Sonntag, 12. April 2020

DYNAMO 1995 ... der Tragödie letzter Teil

Ich muß mich zunächst einmal korrigieren. Auch mein eigentlich unschlagbares Erinnerungsvermögen ist nicht immer verläßlich; dachte ich doch, das DYNAMO 1995 sei mein letztes gewesen, jedoch war ich von 1994 - 1996 am Start.
Da ich teilweise auch diverse Bands durcheinander brachte (beziehungsweise welche davon in welchem Jahr spielte), war ich mal so frei, das Line - up nachzugoogeln:

21./22. Mai 1994: Clawfinger, Cynic, Danzig, Die Krupps, Forbidden, Gorefest, Kyuss, Life of Agony, Nerve, Pride & Glory, Prong, Sick of It All, Skyclad, The Organization, Urban Dance Squad, Vicious Rumors, Skintrade

2./3./4. Juni 1995: 35007, Biohazard, Blitz Babies, Brotherhood Foundation, Crash Worship, Dog Eat Dog, downset., Dub War, Earth Crisis, Eleven Pictures, Fear Factory, Grip Inc., Hate Squad, Horace Pinker, Life of Agony, Machine Head, Madball, Mary Beats Jane, Mental Hippie Blood, Motorpsycho, My Dying Bride, Nailbomb, Nevermore, No Fun At All, NRA, Orange 9mm, Overdose, Paradise Lost, Rape, Rich Kids On LSD, Schweisser, Shihad, Skyclad, Snapcase, Strawman, Sun, Tiamat, Trouble, Type O Negative, Undeclinable Ambuscade, Warrior Soul, Waving Corn, Korn, Cradle of Filth

24./25./26. Mai 1996: 59 Times the Pain, 7Zuma7, Altar, Anathema, Bambix, Channel Zero, CIV, Cooper, Dog Eat Dog, Down by Law, Dreamgrinder, Eboman, Frozen Sun, Galactic Cowboys, Gorefest, Gurd, H2O, Merauder, Millencolin, Neurosis, NRA, Orphanage, Osdorp Posse & Nembrionic, Pennywise, Pitchshifter, Pro-Pain, Ryker’s, Sacred Reich, Satanic Surfers, Savatage, Skippies, Skrew, Slapshot, Slayer, Spiritual Beggars, Strung Out, Stuck Mojo, The Exploited, The Gathering, Unsane, Venom, Voivod, White Devil

Was für eine Parade teilweise längst vergessener Bands (manche davon durchaus zurecht), verbunden mit einer Flut von Erinnerungen. Aber dazu später.
Bevor ich an irgendwelche Bands überhaupt denken konnte, mußte ich auf dem Campingplatz des Festivalgeländes ja zuerst einmal den südpfälzer Stützpunkt ausfindig machen.
Hierzu hatte ich mich mit den Mitgliedern meiner damals noch zumindest pro forma existenten Gurkentruppe CONTRACT am Meeting Point verabredet.
Das war eine das Festivalgelände weithin überragende Säule, deren Spitze eine Art - sorry - Indianerkopf schmückte und die mir auch im Jahr vorher bereits aufgefallen war, ohne daß ich wußte, daß es sich dabei um den Meeting Point handelte, an dem sich Versprengte einfinden konnten.
Dummerweise wußte ich das auch zu jenem Zeitpunkt noch nicht. Es hatte mich weder interessiert, noch hatte ich mich um irgendwas gekümmert.
Also schleppte ich mich bei drückender Schwüle wie ein Maultier beladen über den zum Festivalgelände gehörenden Campingplatz, kurz vor dem physischen und psychischen Kollaps, und taxierte Autos, Kleintransporter und Zelte in der Hoffnung, irgendein bekanntes Gesicht zu entdecken.
Nach ungefähr einer Stunde konnte ich nicht mehr. Also entschloß ich mich zu einer riskanten Aktion: ich sprach eine auf einem Klappstuhl vor einem (ich glaube grünen) Kombi sitzende deutsche Frau an und bat sie, mein Gepäck bei ihr am Auto deponieren zu können.
Anfangs zögerte sie noch, doch nachdem ich ihr wortreich meine mißliche Lage geschildert hatte, stimmte sie widerwillig zu.
Da mein Orientierungssinn dem eines blinden Alzheimerkranken ähnelt, sah ich mich nun zwar um einige Kilo erleichtert, aber dafür in einer doppelten Streßsituation: ich mußte den Rest der Meute finden, durfte aber nicht vergessen, wo ich meine Taschen, meinen Schlafsack und meinen Bierproviant gelassen hatte.
Wie dem auch sei: geschätzt anderthalb Stunden später lief ich doch welchen von meinen Leuten über den Weg. Nach weiteren ca. anderthalb Stunden, die es brauchte, das Auto mit der deutschen Frau und meinem Gepäck wiederzufinden, konnten wir endlich zum gemütlichen Teil des Abends übergehen.
Also flugs einen Schlafplatz im Zelt organisiert, darauf die mitgebrachte türkische Flagge gehißt (wie gesagt, damals als Antifa - Statement gedacht, als ein Erdogan noch lange nicht in Riechweite war), und dort erstmal etwas geruht und tatsächlich versucht, für die anstehende Prüfung zu lernen.
Erraten, daraus wurde während des ganzen DYNAMO nichts, so daß ich sie halbwegs gegen die Wand fuhr und nochmal ins Mündliche mußte, wo ich meine Note immerhin noch auf eine Zwei hochquälte.
Nach geschätzt 17 Minuten Entspannung wurde es dann auch schon Zeit, sich im Großzelt abseits der Hauptbühne erste Bands anzusehen, Bier in sich hineinzuschütten, als würde es um Mitternacht schlagartig auf dem kompletten Gelände verdampfen und - ho ho ho, wie subversiv - demonstrativ in irgendeinem miefigen Bob - Marley - Wohnwagenkabuff einen ordentlichen Vorrat an Rauchbarem zu organisieren.
So verrann die Zeit; während man auf der Bühne irgendwelche Bands zunehmend anstierte und allgemeinzustandsbedingt dazu tendierte, jedem erdenklichem Glumpf noch irgendwas abgewinnen zu können ("irschendwie finn isch des Riff do schunn geil").
Ich erinnere mich zum Beispiel noch an SUN, eine deutsche Band, die eine Art Industrialmetal spielte, bei dem ständig als Stilmittel eine dominante Querflöte zum Einsatz kam und die unter anderem von mir hemmungslos abgefeiert wurde. Heutzutage bekäme ich dabei wahrscheinlich die galoppierende Krätze (ich könnte das über You Tube ja sehr leicht herausfinden, aber ich habe keine Lust dazu), aber ich war jung, dicht bis in die Haarspitzen und fand das Gesamterlebnis unübertrefflich großartig. Genauso hielt ich am nächsten Tag die auf Platte geradezu unterirdischen DUB WAR für das Beste, was ich seit langem gehört hatte. Dies führte nach meiner Heimkehr zum sofortigen CD - Erwerb ... und in der Folge dazu, daß dieselbe meinen Bestand ein Jahr später wieder verließ, ohne öfter als zweimal gehört worden zu sein.
Aber zurück zu jenem Abend.
So zog man sich also stückweise die Vorhänge zu, bis dann nach Einbruch der Nacht sich auch auf das Haupt der große Verdunkelungshammer niedersenkte. Also Zeit, nach den Strapazen des vergangenen Tages ins Zelt zu torkeln und trotz der gigantischen Lärmkulisse um einen herum endlich mal auszuschlafen.
Ich erspähte im Dunkel vage das wehende Rot der Flagge und bewegte mich darauf zu, stets bemüht, nicht über gespannte Schnüre zu stolpern oder gar gleich auf aufgebaute Zelte zu stürzen ... was in einer Mischung aus Kif und Suff auch nicht einfacher war, als meinen halben Hausstand durch die Gegend zu schleifen. Dabei hatte ich die Flagge fest im Blick ... und auf einmal war sie weg.
Verwirrt suchte ich die Zelte ab ... bis ich sie in einer Richtung entdeckte, die mich dazu brachte, mir die Frage zu stellen, wie zur Hölle sie dahin gekommen war (beziehungsweise: wie ich so vom Weg abkommen konnte).
Also Richtungswechsel, auf das Ziel zugestolpert, einmal den Blick abgewandt ... und wieder das gleiche Spiel. Die Flagge war unerreichbar weit weg.
Den Weg zurück ... und wieder das Gleiche. Den Weg zurück ... und wieder das Gleiche. Den Weg zurück ... und wieder das Gleiche.
Langsam machte sich Verzweiflung in mir breit. Ich fragte mich, ob es da irgendeine metaphysische Ebene gab. Büßte ich irgendwelche Sünden ab? War ich in einem surrealen Alptraum gefangen?
Nachdem ich mindestens drei Stunden unterwegs war und bereits die Morgendämmerung hereinbrach, erblickte ich dann den Sprinter, mit dem ein Teil unserer Gruppe gekommen war, und hinter dem Steuer saß der schlafende Robert S., den ich erst einmal a) durch heftiges Klopfen an die Scheibe wecken mußte, worüber er verständlicherweise nicht gerade begeistert war und b) dazu überreden mußte, mir Platz zu machen.
So kroch ich halb ohnmächtig ins Führerhaus und kam noch zu ungefähr drei Stunden Schlaf, aus dem ich dermaßen zerknittert erwachte, daß ich mich zuerst einmal mit allerlei Substanzen wieder glattbügeln mußte.
Dabei sah ich dann, daß in exakt einer Linie in einem Abstand von ca. 100 Metern zwei Zelte standen, die eine rote Fahne gehißt hatten, und ich Stunden wertvoller Lebenszeit damit zugebracht hatte, zwischen beiden hin und her zu schwanken.

So war das also auf dem DYNAMO 1995. Soviel Spaß hatte ich nur selten im Leben.

Zum Glück.



Mittwoch, 25. März 2020

DYNAMO 1995 ... der Tragödie zweiter Teil

Die Reise verlief erst einmal gut.
Ich versuchte, mein Gepäck etwas leichter zu machen, indem ich mir gemütlich zwei oder drei Bier in den Kopf stellte, so daß kurz vor Köln der erste Vorbote nahenden Harndrangs herbeigaloppierte.
Aber das war ja alles kein Problem; nachdem ich in aller Ruhe umgestiegen war, könnte ich im Zug nach Eindhoven ja die Toilette aufsuchen, anstatt durch unvorhergesehene Umstände (ich war in solchen Angelegenheiten immer übervorsichtig) den Anschlußzug zu verpassen.
Sie ahnen es bereits: daraus wurde nichts.
Der Anschlußzug war nicht einfach nur voll, er platzte aus allen Nähten, bis unter die Decke vollgestopft mit Punks und Metalkids (was ich zu der Zeit ja auch war) mit unterschiedlichen Promillegraden von "beschwipst" bis "lebender Leichnam".
Ich fand wie durch ein Wunder noch einen Sitzplatz, und zwar neben einem Mann mittleren Alters (Ende 30, Anfang 40, schätze ich mal), der wohl offensichtlich nicht auf's DYNAMO wollte und die ganze Szenerie mit einem mild ironischen Lächeln verfolgte.
Soweit, so gut. Zeit, die Toilette heimzusuchen.
Zeit, festzustellen, daß sie nicht nur blockiert war, sondern daß davor Menschen auf einem Haufen lagen, und zwar teilweise in drei Lagen übereinander. Um auch nur in die Nähe des WC zu kommen, hätte man einen Schneepflug gebraucht.
Der Harndrang entwickelte sich langsam zu einem ernstzunehmenden Problem, und das offensichtlich nicht nur bei mir. Irgendwann kurz hinter Hagen fanden alle möglichen Schweinereien in meinem Zugabteil statt. Menschen urinierten in Flaschen und Dosen und schütteten den Inhalt dann aus dem Fenster, oder erstiegen in einer abenteuerlichen Kletterpartie Sitzlehnen, hielten sich am Gepäcknetz fest und beförderten ihren Ballast direkt aus dem fahrenden Zug.
Mittlerweile mußte ich auch geradezu rhinozeroid pissen, hatte aber keine Lust, mein Gemächt im Fahrtwind zu schlenkern.
Also entschloß ich mich für die Lösung mit der Dose und versuchte, mich auf meinem Sitz möglichst klein zu machen und dabei meinen Hosenstall zu öffnen.
Zumindest hatte ich den Anstand, meinem Sitznachbarn die dringende Notwendigkeit der ganzen Aktion zu erklären, was ihn aber nicht daran hinderte, mich grinsend zu beobachten, während die umsitzenden Punks meinten, mich mit einem rhythmischen "HEY HEY HEY" anfeuern zu müssen.
Da ich noch über einen Rest Selbstachtung verfügte (wobei ich nicht verhehlen will, daß es später im Leben Zeiten gab, zu denen mir das alles herzlich egal gewesen wäre), brach ich die Aktion ab und litt Tantalusqualen, bis der Zug endlich in Eindhoven einfuhr.
Als ich dort dem Höllengefährt entstieg, hatte ich es entgegen meiner Befürchtung zwar geschafft, mir nicht vollrohr in die Hose zu seichen, dafür schmerzten meine Nieren aber derart, daß ich kaum noch laufen konnte.
Aber nun würde doch endlich ... nein. Man wollte mir nichts gönnen, nicht mal, mich in ein Gebüsch zu schlagen.
Schnurstracks wurden wir zu einem Anschlußbus geleitet, der, es war kaum zu glauben, noch voller war als der Zug. Ich schaffte es gerade so hinein, dermaßen dicht an die Tür gedrängt, daß der Fahrer sie dreimal öffnen und schließen mußte, da er jedesmal einen Bestandteil meines Gepäcks darin einklemmte.
Als wir nach noch einmal gefühlt drei Stunden Fahrt endlich am Festivalgelände ankamen, stürzte ich aus dem Bus und fand tatsächlich ein Toilettenhäuschen, in dem ich dann gefühlt neun Minuten am Stück pißte. Dieses schäbige Bauwerk war in diesem Moment der schönste Ort der Welt.
Nun war ich da und konnte mich endlich darauf konzentrieren, den Rest der Bagage zu finden.
Und beim Versuch, dieses Vorhaben umzusetzen, stellte ich fest, daß ich mit der Herfahrt gerade einmal die Hälfte aller auf mich wartenden Prüfungen geschafft hatte.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 23. März 2020

DYNAMO 1995... der Tragödie erster Teil

Eine Geschichte, die ich bereits beim bereits erwähnten "Loose Lips" - Abend im KOHI in stark verkürzter Form auf die Bühne gebracht habe, und zwar auf Englisch.
In dieser Version bleibe ich dann doch in meiner Muttersprache.

1995. Pfingsten nahte ... Tage, an denen wir (die ganzen Hardcore - und Metalrenegaten der Südpfalz) uns zusammenfanden, um auf's DYNAMO - Festival nach Eindhoven zu pilgern, um uns dort in erster Linie in billigem Dosenbier zu marinieren und ungehindert zum Zweck des Einkaufs Zelte zu frequentieren, auf denen die jamaikanische Flagge wehte.
Dazu wurden kulinarische Köstlichkeiten wie Cabanossi aus dem ALDI sowie der "Bill Collins Feuertopf" (oder gar glattkackweg "Feuerzauber") aus demselbigen gereicht.
Dazu gab es 24 Stunden am Stück gute Musik in brüllender Lautstärke, wenn nicht von der Bühne, dann aus sämtlichen auf dem zugehörigen Campingplatz herumstehenden Autos, in dem in gefühlt jedem ein anderes gerade angesagtes Metalalbum lief (abgesehen von dem von Tex Dixigas, der das Ganze gewagt mit "Mind Playing Tricks On Me" von den Geto Boys konterte).
Das war in den zwei Jahren vorher schlagartig zum Höhepunkt des Jahres mutiert, und man freute sich nach dem überstandenen DYNAMO bereits auf das nächste. Alle unsere Lieblingsbands spielten dort: ich sah Prong, Slayer, Slapshot, Unsane, Sick Of It All, Madball, Venom in Originalbesetzung und jede Menge anderes Zeug, das ich am Rande mitnahm und schnellstmöglich wieder vergaß. Der Rest des Tages bestand aus Saufen, Kiffen, Umfallen, Wachwerden, Saufen, Kiffen und wieder Umfallen.
Es begab sich aber zu jener Zeit, daß ich die Abschlußprüfungen für meine Ausbildung zum Altenpfleger schreiben mußte, vier an der Zahl. Krankenpflege, Rechts - und Verwaltungskunde (still hate it, always will), Gerontologie und Medizin.
Dummerweise fiel die Gerontologieprüfung auf den Freitag, an dem fast alle schon relativ früh nach Eindhoven aufbrechen wollten, und die Medizinprüfung auf den Dienstag nach Pfingsten.
Wäre ich vernünftig gewesen, hätte ich schweren Herzens auf das Festival verzichtet, um mich adäquat auf meine letzte Prüfung vorzubereiten, das war ich aber nicht. Ich war 21. Reicht das als Begründung?
Also beschloß ich, nach dem Ende meiner Prüfung der kompletten Bagage mit dem Zug hinterherzureisen und stellte mir das passende Marschgepäck zusammen. Dieses bestand aus einer Palette (tatsächlich: 24) Halbliterdosen Holsten - Bier, verteilt auf einen Rucksack, eine Reisetasche und eine Art Seesack, der - um alle Säcke komplett zu machen - wiederum meinen Schlafsack enthielt, so daß ich ungefähr 30 Kilo Ballast durch die Gegend schleppte. Meine Schulunterlagen des Faches Medizin waren natürlich auch dabei, in völlig unbegründetem Optimismus davon ausgehend, in der ein oder anderen stillen Minute tatsächlich noch lernen zu können. Dazu eine türkische Nationalflagge, die ich einem Freund von mir quasi als Anti - Nazi - Protest abgekauft hatte (wie gesagt, ich war ein 21jähriger Möchtegernpunk), und der im Lauf dieser Geschichte noch eine wichtige Rolle zufallen sollte.
Und so bestieg ich nach meiner Gerontologieprüfung umgehend den Zug am Landauer Hauptbahnhof. Die genaue Route ist mir nicht mehr erinnerlich, ich meine aber Landau - Karlsruhe - Köln - Eindhoven.
Bis Köln verlief auch alles noch erstaunlich reibungslos. Doch ab Köln tauchte dann ein gar mächtiges Problem auf, das mich auf eine harte Probe stellen sollte.

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 21. März 2020

Doch kein Wort, sondern eine Ankündigung

Nun habe ich mal wieder einige Tage pausiert und wollte eigentlich schon anheben, meine Befindlichkeiten im Angesicht der momentanen Krise (die ich mittlerweile für ziemlich ernst halte) zu schildern, bis irgendein innerer Schweinehund die Notbremse zog.
Denn: abgesehen davon, daß wir momentan alle im selben Boot sitzen und ich beim besten Willen niemandem erzählen muß, wie es ist, in einer weitgehend entvölkert scheinenden Stadt das Wochenende oder wunderschöne Frühlingstage (oder beides zusammen) in der eigenen Wohnung zu verbringen, ist das Thema weltweit so omnipräsent, daß ich hier in diesem Blog nicht auch noch offene Scheunentore einrennen muß.
Will heißen: warum sollte ich die Gelegenheit nicht nutzen, Sie mit diversen launigen oder weniger launigen Anekdoten zu unterhalten, um Sie auf andere Gedanken zu bringen, egal, wie die geformt sein mögen?
Also folgen in den nächsten Tagen noch Schwänke aus meinem Leben, Platten - und Buchkritiken, Liebeserklärungen und Polemiken.
Und kein Wort über Corodingsbums, außer es ist etwas, was mein Leben gerade extrem beeinflußt.

Also: passen Sie auf sich auf. Und (doch ein Wort) denken Sie in einer stillen Minute vielleicht mal daran, daß auch King Bronkowitz in der Pflege arbeitet und drücken Sie mir die Daumen.
Das hätte durchaus etwas ermunterndes, wenn nicht sogar tröstliches.

Montag, 9. März 2020

Doch ein Wort: Ergänzung

...und auf einmal sieht man sich anderweitig in eine Diskussion über Fußballfankultur verwickelt. Ein Thema, das man eigentlich bereits längst auf dem Müllhaufen der eigenen Lebensgeschichte wähnte.
Also gerne nochmal als Ausgangspunkt:

Seit 1980 war ich glühender Fan des 1.FC Kaiserslautern. Ich war zwar - hauptsächlich berufsbedingt - selten im Stadion, habe den Verein aber immer unterstützt und stand auf Seiten der aktiven Fans, ebenso wie ich mit den Ultras sympathisiert habe.
Das tue ich im Prinzip heute noch, auch wenn das Thema für mich abgehakt ist.

Will heißen: ich nehme mir durchaus das Recht heraus, mal ein paar kritische Worte zu äußern.
Natürlich ist das Statement der "Schickeria" durchdacht und intelligent formuliert.
Hätte man es vor diesen ganzen Schwachsinnsaktionen (und bei dieser Ansicht bleibe ich) veröffentlicht, wäre es dennoch sinnvoller gewesen und hätte in der Presse eventuell ein gewogeneres Echo gefunden.
Auch die ganzen Medien, die jetzt kritisch über den neuen Kulturkampf im Stadion berichten, haben sich genauso kritisch beispielsweise über RattenBall Leipzig geäußert, ohne diese Pest verhindern zu können.
Deswegen glaube ich, daß sie in der Causa Hopp nichts bewegen werden, solange sämtliche maßgeblichen Entscheidungsträger um ihre Pfründe besorgt sind. Der Fan alten Schlags ist längst eine Minderheit in den Stadien, und wird höchstens noch als Folklore aus längst vergangenen Zeiten wahrgenommen ... und nun noch dazu als Störfaktor.
Mein Fazit war (und bleibt):

man hätte schon viel früher überlegt und konzertiert Boykottaktionen durchführen sollen, dann hätte sich die Situation gar nicht erst so entwickelt, wie sie sich heute darstellt.
Stattdessen liefert man Kommerzknechten wie Alfred Draxler mit solchen Aktionen Munition für ihren Schwachsinn und ist ernsthaft so naiv zu denken, der gemeine Sport - BLÖD - oder kicker - Leser wäre nach diesem ganzen medialen Overkill noch in der Lage, auf Subtilitäten und Querverweise einer Gruppierung einzugehen, die schon längst durch besagte Quellen als das Böse schlechthin stigmatisiert ist.
Man hat vielleicht kleinere Erfolge erreicht, die aber eher das herumdoktern an Einzelsymptomen waren, während der Körper an sich immer noch dahinsiecht.
Es wird sich IMHO nichts ändern, bevor dieses Schweinesystem, das einmal eine Freizeitbeschäftigung für normale, arbeitende Menschen war, komplett kollabiert und wie des Fischers Fru wieder da landet, wo es herkam.
Sollten solche Aktionen tatsächlich dazu beitragen, werde ich gerne öffentlich Abbitte leisten; ansonsten halte ich das alles nach wie vor für zu spät, zu unüberlegt und ein mit falscher Bewaffnung Don - Quixotehaftes Anreiten gegen Windmühlen, und zwar auf einem toten Pferd.

Sollte es trotzdem was bringen: weitermachen.

Eigentlich habe ich keine Lust mehr, über Fußball zu diskutieren, aber die Reaktionen auf meinen letzten Eintrag machten diese Stellungnahme noch notwendig.

Kein Wort

Ich werde den Coronavirus mal Coronavirus sein lassen.
Natürlich bin auch ich inzwischen zunehmend milde besorgt, aber es wird momentan soviel darüber geredet und geschrieben, daß ich die Sau nicht auch noch durch meinen Blog reiten muß.
Vielleicht werde ich mich früher oder später dazu äußern (müssen), aber momentan genügt mir die Bitte, sich aus seriösen Quellen zu informieren.
Ansonsten kommt nämlich neben allerlei apokalyptisch verbrämtem Vollwahn solche Scheiße dabei raus wie die, daß die Politik mit der Fokussierung auf den Coronavirus von der heranbrandenden neuen Flüchtlingswelle ablenken will.
Während wir also husten, rotzen und es uns zwischen 2300 Rollen Klopapier im Desinfektionsbad bequem machen, steht der Negersmann bereits tausendfach samt Schlauchboot auf unserer Fußmatte, und keiner hat's gemerkt. Was sind das doch alles für Schlingel.
Ach nein, es will doch grad keine Ruhe geben. Spontaner Gedanke: was macht man eigentlich in häuslicher Quarantäne, wenn man wie ich einen weitgehend verwaisten Kühlschrank hat, weil man so gut wie nie kocht, da man eh fast nie zu Hause ißt?
Den Pizzadienst rufen? Und der erscheint dann im ABC - Schutzanzug und wirft den Lappen durch's offene Fenster? Fragen über Fragen.
Ansonsten geht alles recht gemächlich seinen Gang, sofern es in der derzeitig um sich greifenden Unruhe möglich ist.
Man wundert sich, daß bei Großveranstaltungen scheinbar mit zweierlei Maß gemessen wird: einerseits werden Konzerte abgesagt, andererseits scheint es kein Widerspruch dazu zu sein, daß sich an allen möglichen Wochentagen tausende von Fußballfans preßwurstig in Stadien quetschen.
Zum Glück geht mir dieser Zirkus mittlerweile dermaßen am Arsch vorbei, daß ich mich nur am Rande mit der Causa Hopp beschäftigen muß.

Aber eines kann ich mir doch dazu aus dem Ärmel leiern:

Ein Freund von mir echauffierte sich über die angebliche Infragestellung rechtsstaatlicher Prinzipien. Und warum? Weil der DFB Kollektivstrafen verhängt? Weil man im Stadion niemanden mehr im Fadenkreuz zeigen oder als "Hurensohn" beschimpfen darf?
Ich bin wegen Leuten wie Hopp und Mateschitz mit Fußball fertig, trotzdem ist mir diese pubertäre und niveaulose Art des Protests fremd. Vor allem, da sie komplett kontraproduktiv ist und die Betreffenden mit einer kleidsamen Opferrolle ausstattet, wobei ich Hopps soziales Engagement durchaus gutheiße. Aber darum geht es in dem Fall ja nicht..
Vor allem, da die Ultragruppierungen gleichzeitig ebenfalls in eine selbstgewählte Opferrolle schlüpfen, die jedem Böhse - Onkelz - Text zur Ehre gereichen würde. Dabei wäre es so einfach gewesen: wären die Leute bei Heimspielen gegen Rattenball oder Hoffenheim einfach daheim geblieben, wäre das um einiges effektiver gewesen. Kein Verein hätte dann noch ein Interesse daran gehabt, mit solchen Konstrukten in einer Liga zu kicken, wenn bei jedem Heimspiel der Großteil der Zuschauer weggeblieben wäre.
Aber nein, man rennt brav ins Stadion, um dort zu "protestieren", hält diese Maschinerie am Laufen, läßt sich jetzt durch dieses grunzdumme "Hurensohn" - Geblöke als Negativbeispiel instrumentalisieren und schaufelt seiner Szene damit komplett das Massengrab, weil man einfach nie dazu fähig war, konsequent und kollektiv einen Stadionboykott durchzuziehen, der das einzig probate Mittel gewesen wäre.
Stattdessen schafft man sich selbst ab und hilft somit dabei, noch mehr obskuren Ekelpaketen wie Lars Windhorst das Einfallstor in die Liga zu öffnen.

Wie hieß es früher oft in Kurven? "Ihr seid so blöööd, ihr seid so blööd".


Freitag, 28. Februar 2020

Der Dichterfürst

Nach all den schwer besinnlich - nachdenklichen Beiträgen der letzten Wochen überfiel mich heute der unbezähmbare Drang, mal wieder dem Schwachsinn zu frönen, um es einmal in meiner neuerworbenen Studienratsdiktion auszudrücken.
Besoffen zu schreiben ist eine Kunst für sich.
Zu den Zeiten von "Kreisklassenhölle" hatte ich es (nicht nur) hierin zu einiger Meisterschaft gebracht, denn immerhin brachte ich einen kompletten Roman zustande, den ein paar Menschen sogar lesbar fanden.
Aks ich begann, mich zumindest halbwegs ernstzunehmend schreiberisch auszudrücken, war ich knapp volljährig; früheste Versuche datieren aus einer Zeit um meinen 15. Geburtstag herum, die ich aber beim besten Willen noch nicht einmal mehr selbst lesen kann, ohne vor Scham in Treibsand versinken zu wollen.
Sicherlich: einige von Ihnen fänden jene Versuche mit Sicherheit phantasievoll, denn diese war schon immer blühend; nach der Lektüre von drei John - Irving - Büchern zu dieser Zeit (von denen mich "Garp und wie er die Welt sah" und "Laßt die Bären los!" am meisten beeindruckten), begann ich, längere Texte zu verfassen und sie mit abstrusen Gestalten zu bevölkern.
Mit einer Geschichte gewann ich sogar 1989 einen Schreibwettbewerb der Landauer Stadtbücherei. So weit, so gut. Trotzdem:
Protagonisten mit Namen wie "Pinguin Jones", "Nexa Blank" oder einäugige ältere schwarze Herren, die "Stein Bein" heißen (nachdem sie ihren Namen haben eindeutschen lassen; vorher hießen sie nämlich ... oh Jessas, ich will das eigentlich nicht schreiben, aber fürchte, nun muß ich es tun.
Also gut, Achtung: "Stone Bone") haben zurecht nie im Komplettzustand das Licht der Welt erblickt, und geht es nach mir, werden sie bis ans Ende meines Lebens in meiner geistigen Sacksuppe herumschwimmen.
Jedenfalls fiel mir heute Morgen nach dem Aufstehen ein, daß ich mit 19 Jahren (am 12.03.1993, um genau zu sein) einmal ein gar waaaaaghalsiges Experiment startete: in meiner damaligen Stammkneipe, dem "Terminal" in Landau, zog ich mir ordentlich die Vorhänge mit Persicos zu; 12 Stück davon goß ich mir auf die Lampe.
Heute bekomme ich bereits Sodbrennen, wenn ich an dem klebrigen Zeug nur rieche, aber damals hatte ich bei "richtigem" Schnaps noch ziemliche Hemmungen und wich auf Likör aus.
Nichtsdestotrotz war Teil 1 meines Vorsatzes damit erledigt; Teil 2 bestand darin - nachdem mich Freunde wieder an der Wohnung meiner Eltern in Bellheim (still hate it, always will) abgesetzt hatten, mich an meinen Schreibtisch zu setzen und auf ein Blatt Papier zu kritzeln, was mir gerade einfiel.
Ich machte mich also heute auf die Suche nach dem Ergebnis und fand es unter Bergen von mir beschriebenen Papiers (Entwürfe für Geschichten; sinistre Gedichte aus meiner Punkzeit; CONTRACT - Songtexte in grausamem Englisch; HipHop - Texte in für diesen Zweck fast zu gutem Deutsch; in Kneipen mit Ideen vollgekritzelten Bierdeckeln etc).
Und diese Pretiose möchte ich Ihnen, geehrte Leser, nicht vorenthalten. Folgendes natürlich [sic!]:

EURE HEILIGKEIT

Gibt es den Mann mit dem "Masterplan"
Ist meine nackte Angst nicht in Wirklichkeit
eine nackte Frau?
Sex ist für die Rübe
Rübe ist im Garten
und schläft in Ruh'
(versucht "so wie du" hinzuzufügen; des Reimes wegen, versteht sich)
Denn ich bin besoffen!!!
Besoffen wie ein Loch
10 km in die Erdkruste gebort um Gesteinsproben herauszuholen
während ich Too Short höre
(Motherfuck Motherfuckers)
Nein Nein Nein höre die nackte Wahrheit
Nackt wie Kurt Schwitters
Der mir in meinen Träumen erscheint um mir seltsame Reime vorzusingen
Kurt! Altes Hirschferkel, hast doch sicher auch gekifft
Wie kann man sonst ewig nur scheiße schreiben
wie Mike Krüger in "die Supernasen"
Oh hängt sie auf!
Thomas und Mike baumeln verrottend im Wind
während Thomas G. sich mit verfaulender Hand
Gummibärchen einschaufelt
ein letzter Gruß aus dem Colorado -Land
wo die Goldbären mit den Lakritzschnecken
wild fickende Orgien feiern
ohne zu wissen, daß der Tod auf sie wartet
in Gottschalks jauchigem Sperma
der in meinem Garten onaniert
während ich mich darauf übergebe
Mein Erbrochenes sieht aus wie ein Schuh

Wär ich da nur drangeblieben. Was hätte nicht noch alles aus mir werden können.