ich sie danach nie mehr wiedergesehen.
Freitag, 10. Januar 2020
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